www.wikidata.de-de.nina.az
Fritz Fischer 16 Juni 1898 in Backnang 9 Februar 1985 in Munchen war ein deutscher Schauspieler Regisseur und bekannter Theaterintendant Inhaltsverzeichnis 1 Kaiserliche Marine 2 Die Zeit der Weimarer Republik 3 Die Zeit des Nationalsozialismus 4 Nach dem Zweiten Weltkrieg 5 Heirat 6 Fazit 7 Filmografie Auswahl 8 Literatur 9 Radio Feature 10 EinzelnachweiseKaiserliche Marine BearbeitenFischer diente als Obermatrose im Ersten Weltkrieg auf Torpedobooten und Zerstorern In seiner Freizeit wirkte er an Buhnenauffuhrungen mit 1 Nach eigener Darstellung in seinen 1970 verfassten unveroffentlichten Memoiren verweigerte er mit dem Herannahen des Kriegsendes Befehle beim Strafexerzieren und uberzog wiederholt seinen Urlaub Er wurde dafur nicht wie beabsichtigt fur das Eiserne Kreuz vorgeschlagen erhielt Arrest und wurde zum einfachen Matrosen degradiert Im Oktober 1918 war er bei der I Torpedo Division in Kiel Wik stationiert Er spielte eine herausgehobene Rolle im Kieler Matrosen und Arbeiteraufstand So wurde er zusammen mit Karl Artelt in den ersten Soldatenrat in der Wik gewahlt und gehorte den Delegationen bei den drei Verhandlungsrunden in der Marinestation der Ostsee am 4 November 1918 an Bei der dritten Verhandlungsrunde waren auch Gustav Noske und Conrad Haussmann anwesend 2 Allerdings uberzeichnet Fischer seine Rolle deutlich wenn er behauptet er hatte zu den vier Matrosen gehort die die Revolution gemacht haben Seine Motivation scheint nicht in politischen Uberzeugungen begrundet gewesen zu sein Im Ruckblick sah er die Novemberrevolution durch Hunger und provokatives Verhalten der Seeoffiziere verursacht Er besass aber offenbar bereits einen Sinn fur operettenhafte Auftritte So behauptet er er ware der in Noskes Buch 3 erwahnte Matrose mit der grossen roten Fahne gewesen der zu ihm ins Auto stieg als er von Artelt am Bahnhof abgeholt wurde und der wahrend der Fahrt immer wieder schrie Es lebe die Freiheit Allerdings gibt es dafur keine weitere Bestatigung Im weiteren Verlauf des Aufstands ubernahm er eine Funktion im nahe gelegenen Rendsburg trat aber ansonsten nicht weiter in Erscheinung 4 Die Zeit der Weimarer Republik BearbeitenFritz Fischer liess sich zum Schauspieler ausbilden sammelte Erfahrungen im klassischen Ballett sowie Gesang und schlug sich zunachst als Schauspieler und Operetten Tenorbuffo durch 5 Im Jahr 1923 ging er in die USA und wurde am German Theatre Milwaukee engagiert dessen Leitung er wenig spater ubernahm Hier wurde er mit den Grundlagen der extravaganten amerikanischen Inszenierungsstandards vertraut Durch Gastspielauftritte in Chicago und New York wurde er so bekannt dass der legendare Broadway Konig Ziegfeld nachdem er eine Show Fischers gesehen hatte ihn als Finalregisseur fur die Ziegfeld Follies einer glamourosen Nummernrevue im Stile der Folies Bergeres einstellte Nach der ersten Auffuhrung steckte er ihm eine rote Nelke ans Knopfloch und ernannte ihn zum King of Finales Die Nelke wurde fortan sein Markenzeichen 6 Nach funf Jahren 1929 ging Fischer zuruck nach Deutschland Er ubernahm die Dresdener Komodie aber zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise war ihm kein Gluck beschieden und das Privattheater ging 1932 bankrott Fischer verlor seine Ersparnisse Er arbeitete dann an der Komischen Oper sowie der Scala in Berlin und als Filmschauspieler u a als Jim Boy in Die Blume von Hawaii Die Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenNach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden die Engagements sowohl im Film als auf der Buhne weniger weil er aufgrund der unehelichen Geburt seiner Mutter den Ariernachweis nicht