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Als Katzenkonigfall wird eine bekannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1988 1 bezeichnet die mit Taterschaft Teilnahme und Verbotsirrtum wichtige Bereiche aus dem Strafrecht behandelt Inhaltsverzeichnis 1 Sachverhalt 2 Urteil des Landgerichts Bochum 2 1 Strafbarkeit des R 2 2 Strafbarkeit des P und der H 3 Revisionsverfahren des Bundesgerichtshofs 4 Zweites Urteil des Landgerichts Bochum 5 Bedeutung und Folgen des Urteils 6 Siehe auch 7 Einzelbelege 8 LiteraturSachverhalt BearbeitenNach Feststellung des Landgerichts Bochum lebten die drei Angeklagten Peter P Barbara H und Michael R in einem von Mystizismus Scheinerkenntnis und Irrglauben gepragten neurotischen Beziehungsgeflecht zusammen Dabei gelang es Peter P und Barbara H den leicht beeinflussbaren Polizeibeamten Michael R von der Existenz eines Katzenkonigs zu uberzeugen der seit Jahrtausenden das Bose verkorpere und die Welt bedrohe Als Barbara H 1986 von der Heirat ihres Ex Freundes Udo N mit einer Frau namens Annemarie N erfuhr beschloss sie gemeinsam mit Peter P den Aberglauben von Michael R zu nutzen um Annemarie N zu toten Sie spielte Michael R vor der Katzenkonig verlange fur die vielen von R begangenen Fehler ein Menschenopfer in Gestalt von Annemarie N Wurde der Katzenkonig dieses Opfer nicht erhalten musse Michael R sie verlassen und die Menschheit oder zumindest Millionen von Menschen wurden vernichtet werden Michael R wusste um die Strafbarkeit des von ihm verlangten Handelns liess sich jedoch trotz Gewissensbissen zur Abwehr einer vermeintlichen Gefahr fur Millionen Menschen darauf ein Peter P gab Michael R sein Fahrtenmesser und riet ihm Annemarie N damit hinterrucks in ihrem Blumenladen zu erstechen Daraufhin betrat Michael R am 30 Juli 1986 den Blumenladen und gab vor Rosen kaufen zu wollen Dann stach er der ahnungs und wehrlosen Annemarie N zwolfmal in Hals Gesicht und Korper Als Dritte zu Hilfe eilten liess er von seinem Opfer ab rechnete aber mit dessen Tod Annemarie N uberlebte jedoch schwer verletzt Urteil des Landgerichts Bochum BearbeitenStrafbarkeit des R Bearbeiten Das Schwurgericht befand R des versuchten heimtuckischen Mordes 2 fur schuldig Er hatte eigenhandig und in Totungsabsicht auf N eingestochen und dabei ihre Arg und Wehrlosigkeit ausgenutzt Den Versuch beendete er erst als er glaubte der Taterfolg wurde noch eintreten Ein Rucktritt vom Versuch fand nicht statt da R keine Bemuhungen unternommen hatte den Erfolg abzuwenden 3 Auf Notwehr oder Nothilfe 4 konnte R sich nicht berufen da weder er noch andere einem gegenwartigen Angriff durch N ausgesetzt waren Auch seine Berufung auf rechtfertigenden Notstand 5 ging fehl da tatsachlich keine gegenwartige Gefahr vorlag R befand sich insofern zwar in einem Irrtum uber die Rechtfertigungslage Dieser konnte ihm aber nicht zugutekommen da beim rechtfertigenden Notstand Leben gegen Leben nicht gegeneinander abgewogen werden kann Bei R lag daher ein Verbotsirrtum vor aber lediglich ein vermeidbarer 6 Als einem Polizeibeamten war es ihm unter Berucksichtigung seiner individuellen Fahigkeiten moglich die falsche Abschatzung zu erkennen Sachverstandige schlossen bei R Schwachsinn und eine krankhafte seelische Storung aus Er habe jedoch eine hoch abnorme Personlichkeit Dies und die erfolgreiche Uberzeugungsarbeit der Angeklagten H und P habe R zur Tatzeit in eine Wahngewissheit gefuhrt die als schwere andere seelische Abartigkeit 7 zu kennzeichnen sei R hatte allerdings noch die Einsichtsfahigkeit sein Handeln als Unrecht zu erkennen und war auch nicht seiner Steuerungsfahigkeit beraubt gewesen Daher nahm die Strafkammer zu seinen Gunsten eine erheblich verminderte Schuldfahigkeit an 8 Seine Strafe wurde daher auf eine Freiheitsstrafe von neun Jahren gemindert 9 Strafbarkeit des P und der H Bearbeiten Die Angeklagten P und H wurden nicht als Anstifter 10 sondern als mittelbare Tater wegen versuchten Mordes verurteilt Sie hatten die Tat durch einen anderen 11 begangen wobei das Gericht ihnen nicht Heimtucke sondern niedrige Beweggrunde zur Last legte 12 und gegen beide auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannte Revisionsverfahren des Bundesgerichtshofs BearbeitenAlle drei Angeklagten fochten das Urteil des Landgerichts wegen sachlicher Mangel an wobei Barbara H die Anfechtung auf das Strafmass beschrankte Fehler fand der Bundesgerichtshof nur in der Strafzumessung fur alle drei Angeklagten Die Strafkammer habe keine Gesamtschau der Tatumstande und der Personlichkeit der Tater vorgenommen bei der den wesentlich versuchsbezogenen Umstanden namlich Nahe zur Tatvollendung Gefahrlichkeit des Versuchs und aufgewandte kriminelle Energie besonderes Gewicht zukomme