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Das Institut fur Gemeinwohl in Frankfurt am Main wurde um 1890 von dem Frankfurter Industriellen und Mazen Wilhelm Merton gegrundet und 1896 in eine GmbH umgewandelt Diese Einrichtung sollte die privaten und kommunalen Initiativen im Bereich des Stiftungs und Armenwesens zusammenfuhren und zugleich der wissenschaftlichen Erforschung und Publikation sozialer Probleme der Industriegesellschaft dienen Aus diesem Institut und mit dessen Starthilfe gingen wichtige Einrichtungen der gemeinnutzigen Fursorge und Sozialwissenschaft in Deutschland hervor z B die Centrale fur private Fursorge und die Akademie fur Sozial und Handelswissenschaften Nicht zuletzt gingen von hier Impulse zur Grundung und Ausgestaltung der Universitat Frankfurt der heutigen Johann Wolfgang Goethe Universitat aus Grundungsgeschichte BearbeitenMit der Industrialisierung im Laufe des 19 Jahrhunderts und dem damit verbundenen Anwachsen eines Industrieproletariats verscharfte sich die soziale Ungleichheit Die Losung der so genannten Sozialen Frage stellte ein praktisches wie theoretisches Problem und eine Herausforderung fur Politik und Wissenschaft dar In der sozialpolitischen Praxis erwies sich das vorhandene Fursorgewesen das aus einer Vielzahl unkoordiniert nebeneinander tatigen kommunalen Einrichtungen und privaten Stiftungen bestand den neuen Aufgaben gegenuber nur unzureichend gewachsen So erklaren sich die intensiven Bestrebungen zur Vereinheitlichung und Neuorganisation vor allem der Armenfursorge in der zweiten Halfte des Jahrhunderts In der damals noch Freien Stadt Frankfurt am Main wurden schon vor 1866 grosse Anstrengungen im sozialen Bereich unternommen Bereits 1881 erschien eine Denkschrift des damaligen Oberburgermeisters von Frankfurt Johannes Miquel in der die Einrichtung einer zentralen Stelle gefordert wurde die die kommunalen Fursorgeeinrichtungen lenken und die privaten Stiftungen zumindest durch Informationspflicht einbinden sollte Gerade in Frankfurt wo es an wohlhabenden Burgern mit Gemeinsinn nicht mangelte gab es ein reich entfaltetes Stiftungswesen Die Einsicht in die Notwendigkeit dass zur Behebung der sozialen Missstande die Frankfurter Fursorgelandschaft reformiert werden musse veranlasste den bekannten Industriellen und Mazen Wilhelm Merton zur Grundung einer Einrichtung die private und kommunale Initiativen im Stiftungs und Armenwesen koordinieren sollte Ferner sollte das zu grundende Institut wissenschaftliche Forschungsprojekte und Publikationen zum Thema Fursorge und Sozialpolitik anregen und fordern Merton verfolgte daruber hinaus langfristig ein padagogisches Ziel Durch die Verbindung von wissenschaftlicher Kompetenz und praktischer Berufsqualifizierung sollte die Professionalisierung des Sozialwesens vorangetrieben werden Unter seinem Geschaftsfuhrer Andreas Heinrich Voigt dem spateren ersten Lehrstuhlinhaber fur Wirtschafts und Sozialwissenschaften an der aus dem Institut fur Gemeinwohl der Akademie fur Sozial und Handelswissenschaften und anderen Stiftungen hervorgegangenen Universitat Frankfurt entwickelte sich das Institut bald zu einer erfolgreichen Sozialeinrichtung und Forschungsstatte 1896 im offiziellen Grundungsjahr war es von Merton mit einem anfanglichen Kapitalstock in Hohe von 500 000 Mark versehen und in eine GmbH umgewandelt worden Arbeit und Wirkungsgeschichte BearbeitenDas Institut fur Gemeinwohl