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Ein Gabelkreuz auch Crucifixus dolorosus Mystikerkruzifix Gabelkruzifix Schacherkreuz oder Pestkreuz ist ein besonders ausdrucksstarker gotischer Kruzifixtypus in Y Form der nach neuerer Forschung unter dem Einfluss der Mystik im spaten 13 oder fruhen 14 Jahrhundert entstand und insbesondere im Rheinland anzutreffen ist In der Heraldik wird das Y formige Gabelkreuz auch Deichsel genannt das PS formige nennt man Pfahldeichsel oder Zwickel Gabelkreuz in St Maria im Kapitol Koln Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Entstehung 3 Vorkommen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenMan nimmt an dass das Gabelkreuz den Baum des Lebens symbolisiert Die Bezeichnung Schacherkreuz bezieht sich auf Darstellungen bei denen Jesus an ein lateinisches oder ein Taukreuz geschlagen ist die beiden mitgekreuzigten Schacher zu seiner linken und rechten aber an Y formige Kreuze Typisch fur einen Crucifixus dolorosus schmerzensreichen Gekreuzigten ist der an einer Y formigen Baumgabel hangende Korpus Jesu Christi mit tief auf die Brust gesunkenem Haupt schmerzverzerrtem Mund und brechenden Augen Die Arme sind mehr nach oben als zur Seite gestreckt der abgemagerte Leib ist stark gekrummt und unterhalb des langen Brustbeins eingefallen mit hervortretenden Rippen und einer klaffenden Seitenwunde Finger und Zehen sind gespreizt und krampfartig gekrummt Der Gesamteindruck der farbig gefassten Figuren war so furchterregend dass Glaubige in Angst und Schrecken versetzt wurden Es ist uberliefert dass der Bischof von London im Jahre 1306 ein Mystikerkruzifix aus diesem Grunde entfernen liess Entstehung BearbeitenGeistliche Stromungen des 13 14 Jahrhunderts entwickelten unter dem Einfluss der Mystik eine Passionsfrommigkeit die sich in dieser Bildform ausdruckte die in besonders eindringlicher Weise den Gekreuzigten als Leidenden darstellt In der Kunstgeschichte setzte sich der Fachbegriff Crucifixus dolorosus durch der von dem italienischen Kunsthistoriker Geza de Francovich eingefuhrt wurde Gotische Leidenskruzifixe sind haufig Gabelkreuze einige auch lateinische Fast immer handelt es sich um Astkreuze die mit vegetabilen Formen an den Lebensbaum erinnern Der fruher gebrauchte Begriff Pestkreuz ist irrefuhrend da die Crucifixi dolorosi um und kurz nach 1300 entstanden also vor Ausbruch der grossen Pestepidemien in Westeuropa Uber die ursprungliche Funktion ist wenig bekannt Gesichert ist dass das Coesfelder Kreuz schon von Anfang an wahrend Prozessionen durch die Stadt gefuhrt wurde Viele Gabelkreuze finden sich bei Dominikanern und bei Franziskanern besonders in Italien In der Zeit der Gegenreformation begann man die Kreuze mancherorts mit einer Kreuztracht zu verehren Vorkommen BearbeitenDas Gabelkreuz von St Maria im Kapitol in Koln galt lange Zeit als altestes Gabelkruzifix Restaurierungsarbeiten ergaben jedoch dass es sich nicht um die Urform aller Gabelkreuze handelte sondern dass dieses Kruzifix nur die Verbreitung dieser Kreuzform im Rheinland angeregt haben durfte Das Kreuz wurde vor 1312 geschaffen Die Restaurierungsarbeiten in den letzten Jahren legten grosstenteils die spatmittelalterliche Zweitfassung wieder frei Kleine Ausschnitte der freigelegten Erstfassung zeigen erstaunliche Ahnlichkeiten mit der ursprunglichen und seit 1967 wieder sichtbaren Farbfassung des Bocholter Kreuzes welches das Kolner Kreuz zum Vorbild hatte wenn auch unterschiedliche Fassmaler am Werk waren Der Crucifixus dolorosus aus St Maria im Kapitol lasst sich hinsichtlich des Stils kaum mit der rheinischen und Kolner Skulptur seiner Zeit verbinden er schien bislang ein singulares Werk von herausragender Qualitat zu sein Es erscheint daher fraglich dass dieses Gabelkreuz von einem Kolner Bildschnitzer geschaffen wurde Auch die weiteren Skulpturen dieser Gattung in Deutschland erscheinen in jeweiligen regionalen Kunst als ausserordentlich Dagegen sind kunstlerische Verbindungen zu Kreuzen in anderen Landern zu erkennen besonders deutlich scheint der Einfluss Italiens Daher ist es moglich dass es sich bei ursprunglichen Gabelkruzifixen um Importstucke handelt oder dass sie von Wanderkunstlern geschaffen wurden wofur im Falle des Kruzifixus in St Maria im Kapitol auch die Verwendung des ortstypischen Nussbaumholzes spricht Ein fruhes Beispiel dieser Kruzifixe befindet sich neben St Maria im Kapitol noch in der Kolner Kirche St Severin Weitere spater entstandene Kreuze sind im Munsterland das Bocholter und das Coesfelder Kreuz sowie zwei Gabelkreuze in Borken Borkener Gabelkreuz und Haltern am See Die Kruzifixe in St Simon und Juda in Thorr Kreis Bergheim St Johannes in Lage Rieste Niedersachsen 1 das Kreuz in St Peter Merzig und das Kruzifix in der katholischen Pfarrkirche St Johannes Baptist in Kendenich Stadt Hurth gehoren auch in diese Gruppe nbsp Bocholter Kreuz nbsp Coesfelder KreuzSiehe auch BearbeitenKreuz Christentum Flurkreuz Bildstock Deichsel Heraldik FurcaLiteratur BearbeitenMonika von Alemann Schwartz Crucifixus dolorosus Beitrage zur Polychromie und Ikonographie der rheinischen Gabelkruzifixe Bonn 1976 Bonn Universitat Dissertation 1976 Geza de Francovich L origine e la diffusione dell crocifisso gotico doloroso In Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana Bd 2 1938 ISSN 0258 557X S 143 265 Godehard Hoffmann Das Gabelkreuz in St Maria im Kapitol zu Koln und das Phanomen der Crucifixi dolorosi in Europa Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 69 Studien zu Kunstdenkmalern im Erzbistum Koln 2 Wernersche Verlagsgesellschaft Worms 2006 ISBN 3 88462 240 4 Felix Liebermann Ein deutscher Bildhauer in London 1306 In Repertorium fur Kunstwissenschaft Bd 33 1910 ISSN 0259 7063 S 550 Fried Muhlberg Crucifixus Dolorosus Uber Bedeutung und Herkunft des gotischen Gabelkruzifixes In Wallraf Richartz Jahrbuch Bd 22 1960 ISSN 0083 7105 S 69 86 Max Strucken Literarische und kunstlerische Quellen des Gabel Kruzifixus Strucken Dusseldorf 1928 Koln Universitat Dissertation 1928 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Gabelkreuze Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Spatgotische Leidenskruzifixe Gabelkreuz in St Maria im Kapitol zu KolnEinzelnachweise Bearbeiten Benedikt Benninghaus Die Kontinuitat der Wallfahrt zum Heiligen Kreuz in Lage Forschungen zur Volkskunde H 60 Verlags Haus Monsenstein und Vannerdat Munster 2014 ISBN 978 3 95645 254 3 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gabelkreuz amp oldid 219200852