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Eine erweiterte Zufallsvariable ist eine Zufallsvariable mit Werten in den erweiterten reellen Zahlen Eine erweitere Zufallsvariable heisst auch numerische Zufallsvariable im Unterschied zu einer reellen Zufallsvariablen die nur Werte in den reellen Zahlen annimmt Inhaltsverzeichnis 1 Definition und Eigenschaften 1 1 Definition 1 2 Eigenschaften 1 3 Uneinheitliche Terminologie 2 Anwendungen 2 1 Unendliche Lebensdauer mit positiver Wahrscheinlichkeit 2 2 Teststatistik als erweiterte Zufallsvariable 2 3 Bedingte Erwartung als Zufallsvariable 2 4 Limes von Folgen reeller Zufallsvariablen 3 Rechnen mit erweiterten Zufallsvariablen 4 EinzelnachweiseDefinition und Eigenschaften BearbeitenFur die erweiterten reellen Zahlen R R displaystyle bar mathbb R mathbb R cup infty infty nbsp wird lt x lt displaystyle infty lt x lt infty nbsp fur alle x R displaystyle x in mathbb R nbsp vereinbart B R displaystyle mathcal B bar mathbb R nbsp bezeichne die borelsche s Algebra auf den erweiterten reellen Zahlen W A P displaystyle Omega mathbb A P nbsp sei ein Wahrscheinlichkeitsraum Definition Bearbeiten Eine Abbildung X W R displaystyle X Omega to bar mathbb R nbsp die A B R displaystyle mathbb A text mathcal B bar mathbb R nbsp messbar ist heisst erweiterte Zufallsvariable 1 engl extended random variable 2 Eine erweiterte Zufallsvariable heisst auch erweiterte zufallige Grosse 3 oder analog zur Terminologie der numerischen Funktion numerische Zufallsvariable 4 5 6 Eigenschaften Bearbeiten Die A B R displaystyle mathbb A text mathcal B bar mathbb R nbsp Messbarkeit von X displaystyle X nbsp bedeutet dass X 1 B A displaystyle X 1 B in mathbb A nbsp fur alle B B R displaystyle B in mathcal B bar mathbb R nbsp gilt Dabei bezeichnet X 1 B displaystyle X 1 B nbsp das Urbild einer Menge B R displaystyle B subseteq bar mathbb R nbsp Somit ist die Wahrscheinlichkeit P X B P X 1 B displaystyle P X in B P X 1 B nbsp fur alle B B R displaystyle B in mathcal B bar mathbb R nbsp definiert Insbesondere sind im Unterschied zu einer reellen Zufallsvariablen auch die beiden Wahrscheinlichkeiten P X P X 1 displaystyle P X infty P X 1 infty nbsp und P X P X 1 displaystyle P X infty P X 1 infty nbsp definiert und konnen positiv sein DurchP X B P X B displaystyle P X B P X in B nbsp fur alle B B R displaystyle B in mathcal B bar mathbb R nbsp dd ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung der erweiterten Zufallsvariablen X displaystyle X nbsp auf dem Messraum R B R displaystyle bar mathbb R mathcal B bar mathbb R nbsp definiert so dass R B R P X displaystyle bar mathbb R mathcal B bar mathbb R P X nbsp ein Wahrscheinlichkeitsraum ist Eine erweiterte Zufallsvariable X displaystyle X nbsp mit der Bildmenge X W R displaystyle X Omega subseteq mathbb R nbsp ist eine reelle Zufallsvariable Insofern sind reelle Zufallsvariablen spezielle erweiterte Zufallsvariablen Eine erweiterte Zufallsvariable X displaystyle X nbsp mit der speziellen Eigenschaft P X P X 0 displaystyle P X infty P X infty 0 nbsp unterscheidet sich wahrscheinlichkeitstheoretisch nicht von der durchX w X w fur w X 1 R 17 fur w X 1 displaystyle X omega begin cases X omega amp text fur omega in X 1 mathbb R 17 amp text fur omega in X 1 infty infty end cases nbsp dd definierten reellen Zufallsvariable X displaystyle X nbsp Die Zahl 17 kann durch jede beliebige reelle Zahl