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Die elektrolytische Dissoziation meint den reversiblen Zerfall einer Verbindung in Anionen und Kationen in einem Losungsmittel Solche Losungen nennt man Elektrolyte Eine solche Dissoziation findet beispielsweise beim Losen von Salzen in Wasser statt In diesem polaren Losungsmittel liegt das Geloste in Form von freibeweglichen Ionen vor Diese freibeweglichen Anionen und Kationen fuhren zu einer elektrischen Leitfahigkeit des Wassers Geschichte BearbeitenBereits im Jahr 1795 wurde von Alessandro Volta nach Entdeckung der elektrochemischen Elektrizitat durch Luigi Galvani eine Ladungstrennung von Teilchen durch unterschiedliche Metalle angedacht Theodor Grotthuss entwickelte im Jahre 1805 eine Theorie zur Ladungstrennung von Wassermolekulen Berzelius und Daniell machten sich Gedanken zu Salzen in Wasser sie nahmen an dass die Salze sich in positive und negative Ladungstrager sonderten Faraday pragte den Begriff des Ions er hatte jedoch noch nicht die gegenwartige Vorstellung einer lokalisierten Ladung auf einem Atom oder Molekulteil in Losung Rudolf Clausius glaubte dass die Ladungstrager nicht fest verbunden sind sondern Schwingungen ausfuhren 1 Er erkannte schon damals die Moglichkeit der Dissoziation von Elektrolyten Da der erste Strom nur aus elektrochemischen Batterien gewonnen wurde und die grundlegenden Gesetze der Elektrizitat und Elektronik mit diesen Batterien entwickelt worden sind besass die Frage um Elektrolyten und die Leitfahigkeit der Losungen einen hohen Stellenwert Grundlegende Arbeiten zur eigentlichen Dissoziation wurden jedoch erst von Friedrich Wilhelm Georg Kohlrausch Herstellung eines Leitfahigkeitsmessgerates mit Wechselstrom fur Flussigkeiten Formulierung eines Gesetzes fur starke Elektrolyten kohlrausches Quadratwurzelgesetz Jacobus Henricus van t Hoff osmotischer Druck in Abhangigkeit von der Teilchenzahl Svante Arrhenius Arbeiten uber die Leitfahigkeit mit Kohlrauschs Konduktometer und Postulat der elektrolytischen Dissoziation von Salzlosungen 2 in positive und negative Ladungstrager Begrunder der Dissoziationstheorie 3 und Wilhelm Ostwald Verbreitung von Arrhenius Ideen Anwendung des Massenwirkungsgesetzes auf die Dissoziation und Aufstellung des wichtigen Gesetzes fur schwache Elektrolyte ostwaldsches Verdunnungsgesetz 4 5 gemacht Eine mathematische Theorie der Dissoziation wurde spater von Petrus Debye und Erich Huckel entwickelt Mit dieser Debye Huckel Theorie lassen sich aus bekannten Grenzleitfahigkeiten die Dissoziationsgrade der Elektrolyten mathematisch berechnen Das Modell ist jedoch nur fur geringe Elektrolytkonzentrationen bis 0 01 mol l geeignet Max von Laue konnte durch Rontgenstrukturanalyse zeigen dass auch in festen Salzen Ionen vorhanden sind 6 Chemische Definition BearbeitenDie elektrolytische Dissoziation ist der reversible Zerfall einer Verbindung in Anionen und Kationen in einem Losungsmittel Der Anteil der dissoziierten Ionen zum Gesamtgehalt an undissoziierten und dissoziierten Ionen der gleichen Sorte heisst Dissoziationsgrad siehe auch Aktivitat Er hangt von der Konzentration im Losungsmittel ab Bei sehr hoher Verdunnung ist auch die Essigsaure vollstandig in Acetat und Hydroniumionen dissoziiert bei hoher Konzentration gibt es noch einen grossen Anteil undissoziierter Essigsaure Die Dissoziation oder genauer der Dissoziationsgrad von Salzen oder organischen Molekulen kann durch elektrische Leitfahigkeitsmessungen Konduktometrie und durch pH Messungen von wassrigen Losungen ermittelt werden Natriumchlorid NaCl das in Leitungs