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Die Judischen Exilschulen am Gardasee gehoren zu den Schulen im Exil die nach 1933 von Lehrern und Erziehern gegrundet wurden die Deutschland aus politischen Grunden oder aufgrund ihrer judischen Abstammung verlassen mussten Unterrichtet und betreut wurden uberwiegend judische Kinder meist mit dem Ziel sie auf eine Emigration in einem aussereuropaischen Land vorzubereiten Inhaltsverzeichnis 1 Die Schulen am Gardasee 2 Casa Vita Nuova in Toscolano Maderno 3 Alice Jacobis Schule in Gardone Riviera 3 1 Spurensuche Fritz C Neumann und die Schule am Gardasee 3 2 Familie Lowenberg 3 3 Exil in Italien 3 4 Susanne Levinger 4 Quellen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDie Schulen am Gardasee BearbeitenIm Vergleich zu den ubrigen Schulen im Exil in Italien Landschulheim Florenz Schule am Mittelmeer und Alpines Schulheim am Vigiljoch ist der Forschungsstand zu den Exilschulen am Gardasee nach wie vor durftig Es gibt nur wenige verstreute Hinweise auf sie und selbst uber die dort tatigen Padagoginnen und Padagogen ist nur wenig bekannt Ebenso fehlen Hinweise auf die Schulerinnen und Schuler die diese Einrichtungen besuchten Die wenigen Publikationen die die Schulen erwahnen lassen zudem die Frage offen um wie viele Einrichtungen es sich gehandelt haben soll In einer Neubearbeitung eines Aufsatzes von Hildegard Feidel Mertz erwahnt Hermann Schnorbach 2012 zwei bzw evtl drei weitere kleinere familienahnliche Landschulheime am Gardasee die Casa Vita Nuova Judisches Heim der Erziehung in Maderno unter der Leitung von Kurt Wronke sowie die Tochterschule am Gardasee und das Landschulheim am Gardasee geleitet von Dr Ilse Jacobi die moglicherweise einander abgelost haben und deren Existenz bisher nur durch einen Kurzbericht und Anzeigen in Tageszeitungen belegt ist 1 Tatsachlich spricht einiges dafur dass die beiden zuletzt genannten Einrichtungen auseinander hervorgegangen sind und beide von Alice Jacobi nicht Ilse Jacobi wie Schnorbach schreibt gegrundet und geleitet wurden Casa Vita Nuova in Toscolano Maderno BearbeitenDer Historiker Klaus Voigt erwahnt die Casa Vita Nuova Judisches Heim der Erziehung zwar geht aber auf keine Details ein 2 und auch bei Feidel Mertz sind die Hinweise auf diese Schulen eher durftig In ihrem Buch Padagogik im Exil nach 1933 erfahrt man lediglich dass die Casa Vita Nuova von dem ehemaligen Berliner Studienassessor Kurt Wronke gegrundet worden sei der fruher schon den Wunsch gehegt habe judische Kinder in einer judischen Schule zu erziehen Seine Vision wird dann ohne zeitliche Zuordnung wie folgt zitiert Damals schien das Utopie zu sein Heute ist es Wirklichkeit geworden Wir sind auch heute nichts anderes als eine Schule eine Schule fur Madchen Wir lernen Sprachen Wir treiben alles was zur Allgemeinbildung eines jungen Menschen gehort Wir lassen die Madchen im Haus arbeiten Wir treiben mit ihnen Sport Wir halten auch Prufungen ab Trotzdem ist bei uns alles anders als es fruher in der Schule war Wir bilden so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft Wenn ich Ihnen in zwei Worten meine Aufgabe umschreiben soll wie ich sie verstehe dann ist es judischer Ernst und Lebensfreude die ich in den jungen Menschen die zu uns kommen schaffen will abgesehen von allem Wissen abgesehen von der Erziehung zum praktischen Leben die ich keineswegs unterschatze 3 Etwas informativer wird es auf einer Webseite uber die Geschichte der Gemeinde Toscolano Maderno auf der es einen Beitrag uber Il collegio per ragazze ebree all Hotel Milano gibt die Schule fur judische Madchen im Hotel Milano 4 Die Schule war in einem Gebaude untergebracht in dem sich heute das Hotel Milano befindet Auf dessen Webseite ist nachzulesen dass das Gebaude um 1926 errichtet worden sei und darin nach etwa 10 Jahren eine Schule fur judische