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Die Erfahrungskurve ist ein betriebswirtschaftliches Konzept nach dem die inflationsbereinigten realen Stuckkosten um einen konstanten Faktor sinken wenn sich die kumulierte Ausbringungsmenge Produktionsmenge verdoppelt 1 Es wurde erstmals 1936 von Theodore Paul Wright mit einer Untersuchung uber den US amerikanischen Flugzeugbau der 1920er Jahre beschrieben 2 Der Begriff Erfahrungskurve wurde von Bruce Henderson ab 1966 gepragt dem Grunder der Boston Consulting Group BCG 3 Dabei ist der enger gefasste Begriff der Lernkurve dadurch abgegrenzt dass er sich lediglich auf die Menge der addierten kumulierten Arbeitszeit bezieht wohingegen die Erfahrungskurve auch andere Einflussgrossen mit einschliesst Typischerweise sinken die Kosten um eine Lernrate von 20 bis 30 bei einer Verdoppelung der kumulierten Ausbringungsmenge entsprechend einer Progress Ratio von PR 70 80 Dieses Konzept besagt damit dass es vorteilhaft ist moglichst schnell grosse Marktanteile zu gewinnen um durch hohen Output die internen Kosten senken zu konnen und dadurch Wettbewerbsvorteile zu erlangen Es sinken nur jene Kosten die der Wertschopfung unterliegen Es zeigt sich dass die konstanten Kostensenkungseffekte pro Verdoppelung des Outputs quer durch verschiedene Industrien und Wertschopfungsketten zu beobachten sind Inhaltsverzeichnis 1 Schreibweise 2 Beschreibung 3 Bezug zum Marktanteil 4 Beispiel 5 Siehe auch 6 Literaturhinweise 7 EinzelnachweiseSchreibweise Bearbeiten nbsp Erfahrungskurve der Produktion von PV Modulen mit einer Lernrate LR 20 als Naherung grune Gerade Die prozentuale Abnahme der Produktionskosten k displaystyle k nbsp um die Lernrate L R displaystyle LR nbsp bei Verdopplung der kumulierten Produktionsmenge p displaystyle p nbsp folgt einer exponentiellen Abnahme pro Verdopplungsschritt die ublicherweise in doppelt logarithmischer Darstellung gezeichnet wird In Summe ergibt sich eine Potenzfunktion k p k 0 P R lb p p 0 k 0 1 L R ln p ln p 0 ln 2 displaystyle k p k 0 cdot PR operatorname lb left frac p p 0 right k 0 cdot 1 LR left frac operatorname ln p operatorname ln p 0 operatorname ln 2 right nbsp mit lb x displaystyle operatorname lb x nbsp binarer Logarithmus von x displaystyle x nbsp zur Basis 2 ln x displaystyle operatorname ln x nbsp naturlicher Logarithmus von x displaystyle x nbsp zur Basis e L R displaystyle LR nbsp Lernrate 1 PR als Komplement zur Progress Ratio p 0 displaystyle p 0 nbsp kumulierte Produktionsmenge zum Zeitpunkt 0 Beginn k 0 displaystyle k 0 nbsp Stuckkosten zum Zeitpunkt 0Alternativ lasst sich der Zusammenhang auch darstellen als 4 k p k 0 p p 0 lb P R displaystyle k p k 0 cdot left frac p p 0 right operatorname lb left PR right nbsp Die Aquivalenz von a ln b displaystyle a operatorname ln b nbsp zu b ln a displaystyle b operatorname ln a nbsp zeigt sich nach Logarithmierung ln a ln b ln b ln a displaystyle operatorname ln left a operatorname ln b right operatorname ln left b operatorname ln a right nbsp ln b ln a ln a ln b displaystyle operatorname ln left b right cdot operatorname ln left a right operatorname ln left a right cdot operatorname ln left b right nbsp mit a displaystyle a nbsp Verhaltnis p p 0 displaystyle p p 0 nbsp von kumulierter Produktion p displaystyle p nbsp zur Referenzmenge p 0 displaystyle p 0 nbsp b displaystyle b nbsp Progress Ratio als Verhaltnis der Stuckkosten bei Produktion der doppelten Referenzmenge k 2 p 0 displaystyle k 2p 0 