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Bei der Frauenehre vom Stricker handelt es sich um ein didaktisches Lehrgedicht das in der ersten Halfte des 13 Jahrhunderts in Niederosterreich entstanden ist Das Gedicht richtet sich in erster Linie an die hofische Gesellschaft des hohen Mittelalters Insbesondere werden die Ritter angesprochen deren untugendhaftes Verhalten der Erzahler beklagt Sie verletzen die Regeln der richtigen Minne wie sie den damaligen gesellschaftlichen Vorstellungen entsprach Damit stellen sie die ethischen und kulturellen Grundlagen des Rittertums in Frage Mit seiner Minnelehre versucht der Erzahler daher ganz bewusst Einfluss auf die hofische Gesellschaft zu nehmen Zu den Pflichten eines Ritters gehoren das Lob und das unermudliche Streben nach der Gunst der Frauen am Hofe Auch die Rolle der Frau ist klar definiert Durch ihre Tugendhaftigkeit vermittelt sie dem Ritter nicht nur Freude und Ehre sondern sie tragt auch zu seiner moralischen Lauterung bei So hilft sie ihm indirekt dabei seine Herrscherpflichten zu erfullen Das Gedicht ist in vier Handschriften fragmentarisch uberliefert Darunter sind die alteste die Wiener Handschrift 2705 und das Ambraser Heldenbuch Auf der Grundlage dieser Handschriften hat die Forschung eine einheitliche Fassung der Frauenehre rekonstruiert Der zusammenhangende Text ist den Lesern heute in unterschiedlichen Editionen zuganglich Inhaltlich werden in der Frauenehre nur wenige Themen behandelt Mehrere Argumentationsstrange haben das Ziel die Zuhorer zum Nachdenken anzuregen Eine Vielzahl an rhetorischen Figuren und Tropen tragt daruber hinaus zur Komplexitat des Gedichtes bei Die Frauenehre nimmt in der deutschen Literatur des hohen Mittelalters eine Sonderstellung ein da man das Stuck keinem bestimmten Genre zuordnen kann Neben Elementen aus der Minnelyrik und dem Sangspruch enthalt das Lehrgedicht Passagen die der geistlichen Dichtung und der Epik sehr nahestehen Ausserdem wird es durch eine Allegorie und ein Bispel erweitert Der vom Stricker erhoffte Erfolg der Frauenehre blieb aus Jedenfalls gibt es keine Belege fur die Rezeption des Gedichts Da er zum Stand der fahrenden Berufsdichter gehorte und somit von den finanziellen Zuwendungen des Publikums abhangig war wandte sich der Stricker spater anderen literarischen Formen zu Durch seine Reimpaardichtungen Romane und Maren wurde er schliesslich zu einem der bedeutendsten Literaten seiner Zeit Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau und Inhalt des Lehrgedichts 1 1 Prolog v 1 180 1 2 Mittelteil v 181 1804 1 3 Epilog v 1806 1902 2 Uberlieferung und Edition der Frauenehre 3 Struktur der Frauenehre 3 1 Form und Stellung im Gesamtwerk des Strickers 3 2 Schreibstil 4 Die mannlichen Tugenden 4 1 Der Ritterbegriff in der Frauenehre 4 2 Verkommene Tugend das Bispel vom Ackermann 5 Die Rolle der hofischen Dame 6 Wirkungsgeschichte 6 1 Publikum und Auftraggeber 6 2 Rezeption 7 Bildergalerie 8 Einzelnachweise 9 Verzeichnis der Siglen 10 Literatur 10 1 Textausgaben 10 2 Forschungsliteratur zur Frauenehre 10 3 Arbeitshilfen und weiterfuhrende Literatur 10 4 BildquellenAufbau und Inhalt des Lehrgedichts BearbeitenDas Werk lasst sich grob in drei Teile gliedern einen Prolog Vers 1 180 1 einen Mittelteil v 181 1804 und einen abschliessenden Epilog v 1805 1902 Der umfangreiche Mittelteil enthalt neben Streitgesprachen und Minnelyrik Elemente aus der Volksetymologie mehrere Allegorien Tugendkataloge fur Mann und Frau sowie ein abschliessendes Bispel Prolog v 1 180 Bearbeiten Der Dichter streitet mit seinem Herzen Er beklagt dass die hofische Gesellschaft nicht mehr so sei wie einst und standig nach neuen Schriftstucken verlange Das Gesprach endet in dem Entschluss dem Wunsch des Publikums nachzukommen und einen neuen Frauenpreis zu entwerfen Der Stricker bekennt sich zum Stand der fahrenden Berufsdichter und erklart seine daraus resultierende Unkenntnis der Frauen sin leben unde vrouwen pris die sint ein ander unbekant v 142f dd Sein Leben und der Frauenpreis 2 die sind einander unbekannt Es folgt eine Abgrenzung gegen Andersdenkende und die Klage der Frauenpreis sei verkommen Mittelteil v 181 1804 Bearbeiten Versangabe Inhalt v 181 260 Frauen besitzen gottliche Gnade und sollen daher gelobt werden die ere hat in got gegeben daz man si uf der erde ze dem hoesten werde erkennen sol mit eren und ir lop iemer meren v 226 230 Die Ehre hat ihnen Gott gegeben dass man sie auf der Erde als das hochste Wesen verehren und ihr Lob immer vergrossern soll v 261 301 Allegorie der Frau Gnade Indem der Mann die Frau lobt wird ihm ihre Gnade zuteil Sie ist umso grosser desto eifriger der Mann sich um die Gunst der Frau bemuht Die Ertrage seines Strebens bringt die Frau im ubertragenen Sinn zur Frau Gnade die uber das Gluck von Mann und Frau entscheidet v 302 379 Feststellung der Eigenschaften die eine Frau besitzen muss um den Namen vrouwe neuhochdeutsch Dame die sprachlichen Kennzeichnungen des Neuhochdeutschen und Mittelhochdeutschen werden im Folgenden mit nhd und mhd abgekurzt zu verdienen Als Nachstes definiert der Erzahler rechte Minne Die Bedeutung des in der hofischen Literatur des hohen Mittelalters verwendeten Begriffs Minne deckt sich nicht mit der des neuhochdeutschen Worts Liebe Minne umfasst die gesellschaftlichen Pflichten der hochrangigen Personen am Hofe insbesondere das unermudliche Streben der Ritter und die Nichterwiderung ihrer Bemuhungen von den hofischen Damen Fur Ritter und Rittersohne ist die Minne ein kindes spil nhd Kinderspiel ir minne ist doch ein kindes spil bi den die wol beraten sint beide ritter und ritters kint v 338ff Ihre Minne ist doch ein Kinderspiel bei dem beide Ritter und Rittersohne wohl beraten sind Derzeit herrscht jedoch ein valschez leben nhd falsches Leben v 371 v 380 519 Die Tugenden