ersetzt werden da nach Konstruktion P X 17 0 displaystyle P X 17 0 nbsp gilt Es giltP X B P X B fur alle B B R displaystyle P X in B P X in B quad text fur alle B in mathcal B mathbb R nbsp dd wobei B R displaystyle mathcal B mathbb R nbsp die borelsche s Algebra auf R displaystyle mathbb R nbsp bezeichnet Die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer erweiterten Zufallsvariablen kann durch deren Subverteilungsfunktion H X x P X x displaystyle H X x P X leq x nbsp fur x R displaystyle x in mathbb R nbsp charakterisiert werden Dabei gilt P X lim x H X x displaystyle P X infty lim x to infty H X x nbsp und P X 1 lim x H X x displaystyle P X infty 1 lim x to infty H X x nbsp Die Klasse der erweiterten Zufallsvariablen ist abgeschlossen bezuglich der punktweisen Konvergenz Es gilt folgender Satz Es sei X n n N displaystyle X n n in mathbb N nbsp eine Folge erweiterter Zufallsvariablen auf demselben Wahrscheinlichkeitsraum mit der Ergebnismenge W displaystyle Omega nbsp und X w lim n X n w displaystyle X omega lim n to infty X n omega nbsp fur alle w W displaystyle omega in Omega nbsp dann ist X displaystyle X nbsp ebenfalls eine erweiterte Zufallsvariable 7 Uneinheitliche Terminologie Bearbeiten Die Begriffe Zufallsvariable reelle Zufallsvariable und numerische Zufallsvariable werden uneinheitlich verwendet Z B verwendet Klaus Schmidt den Begriff Zufallsvariable fur eine erweiterte oder numerische Zufallsvariable mit Werten in R displaystyle bar mathbb R nbsp im Unterschied zu einer reellen Zufallsvariablen mit Werten in R displaystyle mathbb R nbsp 8 Anwendungen BearbeitenUnendliche Lebensdauer mit positiver Wahrscheinlichkeit Bearbeiten Bei der Uberlebenszeitanalyse modelliert eine nichtnegative Zufallsvariable X displaystyle X nbsp die zufallige Lebensdauer Dabei ist P X gt x displaystyle P X gt x nbsp die so genannte Uberlebensfunktion Bei biometrischen Anwendungen ist eine ubliche Annahme lim x P X gt x 0 displaystyle lim x to infty P X gt x 0 nbsp bzw dazu aquivalent lim x P X x 1 displaystyle lim x to infty P X leq x 1 nbsp Diese Annahme ist plausibel da sie ein mit positiver Wahrscheinlichkeit unendlich langes Leben ausschliesst Bei physikalischen Modellen ergibt sich eine andere Situation Wenn man das Konzept der Uberlebenszeitanalyse zum Beispiel auf eine Mischung stabiler und instabiler Kohlenstoff Isotope anwendet so ist lim x P X gt x gt 0 displaystyle lim x to infty P X gt x gt 0 nbsp und somit auch lim x P X x lt 1 displaystyle lim x to infty P X leq x lt 1 nbsp da die instabilen Isotope zerfallen und die stabilen Isotope dauerhaft uberleben Ein Modell fur Uberlebenszeiten kann in diesem Fall auf einer erweiterten Zufallsvariable mit der Eigenschaft P X gt 0 displaystyle P X infty gt 0 nbsp basieren Teststatistik als erweiterte Zufallsvariable Bearbeiten In der mathematischen Statistiken wird manchmal die Teststatistik Prufgrosse eines Tests als erweiterte Zufallsvariable T X B R B R displaystyle T mathcal X mathcal B to bar mathbb R mathcal B bar mathbb R nbsp und damit als messbare Funktion vom Stichprobenraum X B displaystyle mathcal X mathcal B nbsp in die erweiterten reellen Zahlen definiert 9 Bedingte Erwartung als Zufallsvariable Bearbeiten Der Erwartungswert einer Zufallsvariablen wird teils im engeren Sinn als reelle Zahl und teils im weiteren Sinn als erweiterte reelle Zahl definiert Entsprechend fuhrt das allgemeinere Konzept