nbsp zur einfachen Referenzmenge k p 0 displaystyle k p 0 nbsp Beschreibung BearbeitenDer Ausbau dieses Konzepts wurde in den 1970er Jahren durch die Boston Consulting Group betrieben welche es als strategisches Marketinginstrument vermarktete Das Erfahrungskurvenkonzept ist deshalb auch unter dem Namen Boston Effekt bekannt siehe auch BCG Matrix Zum Erfahrungskurveneffekt tragen viele Einzelursachen bei die in zwei Hauptkategorien zusammengefasst werden konnen Dynamischer Skaleneffekt Hier unterscheidet man den Lerneffekt Ubungsgewinn aufgrund wiederholender Arbeitstatigkeit Effizienzsteigerung durch fortschreitende qualitative Verfahrenstechniken Produktqualitat Wertanalyse Standardisierung Kanban etc und die Effizienzsteigerung durch Automatisierung und Rationalisierung Produktivitatssteigerung technischer Fortschritt etc Statischer SkaleneffektHierbei sind Fixkostendegression Betriebsgrossendegression Skaleneffekte Verbundeffekte und von der Ausstossmenge abhangige Ubergange zu kostengunstigeren Produktionstechnologien zum Beispiel von Werkstatt zu Fliessfertigung zu betrachten Der oftmals angegebene statische Effekt steht dabei aber im Widerspruch zur ursprunglichen Definition die von einer kumulierten Ausbringungsmenge ausgeht wird je Zeitspanne die gleiche Menge produziert konnen sich die statischen Effekte nicht ergeben Der dynamische Effekt verursacht im Gegensatz zum statischen Effekt keine automatische Senkung der Kosten Es bedarf zum Teil der bewussten Anstrengung um die Kostensenkungspotenziale auch zu realisieren die auch mit Geld und Zeitbedarf zusammenhangen Diese Kosten machen den moglichen Vorteil mitunter wieder wett Die Aussagekraft der Erfahrungskurve ist unter anderem stark branchenabhangig so trifft sie in der chemischen und elektronischen Industrie besonders stark zu da dort eine Homogenitat und geringe Unterschiedlichkeit zwischen erst und letztproduziertem Produkt besteht Im Dienstleistungsbereich insbesondere mit Kundenkontakt konnen die Erfahrungskurveneffekte beschrankt sein Grunde sind die Integration des externen Faktors in die Dienstleistungsproduktion und die damit verbundene Individualitat der Dienstleistung sowie deren Nichtlagerfahigkeit Aufgrund der zunehmenden Automatisierung und Standardisierung von Dienstleistungen z B Bankautomaten werden vermutlich in Zukunft hohere Erfahrungskurveneffekte zu erwarten sein Eventuelle Probleme bei Strategieverfolgung mittels der Erfahrungskurve Die Erfahrungskurve schliesst aufgrund ihres betriebswirtschaftlichen Effizienzsteigerungsfokus andere Strategien aus Optimal ist sie fur Preis oder Kostenstrategien Bei reiner Konzentration auf Produktionsvolumensteigerung entlang der Kurve verliert man oft den Blick auf den Markt und neue geforderte Produkte Das zugrundeliegende Ziel der Produktionsvolumenerhohung oder der relativen Marktanteilssteigerung kann andere Erfahrungsquellen Technologieersatz etc ausser Acht lassen d h man darf sich daher nicht mit einem hohen Marktanteil zufriedengeben Es kann vorkommen dass Wettbewerber mit erheblich geringeren kumulierten Mengen die niedrigsten Stuckkosten besitzen wenn sie beispielsweise im Rahmen eines Greenfield Ansatzes ihre Produktionsstatte vollig neu geplant und errichtet haben Manchmal geschieht dies in Kombination mit einer Verlagerung des Produktionsstandortes in Lander mit niedrigeren Lohnen Wird diese Strategie beispielsweise durch die Imitation nicht patentgeschutzter Prozesse erganzt konnen durchaus