der Frau werden gelobt Der Erzahler verwendet hierfur bildliche Vergleiche Die Schonheit der Frau ubertrifft die der Natur und des Monats Mai Ein tugendhafter Mann wahnt sich bei ihrem Anblick im Paradies wie mohten bluomen unde schin den ougen also sueze sin so diu angesiht der vrouwen in die vroude sint versunken daz in des beginnet dunken er si komen in daz paradis v 397ff 417ff Wie mochten Blumen und Geholz den Augen genauso schon erscheinen als das Angesicht der Frauen Sind sie in die Freude versunken beginnt er zu glauben er sei ins Paradies gekommen v 520 568 Tugendkatalog mit den Eigenschaften uber die ein Ritter verfugen muss um rechten Minnedienst leisten zu konnen v 569 785 Ohne Frauen gabe es keine Ritterschaft Sie sind zugleich Bedingung und Rechtfertigung ritterlichen Lebens v 569 580 Es werden weitere Vergleiche angestellt Gott schuf die Frauen wie Engel und Frauen sind die Blumen der Welt v 593 598 Frauen verleihen dem Ritter vroude nhd Freude und ere nhd Ehre v 623 627 641 Wiederholte Nennung der ritterlichen Tugenden Antithese Abgrenzung gegenuber denjenigen die keine Tugend besitzen Zu ihnen zahlt der Erzahler die gelichsenaere nhd Heuchler vom mhd schwachen Verb gelichesen nhd heucheln v 711 und die ruemaere ndh Prahler v 748 v 786 1095 Das Wichtigste auf der Welt ist die Freude die Frauen den Rittern schenken Frauen sind somit das Herz der Welt Ware die Welt ohne Frauen so ware sie ane herze nhd ohne Herz v 808 812 In einem Exkurs knupft der Erzahler an die zu seiner Zeit in der hofischen Literatur bestehende vrouwe wip Diskussion an Diejenigen die wip nhd Weib genannt werden sollen sich des Namens nicht schamen Im Grunde genommen sind die Bezeichnungen vrouwe und wip einerlei und der Begriff vrouwe ehrt jede tugendhafte Frau ob arm oder reich v 852 889 Als Nachstes benennt der Erzahler die Menschen die keine ritterlichen Tugenden besitzen und daher keinen Anteil an der Freude haben v 935 1030 Der Stricker unterscheidet hierin zwischen 1 denen die wegen Gott zu Einsiedlern wurden 2 denjenigen denen der Teufel die Lebensfreude nahm 3 den Menschen die wegen Boshaftigkeit oder Untreue von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden 4 den ewig Kummervollen oder Freudlosen 5 verdrehten Leuten ohne Tugendbegriff und Gesellschaftsbezug und schliesslich 6 den Toren die nichts begreifen und wie Vieh leben 3 Der Aufzahlung folgen eine Wertung und eine Schlussfolgerung des Erzahlers In einem Einschub aus der Volksetymologie erlautert der Erzahler den Zusammenhang zwischen dem Begriff vrouwe und dem Verb vrouwen Man sol gerne wizzen daz durch welche schult und umbe waz man vrouwen vrouwe nenne daz vrouwen lip unde leben sol vroude haben unde geben des ist ir nam erkenniclich im was ir vrouwen wol bekannt der vrouwen vrouwen namen vant v 1069 1091 Man soll gerne wissen durch welche Schuld und weswegen man Frauen vrouwe nennt der Frauen Leib und Leben Soll Freude haben und geben Das erkennt man schon an ihrem Namen Ihm war ihre Freude wohl bekannt der den Frauen ihren Namen gegeben hat v 1096 1385 Allegorie des Tugendbaums Die Tugenden der Frauen sind so vielfaltig wie ein Wald voller Baume Die einzelnen Tugenden der Frau werden Bestandteilen des Baumes dem Stamm den Asten den Bluten etc zugeordnet und anschliessend ausfuhrlich erlautert v 1393 1495 Es folgt eine direkte Ansprache des Publikums durch den Erzahler und Zusammenfassung der vorangegangenen moralischen Lehre Der Abschnitt endet mit einer Abgrenzung gegenuber personlichen Gegnern des Dichters und Feinden der Frauen v 1496 1614 Uberleitung zum Bispel Der Unterschied zwischen Frauen und Rittern besteht darin dass Frauen sich jederzeit tugendhaft verhalten Viele Ritter lassen in ihrer Tugendhaftigkeit nach weil ihnen der Minnedienst zu muhsam ist Ankundigung einer beispielhaften Erzahlung die verdeutlichen soll welche Folgen die ehrlose Liebe haben kann die gaben dem strite ein zil si duhte der arbeit ze vil sus wart diu vroude verlan und wellent ritter walten der erelosen minne so wirt vil schiere verendet der ritter vroude so gar ich sage iu wol ein maere da mit ich si beide von ein ander scheide und die schuldigen ruege v 1543ff 1584 1589 1608 1611 Die gaben dem Streit ein Ziel sie belastete die Arbeit zu sehr so liess die Freude nach Und wollen Ritter walten der ehrelosen Minne so wird die Freude der Ritter vollkommen enden ich sage euch ein Mare mit dem ich sie beide die ehrlosen und die tugendhaften Ritter voneinander trenne und die Schuldigen anklage v 1615 1804 Das Bispel vom Ackermann Zunachst wird von einem Ackermann erzahlt der das Korn auf dem Feld vor der Reife erntet Die anderen Bauern beklagen dieses Verhalten woraufhin der Ackermann vom hohen Gericht fur seine Tat bestraft wird Anschliessend wird die Geschichte auf die reale Situation an den mittelalterlichen Hofen ubertragen Der Erzahler schlussfolgert dass Ritter die Frauen schlecht behandeln oder sich nicht genugend um ihre Gunst bemuhen ohne Ehre und Freude sterben er sol ane vroude sterben und sol den lon erwerben den die boesen liute erwurben die ane korn ersturben v 1761 1764 Er soll ohne Freude sterben und soll den Lohn erwerben den die bosen Leute erwarben die ohne Korn starbenEpilog v 1806 1902 Bearbeiten Der Erzahler wiederholt noch einmal Die Freude ist das Wichtigste auf der Welt tugendhafte Frauen sind das Herz der Welt und der Ursprung von Freude und Ehre Steigerung der eingangs aufgestellten These Frauen besassen gottliche Gnade zu einer Schlusspointe Frauen seien der ander got der werlde nhd der zweite Gott der Welt Der Dichter bekennt sich erneut zu seiner Zugehorigkeit zum Stand der Fahrenden und begrundet damit abermals seine Unkenntnis der Frauen Das Gedicht endet mit den standesgemassen und fur literarische Texte der Zeit ublichen Bettelversen an das Publikum und