Madchen eingerichtet wurde bevor es dann spater die Republik von Salo beschlagnahmte um darin Beamte verschiedener Ministerien unterzubringen 5 Der Autor des Artikels uber die Schule fur judische Madchen im Hotel Milano spricht allgemeiner von den dreissiger Jahren und verweist darauf dass das Gebaude wahrend seiner Nutzung als Schule Heimat vieler junger judischer Madchen gewesen sei die aus wohlhabenden deutschen Familien gestammt hatten Leiter der Einrichtung waren zwei Herren gewesen die er nur mit ihren Vornamen Hans und Hubert vorstellt Die beiden hatten ihren Gasten ein stilvolles Ambiente trattamento signorile geboten Musikunterricht und Tanz organisiert und Nahen und andere Aktivitaten durch Mitarbeiter aus der lokalen Bevolkerung lehren lassen Haufig seien Tanzveranstaltungen oder Konzerte mit klassischer Musik durchgefuhrt worden 4 Uber diese Personen Hans und Hubert werden keine weiteren Aussagen getroffen und dass sie hier als Leiter der Einrichtung vorgestellt werden ist insofern uberraschend als auf der Webseite auch eine Anzeige aus der Judischen Rundschau wiedergegeben wird die klar besagt dass die Padagogische Leitung bei Kurt Wronke Stud Assess a D gelegen habe Uber die Schule selbst heisst es in dieser Anzeige aus dem Jahre 1935 VITA NUOVA Judisch Haus der Erziehung Maderno Gardasee Italien nimmt Madchen auch Haushaltsschulerinnen im Alter von 10 17 Jahren auf Beste Schul und Personlichkeitsbildung 6 Als Kontaktadresse wird auf Frau R A Fuss Berlin W15 Uhlandstr 39 womit Gerda Fuss gemeint war die Frau des Rechtsanwalt Max Fuss An deren Schicksal wahrend der Nazi Zeit und an ihre Deportation nach Auschwitz erinnern Stolpersteine fur Gertrud 7 und Max Fuss 8 Von wann bis wann die Schule tatsachlich existierte ist nicht bekannt Der Autor der erwahnten Webseite uber die Schule in Maderno verweist abschliessend auf die schwierige Situation nach dem 3 September 1938 dem Tag des Erlasses der italienischen Rassengesetze die seine Mutter die in der Schule Nahen und Stricken unterrichtet habe unmittelbar miterlebt habe Die Madchen mussten innerhalb von sechs Monaten Italien verlassen konnten nicht nach Deutschland zuruckkehren weil dort die Situation fur Juden noch bedrohlicher war und seien in andere Teile der Welt geflohen die Mehrheit habe sich fur Palastina entschieden Dieser Hinweis auf die Folgen der italienischen Rassengesetze steckt einen Zeitrahmen ab der es nahelegt dass auch Kurt Wronke nach einer aussereuropaischen Zuflucht gesucht haben konnte Zu der sich im Archiv des Leo Baeck Instituts befindenden Dokumentensammlung der Familie Nachtlicht gehoren auch die Documents from Hildegard Lewin including a passenger list of the Doppelschraubenschiff Orinoco traveling from Hamburg to Habana Veracruz and Tampico on May 27 1939 9 Diese Passagierliste weist in der Liste der Reisenden der Ersten Klasse mit dem Abfahrtshafen Cherbourg und dem Ziel Havanna Habana folgende Personen aus Herr Kurt Wronke Frau Kurt Wronke Micaela Wronke Frau Sara Wronke Herr Hans Wronke Keiner von ihnen sollte mit der Orinoco je sein Fluchtziel Havanna erreichen Auch die Orinoco das Schwesterschiff der St Louis verliess am 27 Mai Hamburg mit 200 Passagieren in Richtung Kuba Der Kapitan der Orinoco der per Funk uber die Schwierigkeiten in Havanna informiert wurde lenkte das Schiff in die Gewasser vor Cherbourg Frankreich wo es tagelang blieb Die kubanische Behandlung der Fluchtlinge der St Louis und in geringerem Masse auch der der Fluchtlinge an Bord der Flandern und der Orduna hatte die internationale Aufmerksamkeit auf die Einwanderungsverfahren Kubas gelenkt Dennoch waren weder die britische noch die franzosische Regierung bereit die Orinoco Fluchtlinge aufzunehmen Die Regierung der Vereinigten Staaten intervenierte dann aber halbherzig Auch die US Behorden nahmen die Fluchtlinge nicht auf obwohl