weniger erfahrene Wettbewerber am Kostenfuhrer vorbeiziehen Bezug zum Marktanteil BearbeitenZwischen dem relativen Marktanteil und den Produktionskosten lasst sich ein Zusammenhang erkennen Der Marktanteil spiegelt dabei den Faktor Erfahrung wider Dabei sind die Stuckkosten indirekt proportional zum Marktanteil Folgende Annahmen mussen zutreffen damit der Marktanteil als Erfahrungsfaktor gelten kann Alle Marktteilnehmer sind zugleich in dem Markt eingetreten Die Marktteilnehmer mussen sich gleichmassig entwickelt und stabilisiert haben Die produzierten Produktionsvolumen wurden abgesetzt Beispiel BearbeitenFolgendes Beispiel soll zur Veranschaulichung dienen Lernrate L 20 d h nach einer Verdoppelung der kumulierten Ausbringungsmenge senken sich die Kosten auf 80 PR des letzten Wertes Zu Beginn des Beobachtungszeitraums betragen die Wertschopfungskosten 100 GE Jedes Jahr wird die gleiche Menge von 10 Stk produziert Die kumulierte Produktionsmenge steigt Jeweils nach einer Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge sinken die Kosten um ca 20 nbsp Graphische Darstellung des Rechenbeispiels der TabelleJahr Produktions menge KumulierteProduktions menge Kosten pro Stuck1 10 10 1002 10 20 80 5 3 10 30 70 6 4 10 40 64 7 5 10 50 59 66 10 60 56 27 10 70 53 58 10 80 51 2 8 In der weiter oben angefuhrten doppelt logarithmischen Graphik zu den Photovoltaik Preisen lasst sich die Steigung der Progress Ratio wie folgt ablesen Die Ausweitung der kumulierten Produktion um den Faktor 1000 103 fuhrte zu einer Reduktion der Kosten auf etwa ein Zehntel Das Produktionswachstum hat sich etwa 10 mal verdoppelt 210 1024 d h die Progress Ratio ist die zehnte Wurzel von 0 1 also 0 1 10 0 7943 displaystyle sqrt 10 0 1 0 7943 nbsp und damit ergibt sich eine Lernrate von knapp uber 20 Siehe auch BearbeitenLernkurve naturliches MonopolLiteraturhinweise BearbeitenA G Coenenberg Kostenrechnung und Kostenanalyse 4 Auflage Landsberg Lech 1999 ISBN 3 478 39394 9 S 199 219 J R Crawford Estimating Budgeting and Scheduling 1944 Bruce D Henderson Die Erfahrungskurve in der Unternehmensstrategie Frankfurt New York 1974 ISBN 3 585 32086 4 S 19 ff T P Wright Factors affecting the cost of airplanes Journal of the Aeronautical Science 1936 S 122 128 Einzelnachweise Bearbeiten Bruce Henderson The Experience Curve In The Boston Consulting Group Hrsg Perspectives Nr 16 1 Januar 1968 bcg com PDF Price and cost data show thatcosts decline by somecharacteristic amount each time accumulated experience is doubled T P Wright Factors Affecting the Cost of Airplanes In Journal of the Aeronautical Sciences Band 3 Nr 4 Februar 1936 ISSN 0095 9812 S 122 128 doi 10 2514 8 155 The present writer started his studies of the variation of costs with quantity in 1922 Bruce Henderson The Experience Curve Reviewed Part II History In The Boston Consulting Group Hrsg Perspectives Nr 125 1 Januar 1973 bcg com PDF Experience curve is the name applied in 1966 to overall cost behavior by The Boston Consulting Group The name was selected to distinguish this phenomenon from the well known and well documented learning curve effect The two are related but quite different Atse Louwen Martin Junginger Anand Krishnan Technological Learning in Energy Modelling Experience Curves In REFLEX TU Dresden 17 Dezember 2018 abgerufen am 22 Marz 2021 google de google de google de google deNormdaten Sachbegriff GND 4193719 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erfahrungskurve amp oldid 230739421