der bedingten Erwartung zur bedingen Erwartung im engeren Sinn als reelle Zufallsvariable oder zur bedingten Erwartung im erweiterten Sinn als erweiterte Zufallsvariable 10 11 Im ersten Fall werden bedingte Erwartungen gegeben eine reelle Zufallsvariable oder allgemeiner gegeben ein Ereignissystem als s Algebra nur fur integrierbare Zufallsvariablen im zweiten Fall allgemeiner fur quasiintegrierbare Zufallsvariablen definiert Limes von Folgen reeller Zufallsvariablen Bearbeiten Eine erweiterte Zufallsvariable X displaystyle X nbsp kann als Limes einer Folge reeller Zufallsvariablen X n n N displaystyle X n n in mathbb N nbsp aufgefasst werden die im ublichen wahrscheinlichkeitstheoretischen Sinn nicht konvergiert Es sei X n n N displaystyle X n n in mathbb N nbsp eine Folge normalverteilter Zufallsvariablen mit Erwartungswert 0 displaystyle 0 nbsp und Standardabweichung n displaystyle n nbsp Eine Zufallsvariable X n displaystyle X n nbsp hat dann die Verteilungsfunktion F n x P X n x F x n displaystyle F n x P X n leq x Phi x n nbsp wobei F displaystyle Phi nbsp die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichnet Die Folge X n n N displaystyle X n n in mathbb N nbsp konvergiert in den ublichen wahrscheinlichkeitstheoretischen Konvergenzkonzepten fur reelle Zufallsvariablen nicht gegen eine reelle Zufallsvariable da lim n P X n gt x 1 2 fur alle noch so grossen x R displaystyle lim n to infty P X n gt x frac 1 2 quad text fur alle noch so grossen x in mathbb R nbsp lim n P X n lt x 1 2 fur alle noch so kleinen x R displaystyle lim n to infty P X n lt x frac 1 2 quad text fur alle noch so kleinen x in mathbb R nbsp und lim n P X n x 0 fur alle noch so grossen x 0 displaystyle lim n to infty P X n leq x 0 quad text fur alle noch so grossen x in 0 infty nbsp Fur wachsendes n displaystyle n nbsp weicht die Wahrscheinlichkeitsmasse auf beiden Seiten ins Unendliche aus Offenbar kann die erweiterte Zufallsvariable X displaystyle X nbsp mit P X P X 1 2 displaystyle P X infty P X infty 1 2 nbsp als Limes der Folge X n n N displaystyle X n n in mathbb N nbsp interpretiert werden der allerdings ausserhalb der Klasse der reellen Zufallsvariablen liegt Dieser intuitive Konvergenzbegriff deckt sich mit masstheoretischen Konvergenzbegriffen wenn die reellen Zufallsvariablen als Teilmenge der erweiterten Zufallsvariablen aufgefasst werden und Subverteilungsfunktionen verwendet werden Es gilt namlich lim n F n x lim n F x n 1 2 fur alle x R displaystyle lim n to infty F n x lim n to infty Phi x n frac 1 2 quad text fur alle x in mathbb R nbsp wobei H x 1 2 displaystyle H x 1 2 nbsp fur alle x R displaystyle x in mathbb R nbsp die Subverteilungsfunktion der erweiterten Zufallsvariablen X displaystyle X nbsp ist Es handelt sich bei der Konvergenz der Folge F n n N displaystyle F n n in mathbb N nbsp gegen H displaystyle H nbsp um die vage Konvergenz von masstheoretischen Verteilungsfunktionen die fur Subverteilungsfunktionen da diese beschrankt sind mit der schwachen Konvergenz von masstheoretischen Verteilungsfunktionen zusammenfallt Rechnen mit erweiterten Zufallsvariablen BearbeitenBesondere Vorsicht ist bei allen Berechnungen und Umformungen mit erweiterten Zufallsvariablen erforderlich Wenn X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp erweiterte Zufallsvariablen sind wirft bereits die Bildung von a X b Y displaystyle aX bY nbsp mit reellen Koeffizienten