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Die Zukunft einer Illusion ist eine 1927 erschienene Schrift von Sigmund Freud Sie gilt als sein Hauptwerk uber die Religion als zeitgenossisches soziales Phanomen betrachtet Grundlage der Religion ist fur Freud die menschliche Hilflosigkeit Eine infantile Reaktion hierauf ist der Wunsch nach einem schutzenden Vater In der Religion wird dieser Wunsch erfullt allerdings nur in der Phantasie und in diesem Sinne ist die Religion eine Illusion eine Wunscherfullungsphantasie Der Fortschritt der Wissenschaft fuhrt zur Anerkennung der menschlichen Ohnmacht und damit zu einem Niedergang der Religion Freud begrusst diese Entwicklung Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Einordnung 3 Ausgaben 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenUnter Kultur oder Zivilisation versteht Freud all das wodurch sich das Leben der Menschen von dem der Tiere unterscheidet Die Kultur besteht aus zwei Bereichen aus dem Wissen und Konnen das der Naturbeherrschung dient und aus Einrichtungen die die Beziehungen der Menschen untereinander regeln Diese Einrichtungen bestehen aus Geboten und den Kern der Kulturgebote bilden das Inzestverbot und das Mordverbot Die Kulturverbote muten dem Menschen Arbeit und Triebverzicht zu Dabei wird die Triebunterdruckung ungleich verteilt der Triebverzicht der Mehrheit geht mit der Triebbefriedigung einer Minderheit einher Die grosse Masse strebt deshalb danach die Kultur zu zerstoren eine Kultur die durch ihre Arbeit ermoglicht wird an deren Gutern sie jedoch nur einen geringen Anteil hat Zur Kultur gehoren auch solche Massnahmen die verhindern dass sie zerstort wird Die Kultur wird einerseits durch Zwangsmittel geschutzt andererseits durch Einrichtungen welche die Menschen mit der Kultur versohnen sollen Dazu zahlen die Verinnerlichung der Verbote ihre Aufnahme ins Uber Ich die Kunst insofern sie Ersatzbefriedigungen ermoglicht die kulturellen Ideale und die Religion Die kulturellen Ideale beruhen auf dem narzisstischen Stolz auf die Hochstleistungen der Kultur an dieser Form der Versohnung konnen sich auch die unterdruckten Klassen beteiligen durch Identifikation mit der ausbeutenden Klasse Die Religion hat ganz allgemein die Funktion den Menschen mit der Krankung seines Narzissmus zu versohnen Diese Krankung beruht auf der menschlichen Hilflosigkeit welche in drei Hauptformen auftritt Sie besteht in der Ohnmacht des Menschen gegenuber der ausseren Natur in seiner Machtlosigkeit gegenuber Krankheit und Tod und sie beruht schliesslich auf den Entbehrungen die ihm von der Kultur abgenotigt werden Der Erwachsene deutet seine Hilflosigkeit nach dem Vorbild derjenigen Hilflosigkeit die er als Kind erfahren hat und wie das Kind verbindet er seine Hilflosigkeit mit der Sehnsucht nach einem schutzenden Vater Diese Vatersehnsucht ist die Grundlage fur die Entstehung der Gotter Die Gotter sind idealisierte Vatergestalten Die Religion ist eine Art Menschheitsneurose eine kollektive Zwangsneurose Mit der Entwicklung der Naturerkenntnis verliert die Religion zunehmend die Funktion mit der Ubermacht der Naturkrafte und mit Krankheit und Tod zu versohnen ubrig bleibt ihre kulturelle Funktion Die Aufgabe der Religion besteht jetzt vor allem darin mit den Kulturverboten zu versohnen und dies geschieht dadurch dass sie auf einen gottlichen Ursprung zuruckgefuhrt werden Die Belege fur die Wahrheit der religiosen Lehren sind durftig Gleichwohl sind diese Lehren ausserst wirksam Ihre Wirkungskraft ruhrt daher dass es sich bei den religiosen Vorstellungen um Wunscherfullungsphantasien handelt Sie befriedigen auf quasi halluzinatorische Weise das Schutzbedurfnis angesichts der Hilflosigkeit Die Religion ist deshalb auch nicht einfach nur ein Irrtum sie ist eine Illusion die religiosen Vorstellungen sind nicht einfach falsch sie stellen vielmehr die imaginare Erfullung eines Wunsches dar Der Ursprung der Religion ist letztlich affektiver Natur Die Religion beruht auf dem Mord am Urvater und auf dem Schuldgefuhl das durch dieses Ereignis hervorgerufen wurde Die religiose Deutung der Kulturgebote die Zuruckfuhrung auf einen gottlichen Ursprung ist deshalb nicht einfach falsch sie enthalt eine historische Wahrheit sie bezeugt die Schlusselrolle der Vaterbeziehung fur die Errichtung der Kultur Die Entwicklung der Wissenschaft fuhrt unvermeidlich zum Niedergang der Religion Das ist weder zu bedauern noch ist es gefahrlich Denn der Religion ist es nicht gelungen die Menschen glucklich zu machen und sie hat es auch nicht vermocht sie zu einem sittlichen Verhalten zu bewegen Gefahrlich ist die Religionskritik nur dann wenn sie von den Ungebildeten aufgegriffen wird