erbringen konnte und nach seiner Darstellung seine Judenfreundlichkeit in weitesten Kreisen bekannt war Er trat zum 1 Mai 1933 in die NSDAP ein Mitgliedsnummer 2 637 166 7 wurde aber nicht in die Reichstheaterkammer aufgenommen und konnte deshalb nur im Hintergrund arbeiten vor allem fur das grosse Berliner Variete Scala Dort inszenierte er u a die Tempo Tempo Revue 1002 Nacht mit der er 1937 auch im Munchner Deutschen Theater gastierte 8 Am Gartnerplatztheater hatte Adolf Hitler eine Auffuhrung der Operette Die Fledermaus nach der Pause verlassen was in den verantwortlichen Kreisen fur grosse Besturzung sorgte Der bayerische Gauleiter Adolf Wagner erhoffte sich von Fischer Hilfestellung bei der Uberarbeitung der Inszenierung um Hitler zufrieden stellen zu konnen Im Jahr 1938 wurde Fischer zum Intendanten des Munchner Gartnerplatztheaters ernannt wo seine Inszenierung von Franz Lehars Operette Die lustige Witwe im Stile einer bombastischen Nummernrevue musikalische Leitung Peter Kreuder Star Johannes Heesters Adolf Hitler zum Schwarmen brachte 9 Goebbels attestierte der Auffuhrung hinreissenden Schmiss Wir sind alle sehr begeistert 10 Damit ergab sich die irritierende Konstellation dass Fischers ausgiebig verwendete amerikanische Revue und Jazz Elemente die er obendrein noch in 33 Bildern Freimaurerzahl sowie mit Nackttanzerinnen prasentierte bei den Parteispitzen auf lebhafte Zustimmung stiessen wahrend die Kultur und Sittenwachter des Regimes vergeblich protestierten Richard Strauss nannte Fischer in einem Brief einen Revueschmierendirektor da musse man mit dem Dreschflegel dreinhauen 11 Und der Professor der Akademie fur Tonkunst das NSDAP Mitglied Gottfried Rudinger denunzierte die Auffuhrungen in einem Schreiben an die Reichsmusikkammer als judisches Warenhaus in dem neben Lockartikeln wertloser Tand geboten wird 12 Bei der Bevolkerung stiessen Fischers Inszenierungen dagegen auf grosse Begeisterung Die Sittenwachter mussten zu anderen Mitteln greifen Angriffsflachen bot Fischer durch seine verschwenderische extravagante und ausschweifende Lebensweise genugend Der Bayrische Rechnungshof rugte seine verschwenderische Amtsfuhrung es gab anonyme Beschuldigungen Rassenschande nationalsozialistische Gesinnung fehlt vollstandig Orgien feminine Manner und es gab den Vorwurf der Vergewaltigung einer Kleindarstellerin durch Fischer in dessen Hotelzimmer Fischer stritt das ab Die Hotelierswitwe ausserte den Verdacht die immer lauter schreiende Schauspielerin habe Fischer der Polizei ausliefern wollen Kauffmann schreibt dazu Der Vorfall habe nach dem Krieg zumeist als Intrige unter der Fuhrung des Munchner Polizeiprasidenten Friedrich Karl Freiherr von Eberstein Darstellung gefunden 13 Daraufhin musste Fischer auf personliche Anordnung Hitlers zum Kriegseinsatz zur Marine wurde aber ein halbes Jahr spater als dienstuntauglich entlassen und nahm 1941 seine Tatigkeit in Munchen wieder auf die er bis zur endgultigen Schliessung des Theaters aufgrund von Bombentreffern im September 1944 weiterfuhrte 14 Insgesamt kam es unter Fischer zu 21 Auffuhrungen 15 Kurz vor Fischers Strafversetzung zur Marine am 21 Mai 1941 besuchte das Ensemble des Theaters das KZ Dachau 16 Johannes Heesters wurde 1976 in diesem Zusammenhang von einem niederlandischen Journalisten vorgeworfen er habe fur die SS gesungen was Heesters abstritt Es kam schliesslich zu einem Vergleich Kauffmann ist der Ansicht es habe sich um eine Art Truppenbetreuung der dortigen Wachmannschaften gehandelt 17 Fischer gelang es vermutlich eher unabsichtlich mit seinem uberschaumenden Temperament und seiner grossen Schaffenskraft das Regime vorzufuhren und