potentielle Mazene wirt mir min armout verjaget daz si den vrouwen geklaget daz mich ir lobes niht enirret wan daz mir armout wirret v 1897 1900 dd Moge meine Armut vertrieben werden indem ich sie den Frauen geklagt habe moge mich ihre Lobpreisung nicht hindern ausser sie macht meine Armut noch schlimmerUberlieferung und Edition der Frauenehre BearbeitenDie Frauenehre ist fragmentarisch in vier unterschiedlichen Handschriften uberliefert Sowohl die Heidelberger Handschrift Cod Pal germ 341 im Folgenden mit der Sigle H bezeichnet als auch der Codex Bodmer 72 im Folgenden K 4 enthalten im Kontext von mehreren Dutzend kurzen Versdichtungen einen Reimpaartext mit der Uberschrift Ditz ist von der vrouwen ere Die die werlt zieret sere Die beiden Abschriften gelten als Grundlage aller wissenschaftlichen Editionen 5 der Frauenehre und haben einen Umfang von 1608 bzw 1688 Versen Handschrift K enthalt 80 Verse die versehentlich doppelt aufgeschrieben wurden Die um 1260 1290 entstandene und somit alteste Wiener Handschrift Nr 2705 im Folgenden abgekurzt durch den Buchstaben A enthalt einen uberschriftslos erhaltenen Text der heute der Frauenehre zugerechnet wird Einige Passagen dieses Textes stimmen mit den Handschriften H K uberein Das 102 Verse lange Stuck steht der Verstechnik und dem ublichen Reimgebrauch des Strickers sehr nahe Ob es sich tatsachlich um ein Werk des Strickers handelt kann man aufgrund der fehlenden Autorzuweisungen in Handschrift A nicht eindeutig sagen H 1 Schliesslich gibt es im Ambraser Heldenbuch Wien Cod S n 2663 im Folgenden abgekurzt durch den Buchstaben d ein Stuck mit der Uberschrift der frawn lob Es setzt bei den Versen 1321 bzw 1401 der Handschriften H K ein und wird wegen seiner teils abweichenden oder zusatzlichen Verse als erganzende Textquelle des Lehrgedichts angesehen H 2 Die Forschung beschaftigte sich fast 100 Jahre lang mit uberlieferungs und editionstechnischen Problemen der Frauenehre Die Literaturwissenschaftler Franz Pfeiffer Hans Lambel Karl Ferdinand Kummer und Maria Maurer 6 versuchten in ihren Studien die ursprunglich vom Dichter konzipierte Form zu rekonstruieren Sie liessen dabei jedoch vollkommen ausser Acht nach der literaturhistorischen Bedeutung des Stucks zu fragen Mittlerweile besteht Einigkeit daruber dass man die einzelnen und zerstreut uberlieferten Teile der Frauenehre nicht zu einem einzigen Gedicht zusammenzuschliessen kann Eine kritische Edition wie Karl Lachmann sie vorsah 7 H 3 ist kaum moglich Nach seinem Model erfolgt zunachst die Recensio prufende Musterung eines Archetyps der Uberlieferung mittels Vergleichs verschiedener Uberlieferungen Darauf folgt die Emendatio die Verbesserung oder auch die Anpassung des rekonstruierten Textes an den historischen Kontext seiner Entstehung Die Uberlieferung der Frauenehre ist jedoch weder geschlossen noch kann man die Verwandtschaft der an ihr beteiligten Handschriften exakt bestimmen Der Grund hierfur ist der dass man die einzelnen Textpassagen nicht eindeutig dem Stricker zuordnen kann Bei der Erstellung der Handschriften wurde generell mehr Wert auf die Gruppierung der Texte nach Themen als auf die Autorzuweisungen und sonstigen Quellen gelegt Ein Werk stand folglich immer in einem Themenverbund mit anderen unabhangig vom Autor 8 Die Handschriften H und K stimmen in weiten Teilen hinsichtlich Malerei und Schrifttyp uberein Dies gilt fur ihren gesamten Inhalt Auch der Wortlaut und kleinere Fehler die beim Aufschreiben der Texte entstanden sind ahneln sich 9 Maria Maurer vermutete daher dass beide Handschriften auf eine gemeinsame Vorlage zuruckgehen Andere Positionen gehen davon aus dass es von Anfang an mehrere Fassungen der Frauenehre gab Mehrfache Redaktionen ein und desselben Stucks sind beim Stricker und auch bei anderen Autoren des hohen Mittelalters keine Seltenheit Der Grund hierfur ist dass die meisten literarischen Texte des hohen Mittelalters zunachst fur den mundlichen Vortrag bestimmt waren Sie fanden erst spater Eingang in die verschiedenen Handschriften Es ist also gut moglich dass der Stricker selbst oder andere Sprecher das Gedicht an die jeweilige Situation und das Publikum anpassten und sich so mit der Zeit verschiedene Formen der Frauenehre herausbildeten Bei dem kurzen Fragment aus der Wiener Handschrift A konnte es sich um eine Textstelle handeln die aus einem ursprunglich grosseren Zusammenhang herausgenommen und gesondert vorgetragen wurde H 4 Struktur der Frauenehre BearbeitenForm und Stellung im Gesamtwerk des Strickers Bearbeiten Die Frauenehre ist ein Lehrgedicht uber den richtigen Minnedienst das zwischen Lob und Unterweisung standig wechselt 10 Sowohl im Gesamtwerk des Strickers als auch in der ubrigen deutschen Literatur des 13 Jahrhunderts nimmt es eine isolierte Stellung ein Inhaltlich greift der Stricker ein bereits bekanntes Thema auf den Frauenpreis In einem Frauenpreislied auch Minneleich genannt wurden Frauen im Allgemeinen oder eine einzelne Frau in meist besonders kunstvoller Darstellung gelobt Das Neue an der Frauenehre besteht in ihrer formalen Struktur dem Verschmelzen der vielen aus Epik und Lyrik wohlbekannten Aspekte der Minnethematik zu einem einzigen facettenreichen theoretisch lehrhaften Gedicht H 5 Dass er mit seinem Gedicht ganz bewusst eine neue Form von Frauenpreis schaffen wollte macht der Stricker bereits im Prolog der Frauenehre deutlich Sit man niuwer maere gert nu volge in als ir wille si Do sprach min herze aber zuo daz ich daz waegeste tuo und ein lop den vrouwen gebe v 74f 83ff dd Da man nach neuen Maren verlangt nun folge ihrem Willen Darauf riet mir mein Herz das Beste Angemessenste zu tun und den Frauen ein Lob zu schenkenAus seinen Schriften wird ersichtlich dass der Stricker uber eine umfangreiche Bildung verfugte Dazu gehoren Kenntnisse uber Grundlagen der