US Diplomaten in London den deutschen Botschafter unter Druck setzten Zusicherungen zu geben dass die deutschen Behorden die Orinocofluchtlinge nach ihrer Ruckkehr ins Deutsche Reich nicht verfolgen wurden Mit dieser zweifelhaften Zusicherung kehrten die 200 Fluchtlinge im Juni 1939 nach Deutschland zuruck Ihr Schicksal bleibt unbekannt 10 Von den zuvor genannten Wronkes an Bord der Orinoco lasst sich nur fur einen eine Aussage uber sein Schicksal treffen Hans Wronke geboren am 23 Juli 1911 in Berlin Stadt Berlin wohnhaft in Berlin Emigration Frankreich Deportation ab unbekannt 1943 Auschwitz Konzentrations und Vernichtungslager Todesort Auschwitz Vernichtungslager 11 Ob Hans Wronke moglicherweise jener Hans war der auf der oben erwahnten italienischen Webseite uber die Casa Vita Nuova als einer der beiden Leiter benannt wurde lasst sich nicht verifizieren Alice Jacobis Schule in Gardone Riviera BearbeitenAuch fur diese Schule gibt es uber die eingangs zitierten Erwahnungen bei Klaus Voigt und Hildegard Feidel Mertz hinaus kaum weiterfuhrendes Material Einen direkten Hinweis auf ihre Existenz gibt es nur aufgrund einer Anzeige in der bereits zitierten Judischen Rundschau aus dem Jahre 1935 deren Text lautet ITALIEN Tochterheim am Gardasee Unter verantwortungsbewusster fachmannischer Leitung werden junge Madchen in kleinem kultivierten Kreis geistig und korperlich gefordert Wunschgemasse Ausbildung in Sprachen auch Neuhebraisch Stenographie Haushaltsfuhrung Schneiderei Gartenbau Handwerk und Sport Viertel und Halbjahreskurse Frau A Jacobi Gardone Riviera Semesterbeginn 1 Mai 6 Zur Kontaktaufnahme wurde eine Zehlendorfer Telefonnummer angegeben Wann Alice Jacobi vom Konzept Tochterheim abgeruckt ist lasst sich nicht sagen aber Fotos aus ihrem Nachlass belegen dass ihre Schule spater als koedukative Einrichtung gefuhrt wurde Ob sie allerdings unter der Bezeichnung Landschulheim am Gardasee firmierte und in der Tradition der Landschulheime stand muss offen bleiben weshalb nachfolgend der neutralere Begriff Schule am Gardasee verwendet wird Spurensuche Fritz C Neumann und die Schule am Gardasee Bearbeiten Konkrete Hinweise auf die Schule finden sich bislang ausschliesslich in den Lebenserinnerungen Memoirs of a contemporary des Padagogen Fritz C Neumann Dieser war aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums im April 1933 aus dem deutschen Schuldienst entlassen worden und emigrierte unterbrochen von Reisen nach England und gelegentlichen Aufenthalten bei seiner Familie in Hamburg sofort nach Frankreich Anfang 1935 weilte er wieder einmal in Hamburg und arbeitete vorubergehend in einem Steuerberatungsburo Hier erreichte ihn ein Brief aus Italien Ein ihm unbekannter Herr Lowenberg liess ihn wissen dass seine Schwester Alice Jacobi aus Berlin plane in Gardone Riviera ein Internat fur judische Kinder aus Deutschland zu eroffnen Fur eine Stelle dort sei er Fritz C Neumann von dem inzwischen in der Schweiz lebenden Paul Geheeb vorgeschlagen worden 12 Neumann luftet die Identitat des Herrn Lowenberg ebenso wenig wie die von Alice Jacobi und gibt auch keine Anhaltspunkte dazu welche Beziehungen zu Paul Geheeb bestanden haben konnten wodurch sich vielleicht der von Feidel Mertz ins Spiel gebrachte Begriff Landschulheim am Gardasee hatte rechtfertigen lassen Doch zumindest die Identitat des Herrn Lowenberg liess sich klaren Es handelte sich um Alice Jacobis Bruder den Theaterregisseur Karl Lowenberg der zusammen mit seiner Familie Ende 1934 oder Anfang 1935 nach Italien emigriert war siehe unten Familie Lowenberg Neumann vermittelt einige Eindrucke uber die Schule an der mitzuarbeiten er aufgefordert worden war Allerdings als er sein Interesse an dem Angebot bekundete erhielt er erst einmal eine Absage von Alice Jacobi Sie suchte nach einer judischen Lehrkraft Neumann war Protestant der