Ihr sei moglicherweise entgangen dass die Tatbeitrage von H und P nicht gleichgewichtig waren da H die treibende Kraft war der P sich wenn auch in eigenem Interesse unterordnete Sie habe auch nicht ausreichend eine Strafminderung nach 23 Abs 3 StGB wegen Personlichkeitsabnormitaten der Angeklagten H und P und ihres eigenartigen Beziehungsgeflechts gepruft Ihre Personlichkeitsmangel fuhrten zwar nicht zu verminderter Schuldfahigkeit nach 21 StGB mussten aber im Rahmen der Strafzumessung berucksichtigt werden Zweites Urteil des Landgerichts Bochum BearbeitenDie vom 10 bis zum 18 Januar 1989 dauernde Neu Verhandlung vor dem Schwurgericht fuhrte dann zu milderen Strafen Barbara H wurde zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt Peter P zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und Michael R zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren Bedeutung und Folgen des Urteils BearbeitenIn der rechtswissenschaftlichen Literatur hat das Urteil zu erheblichen Diskussionen gefuhrt Insbesondere die Figur der mittelbaren Taterschaft bei Einsatz eines nicht schuldlos handelnden Vordermanns ist bis heute nicht abschliessend geklart Siehe auch BearbeitenListe der Fallbeispiele in der RechtswissenschaftEinzelbelege Bearbeiten BGH Urteil des 4 Strafsenats vom 15 September 1988 Az 4 StR 352 88 BGHSt 35 347 Katzenkonig 211 Abs 2 2 Gruppe 1 Alternative StGB Morder ist wer heimtuckisch einen Menschen totet i V m 23 Abs 1 StGB Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar und 12 Abs 1 StGB Verbrechen sind rechtswidrige Taten die im Mindestmass mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder daruber bedroht sind 24 Abs 1 Wegen Versuchs wird nicht bestraft wer freiwillig die weitere Ausfuhrung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert Wird die Tat ohne Zutun des Zurucktretenden nicht vollendet so wird er straflos wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemuht die Vollendung zu verhindern 32 Abs 2 StGB Notwehr ist die Verteidigung die Erforderlich ist um einen gegenwartigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren 34 StGB Wer in einer gegenwartigen nicht anders abwehrbaren Gefahr fur Leben Leib Freiheit Ehre Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden handelt nicht rechtswidrig wenn bei Abwagung der widerstreitenden Interessen namentlich des der betroffenen Rechtsguter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren das geschutzte Interesse das beeintrachtigte wesentlich uberwiegt Dies gilt jedoch nur soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist die Gefahr abzuwenden 17 StGB Fehlt dem Tater bei der Begehung der Tat die Einsicht Unrecht zu tun so handelt er ohne Schuld wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte Konnte der Tater den Irrtum vermeiden so kann die Strafe nach 49 Abs 1 gemildert werden 20 4 Alternative StGB Ohne Schuld handelt wer bei Begehung der Tag wegen einer anderen seelischen Abartigkeit unfahig ist das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln 21 StGB Ist die Fahigkeit des Taters das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln aus einem der in 20 bezeichneten Grunde bei Begehung der Tat erheblich vermindert so kann die Strafe nach 49 Abs 1 gemildert werden 49 Abs I StGB 1 An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren 2 Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hochstens auf drei Viertel des angedrohten Hochstmasses erkannt werden Bei Geldstrafe gilt dasselbe fur die Hochstzahl der Tagessatze 3 Das erhohte Mindestmass einer Freiheitsstrafe ermassigt sich im Falle eines Mindestmasses von zehn oder funf Jahren auf zwei Jahre im Falle eines Mindesmasses von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate im Falle eines Mindestmasses von einem Jahr auf drei Monate im ubrigen auf das gesetzliche Mindestmass 26 StGB Als Anstifter wird gleich einem Tater bestraft wer vorsatzlich einen anderen zu dessen vorsatzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat 25 Abs 1 StGB Als Tater wird bestraft wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht 211 Abs 2 1 Gruppe 4 Alternative Morder ist wer aus niedrigen Beweggrunden einen Menschen totet Literatur BearbeitenHans Kudlich Katzenkonig amp Co Ubersinnliches vor den Strafgerichten In JuristenZeitung Bd 59 2004 S 72 ff Antrittsvorlesung an der Bucerius Law School Joachim Kretschmer Der aberglaubische Irrtum in seiner strafrechtlichen Irrelevanz In Juristische Rundschau 2004 S 444 ff Reinhard Merkel Der Katzenkonig vom Mohnesee In Die Zeit Nr 39 1988 vom 23 September 1988 Reinhard Merkel Hilflos das Gericht In Die Zeit Nr 5 89 vom 27 Januar 1989 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Katzenkonigfall amp oldid 237852381