sah seine Aufgabe zunachst vorrangig darin Materialien und Erfahrungen fur eine weitere Erforschung der Armenpflege und Wohltatigkeit zu sammeln So entstand ein umfangreiches laufend erweitertes Aktenarchiv uber soziale Unterstutzungsfalle Grosse Aufmerksamkeit galt von Anfang an dem Wohnungswesen So veranlasste das Institut z B eine Enquete uber die wirtschaftlichen Verhaltnisse von Grund und Boden am Beispiel Berlins Weitere Untersuchungen galten den Lebensverhaltnissen industrieller Arbeiter Beobachter des Instituts verfolgten z B den Verlauf von Arbeiterstreiks und nahmen an Tagungen und Konferenzen teil Merton selbst verpflichtete die Mitarbeiter des Instituts zur dauernden Beobachtung eines bestimmten Industrie und Wirtschaftszweigs vor allem zu engem Kontakt mit den betroffenen Menschen Eine weitere wichtige Aufgabe bestand neben eigenen Veroffentlichungen in der Forderung von einschlagigen Publikationsorganen Eine der ersten Massnahmen unter der Geschaftsfuhrung Andreas Voigts bestand in der Fusion sozialpolitischer Organe zur Zeitschrift Soziale Praxis die grosse Beachtung fand und ein Forum der wissenschaftlich fundierten Sozialpolitik bildete Ein 1904 in Berlin eingerichtetes Buro fur Sozialpolitik ubernahm die Redaktion Das Institut wirkte in der Regel koordinierend und als Initiator und Forderer neuer sozialer Einrichtungen Auch wenn diese sich selbstandig weiterentwickelten blieb ihnen das Institut meist personell und durch finanzielle Beteiligung verbunden Zu diesen Einrichtungen gehorte z B eine Auskunftstelle fur Arbeiterangelegenheiten aus der sich eine Rechtsauskunftsstelle sowie das Soziale Museum entwickelten Die dort aufgebaute umfangreiche Sammlung einschlagiger Druckschriften und anderer Unterlagen wurden 1928 auf das Institut fur Wirtschaftswissenschaften an der Universitat Frankfurt ubertragen Unter Beteiligung zahlreicher Frankfurter Burger gab das Institut fur Gemeinwohl 1899 den Anschub zur Grundung der Centrale fur private Fursorge die zunachst als Prufungsstelle fur Unterstutzungsangelegenheiten tatig war Vor allem in der Krisenzeit wahrend und nach dem Ersten Weltkrieg ubte das Institut mit den ihm verbundenen Einrichtungen eine wichtige Funktion bei der Bewaltigung der sozialen Notstande bei Kriegsopfern Arbeitslosen sowie Kindern und Jugendlichen aus Einige Grundungen des Instituts fur Gemeinwohl gingen in bestehenden Organisationen auf wahrend andere lange Zeit selbstandig weiter existierten So fuhrten Bemuhungen des Instituts im Bereich des Arbeitsschutzes 1908 zur Grundung eines Instituts fur Gewerbehygiene das in der Deutschen Gesellschaft fur Arbeitsschutz aufging Merton und sein Institut waren auch an der Grundung des Kaiser Wilhelm Instituts fur Arbeitsphysiologie 1913 beteiligt Das Bedurfnis eine an der Praxis orientierte wissenschaftliche Ausbildung fur Kaufleute Ingenieure und hohere Verwaltungsbeamte zu schaffen fuhrte nach einigen Zwischenetappen 1901 zur Errichtung der Akademie fur Sozial und Handelswissenschaften in Frankfurt am Main einer Vorstufe zur Universitat Frankfurt Mitarbeiter des Instituts fur Gemeinwohl ubernahmen an der Akademie Dozentenstellen so der bisherige Geschaftsfuhrer Andreas Heinrich Voigt sein Nachfolger als Leiter des Instituts wurde Philipp Stein und wurden spater Professoren der Universitat Die Grundung der Universitat Frankfurt ware ohne die Vorbereitungsarbeit des Instituts fur Gemeinwohl