weil dies deren Widerstand gegen die Kultur unterstutzt Jedoch ist die Popularisierung der Religionskritik unvermeidlich Wenn man die Kultur vor ihrer Zerstorung schutzen will steht man deshalb vor einer Alternative Entweder muss man dafur sorgen dass die Ungebildeten rigoros unterdruckt werden oder man muss das Verhaltnis der Menschen zur Kultur neu gestalten Freud pladiert fur die zweite Moglichkeit Er schlagt vor die Religion ahnlich wie eine Neurose zu behandeln Die religiose Begrundung der Kulturverbote die der Verdrangung entspricht sollte wie in einer Therapie durch eine rationale Begrundung ersetzt werden Das Mordverbot sollte damit begrundet werden dass es der Selbsterhaltung dient eine rationale Begrundung des Inzestverbots wird von Freud in dieser Arbeit nicht skizziert Wenn die Grundlage der kulturellen Verbote nicht mehr die Religion ist sondern der Intellekt wird dies dazu fuhren dass zahlreiche Verbote aufgehoben werden Wir mogen noch so oft betonen der menschliche Intellekt sei kraftlos im Vergleich zum menschlichen Triebleben und recht damit haben Aber es ist doch etwas Besonderes um diese Schwache die Stimme des Intellekts ist leise aber sie ruht nicht ehe sie sich Gehor geschafft hat Am Ende nach unzahlig oft wiederholten Abweisungen findet sie es doch Dies ist einer der wenigen Punkte in denen man fur die Zukunft der Menschheit optimistisch sein darf aber er bedeutet an sich nicht wenig Kapitel VIII Studienausgabe Bd 9 S 186 Freud hofft dass es der Intellektualisierung der Verbote gelingt die Menschen mit der Kultur zu versohnen Dies setzt voraus dass die Vernunft so weit gestarkt wird dass sie die Leidenschaften besiegen kann Freud skizziert zwei Formen der Starkung des Intellekts einerseits die Aufhebung von Denkverboten religioser sexueller und politischer Art und andererseits die Erziehung zur Realitat worunter er versteht dass Menschen lernen ihre Ohnmacht und Hilflosigkeit zu akzeptieren Freud raumt ein Moglicherweise ist auch seine Hoffnung die Verdrangung konne durch Geistesarbeit ersetzt werden eine Illusion Diese wurde sich von der religiosen Illusion jedoch darin unterscheiden dass sie korrigierbar ware Einordnung BearbeitenDie Schrift ist Teil der Reihe der kulturtheoretischen Schriften Freuds Vorganger sind Totem und Tabu 1912 13 Massenpsychologie und Ich Analyse 1921 Die Reihe wird spater fortgesetzt mit Das Unbehagen in der Kultur 1930 Warum Krieg 1933 Der Mann Moses und die monotheistische Religion geschrieben 1934 1938 veroffentlicht 1939 In Das Unbehagen in der Kultur setzt Freud sich mit einer Kritik von Romain Rolland an Die Zukunft einer Illusion auseinander Rolland zufolge ist die Grundlage der Religion nicht die Vatersehnsucht sondern das ozeanische Gefuhl Freud rekonstruiert das ozeanische Gefuhl als primaren Narzissmus noch ohne Grenze zwischen Ich und Aussenwelt und erklart ihn fur eine sekundare Quelle der Religion In der Nachschrift von 1935 zu seiner Selbstdarstellung bemerkt Freud In der Zukunft einer Illusion hatte ich die Religion hauptsachlich negativ gewurdigt ich fand spater die Formel die ihr bessere Gerechtigkeit erweist ihre Macht beruhe allerdings auf ihrem Wahrheitsgehalt aber diese Wahrheit sei keine materielle sondern eine historische 1 Der Unterschied zwischen der materiellen und der historischen Wahrheit wird in Der Mann Moses und die monotheistische Religion ausfuhrlicher entwickelt Die These vom Vatermord als Grundlage der Kultur findet sich in Totem und Tabu von 1912 13 das Konzept des Narzissmus wurde von Freud erstmals in Zur Einfuhrung des Narzissmus von 1914 ausfuhrlich dargestellt die These von der Verinnerlichung der Verbote im Uber Ich findet sich zuerst in Das Ich und das Es von 1923 Die in Die Zukunft einer Illusion vorgetragene Auffassung von der Kulturfeindlichkeit der Massen wird in Das Unbehagen in der Kultur von 1930 weiter entwickelt Ausgaben BearbeitenSigmund Freud Die Zukunft einer Illusion Leipzig Wien und Zurich Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1927 Erstdruck In Ders Gesammelte Werke Bd 14 Imago London 1948 S 325 380 In Ders Studienausgabe Band IX Hg v Alexander Mitscherlich Angela Richards James Strachey S Fischer Frankfurt am Main 1974 S 135 189Weblinks BearbeitenVolltext in textlog de Sigmund Freud Die Zukunft einer Illusion im Projekt Gutenberg DE Odon Vallet Future of an Illusion The In International Dictionary of Psychoanalysis Thomson Gale Detroit 2005 Einzelnachweise Bearbeiten zitiert nach den editorischen Vorbemerkungen zu Die Zukunft einer Illusion in Freud Studienausgabe Bd 9 Frankfurt M Fischer 1974 S 137 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Zukunft einer Illusion amp oldid 218600612