franzosischen Sprache Jura und Theologie Daruber hinaus war er mit bestehenden kulturellen und sozialen Konventionen sei es durch eigene Erfahrung oder durch intensives Literaturstudium sehr vertraut 11 Die Region Niederosterreichs in der er wirkte stand unter dem Einfluss der kulturellen Zentren Paris und Koln Einzelne Passagen der Frauenehre zeigen eine auffallende Ahnlichkeit mit den ursprunglich aus der franzosischen Literatur stammenden Minnereden 12 H 6 In den deutschen hofischen Romanen gab es nur am Rande Auseinandersetzung mit der Minnethematik und damit verbundenen Fragen Im Laufe der Jahre kam es zu einer Verselbstandigung der Minneexkurse Seit Ende des 13 Jahrhunderts spricht man schliesslich von der Minnerede als eigenstandigem Genre H 7 An der Frauenehre zeigt sich dass der Stricker fruhzeitig wichtige literarische Impulse wahrgenommen und in seinen Werken verarbeitet hat Schreibstil Bearbeiten Das Lehrgedicht besteht aus endgereimten Paarreimen die nach dem Schema aa bb cc dd aufgebaut sind Die Verse sind 4 hebig wobei sich Hebung und Senkung in regelmassigem Turnus abwechseln Swer rehter liebe niemer mac gepflegen noch ir nie gepflac der wendet si iemer swa er kan Ez si wip oder man die rehte Minne leident und liep von liebe scheident v 761 766 dd Wer rechter Liebe nie pflegen mag noch sie niemals pflegte der verhindert sie wann immer er kann Sei es Weib oder Mann die das Leid rechter Minne empfinden und das Angenehme von Liebe trennen Bei der Konzeption des Gedichts hat der Stricker ihm bekannte literarische Vorlagen ubernommen sie umgewandelt und ihnen damit eine andere Bedeutung gegeben H 8 Beispielsweise verarbeitet er Motive aus klassisch hofischen Romanen modifiziert sie und verleiht ihnen damit einen neuen Sinn Oder er ubernimmt Sprachformeln der Spruchdichtung und verwendet sie in einem vollkommen fremden Kontext Der Literaturhistoriker Hanns Fischer fand als einer der Ersten Sprachformeln Bilder und Vergleiche aus der klassischen hofischen Dichtung der Stauferzeit im Werk des Strickers wieder Der Stricker knupft an die literarischen Traditionen des Minnesangs an indem er sich in seinem Lehrgedicht an vielen Stellen einer sehr bildhaften Sprache bedient Die metaphorischen Begriffe stammen meist aus dem Bereich der Natur Er vergleicht Frauen mit dem Monat Mai mit Baumen und Blumen Die Elemente Gold und Silber symbolisieren bei ihm Schonheit und Armut v 385f amp 1113 v 350 Zu den typischen Stilmitteln der mittelhochdeutschen Lehrdichtung zahlen die rhetorische Frage und der Wechsel zwischen Rede und Gegenrede Beide finden sich auch in der Frauenehre ich han der tugende walt ersehen v 1106 Welchez ist der tugende walt der die tugende manicvalt der werlt ze allen ziten birt und niemer ane tugende wirt v 1135 1138 dd Ich habe den Wald der Tugenden erblickt Welcher ist der Wald der Tugenden der die vielfaltigen Tugenden der Welt zu allen Zeiten birgt Und niemals ohne Tugenden sein wird Mit der rhetorischen Frage bringt der Autor seinen subjektiven Eindruck zur Sprache Indem der Autor ein fiktives Gesprach entwirft bezieht er das Publikum unmittelbar ein ohne es direkt anzusprechen 13 Ein Beispiel hierfur ist das Streitgesprach des Dichters mit seinem Herzen zu Beginn des Stucks Min herze hat mit mir gestriten Ich sprach da sint die werden tot die manige tugende behielten da wider sprach daz herze min nu lobe si unz si guot sin die noch in hohem muote sten v 1 14 dd Mein Herz hat mit mir gestritten Ich sprach tot sind diejenigen die viele Tugenden bewahrten da entgegnete mein Herz nun lobe sie solange sie gut sind die sich im Zustand des hohen Mut es befinden Die Frauenehre enthalt daruber hinaus zahlreiche Wortfiguren wie Alliterationen Antithesen und Anaphora Alliterationen lip unde leben v 225 die mit der werlde wollten wesen v 588 ich habe ir guete gar gesaget v 1831 Leib und Leben Die mit der Welt bestand haben wollten Ich habe ihre Gute ganzlich genanntAntithesen des hazzes sueze v 135 guot und sleht v 199 junc oder alt v 528 Des Hasses Sussegut und schlecht jung oder altAnaphora Si sint der vroude ein kroneSi sint ein liht der tougen v 434f Ein spiegel der gedankenEin widerstrit der wankenEin herze der staete v 445ff Sie sind der Freue eine KroneSie sind ein Licht der Wundertaten Ein Spiegel der Gedanken Ein Widerstreit der Zweifel Ein Herz der BestandigkeitDie mannlichen Tugenden BearbeitenDer Ritterbegriff in der Frauenehre Bearbeiten Es ist unbestritten dass der Stricker versucht hat mit seinem Lehrgedicht Einfluss auf die ethischen Grundlagen des Rittertums seiner Zeit zu nehmen 14 Im ursprunglichen Sinne waren Ritter Soldaten die Kriegsdienst leisteten Mit der Entstehung der Hofe im Mittelalter und Formen gesellschaftlichen Lebens entwickelten sich auch gewisse ethische Grundlagen Es gab genaue Vorstellungen daruber wie sich die Manner und Frauen angemessen zu verhalten hatten Zu den Pflichten eines Ritters gehorte unter anderem die Frauen am Hof gut behandeln und sie zu verehren Aus dieser Forderung leitete sich der Begriff Minnedienst ab In der Literatur des hohen Mittelalters bestand das Idealbild der so genannten hohen Minne dem zufolge sich der Ritter unermudlich um die Gunst einer Dame bemuhte Dieses beharrliche Streben nach Minne wurde mit dem Dienst des Vasallen Bezeichnung fur einen Knecht gegenuber der Dienstherrin gleichgesetzt 15 Er war fur die hofische Gesellschaft von entscheidender Bedeutung Wenn sich der Ritter nicht richtig verhielt wurde er von der Frau nicht beachtet Ohne ihre Gunst fuhrte der Ritter jedoch ein freudloses Leben so die damalige Auffassung Wer sich hingegen an die Vorgaben hielt erlangte Ansehen am Hofe In den Versen 495 588 der Frauenehre geht der Erzahler erstmals auf die gewunschten Eigenschaften der Manner ein Der darin vorkommende Tugendkatalog findet im weiteren