a displaystyle a nbsp und b displaystyle b nbsp besondere Probleme auf Wenn X gt 0 displaystyle X gt 0 nbsp und P X gt 0 displaystyle P X infty gt 0 nbsp gilt dann stellt X 0 X displaystyle X 0 cdot X nbsp die Frage wie das Produkt 0 displaystyle 0 cdot infty nbsp zu bilden ist Mit der in der Masstheorie ublichen Vereinbarung 0 0 displaystyle 0 cdot infty 0 nbsp gilt dannX w 0 X w 0 fur X w lt 0 0 fur X w displaystyle X omega begin cases 0 cdot X omega 0 amp text fur X omega lt infty 0 cdot infty 0 amp text fur X omega infty end cases nbsp dd und somit X 0 displaystyle X 0 nbsp Wenn X gt 0 displaystyle X gt 0 nbsp und P X gt 0 displaystyle P X infty gt 0 nbsp gilt dann gilt X X 0 displaystyle X X 0 nbsp falls 0 displaystyle infty infty 0 nbsp vereinbart wird Die ist aber keine ubliche Vereinbarung Wenn X gt 0 displaystyle X gt 0 nbsp und P X p gt 0 displaystyle P X infty p gt 0 nbsp gilt kann die reelle ZufallsvariableX w 1 X w fur X w lt 0 fur X w displaystyle X omega begin cases frac 1 X omega amp text fur X omega lt infty 0 amp text fur X omega infty end cases nbsp dd mit P X 0 p displaystyle P X 0 p nbsp gebildet werden Damit dann aber die Gleichung X X 1 displaystyle X cdot X 1 nbsp gilt muss an dieser Stelle 0 1 displaystyle infty cdot 0 1 nbsp vereinbart werden Wenn X displaystyle X in infty infty nbsp gilt dann ergibt sich mit den ublichen Regeln displaystyle infty infty infty nbsp und displaystyle infty infty infty nbsp die Gleichung X X X displaystyle X X X nbsp ohne dass X 0 displaystyle X 0 nbsp gilt Einzelnachweise Bearbeiten Guido Walz Hrsg Lexikon der Mathematik 2 Auflage Band 2 Eig bis Inn Springer Spektrum Berlin 2017 ISBN 978 3 662 53503 5 S 78 doi 10 1007 978 3 662 53504 2 Galen R Shorack Probability for Statisticians Springer Texts in Statistics 2 Auflage Springer Cham 2017 ISBN 978 3 319 52206 7 S 35 193 doi 10 1007 978 3 319 52207 4 A N Sirjaev Wahrscheinlichkeit Hochschulbucher fur Mathematik Band 91 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1988 ISBN 3 326 00195 9 S 184 Definition 4 Guido Walz Hrsg Lexikon der Mathematik 2 Auflage Band 4 Moo bis Sch Springer Spektrum Berlin 2017 ISBN 978 3 662 53499 1 S 98 doi 10 1007 978 3 662 53500 4 Peter Ganssler Winfried Stute Wahrscheinlichkeitstheorie Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 1977 ISBN 3 540 08418 5 S 18 Heinz Bauer Wahrscheinlichkeitstheorie 5 Auflage Walter de Gruyter Berlin New York 2002 ISBN 3 11 017236 4 S 14 A N Sirjaev Wahrscheinlichkeit Hochschulbucher fur Mathematik Band 91 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1988 ISBN 3 326 00195 9 S 185 Satz 2 Klaus D Schmidt Mass und Wahrscheinlichkeit 2 durchgesehene Auflage Springer Berlin Heidelberg 2011 ISBN 978 3 642 21025 9 S 194 Hermann Witting Mathematische Statistik I Parametrische Verfahren bei festem Stichprobenumfang Teubner Stuttgart 1985 ISBN 3 519 02026 2 S 189 doi 10 1007 978 3 322 90150 7 A N Sirjaev Wahrscheinlichkeit Hochschulbucher fur Mathematik Band 91 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1988 ISBN 3 326 00195 9 S 223 Definition 1 Klaus D Schmidt Mass und Wahrscheinlichkeit 2 durchgesehene Auflage Springer Berlin Heidelberg 2011 ISBN 978 3 642 21025 9 Kap 19 Zu beachten ist dass bei Schmidt der Begriff Zufallsvariable eine erweiterte Zufallsvariable bezeichnet Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erweiterte Zufallsvariable amp oldid 239025634