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Beim Eisenbahnunfall von Aarau am 4 Juni 1899 fuhr im Bahnhof Aarau ein Schnellzug Zurich Genf der Schweizerischen Nordostbahn NOB uber den vorgeschriebenen Haltepunkt hinaus und stiess dabei in zwei stehende Lokomotiven der Schweizerischen Centralbahn SCB Der Unfall forderte zwei Tote und drei Schwerverletzte Der aufgestiegene Gepackwagen F 2087 zerstorte den nachfolgenden Personenwagen AB3 12656 der PLM 1 Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 2 Unfallverlauf 3 Ermittlung der Unfallursache 3 1 Untersuchungen der Nordostbahn 3 2 Einsetzen von Experten 3 3 Versuchsfahrten 3 4 Ursache der Kollision 4 Folgen 5 Literatur 6 Einzelnachweise und AnmerkungenAusgangslage BearbeitenDer Nachtschnellzug 26 Zurich Genf mit 27 Achsen bestehend aus acht Personen einem Gepack und einem Postwagen wurde in Zurich um 22 47 Uhr mit zwei Minuten Verspatung abgefertigt 2 Der an zweiter Stelle hinter dem Gepackwagen eingereihte Personenwagen gehorte der Compagnie Paris Lyon Mediterranee PLM und war ein direkter Kurswagen nach Lyon Seine Puffer waren tiefer als die der anderen Wagen die Hohendifferenz entsprach aber noch knapp den Vorschriften Der Zug war mit Westinghouse Doppelbremse ausgerustet 3 Bis Brugg wurde er mit Vorspann befordert dort wurde die zweite Lokomotive ausgereiht 2 Auf eine Bremsprobe wurde wie es das damalige Reglement erlaubte verzichtet 4 Bei der Abfahrt in Brugg betrug der Druck in der Hauptleitung knapp 5 at die Luftpumpe war auf der ganzen Strecke bis Aarau in Betrieb 3 Zug 26 wurde in Aarau um 23 57 Uhr erwartet Dort wurden jeweils die Lokomotiven gewechselt Die Strecke Zurich Baden Aarau wurde von der Nordostbahn betrieben die Fortsetzung nach Olten Bern von der Centralbahn 5 Unfallverlauf Bearbeiten nbsp Bahnhofshalle Aarau mit einem Zug der Centralbahn Zug 62 fuhr mit 60 km h in die Bahnhofshalle hinein In Aarau fuhr der Schnellzug mit 60 km h in die Bahnhofshalle hinein Erst bei der Einfahrt in die Halle oder noch spater stellte der Lokomotivfuhrer den Dampf ab und betatigte die Luftdruckbremse Er uberfuhr den vorgeschriebenen Haltepunkt verringerte innerhalb von 15 Sekunden die Geschwindigkeit auf 40 km h und stiess in zwei Centralbahn Lokomotiven Die beiden Ablosemaschinen warteten auf dem Durchfahrgleis am Westende des Bahnhofes bei km 49 541 auf die Ubernahme des Zuges 26 um ihn nach Bern weiterzubefordern Das hintere Ende des hinter der Lokomotive A3T 190 eingereihten Gepackwagens F 2087 wurde durch die Kollision abgehoben Der nachfolgende Personenwagen AB3 12656 der PLM wurde in den angehobenen Gepackwagen geschoben wobei ein Zweitklass und zwei Erstklass Zugabteile des Personenwagens zerstort wurden 6 In diesen drei Abteilen befanden sich zehn Reisende 2 Zwei Personen wurden getotet drei schwer und acht leicht verletzt 6 Die beiden Lokomotiven der Centralbahn wurden durch den Zusammenstoss 20 Meter weggeschoben Der Materialschaden betrug 25 000 bis 30 000 Franken 7 Ermittlung der Unfallursache BearbeitenUntersuchungen der Nordostbahn Bearbeiten Die Nordostbahn nahm umgehend eine vorlaufige Untersuchung auf Zwolf Stunden nach dem Unfall der intakt gebliebene Zugteil war bereits weggestellt stellte ein Kontrollingenieur fest dass der hintere Luftabsperrhahn des PLM Wagens geschlossen war und der vordere nicht ganz senkrecht stand Die NOB kam in ihren Untersuchungen zum Schluss dass wegen einer Fehlmanipulation beim Ausreihen der zweiten Lokomotive in Brugg die Bremswirkung der Westinghouse Druckluftbremse durch Luftverlust stark beeintrachtigt gewesen sei Der Lokomotivfuhrer hatte mit einem Pfeifsignal das Zugpersonal zum Anziehen der Handbremsen auffordern sowie die Gegendruckbremse