Verlauf des Gedichts noch mehrmals Verwendung Swer volliclichen haben sol Ir hulde ir dienst und ir gunst Und die bejaget mit rehter kunst Der muoz zweien sin tugent Ern sol daz alter und die jugent niht von einander scheiden er sol in volgen beiden und sol ir beider han gewalt so ist er iemer junc und alt v 520 528 Er sol sich ouch den wisen den alten und den grisen gelichen mit der wisheit so ist im der wisen lon bereit v 531 534 Daz er die richen maze bi der milte beliben laze und die vroude bi der minne und die manheit bi dem sinne die staete bi der triuwe die buoze bi der riuwe die zuht bi der warheit gedult bi der arbeit bi hochvart diemuete bescheidenheit bi der guete und die vuoge bi der schame v 537 547 dd wer ihre vollkommene Ergebenheit Verehrung und Gunst besitzen will und sie der Sitte entsprechend erwirbt der muss zwei Tugenden haben Er soll das Alter und die Jugend nicht voneinander trennen er soll ihnen beiden folgen und soll die Macht uber beide haben dann ist er immer jung und alt Er soll auch den Oberhauptern den Alten und den Greisen mit der Weisheit gleichen dann bekommt er ihren Lohn Dass er die machtigen Krafte bei der Freundlichkeit bleiben lasst und die Freude bei der Minne behalt und die Mannlichkeit im Verstand die Bestandigkeit bei der Zuverlassigkeit die Besserung in der Reue die gute Erziehung bei der Bewahrung im Kampf Geduld bei der Arbeit Bescheidenheit beim vornehmen Leben kluges Handeln bei der Gutherzigkeit und die Anstandigkeit bei der Scham Die Argumentation des Erzahlers mundet in dem oben genannten Schluss dass es ohne die Frauen und den Frauenpreis keine Ritterschaft gabe Die Minne wird zur Konigin der Tugenden emporgehoben Wenn sie fehlt sind alle anderen Tugenden wertlos Daher ist die wichtigste Pflicht des Ritters der Frau gegenuber Minnedienst zu leisten Der Erzahler verleiht seinen Forderungen Nachdruck indem er mehrmals einen direkten Bezug zu Gott und dessen festgeschriebener Ordnung herstellt Haete diu werlt niht vrouwen wa sollte man ritter schouwen Wa bi wurden sie bekannt Zwiu sollte in danne guot gewant Waz gaebe in danne hohen muot Daz hat got unterstanden der hat in manigen landen geliebt den rittern ir leben er hat in vrouwen gegeben die er schuof den engeln gelich v 569ff 589 593 dd Gabe es keine Frauen auf der Welt wo konnte man Ritter sehen Woran waren sie erkennbar Wer sollte ihn dann gut kleiden Was gabe ihm dann hohen Mut 16 Das hat Gott verstanden er hat in vielen Landern das Leben der Ritter geliebt er hat ihm Frauen gegeben die er den Engeln gleich schuf Frauen sind der Ursprung aller Tugenden da sie den Mann zum Minnedienst animieren Ihre Gunst spendet Freude und Ehre innerhalb der hofischen Gesellschaft Doch nur ein tugendhafter Mann kann richtigen Minnedienst leisten Aus diesem Grund warnt der Erzahler die Frauen dass sie sich vor gelichsenaere n nhd Heuchler v 711 und auch vor ruemaere n nhd Prahler v 748 in Acht nehmen sollen Ist aber daz sie wol vernimt daz er den vrouwen missezimt dar nach mac si sich keren Swenne er sin selbes eren niht wil hueten unde pflegen er lat ir ere ouch under wegen v 729 734 dd Sie soll gewiss erfahren dass er den Frauen ubel ansteht danach mag sie sich richten Wenn er auf sein eigenes Ansehen nicht Acht gibt und es nicht pflegen will lasst er auch ihre Ehre auf dem Weg zuruck Die Worte richten sich zwar dem ersten Anschein nach an die Frauen indirekt werden jedoch die Ritter dazu aufgefordert sich tugendhaft zu verhalten Hier zeigt sich ein Widerspruch in der Strickerschen Minnelehre Einerseits kann ein Ritter nur Minnedienst leisten wenn er sich tugendhaft verhalt Andererseits wird ihm Tugend erst durch die Frauen zuteil Frauen sind also zugleich Voraussetzung und Rechtfertigung des ritterlichen Daseins H 9 17 Verkommene Tugend das Bispel vom Ackermann Bearbeiten In dem zur Frauenehre gehorigen Bispel vom Ackermann veranschaulicht der Stricker seine zuvor in abstrakter Art und Weise dargestellte allgemeine Tugendlehre 18 Das Bispel vom Ackermann ist als selbstandige Binneneinheit in das didaktische Werk eingebunden und entspricht den typischen Kennzeichen des Genres Dazu gehoren seine stichische Form also die Beibehaltung eines einzigen Versmasses und der relativ knappe Umfang von 189 Versen Es ist in zwei Abschnitte untergliedert Der Bildteil v 1615 1690 erzahlt von einer kuriosen Begebenheit 19 Im anschliessenden Auslegeteil v 1691 1725 wird die fiktive Situation generalisiert und auf einen realen Kontext ubertragen Im Bildteil der Frauenehre berichtet der heterodiegetische Erzahler von einem Bauern der sein Korn aus Ungeduld vor der Reife maht Die Arbeit auf dem Feld ist ihm gemessen am spateren Ertrag zu gering er sprach da ist diu arbeit ze groz und ist diu werdikeit ze kleine v 1635ff dd Er sprach da ist die Arbeit zu gross und der Ertrag zu klein Andere Landleute bemerken die Tat des Bauern und klagen ihn vorm Gericht an Er wird von einem Richter fur sein fehlerhaftes Verhalten verurteilt Da er die Ertrage seines Feldes nicht genugend wertgeschatzt hat soll ihm auch in Zukunft kein Korn mehr zuteilwerden Er muss fortan hungern und ohne Freude weiterleben Im Auslegungsteil werden Geschichte und Lehrabsicht miteinander in Einklang gebracht Bispel zeichnen sich im Allgemeinen durch ein hohes Mass an bildlicher Sprache aus Im Fall der Frauenehre dienen Motive aus der Natur dem Vergleich mit der hofischen Welt Der Acker des Bauern steht symbolisch fur dessen Frau Das Korn ist die Frucht ihrer Minne Daz korn ist vroude genant nhd das Korn wird Freude genannt v 1707 In der Realitat ist das Korn verganglich nicht aber die Minne der Frau Sie ist prinzipiell unendlich Behandelt man die Pflanze jedoch unangemessen geht sie ein und mit ihr die Freude die sie ihrem Besitzer bereitet hat sol er daz obez erwerben da enhoeret niht gewaltes