judischen Religionsunterricht erteilen konne Sie bat Neumann aber ihr bei der Suche nach einer geeigneten Person zu helfen was Neumann zusagte Er wollte dafur Hilde Marchwitza gewinnen wurde aber ausgerechnet zu dem Zeitpunkt bei ihr vorstellig als die Gestapo deren Wohnung durchsuchte Was Neumann namlich nicht wusste Hilde Marchwitza gehorte einer Widerstandsgruppe um Hans Westermann an und hatte ihre Wohnung als Treffpunkt zur Verfugung gestellt Das war aufgeflogen und bei der Razzia am 5 Marz 1935 wurde auch der zufallig vorbeikommende Neumann verhaftet 13 Nach einigen Tagen in denen er auch im KZ Fuhlsbuttel gefangen gehalten worden war kam er am fruhen Nachmittag des 9 Marz wieder frei 14 Inzwischen hatte sich die Hoffnung auf eine Stelle an Alice Jacobis Schule erledigt Es gab Vorurteile aus einer anderen Richtung die judischen Eltern die geplant hatten ihre Kinder Frau Jacobi anzuvertrauen waren schockiert von der Ankundigung dass sie einen nichtjudischen Lehrer engagieren wurde Sie widerriefen die Antrage fur ihre Nachkommen 15 Neumann unterbreitete Jacobi daraufhin einen Alternativvorschlag Statt als Lehrer wurde er als Begleiter einer Gruppe judischer Kinder die Sommerferien bei ihr verbringen Er betrachtete dies auch als eine Art Werbetour fur die Schule die er auf diese Weise bekannter machen wollte Zur Realisierung dieses Plans arbeitete er mit einem Freund Jacobis aus Berlin und deren Cousine zusammen und schliesslich reiste er mit 12 Kindern darunter seine Tochter Lisel nach Gardone Riviera Lisel war wie ihr Vater ironisch anmerkte die einzige Arierin unter all diesen Semiten 16 Dieser Sommer am Gardasee war nicht nur als Reise ein Erfolg sondern verhalf Neumann zu vielen Kontakten zu Hamburger judischen Familien Er wurde akzeptiert und man beschloss dass er ihre Kinder nun privat unterrichten solle Einer Gruppe von acht Kindern erteilte er fortan in mehreren Fachern Unterricht nach dem gymnasialen Lehrplan und einen Zusatzverdienst verschaffte er sich noch durch gelegentliche Mitarbeit in dem Steuerburo in dem er zuvor gearbeitet hatte Uber die Eltern eines Jungen der die Sommerreise an den Gardasee mitgemacht hatte kam im Fruhjahr 1936 ein Kontakt zum Landschulheim Florenz zustande Trotz einer schlechten Bezahlung akzeptierte Neumann das Angebot zur Mitarbeit dort und begab sich im Juni 1936 nach Florenz Weil er mit dem aus seiner Sicht schlechten Schulklima Probleme hatte und immer wieder in Konflikt mit den beiden Schulleitern geriet blieb er nur den Sommer uber am Landschulheim und kundigte danach Er reiste nach Pisa um Paul Oskar Kristeller zu besuchen den er am Landschulheim kennengelernt hatte Von hier aus nahm er abermals Kontakt zu Alice Jacobi auf Eine Cousine von ihr Tante Kathe aus Koln eine wunderbare warmherzige intelligente und energische Dame hatte sich mit ihr zusammengetan und das kleine Internat florierte nun Frau Jacobi war froh mich als erfahrenen Lehrer zu gewinnen und ich ging an den schonen Ort am Gardasee 17 Die Identitat der zuvor erwahnten Tante Kathe aus Koln bleibt bei Neumann ebenso ungeklart wie die des weiter oben schon erwahnten Freunds von Alice Jacobi aus Berlin oder die von deren Cousine und Neumann berichtet leider auch nichts weiter uber den Alltag in der Schule und uber seine Arbeit dort Er blieb bis zum August 1937 und reiste dann in die USA weil in der Zwischenzeit ein Bekannter von ihm ein Stipendium fur ihn an einem amerikanischen College organisieren konnte 18 Familie Lowenberg Bearbeiten Einige wenige Hinweise ergaben dass Alice Jacobi als Alice Lowenberg in Elberfeld geboren worden war Mit Hilfe der Stadtarchive der Stadte Wuppertal und Dusseldorf liessen sich dann die familiaren Hintergrunde klaren Moritz Lowenberg 25 September 1852 in Czersk im Kreis Schwetz 14 Oktober 1912 in Dusseldorf von Beruf Fabrikant und seine Frau