der Lokomotive und die Handbremse des Tenders einsetzen konnen Diese Mittel zum Anhalten des Zuges wurden nicht oder erst im letzten Moment eingesetzt 8 Die Nordostbahn machte nicht nur den Lokomotivfuhrer sondern auch das restliche mitfahrende Personal fur den Unfall verantwortlich Der Heizer hat es unterlassen den Lokomotivfuhrer rechtzeitig auf die Situation aufmerksam zu machen Auch das Zugspersonal hat weder durch Offnen der Bremshahne noch durch Anwendung der Handbremsen die Geschwindigkeit des Zuges vermindert 8 Einsetzen von Experten Bearbeiten nbsp Im zerstorten Personenwagen der PLM fanden zwei Menschen den Tod 1 Der Verteidiger des angeklagten Lokomotivfuhrers Nationalrat Ludwig Forrer beantragte in den Verhandlungen des Bezirksgerichts Aarau den Beizug von drei Experten Als Experten schlug er einen Maschinenmeister der Gotthardbahn und Ingenieur Schleifer aus Berlin vor 9 Schleifer entwickelte eine Druckluftbremse die bei den Sachsischen Staatseisenbahnen eingefuhrt worden war 10 Er war in Fachkreisen als heftiger Gegner der Westinghousebremse bekannt 11 Dass er als Konkurrent von Westinghouse als Experte vorgeschlagen wurde fuhrte zu Kritik 12 Das Gericht sah sich veranlasst von sich aus die Gerichtsexperten zu ernennen und beauftragte R Weyermann Maschineningenieur der Jura Simplon Bahn und A Keller Sekretar der Techniker Kommissionen des Schweizerischen Eisenbahnverbandes mit den Untersuchungen Versuchsfahrten Bearbeiten Die beiden Experten entschlossen sich die Einfahrt des verungluckten Zuges in Aarau durch Versuchsfahrten mit einer gleichen Komposition wie Zug Nr 26 nachzustellen In der Lokomotive des Versuchszugs wurde das Fuhrerbremsventil der verunfallten Maschine A3T 190 eingebaut In der Werkstatte Biel der Jura Simplon Bahn wurde vorgangig an einem Zug mit gleicher Zusammensetzung der Druckverlust bei nicht mehr gespeister Hauptleitung gemessen Bei 5 at Anfangsdruck betrug der Druckverlust nach 20 Minuten 13 bei gutem Zustand der Bremsleitung 0 6 at und bei schlechtem Zustand 1 9 at Fur eine Schnellbremsung des Zuges in Aarau standen demnach mindestens 3 at zur Verfugung Vor den Fahrten wurden nach Angaben des Lokomotivfuhrers und des Heizers bestimmt wo welche Handlungen vorgenommen wurden 1912 Meter vor der Kollision stellte der Lokomotivfuhrer den Dampf ab 648 Meter vor der Kollision wurde die Luftdruckbremse betatigt 545 Meter vor der Kollision zog der Heizer die Handbremse des Tenders an 283 Meter vor der Kollision loste der Lokomotivfuhrer eine Schnellbremsung aus 227 Meter vor der Kollision Beginn der Bahnhofshalle betatigte der Fuhrer die Gegendampfbremse der Lokomotive 174 Meter vor der Kollision offnete der Kondukteur die Bremsleitung des letzten Wagens 14 Die Versuchsfahrten belegten dass die beiden Luftabsperrhahne des PLM Wagens offen waren die Westinghouse Druckluftbremse im ganzen Zug wirkte und die Druckluftbremse auch mit 3 at Hauptleitungsdruck fehlerfrei funktionierte Ursache der Kollision Bearbeiten Die unmittelbare Ursache der Kollision war das zu lange Ausuben der Zugkraft durch den Lokomotivfuhrer Wegen der verspatet eingeleiteten Bremsung des Nordostbahn Zugs Nr 26 konnte der Zusammenstoss nicht mehr verhindert werden Der Zusammenstoss ware nicht geschehen wenn die beiden Ablosemaschinen der SCB auf einem Nebengleis und nicht auf dem Ausfahrgleis Richtung Olten gewartet hatten wenn der Heizer den Lokomotivfuhrer auf das verspatete Dampfabstellen aufmerksam gemacht hatte wenn das Zugpersonal rechtzeitig einen Bremshahn geoffnet hatte 15 wenn die Fuhrer der SCB auf die Haltsignale des Stationsgehilfen reagiert hatten und mit ihren Ablosemaschinen weggefahren waren Die geringere Pufferhohe des PLM Wagens hat das