zuo v 1366f dd will er die Fruchte des Tugendbaums erwerben gehort keine Gewalt dazu Die Geschichte des Bauern wird im folgenden Teil weiter auf die hofische Gesellschaft ubertragen Er vertritt die Ritter denen der Dienst an den Frauen zu muhsam erscheint und die daher auf die Minne verzichten wollen Damit entsagen sie aber auch der Freude die nur die Frau dem Ritter schenken kann Das Element der Gerichtsbarkeit ist eine Neuerung beim Stricker die grosse Ahnlichkeit mit den in den spateren Minnereden oft vorkommenden fiktiven Minnegerichtshofen aufweist In beiden Fallen handelt es sich um die szenische Darstellung einer Verurteilung derjenigen die die Gesetze des Minnedienstes nicht befolgt haben Der Verstoss gegen die Ideale der hofischen Gesellschaft wird mit der Isolierung des Taters geahndet H 10 Weltliche Bispel wie auch das in der Frauenehre argumentieren stets Ordo bezogen und konservativ Der Ordo bezeichnete den gesellschaftlichen Rang den eine Person innehatte Im hohen Mittelalter unterteilte sich die Gesellschaft nach Funktionen in drei Gruppen Zum Lehrstand gehorten der Klerus Lehrende und Literaten Den zweiten Stand Wehrstand vertraten die Ritter der Adel Die Bauer gehorten schliesslich zum so genannten Nahrstand Der Vorstellung nach war diese Ordnung von Gott gegeben und durfte nicht angezweifelt werden Wenn man sich unstandesgemass verhielt hatte das weit reichende Konsequenzen Im schlimmsten Fall drohte dem Betroffenen der gesellschaftliche Abstieg 20 21 Die Figur des Bauers wurde von den Dichtern oft genommen um dem Publikum zu verdeutlichen welche tragischen Folgen die Nichtanwendung der moralischen Grundsatze haben kann Spielte die Geschichte in der landlichen Sphare konnte der Dichter seine Lehre unverhullt darstellen Zugleich wurde eine allgemein abschatzige Haltung gegenuber dem niederen Stand deutlich Die Bauern der meisten Bispel waren einfaltig und dummlich und daher gar nicht dazu fahig hofisch zu lieben Die hohe Minne war ausschliesslich an den Hof und die hofischen Umgangsformen gebunden Der Bauer der sich in seiner ungehobelten Art nicht an die gesellschaftlichen Moralvorstellungen halt muss mit seinem schweren Schicksal leben Dadurch ist er zugleich Spottobjekt und komische Figur des Bispel Seine Rolle diente aber nicht nur der Erheiterung des Publikums Es sollte vielmehr erkennen dass es dem Schicksal des Bauern um jeden Preis entgehen muss Liessen sich die Zuhorer abschrecken war die Arbeit des Autors getan 22 Die Rolle der hofischen Dame BearbeitenAn vielen Stellen der Frauenehre wird die Schonheit der Frauen betont die es zu bewundern gilt Stilistisch bediente sich der Verfasser des Gedichts bildlicher Vergleiche aus der Natur Frauen ubertreffen mit ihrer Anmut die Schonheit des Monats Mai und die der Blumen Die Lobpreisung wird sogar noch gesteigert indem Motive des Gottlichen herangezogen werden So wahnt sich jeder Mann beim Anblick einer Frau im Paradies v 397ff 417 421 Das Ideal der hohen Minne sah vor dass die Frauen im Gegensatz zu den Rittern tugendhaft und unfehlbar waren Aus diesem Grund wurden sie in der hofischen Literatur als anmutig und schon dargestellt Ihr Aussehen war Ausdruck des Wahren und Guten ihrer Seele ein Spiegel der inneren Schonheit 23 Die Tugendhaftigkeit der Frau dient einem einzigen Zweck der Lauterung des Mannes 24 Die hofische Dame weckt in ihm die hohe Kraft der Minne indem sie durch ihre Schonheit und ihr vorbildhaftes Verhalten den Ritter zum Minnedienst animiert Dadurch gibt die die Werte die sie vertritt an den Ritter weiter Nach erfolgreichem unermudlichem Werben ist auch der Mann schliesslich tugendhaft Er erlangt ere nhd Ehre am Hofe Ditz ist diu ere die si gebent Daz ritter ritterlichen lebent Daz hant si von den vrouwen v 641ff dd Das ist die Ehre die sie geben Dass die Ritter ritterlich leben Das haben sie von den Frauen Gesellschaftliches Ansehen besass man also nicht automatisch nur weil man eine bestimmte Position am Hofe innehatte Ein Angehoriger der Oberschicht musste es sich erst verdienen indem er sich sowohl den christlichen Geboten entsprechend verhielt als auch den gesellschaftlichen Erwartungen entsprach und Minnedienst leistete 25 Minne und Ehe waren daher keine privaten Angelegenheiten sondern zentrale Werte der hofischen Offentlichkeit Im Unterschied zum Ideal der hohen Minne in dem die Dame stets unnahbar war ist die Erfullung des Minnewunschs in der Frauenehre durchaus moglich Zuvor bestand Minnedienst noch im unermudlichen Streben nach der Gunst der Frau bei dem der Mann seine Beharrlichkeit und seine moralische Starke bewies Die Ehe war von der Minne ausgeschlossen Beim Stricker ist das anders Er gilt somit als Vorreiter der Verburgerlichung von Minnedidaktik hin zu einer veranderten Vorstellung von Ehe und der Beziehung zwischen Mann und Frau 14 Der Stricker hat in der Frauenehre das tatsachlich bestehende Geschlechterverhaltnis umgekehrt Frauen waren der allgemeinen Vorstellung nach unvollkommen und unselbstandig Sie bedurften der standigen Anleitung ihrer Manner In Anlehnung daran heisst es im Grundbuch des Kirchenrechts dem Decretum Gratiani aus dem 12 Jahrhundert dass die Frau wegen ihres Standes der Dienstbarkeit dem Mann in allem unterworfen sein soll lat propter condicionem seruitutis qua uiro in omnibus debet subesse vlg Gratian um 1150 Sp 1254 26 Das Decretum Gratiani ist in der Mitte des 12 Jahrhunderts entstanden und zahlt zum Hauptwerk des Kamaldulensermonchs Gratian Doch nicht nur hier auch in der christlichen Literatur des Mittelalters wurde die Frau meist als moralisch schwaches Wesen dargestellt das Versuchungen leicht erlag Wirkungsgeschichte BearbeitenPublikum und Auftraggeber Bearbeiten Man geht davon aus dass der Stricker aufgrund seines Standes als fahrender Berufsdichter fur kein bestimmtes Publikum schrieb Die