Clementine geborene Calmer 22 November 1865 in Dusseldorf Todesdatum unbekannt beide Mitglieder der israelitischen Religionsgemeinschaft waren die Eltern von drei Kindern 19 Alice Lowenberg 25 August 1890 in Elberfeld 19 September 1938 in Gardone Riviera Else Irma Lowenberg 3 Oktober 1891 in Dusseldorf Sie war seit dem 12 Februar 1913 mit dem judischen Kaufmann Georg Loewy 20 Mai 1882 in Culm verheiratet der am 22 Juli 1909 aus Berlin kommend in Dusseldorf zugezogen war Das Ehepaar das sich am 23 April 1924 nach Dortmund abgemeldet hatte hatte eine Tochter Lieselotte Ruth Loewy 23 November 1919 Karl Walter Lowenberg 23 Juni 1896 in Dusseldorf 14 Oktober 1975 in Hamburg Die Familie Lowenberg war am 29 November 1890 kurz nach der Geburt ihrer Tochter Alice von Elberfeld kommend in Dusseldorf zugezogen 19 Im Adressbuch der Stadt Dusseldorf von 1893 ist Moritz Lowenberg mit dem Zusatz Fabrikant erstmals eingetragen Aus dem Eintrag von 1910 ergibt sich dann dass er eine mechanische Weberei betrieben hat Funf Jahre spater 1915 gibt es fur das Unternehmen wie auch fur die Privatadresse aufgrund des Todes von Moritz Lowenberg nur noch den Eintrag Loewenberg Moritz Wwe geb Calmer Inhab der Firma M Loewenberg 1920 gibt es keinen Eintrag mehr Ob dieser Nicht Eintrag von 1920 besagt dass inzwischen auch Clementine verstorben war kann man nur vermuten Uber Else Irma Lowenberg liegen uber die zuvor genannten Fakten hinaus keine weiteren Informationen vor Die beiden anderen Lowenberg Kinder sind promoviert Karl zum Dr phil doch wo deren akademischen Ausbildungen stattfanden und abgeschlossen wurden ist nicht bekannt Und wahrend sich Karls Karriere als Mitarbeiter an deutschen Theatern fur die Zeit von 1920 bis 1933 nahezu luckenlos nachvollziehen lasst gibt es zu Alices beruflichen und privaten Werdegang keine Hinweise Bekannt ist lediglich dass sie mit dem im Bankgewerbe tatigen Kaufmann Ernst Nathan Jacobi 22 Juni 1885 in Berlin am 19 Februar 1943 nach Auschwitz deportiert wo sich seine Spur verliert 20 seit dem 17 Mai 1919 verheiratet war Die in Berlin Charlottenburg geschlossene Ehe wurde hier auch im Jahre 1929 geschieden 19 aus ihr ging die Tochter Marion Doria 22 Mai 1920 in Berlin 1 Dezember 1987 in Australien hervor die zusammen mit ihrer Mutter in Gardone wohnte Exil in Italien Bearbeiten Das Meldeburo der Gemeinde Gardone Riviera bestatigte dass Marion Jacobi seit dem 5 Oktober 1933 dort lebte und seit dem 31 August 1937 auch formal registriert war Meldedaten fur weitere Familienmitglieder sind dort nicht bekannt 21 doch kann man wohl davon ausgehen dass die dreizehnjahrige Marion nicht ohne ihre Mutter nach Italien gereist war und sich somit auch Alice Jacobi seit Anfang Oktober 1933 in Gardone aufgehalten hat auf eine Anwesenheit von Ernst Jacobi in Italien auch auf eine vorubergehende gibt es keine Hinweise Zudem gibt es auch keine Hinweise daruber was Alice Jacobi bewogen hat Gardone Riviera zum Ziel ihrer Emigration zu wahlen Karl Lowenberg und seine Familie folgten Ende 1933 oder Anfang 1934 und sein Brief an Fritz C Neumann zeigt ja dass er zumindest zu Beginn seine Schwester beim Aufbau ihrer Schule unterstutzte Es gibt allerdings keine Belege dafur dass er das auch die nachsten Jahre getan hat oder dass auch sein Sohn die Schule seiner Tante besuchte Es gibt Fotos vom Schulgebaude aus dem Nachlass von Fritz C Neumann und den in Australien lebenden Nachkommen von Alice Jacobi aber Dokumente zum Schulbetrieb scheinen nicht erhalten geblieben zu sein Somit fehlen auch Anhaltspunkte uber die Identitaten der Kinder die die Schule besucht haben Italien hatte wie oben schon erwahnt im September 1938 ein eigenes Rassengesetz verabschiedet das allen ab 1919 in Italien eingeburgerten Juden die Staatsburgerschaft aberkannte und die Ausweisung aller nicht italienischen Juden androhte Damit war