und der Akademie fur Sozial und Handelswissenschaften kaum denkbar Letztlich ist sie dem erfolgreichen Zusammenwirken Wilhelm Mertons mit dem Frankfurter Oberburgermeister Franz Adickes und der Vermittlung der Mitarbeiter des Instituts und der Akademie zu verdanken Wilhelm Merton hatte 1899 im Hinblick auf die Grundung der Akademie 30 des Kapitals des Instituts auf die Stadt Frankfurt ubertragen um die Unabhangigkeit des Instituts zu sichern Als er 1916 starb gingen die restlichen 70 seines ins Institut investierten Privatkapitals an eine Treuhandgesellschaft uber die er zu diesem Zweck gegrundet hatte Die Inflation der Zwischenkriegszeit reduzierte das Institutskapital so dass 1924 erneut ein Kapitalstock von 500 000 Reichsmark festgesetzt werden musste Die wissenschaftlichen Interessen des Leiters der Centrale fur private Fursorge Wilhelm Polligkeit bestimmte von nun an die Tatigkeit des Instituts Viele Initiativen zur Modernisierung des Wohlfahrtswesens wie z B die Einfuhrung der Berufsvormundschaft und der Jugendgerichtshilfe gingen von ihm aus In den dreissiger Jahren gerieten das Institut fur Gemeinwohl und alle von ihm geforderten Einrichtungen zunehmend unter den Druck der Nationalsozialisten und ihrer Gleichschaltungspolitik Besonders die judische Herkunft der Grunderfamilie Merton stellte eine Gefahr fur das Weiterbestehen des Instituts dar das von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt liquidiert werden sollte Die Leitung des Instituts fur Gemeinwohl versuchte durch Anpassung seine Existenz zu retten Dennoch musste die Centrale fur private Fursorge 1937 aufgegeben werden Die Vermogensanteile der Treuhandgesellschaft waren im selben Jahr auf Wilhelm Mertons Sohn Richard Merton ubertragen worden der bis dahin Geschaftsfuhrer des Instituts war 1938 musste Richard Merton auf Druck der Nationalsozialisten die Institutsleitung und seinen Vorstandsvorsitz bei der Metallgesellschaft aufgeben Vor seiner erzwungenen Emigration nach England 1938 ubertrug Richard Merton seine ihm gehorende Institutsbeteiligung von 70 seinen Stiefsohnen den Prinzen zu Sayn Wittgenstein Diese mussten jedoch ihre Anteile auf Anordnung der Nationalsozialisten an die Stadt Frankfurt am Main abtreten Nach der Ruckkehr Richard Mertons aus dem Exil wurde dieser Schritt wieder ruckgangig gemacht Die Wirkungsmoglichkeiten des Instituts fur Gemeinwohl waren nach dem Zweiten Weltkrieg begrenzt da der Kapitalstock durch die Wahrungsreform auf 150 000 DM reduziert war Immerhin konnte der Wiederaufbau der Centrale fur private Fursorge und der Deutschen Gesellschaft fur Arbeitsschutz mit erheblichen Geldmitteln unterstutzt werden Auch der Ausbau der Universitat Frankfurt wurde durch Anschubfinanzierungen von Lehrstuhlen vorangetrieben Stipendien vergeben und Forschungsprojekte gefordert Laut Stiftervertrag hat das Institut einen Sitz im Grossen Rat der Johann Wolfgang Goethe Universitat Seit dem Tod Richard Mertons 1960 befinden sich die privaten Kapitalanteile am Institut fur Gemeinwohl im Besitz seines Stiefsohns Casimir Johannes Prinz zu Sayn Wittgenstein Berleburg Literatur BearbeitenHans Achinger Wilhelm Merton und seine Zeit Frankfurt 1965 Dieter Eckhardt Soziale Einrichtungen sind Kinder ihrer Zeit Von der Centrale fur private Fursorge zum Institut fur Sozialarbeit Frankfurt 1999 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Institut fur Gemeinwohl amp oldid 183989480