oder destilliertem Wasser gelost wird lost sich in Form positiver Natriumkationen und negativer Chloranionen Diese Ionen liegen dissoziiert d h voneinander raumlich getrennt und mit einer elektrischen Ladung vor Solche Losungen nennt man Elektrolyte NaCl ist ein starker Elektrolyt da die Ionen fast vollig getrennt in der Losung vorliegen Essigessenz die aus den Inhaltsstoffen Essigsaure und Wasser besteht liegt ebenfalls partiell in Form von Ionen und zwar als Oxoniumionen und Acetatanionen vor Essigsaure ist nicht vollstandig in Ionen dissoziiert nur ca 0 3 der Essigsauremolekule bei 1 mol l liegen in dissoziierter Form vor Essigsaure ist ein schwacher Elektrolyt Je nach Art der gelosten Teilchen findet man alle Ubergange zwischen starken und schwachen Elektrolyten Bei Elektrolyten kann die Gleichgewichtskonstante von dissoziierten Produkten zu undissoziierten Ausgangsstoffen aus dem Dissoziationsgrad und dem Massenwirkungsgesetz MWG ermittelt werden Wilhelm Ostwald formulierte dass das Produkt aus aktiven Massenkonzentrationen der dissoziierten Teilchen bei Essigsaure die Acetationkonzentration multipliziert mit der Hydroniumkonzentration durch die Konzentration der undissoziierten Massenteilchen undissoziierte Essigsaure immer eine Konstante ergibt 4 Diese Konstante nennt man die Dissoziationskonstante veraltet Affinitatskonstante und sie wird beispielsweise fur die Ermittlung von pKs Werten von Sauren verwendet Mit der Gleichgewichtskonstante Ka a Abk fur acid engl Saure bzw als negativen dekadischen Logarithmus logKa pKa kann der Anteil der dissoziierten Ionen fur jede Konzentration genau ermittelt werden A B A B displaystyle mathrm AB rightleftharpoons A B nbsp N a C l W a s s e r N a C l W a s s e r k 1 G e s c h w i n d i g k e i t s k o n s t a n t e 1 displaystyle mathrm NaCl Wasser rightarrow Na Cl Wasser quad k 1 Geschwindigkeitskonstante1 nbsp N a C l W a s s e r N a C l W a s s e r k 2 G e s c h w i n d i g k e i t s k o n s t a n t e 2 displaystyle mathrm Na Cl Wasser rightarrow NaCl Wasser quad k 2 Geschwindigkeitskonstante2 nbsp k 1 k 2 K a displaystyle tfrac k 1 k 2 K a nbsp Es gilt Ka gt 1 fur starke Elektrolyte Kochsalz in Wasser Im Falle der Essigsaure in Wasser liegt das Gleichgewicht auf der linken Seite Es gilt Ka lt 1 H 3 C C O O H H 2 O H 3 C C O O H 3 O displaystyle mathrm H 3 C COOH H 2 O rightleftharpoons H 3 C COO H 3 O nbsp H 3 C C O 2 H H 2 O H 3 C C O 2 H 3 O k 1 G e s c h w i n d i g k e i t s k o n s t a n t e 1 displaystyle mathrm H 3 CCO 2 H H 2 O rightarrow H 3 CCO 2 H 3 O quad k1 Geschwindigkeitskonstante1 nbsp H 3 C C O 2 H 3 O H 3 C C O 2 H H 2 O k 2 G e s c h w i n d i g k e i t s k o n s t a n t e 2 displaystyle mathrm H 3 CCO 2 H 3 O rightarrow H 3 CCO 2 H H 2 O quad k2 Geschwindigkeitskonstante2 nbsp Wird das Gas Chlorwasserstoff HCl in Wasser eingebracht bildet sich eine elektrolytische Losung die Salzsaure genannt wird H 2 O H C l H 3 O C l displaystyle mathrm H 2 O HCl rightleftharpoons H 3 O Cl nbsp Wird das Gas Ammoniak NH3 in Wasser eingebracht bildet sich als Kation NH4 und als Anion OH N H 3 H 2 O N H 4 O H displaystyle mathrm NH 3 H 2 O rightleftharpoons NH 4 OH nbsp Die Gleichgewichtsreaktionen dieser drei letzten Beispiele nennt man auch Protolyse sie wird im gleichnamigen Artikel genauer beschrieben Dieses Verhalten macht Essig und Salzsaure zu Sauren Das Verhalten von Ammoniak macht Ammoniak zu einer Base Die elektrische Leitfahigkeit dieser Losungen ist der experimentelle Nachweis der Bildung von frei beweglichen Anionen und Kationen Ein sehr wichtiger Spezialfall