absehbar dass ein Aufenthalt fur die Lowenbergs und fur Alice Jacobi und ihre Tochter in Italien nur noch ubergangsweise moglich war Fur Alice Jacobi hatte dies allerdings keine Bedeutung mehr sie starb am 19 September 1938 und wurde in Gardone Riviera begraben 22 Die Lowenbergs reisten 1939 zusammen mit der inzwischen neunzehnjahrigen Nichte Marion aus Italien ab Auch hier gibt es wiederum nur eine Bestatigung fur Marion Jacobi Diese so das Meldeamt von Gardone Riviera habe am 21 Januar 1939 Italien mit dem Ziel New York verlassen 21 Die Datenbank von Ellis Island verzeichnet jedoch fur den nachfolgenden Zeitraum weder fur Marion Jacobi noch fur die Familie Lowenberg entsprechende Eintrage Zu vermuten ist dass sie mit den Lowenbergs nach Ecuador reiste Susanne Levinger Bearbeiten Ein vager Hinweis auf die Schule von Alice Jacobi findet sich auch im Zusammenhang mit der Lebensgeschichte von Susanne Susi Levinger Lewinger 23 Sie wurde am 21 September 1914 als Tochter des Rechtsanwalts Otto Levinger und seiner Frau Martha geborene Frank 6 Juli 1888 1953 in Israel geboren 24 Das Ehepaar hatte sich schon vor Susannas Geburt vom Judentum abgewandt und bewohnte eine in den Jahren 1913 bis 1914 an der Rodenkirchener Uferstrasse 28 nach einem Entwurf des Kolner Architekten Paul Pott errichtete Villa Otto Levinger fiel 1917 im Ersten Weltkrieg Zur Familie gehorten noch Susannes Geschwister Dora 4 Mai 1910 in Koln und Adolf 17 Mai 1911 in Koln in Koln Allen gelang ebenso wie ihrer Mutter nach der Machtergreifung Hitlers die Flucht aus Deutschland 24 Susanne verliess im April 1930 mit der Obersekundareife das Oberlyzeum und Studienanstalt i E der Evangelischen Gemeinde Koln und begann eine Ausbildung an der von Vera Skoronel und Berthe Trumpy 1895 1983 25 geleiteten Schule fur modernen Tanz in Berlin und besuchte danach noch bis Dezember eine Schule fur Orthopadie und Heilgymnastik in Koln Sie begann eine Tatigkeit als Gymnastiklehrerin ging dann aber vom Sommer 1935 bis zum Sommer 1936 zu einer weiteren Ausbildung nach England an die von Kurt Jooss und Sigurd Leeder betriebene Tanzschule an der Dartington Hall School Danach gab sie bis Ende Marz 1937 in Koln Kindern der Israelitischen Waisenanstalt dem nach seinem Grunder Abraham Frank benannten Abraham Frank Haus Tanz und Sportunterricht 24 Anfang 1937 wann genau lasst sich nicht sagen denn es gibt ein Zeugnis von der Israelitischen Waisenanstalt vom 5 April 1935 und ein weiteres Zeugnis uber den Besuch einer Tanzschule in Florenz vom 20 April 1937 24 ging Susanne Levinger nach Italien um sich dort eine neue Existenz aufzubauen Wie der Kontakt zustande kam sagt sie nicht doch sie erhielt im Fruhjahr 1937 eine Anstellung als Gymnastiklehrerin am Landschulheim am Gardasee Villa Maddalena Gardone Riviera die aber weder Zukunftsaussichten noch meinen Fahigkeiten entsprechende Arbeitsmoglichkeiten bot 26 In einem anderen Dokument gibt sie an dass sie bis September 1938 an der Schule geblieben sei Das war der Zeitpunkt zu dem siehe oben die Schliessung der Schule aufgrund der italienischen Rassengesetzgebung ohnehin bevorstand Daruber ob sie noch den Tod von Alice Jacobi mitbekommen hat sagt sie nichts Vom September 1938 bis zum Juli 1939 kehrte Susanne Levinger noch einmal an die Schule von Jooss Leeder nach England zuruck 24 reiste dann aber wieder nach Italien Im Lebenslauf schrieb sie es sei fur einen Urlaubsaufenthalt gewesen wahrend dem sie vom Ausbruch des Krieges uberrascht worden sei 26 Danach blieb Susanne Lewinger bis zu ihrer Verhaftung in Gardone als Lehrerin des Enkels des Malers Angelo Landi 1879 1944 aus Salo Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges in Italien wurde ich verhaftet verbrachte I Monat im Gefangnis in Brescia und wurde dann im Konzentrationslager in Lanciano Chieti interniert und am II 2 1942 in das Konzentrationslager