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Diegese franzosisch diegese nach altgriechisch dihghsis diegesis Erzahlung Erorterung Ausfuhrung ist ein analytisches Konzept der Erzahltheorie welches erlautert ob sich Bestandteile der Erzahlform innerhalb oder ausserhalb der erzahlten Welt befinden Erzahlebene Der Begriff ist eine Abwandlung der altgriechischen Diegesis die eine erzahlende Rede bezeichnet im Gegensatz zur Mimesis Die Diegese muss aber deutlich von der Diegesis unterschieden werden Laut Gerard Genette ist die Diegese eher ein ganzes Universum als eine Verknupfung von Handlungen Sie ist mithin nicht die Geschichte sondern das Universum in dem sie spielt 1 Fur Etienne Souriau beinhaltet sie alles was sich laut der prasentierten Fiktion ereignet und was sie impliziert wenn man sie als wahr ansahe 2 In der Kunstgeschichte wird der Begriff Diegese im Rahmen der Rezeptionsasthetik verwendet Er behandelt die Frage in welcher Art und Weise die Dinge und Personen der innerbildlichen Kommunikation zueinander in Beziehung treten den Betrachter ein oder aber scheinbar ausschliessend Sie gibt Auskunft uber die Anordnung der Handlungstrager auf der Bildflache und oder im perspektivischen Raum die Position die sie zueinander und zum Betrachter einnehmen deiktische Einrichtung des Werks Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte 2 Beispiele der homo und heterodiegetischen Erzahlungen 2 1 Beispiele faktual homodiegetischen Erzahlens 2 2 Beispiele faktual heterodiegetischen Erzahlens 2 3 Beispiele fiktional homodiegetischen Erzahlens 2 4 Beispiele fiktional heterodiegetischen Erzahlens 3 Terminologie nach Genette 4 Terminologie nach Souriau 5 Verwandte Theorien 6 Literatur 7 EinzelnachweiseBegriffsgeschichte Bearbeiten1950 kreierte Anne Souriau im Rahmen einer Arbeitsgruppe zur Asthetik am Institut der Filmologie an der Universite de Paris einen Begriff den ihr Vater Etienne zu Beginn des Semesters 1950 51 dann erstmals im Rahmen einer Vorlesung uber Die Struktur des filmischen Universums und das Vokabular der Filmologie der akademischen Offentlichkeit prasentierte 3 Er lehnt sich an Platons Unterscheidung von Mimesis und Diegesis in dessen Werk Politeia an unterscheidet sich aber deutlich davon Diegese bezeichnet nach Souriau das raumzeitliche Universum welches ein erzahlender Text ein Drama oder ein Film eroffnet l univers d une œuvre le monde qu elle evoque et dont elle represente une partie Das Universum eines Werks die Welt die es erzeugt und von der es einen Ausschnitt zur Darstellung bringt Anne Souriau geht noch weiter und behauptet Das Wort Diegese betrifft alle Kunste in denen man etwas reprasentiert Kino Theater gegenstandliches Ballett Literatur Malerei und reprasentative Plastik Programmmusik etc 3 Vor allem bei der Analyse von Filmmusik 4 wird die Unterscheidung diegetisch nichtdiegetisch oder diegetisch extradiegetisch seither haufig verwendet Klingt die Musik in der Handlung oder steht sie ausserhalb Zum Beispiel Eine Hintergrundmusik ist nichtdiegetisch eine von sichtbaren Instrumenten gespielte oder aus sichtbaren Lautsprechern klingende Musik diegetisch 5 6 Unterscheidungen dieser Art sind jedoch fur alle Elemente einer Erzahlung zentral Dass ein Erzahler oder eine Kamera ein Detail aus einem Zusammenhang heraushebt hat nichts mit der erzahlten Welt zu tun sondern mit der Welt des Erzahlers der sich fur etwas Bestimmtes interessiert und dies weitervermittelt Das Detail gehort zur erzahlten Welt seine Hervorhebung nicht Jede Erzahlung enthalt diegetische und nichtdiegetische Bestandteile In der Intermedialitatsforschung wird die Unterscheidung diegetisch nichtdiegetisch haufig mit der Unterscheidung technisches Verfahren menschliche Zutat gleichgesetzt z B bei einem nichtdiegetischen Live Kommentar zu einer diegetischen Aufzeichnung Dabei bleibt oft unberucksichtigt dass technische Verfahren Konventionen von Beobachtern sind die noch keine Informationen