dessen Kampf gegen zersetzende artfremde Kultur als Phrase zu entlarven Kauffmann sieht Fischers Tatigkeit als Indikator eines grundlegenden Gegensatzes von politischer Ideologie und profaner Lebenspraxis der NS Alltagskultur Die NS Operette am Gartnerplatz erwies sich als Element der Gratifikation und Erheiterung einer stetig neu gefallig zu stimmenden Volksgemeinschaft 18 Nach dem Zweiten Weltkrieg BearbeitenAufgrund seiner Ausrichtung auf amerikanische Kulturelemente gelang es Fischer trotz kurzzeitiger Internierung durch die US Streitkrafte bald wieder als Regisseur tatig zu werden und das schliesslich bis weit in die 1970er Jahre hinein 19 Er konnte aber nicht mehr an die alten Zeiten anknupfen auch wenn er wieder einige grosse Erfolge feierte zum Beispiel mit der Eisrevue Der Kaiserwalzer im Dusseldorfer Apollo Theater die auch in Berlin Hamburg und Brasilien aufgefuhrt wurde Viele seiner Projekte waren jedoch finanzielle Fehlschlage so die Tourneeauffuhrung der Csardasfurstin 1950 das Stuck Kapt n Bay Bay 1950 oder Eine Nacht in Venedig 1953 in der Hamburger Ernst Merck Halle 20 Dennoch blieb Fischer bis zu seinem Tod ein angesehener Intendant 21 Klaus Dietmar Henke stiess bei seiner Erforschung der Organisation Gehlen dem Vorlaufer des Bundesnachrichtendienstes BND auch auf Fritz Fischer Henke kam zu der Uberzeugung dass es sich bei dem Informanten der Organisation mit dem Kurzel F33 um Fischer gehandelt habe Fischer habe von August 1946 an den Schriftsteller Erich Kastner uberwacht den er im Verdacht hatte ein Vorposten der Sowjets im suddeutschen Raum zu sein Henke kommt dann zu dem vollig undifferenzierten Urteil dass Fischer ein ubler Charakter gewesen sei Als Beweis dafur fuhrt er ausgerechnet ein Schreiben der Kriminalpolizeileitstelle Munchen von 1940 an u a mit dem erwahnten Vergewaltigungsvorwurf der vermutlich gerade auf eine Intrige der genannten Stelle zuruckging 22 Heirat BearbeitenIm Herbst 1944 heiratete Fischer Seine Frau war vorher mit einem Juden verheiratet gewesen und hatte mit diesem einen Sohn Rainer Fischer nahm das Kind an wie sein eigenes Der technische Leiter des Gartnerplatztheaters erklarte nach dem Krieg dass Fischer ihm geholfen habe als er von der Gestapo verhaftet worden sei und dass er ehemalige KZ Insassen eingestellt habe Generell habe er eine sehr soziale Einstellung gegenuber den Arbeitern am Theater gehabt 23 Fischer wurde bereits im Oktober 1943 aufgefordert seinen NSDAP Mitgliedsausweis zuruckzugeben wegen Nichttragens des Parteiabzeichens Nichterscheinens auf Parteiveranstaltungen und Evakuierung von Mobiliar 24 Fazit BearbeitenFischer war eine energiegeladene Personlichkeit hatte keine Furcht vor Autoritaten und setzte unbekummert seine kulturellen Ziele und Uberzeugungen durch ohne sich gross um politische Befindlichkeiten zu kummern Er war keine politische Person aber auch keineswegs ein ubler Charakter sondern hatte durchaus moralische Anspruche Er kann eher als eine schillernde Personlichkeit ein Hasardeur masslos in Erfolg oder Pleite ein Abenteurer der alles auf eine Karte setzte charakterisiert werden 25 Filmografie Auswahl Bearbeiten1932 Die oder keine 1932 Flucht nach Nizza 1933 Die Blume von Hawaii 1933 Eine Frau wie du 1933 Johannisnacht 1934 Eine Nacht in Venedig 1934 Das Geschaft bluht 1935 Wie du mir so ich dirLiteratur BearbeitenStefan Frey Theaterwissenschaftler Das wahre Zeittheater In Marie Theres Arnbom Kevin Clarke Thomas Trabisch Welt der Operette Brandstatter Wien 2011 Matthias Kauffmann Wie ein judisches Warenhaus Uber den Intendanten Fritz Fischer und seine Revueasthetik unterm Hakenkreuz In Stefan Frey Theaterwissenschaftler Dem Volk