Pollenza Macerata uberfuhrt In der zweiten Septemberwoche des Jahres 1943 gelang es mir aus diesem Lager zu entfliehen und zu den Alliierten zu gelangen Soweit es meine angegriffene Gesundheit zuliess arbeitete ich als Dolmetscherin in der All Militarverwaltung Im April 1944 heiratete ich den Dr Giovanni Javicoli in dessen Heimatort San Vieto Chietino ich seither lebe 26 Susanne Levinger die ihren spateren Ehemann auf der Flucht kennengelernt hatte war Grundungsmitglied von Amnesty International in Lanciano 27 Sie starb am 6 August 2001 in San Vito Marina Wahrend ihrer Zeit im Abraham Frank Haus AFH in Koln hatte Susanne Levinger die 1923 geborene Amalie Banner genannt Malchen kennengelernt der 1934 wegen Knochenkrebs das rechte Bein amputiert werden musste Malchen fand Mitleid von allen Seiten jeder wollte ihr helfen Ihre Tanzlehrerin Susanne Levinger holte sie fur einige Monate nach Rodenkirchen zu sich ins Haus und bemuhte sich um das vom Schicksal so getroffene Kind Susanne Levinger hatte mit zwei Jahren ihren Vater verloren der im 1 Weltkrieg fiel und wusste wie es einem Menschen zumute ist der so viel Leid erfahrt Es gelang Susanne Malchen den Lebensmut zu starken und sie auf ihre zeichnerlsche Begabung aufmerksam zu machen Wenn sie nun nicht mehr tanzen konnte wurde sie doch ihre Hande noch ungehindert gebrauchen konnen So kam Malchen nach einigen Monaten wieder ins AFH zuruck 28 Vier Jahre spater wurde Amalie Banner im Rahmen der Polenaktion nach Polen abgeschoben und nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Warschauer Ghetto interniert Trotz der dort herrschenden Zustande gelang es Amalie Banner schriftliche Kontakte nach draussen herzustellen unter anderem zwischen Juli und November 1941 auch zu Susanne Levinger Dieser wiederum gelang es aus ihrer Lagerhaft heraus Amalie Banner einige Suppenwurfel zu senden worauf diese sich mit einer kleinen Zeichnung bedankte Ein Bild gelangt schliesslich doch nach Italien Sie hat darauf ihre ehemalige Tanzlehrerin und Freundin Susanne Levinger gemalt Ein Brief vom 28 November 1941 an Susanne Levinger in Italien ist das letzte Lebenszeichen von Malchen und ihrer Familie 28 Quellen BearbeitenFritz C Neumann Memoirs of a contemporary unveroffentlichtes Manuskript in englischer Sprache editiert von Lisel Mueller Libertiville 1965 OCLC 122561459 Eine Kopie des Manuskripts wurde freundlicherweise zur Verfugung gestellt von der Bibliothek des German Historical Institute in Washington NS Dokumentationszentrum der Stadt Koln Bestand 164 Susanne JavicoliLiteratur BearbeitenHildegard Feidel Mertz Hrsg Schulen im Exil Die Verdrangte Padagogik nach 1933 rororo Reinbek 1983 ISBN 3 499 17789 7 Hildegard Feidel Mertz Padagogik im Exil nach 1933 Erziehung zum Uberleben Bilder einer Ausstellung dipa Verlag Frankfurt am Main 1990 ISBN 3 7638 0520 6 Hildegard Feidel Mertz aktualisierte Fassung Hermann Schnorbach Judische Landschulheime im nationalsozialistischen Deutschland Ein verdrangtes Kapitel deutscher Schulgeschichte In Inge Hansen Schaberg Hrsg Landerziehungsheim Padagogik Reformpadagogische Schulkonzepte Band 2 Schneider Verlag Hohengehren Baltmannsweiler 2012 ISBN 978 3 8340 0962 3 S 159 182 Hildegard Feidel Mertz aktualisierte Fassung Hermann Schnorbach Die Padagogik der Landerziehungsheime im Exil In Inge Hansen Schaberg Hrsg Landerziehungsheim Padagogik Reformpadagogische Schulkonzepte Band 2 Schneider Verlag Hohengehren Baltmannsweiler 2012 ISBN 978 3 8340 0962 3 S 183 206 Klaus Voigt Zuflucht auf Widerruf Exil in Italien 1933 1945 Band 1 Klett Cotta Stuttgart 1989 ISBN 3 608 91487 0 Dieter Corbach Koln und Warschau sind zwei Welten Amalie Banner Leiden unter dem NS Terror Scriba Verlag Koln 1993 ISBN 3 921232 43 0 Das Buch enthalt eine Fotografie von Susanne Levinger S 18 und die oben erwahnte und von Amalie Banner angefertigte