Frauenehre richtet sich zwar in erster Linie an die hofische Gesellschaft man geht aber davon aus dass er auch Zuhorer aus dem gehobenen Burgertum und klerikalen Kreisen erreichen wollte 27 Die Lehre des Strickers ist daher standeubergreifend angelegt Einen Beleg hierfur findet man in den Beschreibungen der Pflichten und Eigenschaften von Rittern und Frauen die sehr allgemein gehalten sind Ausserdem greift er die in der mittelalterlichen hofischen Literatur bestehende vrouwe wip Diskussion v 786 1095 in der Frauenehre auf Der Erzahler betont hierin dass es grundsatzlich keinen Unterschied zwischen Frauen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten gibt 28 29 Er macht sogar Zugestandnisse gegenuber der armeren Bevolkerung indem er sagt dass Armut der Ausubung rechter Minne schade Fur wohlhabende Ritter musse die Minne hingegen ein Kinderspiel sein 30 31 Eine Zuordnung zu Mazenen bestimmten Herrschern oder Institutionen im Umkreis des Strickers ist nicht moglich da sich in seinem Werk nur sehr vage Andeutungen finden Man geht davon aus dass die Frauenehre zu Beginn der Strickerschen Bispelperiode Ende der 1220er Anfang der 1230er Jahre in Niederosterreich entstanden ist 32 33 Die Vermutung des Literaturwissenschaftlers Hermann Menhardt der Stricker konne das Gedicht zu Ehren der Schwester Herzog Friedrichs II Constanze anlasslich ihrer Vermahlung im Jahr 1231 verfasst haben konnte bislang nicht bestatigt werden H 11 An manchen Stellen finden sich hingegen Hinweise die auf eine Frauengemeinde als Auftraggeberinnen schliessen lassen 34 In der Schaffenszeit des Strickers vollzog sich ausgehend von den franzosischen Hofen ein gesellschaftlicher Wandel der den Frauen grossere Freiraume verschaffte als es das bis dahin geltende Recht vorsah Im Schutz der hofischen Gesellschaft waren sie den Mannern nicht mehr wie zuvor in allem unterworfen Sie trafen daher eigenstandige Entscheidungen und nutzten die Geselligkeit am Hofe um sich zu bilden Es ist also sehr wahrscheinlich dass sich die hofische Dichtung auch nach den Wunschen und dem Urteil adliger Damen richtete 35 Rezeption Bearbeiten Die Frauenehre wurde nur bruchstuckhaft in verschiedenen Handschriften uberliefert und kaum rezipiert Oft vorgetragene Stucke wurden meist von anderen Autoren aufgegriffen und in ihren eigenen Werken verarbeitet Uber intertextuelle Bezuge der Frauenehre gibt es jedoch keine gesicherten Belege 36 Ein moglicher Grund fur den ausbleibenden Erfolg des Gedichts konnte seine herausragende Stellung sein Der Stricker hat eine Form von Frauenpreis geschaffen die neu und ungewohnt war Sie fand keine Nachahmer Da er als fahrender Berufsdichter von den finanziellen Zuwendungen durch Mazene abhangig war wandte sich der Stricker in der Folgezeit anderen Schreibformen zu die offenbar eher dem Geschmack des Publikums entsprachen Beispiele hierfur sind die Mare oder das Bispel Mit seinen spateren Stucken die vielfach Nachahmer fanden leistete der Stricker einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung der hofischen Literatur des 13 Jahrhunderts Bildergalerie Bearbeiten nbsp Wiener Handschrift Nr 2705 A Blatt 54vab Frauenehre v 429 454 nbsp Wiener Handschrift Nr 2705 A Blatt 55rab Frauenehre v 455 510 v 569 588 nbsp Heidelberger Handschrift Cod Pal germ 341 H Blatt 283rab Frauenehre v 1 48 nbsp Ambraser Heldenbuch Wien Cod S n 2663 d Blatt 1rabc Frauenehre v 1321 1526 nbsp Ambraser Heldenbuch Wien Cod S n 2663 d Blatt 1ra Ausschnitt Frauenehre v 1321 1352 Einzelnachweise Bearbeiten Die nachfolgenden Versangaben beziehen sich auf Klaus Hofmann Hrsg Strickers Frauenehre Uberlieferung Textkritik Edition literaturgeschichtliche Einordnung N G Elwert Verlag Marburg 1976 Die Ubersetzungen ins Neuhochdeutsche erheben keinen Anspruch auf vollkommene Richtigkeit Als Arbeitshilfe diente Matthias Lexer Hrsg Mittelhochdeutsches Taschenworterbuch S Hirzel Verlag Stuttgart 1992 II Die Frauenehre In Sabine Bohm Der Stricker ein Dichterprofil anhand seines Gesamtwerkes Europaische Hochschulschriften Reihe 1 Bd 1530 Peter Lang Verlag Frankfurt a M u a 1995 S 137 Codex Bodmer 72 Bibliothek Bodmeriana Cologny Geneve Fruhere Bezeichnung Kalocsaer Codex 1 Erzbischofliche Bibliothek Vgl Hans Joachim Ziegeler u a Der Stricker In Burghart Wachinger u a Hrsg Verfasserlexikon 2 Auflage Band 9 Walter de Gruyter Berlin New York 1995 Z 427 f Im Unterschied zur Faksimileausgabe der farbigen oder Schwarz Weiss Wiedergabe der ursprunglichen Textvorlage und zum diplomatischen Abdruck der unveranderten Wiedergabe des Textes mit modernen Schriftzeichen spricht man von einer Edition wenn der Editor entweder versucht den ursprunglichen Text aus verschiedenen uberlieferten Quellen zu rekonstruieren Leithandschriftenprinzip oder wenn ein normalisierter Handschriftenabdruck vorliegt Diese Form wird auch bereinigter Handschriftenabdruck genannt und sieht kleinere Eingriffe in den Text z B Vereinheitlichung unterschiedlicher Schreibweisen vor Meistens orientiert man sich dabei am altesten uberlieferten Text und verbessert offensichtliche Fehler durch den Vergleich mit anderen Quellen Vgl Horst Brunner Hrsg Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Uberblick Philipp Reclam jun Stuttgart 2007 S 24f Franz Pfeiffer Frauenehre von dem Stricker In Zeitschrift fur deutsches Altertum und deutsche Literatur 7 1849 S 478 521 Hans Lambel Zur Uberlieferung und Kritik der Frauenehre des Strickers In Symbolae Pragenses Wien 1893 S 82 98 Horst Brunner Hrsg Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Uberblick Philipp Reclam jun Stuttgart 2007 S 25 Ziegeler Z 432 Maria Maurer Die Frauenehre von dem Stricker zugl Diss Albert Ludwigs Universitat Freiburg 1927 S 3f Ingeborg Glier Artes amandi Untersuchung zur Geschichte Uberlieferung und Typologie der deutschen Minnereden In Munchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters MTU Bd 34 Verlag C H Beck Munchen 1971 S 37 Karl Ernst Geith u a Der Stricker In Burghart Wachinger u a Hrsg Verfasserlexikon 2 Auflage Band 9 Walter de Gruyter Berlin New York 1995 S 419 John Margetts ich han den mut und den sit den mich min herze leret Eigen Sinn beim Stricker In Emilio Gonzalez Hrsg Die Kleinepik des Strickers Texte Gattungstraditionen und Interpretationsprobleme Philologische Studien und Quellen Bd 199 Schmidt Verlag Berlin 2006 S 130 Maurer S 9 12 a b Bohm S 131 Hilkert Weddige Hrsg Einfuhrung in die germanistische Mediavistik Verlag C H Beck Munchen 2006 S 255 Hochmut hatte im Mittelalter eine andere Bedeutung als heute Damals hiess es so viel wie freudig erhohte festliche Stimmung beispielsweise auf Hoffesten oder Ritterturnieren Dieter Vogt Ritterbild und Ritterlehre in der lehrhaften Kleindichtung des Strickers und in sog Seifried Helbling In Europaische Hochschulschriften Reihe 1 Bd 845 Peter Lang Verlag Frankfurt a M 1985 S 133 f Franz Josef Holznagel Gezahmte Fiktionalitat Zur Poetik des Reimpaarbispels In Emilio Gonzalez Hrsg Die Kleinepik des Strickers Texte Gattungstraditionen und Interpretationsprobleme Philologische Studien und Quellen Band 199 Schmidt Verlag Berlin 2006 S 47 60 Holznagel S 49ff Holznagel S 58 Weddige S 160f Gerhard Kopf Hrsg Marendichtung J B Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1978 S 69 Joachim Bumke Hrsg Hofische Kultur Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter Bd 2 Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 1986 S 423 452 Bohm S 140f Bumke S 428 452 Bumke S 454ff Bohm S 137 Ziegeler Z 434 Dieter Vogt Ritterbild und Ritterlehre in der lehrhaften Kleindichtung des Strickers und in sog Seifried Helbling Europaische Hochschulschriften Reihe I Bd 845 Peter Lang Verlag Frankfurt a M 1985 S 139 Weddige S 174 Vogt S 132 Geith Z 418f Kopf S 52 Elke Ukena Best Der Stricker Kleinere Dichtungen Zuschreibungsprobleme In Burghart Wachinger u a Hrsg Verfasserlexikon 2 Auflage Band 9 Walter de Gruyter Berlin New York 1995 Z 434 Weddige S 183 Beispielsweise untersuchte Maria Maurer die Frauenehre hinsichtlich ihrer Parallelen zur hofischen Epik Ihr besonderer Fokus lag auf Gottfried von Strassburgs Tristan in dem es eine Textstelle gibt die mit den Worten der Frauen hochstes Lob uberschrieben ist Vgl Maurer S 13 Klaus Hofmann Hrsg Strickers Frauenehre Uberlieferung Textkritik Edition literaturgeschichtliche Einordnung N G Elwert Verlag Marburg 1976 S 2 S 4f S 29 S 3 6 228 S 169 S 166 169 174 S 172 175 S 185f S 229 S 237ff S 238 Verzeichnis der Siglen BearbeitenBlatt xyrab c Handschrift A Handschrift d Handschrift H Handschrift K lat nhd mhd sp v z dd Pergamentblatt Nr xy Recto Spalten a b und c Wiener Handschrift Nr 2705 Ambraser Heldenbuch Wien Codex Ser Nov 2663 Heidelberger Handschrift Codices Palatini germanici 341 Kalocsaer Codex 1 heutige Bezeichnung Codex Bodmer 72 Bibliothek Bodmeriana Cologny Geneve lateinisch neuhochdeutsch mittelhochdeutsch Spalte Vers ZeileLiteratur BearbeitenTextausgaben Bearbeiten Klaus Hofmann Hrsg Strickers Frauenehre Uberlieferung Textkritik Edition literaturgeschichtliche Einordnung N G Elwert Verlag Marburg 1976 ISBN 3 7708 0550 X Maria Maurer Die Frauenehre von dem Stricker zugel Diss Albert Ludwigs Universitat Freiburg 1927 Forschungsliteratur zur Frauenehre Bearbeiten Die Frauenehre Kapitel II In Sabine Bohm Der Stricker ein Dichterprofil anhand seines Gesamtwerkes Europaische Hochschulschriften Reihe 1 Bd 1530 Peter Lang Verlag Frankfurt a M u a 1995 ISBN 3 631 49214 6 S 131 146 Franz Josef Holznagel Gezahmte Fiktionalitat Zur Poetik des Reimpaarbispels In Emilio Gonzalez Hrsg Die Kleinepik des Strickers Texte Gattungstraditionen und Interpretationsprobleme Philologische Studien und Quellen Bd 199 Schmidt Verlag Berlin 2006 ISBN 3 503 07983 1 S 47 71 John Margetts ich han den mut und den sit den mich min herze leret Eigen Sinn beim Stricker In Emilio Gonzalez Hrsg Die Kleinepik des Strickers Texte Gattungstraditionen und Interpretationsprobleme Philologische Studien und Quellen Bd 199 Schmidt Verlag Berlin 2006 ISBN 3 503 07983 1 S 117 134 Dieter Vogt Ritterbild und Ritterlehre in der lehrhaften Kleindichtung des Strickers und in sog Seifried Helbling Europaische Hochschulschriften Reihe 1 Bd 845 Peter Lang Verlag Frankfurt a M 1985 ISBN 3 8204 8298 9 Arbeitshilfen und weiterfuhrende Literatur Bearbeiten Horst Brunner Hrsg Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Uberblick Philipp Reclam jun Stuttgart 2007 ISBN 978 3 15 009485 3 Joachim Bumke Hrsg Hofische Kultur Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter Bd 1 und 2 Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 1986 ISBN 3 423 30170 8 Karl Ernst Geith Elke Ukena Best Hans Joachim Ziegeler Der Stricker In Burghart Wachinger u a Hrsg Verfasserlexikon 2 Auflage Band 9 Walter de Gruyter Berlin New York 1995 ISBN 3 11 016911 8 Z 417 449 Ingeborg Glier Artes amandi Untersuchung zur Geschichte Uberlieferung und Typologie der deutschen Minnereden In Munchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters MTU Bd 34 Verlag C H Beck Munchen 1971 ISBN 3 406 02834 9 Gerhard Kopf Hrsg Marendichtung J B Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1978 ISBN 3 476 10166 5 Matthias Lexer Hrsg Mittelhochdeutsches Taschenworterbuch S Hirzel Verlag Stuttgart 1992 ISBN 3 7776 0494 1 Hilkert Weddige Hrsg Einfuhrung in die germanistische Mediavistik Verlag C H Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 36749 6 Bildquellen Bearbeiten Handschrift A Pergament 23 8 cm 15 8 cm um 1260 1290 Handschrift H Pergament 30 8 cm 22 5 cm um 1320 30 Handschrift d Pergament 48 5 cm 36 5 cm 1502 1517 von Hanns Ried Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Frauenehre amp oldid 239280741