der Dissoziation ist das Gleichgewicht von reinem unter Luftabschluss destilliertem Wasser Wasser dissoziiert zu einem ganz geringen Anteil in Hydroxid und Oxoniumionen Kohlrausch und Heydweiller bestimmten die Leitfahigkeit von destilliertem Wasser im Jahr 1894 zu 0 06 10 6 W 1 7 Aus der Leitfahigkeit und der Kenntnis der Grenzleitfahigkeiten siehe Aquivalentleitfahigkeit fur Hydronium und Hydroxidionen lasst sich die Gleichgewichtskonstante das Ionenprodukt des Wassers berechnen Sie hat einen Wert von KW 10 14 mol2 L2 oder pKW 14 Aus der Kenntnis der Konzentration von Elektrolyten und den entsprechenden pKa Werten aus Tabellenwerken lassen sich leicht pH Wert und Dissoziationsgrad fur jeden Elektrolyten ermitteln Beim Losen von genau 100 0 g einer 98 igen Schwefelsaure in genau 962 7 g destilliertem Wasser betragt die Konzentration der Schwefelsaure exakt 1 mol L Nimmt man von der Schwefelsaurelosung 106 38 g lost diese in 900 mL destilliertem Wasser so hat diese Losung eine Konzentration von 0 1 mol L bei Abnahme von 10 64 g der ersten Losung und Auflosung in 990 mL destilliertem Wasser betragt die Konzentration 0 01 mol L analog lasst sich eine 0 001 mol L wassrige Schwefelsaurelosung herstellen Die Schwefelsaure kann in Wasser dissoziiert werden d h die Wasserstoffatome spalten sich als positiv geladene Oxoniumionen von der Schwefelsaure ab und als Gegenionen bilden sich Hydrogensulfationen oder auch Sulfationen Die Starke der Dissoziation wird vom pKs Wert bestimmt Sauren mit einem negativen pKs Wert liegen immer vollstandig dissoziiert vor Je kleiner der pKs Wert desto starker ist eine Saure dissoziiert Nehmen wir an die 0 1 molare Schwefelsaure ware vollstandig bei dieser Konzentration dissoziiert so mussten beide Wasserstoffatome von der Schwefelsaure abgespalten sein und die Oxoniumkonzentration musste 0 2 mol L betragen Die Aquivalentkonzentration oder auch Normalitat der Schwefelsaure ware 2 0 1 mol L 0 2 mol L Bezogen auf 1000 g Wassermolekule konnten von diesen 3 6 g Wassermolekule als Oxoniumionen vorliegen Der pH Wert ware folglich p H log H log 0 2 0 7 displaystyle pH log H log 0 2 0 7 nbsp Analog ergabe sich fur Oxoniumkonzentrationen von 0 02 mol L pH 1 7 und 0 002 mol L pH 2 7 Gemessen wurden jedoch folgende pH Werte 0 2 mol L pH 1 23 0 02 mol L pH 1 94 0 002 mol L pH 2 78 Tatsachlich stimmt der gemessene pH Wert nur halbwegs fur die 0 002 mol L Losung Nur dort liegt die Schwefelsaure vollstandig dissoziiert vor In den hoher konzentrierten Losungen kann naherungsweise die Formel p H p K s log C 2 displaystyle pH pK text s log C 2 nbsp mit C fur die Konzentration in mol L Aquivalentzahl nach dem Ostwaldschen Verdunnungsgesetz verwendet werden um die pH Abhangigkeit zu ermitteln Fur die Schwefelsaure erhalt man somit 0 2 mol L pH 1 30 gemessen 1 23 0 02 mol L pH 1 80 gemessen 1 94 Ein hoher Anteil der Schwefelsaure liegt bei hoherer Konzentration folglich als Hydrogensulfat uber 40 in einer 0 1 molaren Schwefelsaure und nicht als zweifach negatives Sulfat vor und dies erklart die Abweichungen bei den pH Messungen Fur Salzsaure und Salpetersaure gilt die logarithmische Konzentrationsabhangigkeit bei der pH Bestimmung entsprechend der ersten Beziehung fur Natronlauge in analoger Weise fur die Hydroxidkonzentration Bei Titrationen mit Natronlauge oder bei weiterer Verdunnung der Losung werden die Schwefelsaureteilchen dissoziiert und die korrekte Gesamtkonzentration wird erhalten Schwache Sauren und Basen konnen als Puffer wirken Der pH Wert einer Losung bleibt recht konstant und entspricht dem pKs Wert der