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Das Hauptverhandlungsprotokoll auch Sitzungsprotokoll oder Sitzungsniederschrift beurkundet im deutschen Strafprozess den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung Die Anfertigung eines Protokolls ist in 271 Absatz 1 StPO vorgeschrieben Das Hauptverhandlungsprotokoll ist keine offentliche Urkunde im Sinne des 348 StGB 1 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Beweiskraft 3 Verfahren 4 Protokollberichtigung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDas Protokoll uber die Hauptverhandlung enthalt 1 den Ort und den Tag der Verhandlung 2 die Namen der Richter und Schoffen des Beamten der Staatsanwaltschaft des Urkundsbeamten der Geschaftsstelle Protokollfuhrer und des zugezogenen Dolmetschers 3 die Bezeichnung der Straftat nach der Anklage 4 die Namen der Angeklagten ihrer Verteidiger der Privatklager der Nebenklager der Anspruchsteller nach 403 StPO der sonstigen Nebenbeteiligten der gesetzlichen Vertreter der Bevollmachtigten und der Beistande 5 die Angabe dass offentlich verhandelt oder die Offentlichkeit ausgeschlossen war 272 StPO Protokolliert werden mussen der Gang der Verhandlung und die wesentlichen Formlichkeiten des Verfahrens 273 Absatz 1 StPO Hierzu gehoren unter anderem die Anwesenheit der in 226 StPO vorgeschriebenen Personen die Vernehmung des Angeklagten zur Person und zur Sache die Verlesung der Anklage die Vernehmung der Zeugen die Verlesung von Urkunden und die Inaugenscheinnahme von Gegenstanden die in der Verhandlung gestellten Antrage die erfolgten Belehrungen und abgegebene prozessuale Erklarungen Ebenso gehort dazu das letzte Wort des Angeklagten ein in der Verhandlung ergehendes Urteil in der Verhandlung verkundete Beschlusse sowie eine eventuelle Verstandigung oder die Tatsache dass keine Verstandigung erfolgt ist Nur beim Amtsgericht also beim Strafrichter und beim Schoffengericht ist auch der wesentliche Inhalt der Einlassung des Angeklagten und der Aussagen der Zeugen und Sachverstandigen zu protokollieren sogenanntes Inhaltsprotokoll wenn nicht das Urteil rechtskraftig ist 273 Absatz 2 StPO Beim Landgericht und beim Oberlandesgericht wird hingegen nur die Tatsache der Vernehmung als solche nicht auch der Inhalt der Vernehmung protokolliert Denn nur im Berufungsverfahren das aber nur gegen Urteile des Amtsgerichts stattfindet 312 StPO gestattet 325 StPO es unter Umstanden bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme Protokolle uber Aussagen der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges vernommenen Zeugen und Sachverstandigen zu verlesen um eine neuerliche Vernehmung der betreffenden Zeugen oder Sachverstandigen uberflussig zu machen Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts konnen aber nur mit der Revision angefochten werden 135 121 Abs 1 Nr 1 Gerichtsverfassungsgesetz Dort konnen nur Fehler des angefochtenen Urteils oder des Verfahrens gerugt werden Beweiserhebungen finden grundsatzlich nicht statt Die Strafprozessordnung geht davon aus dass die Angaben der Zeugen und Sachverstandigen in Urteilen der Land und Oberlandesgerichte in allen wesentlichen Einzelheiten richtig wiedergegeben werden schliesst jedoch die Moglichkeit von auf Widerspruche zwischen Protokoll und Urteil gestutzten Verfahrensrugen nicht von vornherein aus siehe unter Beweiskraft 2 Von Amts wegen oder auf Antrag kann ein Vorgang protokolliert werden wenn es auf diesen Vorgang ankommt zum Beispiel weil der Vorgang einen Verfahrensfehler enthalt oder Anlass fur weitere Beweiserhebung bietet 273 Absatz 3 Satz 1 StPO Auch der Wortlaut einer Ausserung kann protokolliert werden sogenanntes Wortprotokoll wenn es nicht nur auf den Inhalt sondern den genauen Wortlaut der Ausserung ankommt zum Beispiel weil die Ausserung eine Straftat darstellen kann In diesem Fall ist die protokollierte Aussage zu verlesen und im Protokoll ist zu vermerken ob der Aussernde die Niederschreibung genehmigt hat oder welche Einwande er hiergegen erhoben hat 273 Absatz 3 Satz 3 StPO In der Praxis wird hierfur die Formulierung v u g vorgelesen und genehmigt verwendet Beweiskraft BearbeitenDie Einhaltung der wesentlichen Formlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden positive Beweiskraft Wenn ein als wesentliche Formlichkeit protokollierungspflichtiges Geschehen nicht protokolliert ist ist damit bewiesen dass das entsprechende Geschehen nicht stattgefunden hat negative Beweiskraft Gegen die Beweiskraft des Protokolls ist nur der Einwand der Falschung zulassig 274 