uber ein Beobachtetes enthalten 7 Der Erzahltheoretiker Gerard Genette hat den Begriff Diegese aufgenommen und weiterentwickelt Beispiele der homo und heterodiegetischen Erzahlungen BearbeitenWahrend bei den homodiegetischen Erzahlungen der Erzahler in der Geschichte als Figur vorkommt gewissermassen auf der Ebene der Geschichte der Diegesis als handelnde Instanz verwirklicht sich der Erzahler in der heterodiegetischen Erzahlung auf Ebene der Erzahlung der Exegesis als Erzahlinstanz Er ist nicht selber als Ereignistrager in der Geschichte beteiligt 8 Eine weitere Unterscheidung zwischen Texten ist die der Faktalitat und der Fiktivitat Faktuale Texte sind in ihrem Erzahlen wesentlich bestimmt von assertiven Sprachhandlungen Obgleich fiktionale Erzahlungen grosstenteils auch aus Behauptungssatzen bestehen entspricht ihnen im Gegensatz zu den faktualen Texten jedoch kein Geschehen Das bedeutet der Text muss eine exakte nachvollziehbare und verifizierte Wiedergabe von Tatsachen abbilden Der Duktus ist in sachlicher objektiver Darstellung gehalten der in klarer Abfolge uber die verschiedenen Aspekte des Gegenstands uber Tatsachen informiert Fiktionale Erzahlungen handeln von nicht wirklichen Geschehen insbesondere von nicht wirklichen Ereignistragern Der Autor als Produzent des fiktionalen Textes stellt somit Behauptungen assertive Sprachhandlungen auf von Ereignissen die nicht existieren 9 Geschichten wie auch Geschehen sind aus Ereignissen aufgebaut Ereignisse sind Zustandsveranderungen uber einen Zeitraum Begrifflich wird bei einem Ereignis differenziert als eine auffallige markierte Zustandsanderung und einem Geschehen als eine unauffallige unmarkierte Zustandsanderung 10 Beispiele faktual homodiegetischen Erzahlens Bearbeiten Etwa im autobiografischen Schreiben Tagebuch Reisebericht Autobiografie Arztbriefe etc Beispiele faktual heterodiegetischen Erzahlens Bearbeiten Hier berichtet der Erzahler aus der Perspektive des unbeteilgten Beobachters journalistisches Schreiben narrative Geschichtsschreibung Juristische Protokolle archaologischer Grabungsbericht Hauptverhandlungsprotokoll etc Wissenschaftstext LexikonartikelBeispiele fiktional homodiegetischen Erzahlens Bearbeiten In fiktionalen homodiegetischen Erzahltexten ist der fiktive Erzahler die Erzahlinstanz als Figur in der Geschichte prasent fingierte bzw fiktionale Tagebucher Reiseberichte Biografien Romane etc Beispiele fiktional heterodiegetischen Erzahlens Bearbeiten Sie sind dadurch gekennzeichnet dass der Erzahler als Figur in der Erzahlung nicht vorkommt abwesend ist fingierte bzw fiktionale Reiseerlebnisse Romane Marchen etc Terminologie nach Genette BearbeitenDiegetisch oder intradiegetisch ist nach Gerard Genette alles zu nennen was zur erzahlten Welt gehort Ein Text kann mehr als eine diegetische Ebene haben in der Regel benennt man mit Diegese jedoch die Elemente der Haupthandlung sofern sich eine solche bestimmen lasst Erzahlebenen konnen aufeinander aufbauen so dass eine Hierarchie entsteht Um verschiedene Ebenen voneinander trennen zu konnen fuhrt Genette relationale Begriffe ein Die der Diegese vorgelagerte Erzahlebene also zum Beispiel Rahmenhandlungen nennt er extradiegetisch Die eigentliche Diegese oder Erzahlung die Ebene auf der die Figuren handeln nennt Genette zur besseren Unterscheidung intradiegetisch Wenn wiederum in die Intradiegese Erzahlungen eingelagert werden spricht man von Binnen Erzahlungen Genette nennt diese Ebene metadiegetisch Auch die verschiedenen Erzahlerpositionen macht Genette an ihrem Verhaltnis zur Diegese fest Ist der Erzahler gleichzeitig eine Neben Figur der Handlung nennt er die Erzahlerposition homodiegetisch Ist der Erzahler sogar Protagonist der Handlung ist die Erzahlposition als Sonderfall der homodiegetischen Position autodiegetisch zu nennen Kommt der Erzahler in der Handlung selbst nicht vor ist seine Position als heterodiegetisch zu bezeichnen Die Bezeichnungen der