Aufsteigen des Gepackwagens und die Zertrummerung des PLM Wagens begunstigt Die Aufprallgeschwindigkeit des Schnellzugs ware geringer gewesen mit einer Triebradbremse der Lokomotive Nr 190 mit besser unterhaltenen Wagenbremsen und mit einer Geschwindigkeitsbeschrankung bei der Einfahrt in den Bahnhof Aarau 16 Folgen BearbeitenNach dem Unfall warteten in Aarau die Ablosemaschinen nicht mehr auf dem Durchfahrgleis Das Bezirksgericht Aarau verurteilte am 30 Marz 1901 den Lokomotivfuhrer des Zuges Nr 26 zu insgesamt acht Wochen Freiheitsstrafe Das aargauische Obergericht an welches die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft rekurrierten bestatigte am 25 Januar 1902 das erstinstanzliche Urteil und erhohte die Freiheitsstrafe um eine Woche 7 Der verurteile Lokomotivfuhrer stellte ein Begnadigungsgesuch an die Bundesversammlung Der Bundesrat beantragte das Gesuch abzulehnen 6 Die fur Begnadigungsgesuche zustandige Vereinigte Bundesversammlung gewahrte aber am 11 Dezember 1902 eine Strafermassigung gemass dem erstinstanzlichen Urteil 17 Literatur BearbeitenDas Gutachten der Gerichtsexperten uber den Eisenbahnunfall im Bahnhof Aarau vom 4 Juni 1899 In Schweizerische Bauzeitung SBZ Teil I PDF 2 8 MB In Band 36 Heft 23 8 Dezember 1900 S 221 224 abgerufen am 1 Juli 2022 Teil II PDF 1 8 MB In Band 36 Heft 24 15 Dezember 1900 S 234 237 abgerufen am 1 Juli 2022 Teil III Schluss PDF 1 4 MB In Band 36 Heft 25 22 Dezember 1900 S 245 247 abgerufen am 1 Juli 2022 Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten a b Ueber den Eisenbahnunfall in Aarau PDF 1 2 MB In Schweizerische Bauzeitung SBZ Band 33 Heft 24 17 Juni 1899 S 225 226 abgerufen am 1 Juli 2022 a b c Eisenbahnunfall in Aarau PDF 0 6 MB In Schweizerische Bauzeitung SBZ Band 33 Heft 23 10 Juni 1899 S 213 abgerufen am 1 Juli 2022 a b SBZ Band 36 Heft 24 S 234 236 SBZ Band 36 Heft 23 S 224 Die Eigentumsgrenze befand sich nicht im Bahnhof Aarau sondern westlich in der Woschnau an der Kantonsgrenze Solothurn Aarau a b c Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen fahrlassiger Eisenbahngefahrdung verurteilten Heinrich Metzger gewesenen Lokomotivfuhrers der schweizerischen Nordostbahn in Seebach bei Zurich PDF 0 4 MB In Schweizerisches Bundesblatt 21 Juni 1902 S 885 893 abgerufen am 20 Oktober 2013 a b Das obergerichtliche Urteil betreffend den Eisenbahnunfall im Bahnhof Aarau vom 4 Juni 1899 PDF 3 7 MB In Schweizerische Bauzeitung SBZ Band 39 Heft 15 12 April 1902 S 162 165 abgerufen am 1 Juli 2022 a b Eisenbahn Unfall in Aarau PDF 1 0 MB In Schweizerische Bauzeitung SBZ Band 34 Heft 1 8 Juli 1899 S 11 abgerufen am 1 Juli 2022 Eisenbahn Unfall in Aarau PDF 0 5 MB In Schweizerische Bauzeitung SBZ Band 34 Heft 12 23 September 1899 S 116 abgerufen am 1 Juli 2022 Eisenbahnbetriebssicherheit Zugbremsen Signalwesen Im Meyers Konversationslexikon 1885 1892 S 238 abgerufen am 15 April 2015 SBZ Band 36 Heft 23 S 222 Eisenbahn Unfall in Aarau PDF 0 6 MB In Schweizerische Bauzeitung SBZ Band 33 Heft 16 21 Oktober 1899 S 158 abgerufen am 1 Juli 2022 Die Fahrzeit des Zuges Nr 26 von Brugg bis Aarau betrug 19 Minuten Diese Massnahme war wirkungslos weil wegen der bereits ausgelosten Schnellbremsung die Luftdruckbremse bereits mit der grosstmoglichen Bremskraft aktiv war Die Vorschriften verlangten vom Zugpersonal dass es sich bei der Einfahrt in einen Bahnhof auf den Plattformen der Wagen befindet und die Einfahrt beobachtet Die Lokomotiven wurden wie bereits erwahnt in Aarau ohnehin gewechselt Ubersicht der Verhandlungen der Schweizerischen Bundesversammlung ordentliche Wintersession 1902 Abgerufen am 21 Januar 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eisenbahnunfall von Aarau amp oldid 224292822