StPO Ist der Nachweis der Falschung erbracht entfallt die Beweiskraft des Protokolls hinsichtlich der von der Falschung betroffenen Teile 3 Formelle Beweiskraft besitzt ausschliesslich das die vorgeschriebenen wesentlichen Formlichkeiten enthaltende Sitzungsprotokoll i S v 273 Absatz 1 StPO nicht jedoch das amtsgerichtliche Inhaltsprotokoll Abs 2 oder das nur ausnahmsweise erstellte Wortprotokoll Abs 3 diese Beschrankungen schliessen jedoch nicht einen revisionsrechtlichen Angriff auf Urteilsfeststellungen aus die einem Wortprotokoll widersprechen oder einen entscheidungserheblichen Protokollinhalt ausser Acht lassen obwohl dessen Wurdigung geboten war 4 Die Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokoll erstreckt sich nur auf das Verfahren in dessen Rahmen das Protokoll angefertigt wurde und wirkt lediglich fur das zustandige Revisionsgericht 5 Verfahren BearbeitenDas Protokoll wird von dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschaftsstelle gemeinsam erstellt wobei der Vorsitzende dem Urkundsbeamten keine Weisungen erteilen darf Das Protokoll ist erst fertiggestellt wenn Vorsitzender und Urkundsbeamter das Protokoll unterschrieben haben Wenn sich Vorsitzender und Urkundsbeamter uber den Inhalt des Protokolls nicht einigen konnen entfallt insoweit die Beweiskraft des Protokolls Wenn der Strafrichter gemass 226 Absatz 2 StPO von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten absieht erstellt und unterschreibt er das Protokoll allein Das Urteil darf erst nach Fertigstellung des Protokolls zugestellt werden 273 Absatz 4 StPO Ralf Eschelbach kritisiert dass es die freie und unbefangene Beweiswurdigung gemass 261 StPO beeintrachtigen konne wenn der Richter selbst das Protokoll erstellt da er dann als neutraler Beurteiler praktisch ausfalle wenn er das Prozessgeschehen nicht mehr mit voller Aufmerksamkeit beobachtet sondern sich auf seine Schreibarbeit konzentriert 6 Protokollberichtigung BearbeitenDas abgeschlossene also von Richter und Urkundsbeamten unterschriebene und zur Akte gegebene Protokoll kann von Amts wegen oder auf Antrag jederzeit berichtigt werden Dies ist anders als im Zivilprozess 164 ZPO zwar nicht gesetzlich geregelt wird aber allgemein fur zulassig gehalten solange die Urkundspersonen noch eine zuverlassige Erinnerung an den Vorgang haben Sofern eine Protokollberichtigung beantragt wird sind vor der Entscheidung dienstliche Stellungnahmen der Urkundspersonen einzuholen und vor der Entscheidung dem Antragsteller zur Kenntnisnahme vorzulegen Die Berichtigung erfolgt durch gesonderte Erklarung die dem Protokoll angefugt wird und von Vorsitzendem und Urkundsbeamten zu unterschreiben ist 7 Besonderheiten gelten wenn durch eine Protokollberichtigung einer bereits erhobenen Revisionsruge nachtraglich der Boden entzogen werden soll sogenannte Rugeverkummerung Eine derartige Protokollberichtigung wurde fruher fur unzulassig gehalten Nach einer Entscheidung des Grossen Senats fur Strafsachen des Bundesgerichtshofs 8 ist sie aber unter folgenden Voraussetzungen zulassig Vorsitzender und Urkundsbeamter mussen noch eine sichere Erinnerung an den Vorgang haben Die Absicht der Protokollberichtigung ist zusammen mit dienstlichen Erklarungen der Urkundspersonen dem Beschwerdefuhrer zur Stellungnahme zuzuleiten Widerspricht der Beschwerdefuhrer sind erforderlichenfalls weitere dienstliche Erklarungen der anderen Verfahrensbeteiligten Beisitzer Staatsanwalt einzuholen und dem Beschwerdefuhrer zur Stellungnahme zuzuleiten Halten die Urkundspersonen das Protokoll weiterhin fur unrichtig haben sie es durch mit Grunden versehenen Beschluss zu berichtigen Literatur BearbeitenMeyer Gossner Schmitt StPO 64 Auflage 2021 ISBN 978 3 406 66043 6 Kommentierung zur 271 274 StPOEinzelnachweise Bearbeiten BGH Urteil vom 13 Mai 2015 Az 3 StR 498 14 openjur de am Ende Vgl BGHSt 38 14 2 StR 45 91 vom 3 Juli 1991 online Lowe Rosenberg StPO 26 Auflage 274 Rn 36 Klaus Malek Verteidigung in der Hauptverhandlung 5 neu bearbeitete Auflage C F Muller Heidelberg 2017 ISBN 978 3 8114 4523 9 Rn 659 online Klaus Malek Verteidigung in der Hauptverhandlung 5 neu bearbeitete Auflage C F Muller Heidelberg 2017 ISBN 978 3 8114 4523 9 Rn 660 online Ralf Eschelbach 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswurdigung 2016 7 1 Lowe Rosenberg StPO 26 Auflage 271 Rn 43ff BGH Beschluss vom 23 April 2007 GSSt 1 06Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4047552 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hauptverhandlungsprotokoll amp oldid 223131950