entsprechenden Saure wenn eine schwache Saure und dessen Anion in nahezu gleicher Konzentration in der Losung vorliegen Wichtige biologische Puffer sind das Kohlensaure Bicarbonat System und der Dihydrogenphosphat Puffer sie sorgen in biologischen Systemen fur einen konstanten pH Wert Bei Saure Base Titrationen muss in solchen Losungen ein geeigneter pH Indikator oder eine pH Elektrode verwendet werden um die Konzentration der gesuchten Saure und Base korrekt zu bestimmen Auch Salze konnen mehr oder weniger stark dissoziieren Salzlosungen zeigen dann bei hoher Konzentration andere Eigenschaften als es zu erwarten ware wenn der physikalische Messwert von verdunnten Losungen auf Losungen hoher Konzentration extrapoliert werden wurde Bei den physikalischen Eigenschaften kann es sich beispielsweise um den Gefrierpunkt den Siedepunkt oder die elektrische Leitfahigkeit handeln Zur Beschreibung einer Losung die nun doch eine lineare Abhangigkeiten zu einer hypothetischen Konzentration Aktivitat besitzt muss die Konzentration einer Losung mit einem Faktor dem Aktivitatskoeffizienten multipliziert werden Zur Beschreibung der konzentrationsabhangigen Aquivalentleitfahigkeit wird der Leitfahigkeitskoeffizient nach dem Kohlrauschen Gesetz verwendet dieser weicht deutlich vom Aktivitatskoeffizienten ab Bei den sogenannten echten oder permanenten Elektrolyten sind die Ionen bereits im Festkorper Ionengitter vorhanden So liegen bei festem Kochsalz bereits im Gitter Na und Cl Ionen vor Beim Auflosen des Salzes in Wasser bilden sich im Wasser nun freibewegliche Ionen Bei der Dissoziation von Salzen in Ionen wird die recht hohe Gitterenergie des Kristalles durch Hydratationsenergie beim Losungsvorgang aufgebracht Bei den sogenannten potentiellen Elektrolyten liegen bei den Reinsubstanzen keine ionischen Bindungen vor Als Reinsubstanz sind sie Nichtleiter Beim Einbringen dieser Reinsubstanzen AB in ein Losungsmittel erfolgt die Bildung von Ionen durch eine chemische Reaktion zwischen Gelostem und Losungsmittel A B A B displaystyle mathrm AB rightleftharpoons A B nbsp Voraussetzung fur eine solche Reaktion ist eine polare Bindung zwischen den Teilen A und B der Verbindung AB und ein polares Losungsmittel Wird beispielsweise reine Essigsaure in Wasser gegeben bilden sich als Kationen H3O die Anionen H3C COO Nicht nur in Wasser sind Ionen dissoziiert Ein nahezu gleich hoher Dissoziationsgrad wird auch in polaren organischen Losungsmitteln wie Formamid Acetonitril oder Nitromethan beobachtet Ausschlaggebend fur die Dissoziation in organischen Losungsmitteln ist die Dielektrizitatskonstante wie Walther Nernst herausfand 8 Einzelnachweise Bearbeiten Rudolf Clausius Ueber die Elektricitatsleitung in Elektrolyten In Pogg Ann Band 101 1857 S 338 360 Fakesimile in UrMEL der ThULB Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 46 Svante Arrhenius Ueber die Dissociation der in Wasser gelosten Stoffe In Zeitschrift fur physikalische Chemie 1 Jahrgang Nr 11 12 1887 S 631 648 a b Friedrich Wilhelm Ostwald Ueber die Dissoziationstheorie der Elektrolyte In Z f physik Chemie Band 2 1888 S 270 283 Zeitschrift fur physikal Chemie Band 69 1909 S 1 ff Hans Bouma Walter Jansen Hrsg Handbuch der experimentellen Chemie Sekundarbereich II Band 6 Elektrochemie Aulis Verlag Deubner amp Co KG Koln 1994 ISBN 3 7614 1630 X S 24 Zeitschrift f physik Chemie Band 14 1894 S 317 W Nernst Dielektrizitatskonstante und chemisches Gleichgewicht In Z phys Chem 13 Nr 3 1894 S 531 536 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Elektrolytische Dissoziation amp oldid 228891885