Erzahlebenen und der Erzahlerpositionen sind unabhangig voneinander Eine Figur kann auf verschiedenen Ebenen auch unterschiedliche Erzahlpositionen einnehmen Ein Erzahler der auf der extradiegetischen Ebene autodiegetisch erzahlt also eine Geschichte berichtet in der er selbst die Hauptperson ist kann innerhalb dieser erzahlten Geschichte der Intra Diegese wiederum eine Geschichte berichten Metadiegese in der er aber nicht vorkommt also auf intradiegetischer Ebene ein heterodiegetischer Erzahler der metadiegetischen Ebene sein Terminologie nach Souriau BearbeitenLaut Souriau steht die Diegese bzw das Diegetische als eigene Dimension des filmischen Universums neben dem Afilmischen die unabhangig von den kinematographischen Tatsache existierende Wirklichkeit dem Profilmischen die gefilmte objektive Wirklichkeit dem Filmographischen alle Aspekte des fertig gezogenen Filmstreifens dem Filmophanischen alles was sich wahrend der audiovisuellen Projektion des Films ereignet dem Kreatoriellen alles was die Hervorbringung des Werks betrifft sowie dem Spektatoriellen alles was sich subjektiv im Geist des Zuschauers ereignet 11 Verwandte Theorien BearbeitenEine ahnliche Theorie zur Differenzierung der Handlungsrahmen die er frames nennt hat der amerikanische Soziologe Erving Goffman um etwa 1960 entwickelt Er trennt jedoch nicht zwischen Fiktion und Alltagserfahrung und behandelt jedes Ausserplanmassige als etwas was nicht zur Diegese gehort Dementsprechend wird seine Theorie eher von der Soziologie aufgegriffen obwohl Goffman zahlreiche Beispiele aus Literatur oder Film verwendet Siehe auch Vierte Wand Literatur BearbeitenEtienne Souriau La structure de l univers filmique et le vocabulaire de la filmologie In Revue internationale de Filmologie Heft 7 8 1951 S 231 240 Deutsche Ubersetzung Etienne Souriau Die Struktur des filmischen Universums und das Vokabular der Filmologie In Montage AV Februar 1997 S 140 157 Auf Montage AV de PDF 626 9 kB abgerufen am 29 Marz 2022 Etienne Souriau und Anne Souriau Vocabulaire d esthetique Quadrige Paris 2004 ISBN 2 13 054401 0 Gerard Genette Die Erzahlung Hrsg von Jochen Vogt UTB Stuttgart 1998 ISBN 3 8252 8083 7 Erving Goffman Rahmen Analyse Ein Versuch uber die Organisation von Alltagserfahrung Suhrkamp Frankfurt am Main 1980 ISBN 3 518 27929 7 Wolfgang Kemp Kunstwerk und Betrachter der rezeptionsasthetische Ansatz In Kunstgeschichte Eine Einfuhrung Berlin 2003 ISBN 3 496 01261 7 Einzelnachweise Bearbeiten Gerard Genette Die Erzahlung Fink Verlag Munchen 1998 S 201f Etienne Souriau Die Struktur des filmischen Universums und das Vokabular der Filmologie In Montage AV 6 Februar 1997 S 156 a b Souriau gibt in seinem Aufsatz von 1951 in dem er den Terminus erstmals erwahnt keine Hinweise auf dessen Ursprung Etienne Souriau Vocabulaire d esthetique Presses universitaires Paris 1990 S 581 Claudia Bullerjahn Grundlagen der Wirkung von Filmmusik 4 unveranderte Edition Wissner Verlag Augsburg 2019 ISBN 3 95786 183 7 Lexikon der Filmbegriffe Universitat Kiel Hans Jurgen Wulff Diegetischer Ton 13 Oktober 2012 1 Inzidenzmusik 13 Oktober 2012 2 Diegetische Musik 15 Dezember 2020 3 auf swissfilmmusic ch Hans Jurgen Wulff Diegese Lexikon der Filmbegriffe 20 Dezember 2012 4 auf filmlexikon uni kiel de Frank Zipfel Fiktion Fiktivitat Fiktionalitat Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft Erich Schmidt Berlin 2001 ISBN 3 503 06111 8 S 131 Frank Zipfel Fiktion Fiktivitat Fiktionalitat Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft Erich Schmidt Berlin 2001 ISBN 3 503 06111 8 S 116 Silke Lahn Jan Christoph Meister Einfuhrung in die Erzahltextanalyse 3 aktualisierte Auflage J B Metzler Stuttgart 2016 ISBN 978 3 476 02598 2 S 216 218 Etienne Souriau Die Struktur des filmischen Universums und das Vokabular der Filmologie In Montage AV 6 2 1997 S 156 f Normdaten Sachbegriff GND 7605230 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Diegese amp oldid 235017723