zur Lust und zum Gedeihen 150 Jahre Gartnerplatztheater Leipzig 2015 S 114 125 Elke Schoninger und Thomas Siedhoff Auffuhrungschronik In Stefan Frey Dem Volk zur Lust und zum Gedeihen 150 Jahre Gartnerplatztheater Leipzig 2015 S 208 255 Klaus Dietmar Henke Geheime Dienste Die politische Inlandsspionage der Organisation Gehlen 1946 1953 Veroffentlichungen der Unabhangigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945 1968 Band 10 Ch Links Berlin 2018 ISBN 3 96289 023 8 Auch als Band 10336 in der Schriftenreihe der Bundeszentrale fur politische Bildung Berlin 2018 ISBN 978 3 7425 0336 7 Radio Feature BearbeitenStefan Frey und Rainer Wallraf Fischers Stiefsohn Broadway am Gartnerplatz Der Fall Fritz Fischer Eine Operettenkarriere im Dritten Reich Bayern2Radio Sonntag 17 Juni 2007 9 05 Uhr Zusammenfassung online zuganglich aufgerufen am 2 April 2021 unter 4 Einzelnachweise Bearbeiten Bruno Bock Der Mann mit der roten Nelke kommt F F inszeniert No no Nanette in Kiel In Kieler Nachrichten 12 Dezember 1979 Fritz Fischer Berichte die Fritz Fischer in seinem Leben gegeben hat vom 8 August bis zum 19 August 1970 in Oberstorf Privatarchiv Matthias Kauffmann Gustav Noske Von Kiel bis Kapp Zur Geschichte der deutschen Revolution Berlin 1920 S 11 Digitalisat aufgerufen am 22 Marz 2021 1 Klaus Kuhl Kommentierter Auszug aus den unveroffentlichten Memoiren Fritz Fischers 1916 1919 Kiel 2021 Online zuganglich aufgerufen am 31 Marz 2021 unter 2 Matthias Kauffmann Wie ein judisches Warenhaus Uber den Intendanten Fritz Fischer und seine Revueasthetik unterm Hakenkreuz In Stefan Frey Theaterwissenschaftler Dem Volk zur Lust und zum Gedeihen 150 Jahre Gartnerplatztheater Leipzig 2015 S 114 125 hier S 115 Kauffmann Warenhaus S 115 Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 8870156 Stefan Frey Theaterwissenschaftler Das wahre Zeittheater In Marie Theres Arnbom Kevin Clarke Thomas Trabisch Welt der Operette Brandstatter Wien 2011 Kauffmann Warenhaus S 115 Kauffmann Warenhaus S 116 Joseph Goebbels Tagebucher Zitiert nach Kauffmann Warenhaus S 116 Brief an den Intendanten Clemens Krauss vom 24 Januar 1940 zitiert nach Stefan Frey Das wahre Zeittheater in Marie Theres Arnbom Kevin Clarke Thomas Trabisch Welt der Operette Brandstatter Wien 2011 Kauffmann Warenhaus S 117 f Kauffmann Warenhaus S 116 Kauffmann Warenhaus S 116 Elke Schoninger und Thomas Siedhoff Auffuhrungschronik In Stefan Frey Dem Volk zur Lust und zum Gedeihen 150 Jahre Gartnerplatztheater Leipzig 2015 S 208 255 hier S 238 f Ernst Klee Kulturlexikon im Dritten Reich Frankfurt a M Fischer Taschenbuch Verlag 2007 Kauffmann Warenhaus S 123 Kauffmann Warenhaus S 118 f Kauffmann Warenhaus S 118 f Der Spiegel 26 August 1953 Theaterprogramm Kiel 1979 80 In Kuhl Auszug S 11 Klaus Dietmar Henke Geheime Dienste Die politische Inlandsspionage der Organisation Gehlen 1946 1953 Berlin 2018 Veroffentlichungen der Unabhangigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945 1968 Band 10 S 63 69 Stefan Frey und Rainer Wallraf Fischers Stiefsohn Broadway am Gartnerplatz Der Fall Fritz Fischer Eine Operettenkarriere im Dritten Reich Bayern2Radio Sonntag 17 Juni 2007 9 05 Uhr Zusammenfassung online zuganglich aufgerufen am 2 April 2021 unter 3 Frey Wallraf Broadway Frey Wallraf Braodway Normdaten Person GND 116552557 lobid OGND AKS VIAF 20434778 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Fischer FritzKURZBESCHREIBUNG deutscher Theaterintendant Regisseur und SchauspielerGEBURTSDATUM 16 Juni 1898GEBURTSORT BacknangSTERBEDATUM 9 Februar 1985STERBEORT Munchen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fritz Fischer Intendant amp oldid 235281898