Zeichnung S 78 Ausserdem sind die Briefe abgedruckt die Amalie Banner aus dem Warschauer Ghetto heraus an die in Italien internierte Susanne Levinger schrieb Einzelnachweise Bearbeiten Hildegard Feidel Mertz aktualisierte Fassung Hermann Schnorbach Die Padagogik der Landerziehungsheime im Exil 2012 S 191 Klaus Voigt Zuflucht auf Widerruf Band 1 1989 S 200 ff Hildegard Feidel Mertz Padagogik im Exil nach 1933 1990 S 151 Der Quellennachweis auf Seite 257 gibt keinen Hinweis uber die Herkunft des Dokuments lasst aber vermuten dass es sich um einen Reisebericht handelte a b Geschichte der Schule fur judische Madchen im Hotel Milano in Toscolano Maderno Das Hotel Milano a b Judische Rundschau Nr 31 32 Sonderausgabe 40 Jahre Judische Rundschau 17 April 1935 S 52 Stolperstein fur Gertrud Fuss Stolperstein fur Max Fuss Nachtlicht Family Collection 1872 1999 Bulk 1938 1942 Holocaust Encyclopedia des USHMM Seeking Refuge in Cuba 1939 Dort auch Hinweise zum Schicksal der Passagiere auf anderen Schiffen die nicht nach Kuba gelangten Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 1945 Hans Wronke Fritz C Neumann Memoirs of a contemporary 1965 S 192 Fritz C Neumann Memoirs of a contemporary 1965 S 194 Fritz C Neumann Memoirs of a contemporary 1965 S 197 Fritz C Neumann Memoirs of a contemporary 1965 S 198 There had entered prejudice from the other direction the Jewish parents who had planned to entrust their children to Mrs Jacobi were shocked by the announcemnet that she would engage a non Jewish teacher They withdraw the applications for their offspring Fritz C Neumann Memoirs of a contemporary 1965 S 199 Fritz C Neumann Memoirs of a contemporary 1965 S 207 208 A cousin of hers Tante Kathe from Cologne a wonderfull warmhearted intelligent and energetic lady had joined forces with her and the little boarding school was now flourishing Mrs Jacobi was glad to get me as an experienced teacher and I went to the lovely place on Lake Garda Fritz C Neumann Memoirs of a contemporary 1965 S 208 a b c Stadtarchiv der Stadt Wuppertal Schriftliche Auskunft vom 23 April 2019 Stadtarchiv der Landeshauptstadt Dusseldorf Schriftliche Auskunft vom 18 Juni 2019 Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 1945 a b Comune di Gardone Riviera Servizi Demografici Auskunft uber Meldedaten der Familien Jacobi amp Lowenberg vom 22 Februar 1919 Schriftliche Mitteilung ihrer in Perth lebenden Enkeltochter Madeleine Ausbruch vom 19 April 2019 Gianni Orecchioni I sassi e le ombre Storie di internamento e di confino nell Italia fascista Lanciano 1940 1943 Edizioni di storia e letteratura Roma 2006 ISBN 88 8498 290 1 S 76 Auf diesem Buch basiert auch der Dokumentarfilm Susanne Lewinger una vita nel novecento von Alberto Gagliardo Susanne Lewinger ein Leben im zwanzigsten Jahrhundert Zu weiteren Internierungsdaten siehe auch Susanne Lewinger in der Datenbank Ebrei stranieri internati in Italia durante il periodo bellico a b c d e NS Dokumentationszentrum der Stadt Koln Bestand 164 Susanne Javicoli Der Nachlass von Berthe Trumpy befindet sich im Deutschen Tanzarchiv Koln Bestandsubersicht Berthe Trumpy 1 2 Vorlage Toter Link www deutsches tanzarchiv de Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Marz 2022 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis a b c Lebenslauf Susanne Javicoli geborene Levinger vom 26 Juli 1955 in NS Dokumentationszentrum der Stadt Koln Bestand 164 Susanne Javicoli Orlando Bellisario Treglio negli anni della Grande Guerra 2018 ISBN 978 0 244 96685 0 S 116 books google de a b Irene und Dieter Corbach Amalie Banner und das judische Leben in Koln 25 Februar 1986 Bei dem Text durfte es sich um eine erste Annaherung an das Thema gehandelt haben das dann ausfuhrlicher in dem Buch von Dieter Corbach siehe unten dargestellt wurde 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