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Die dialogische Logik engl dialogical logic auch game semantics ist ein von den deutschen Logikern und Philosophen Kuno Lorenz und Paul Lorenzen entwickelter spieltheoretischer semantiknaher Ansatz zur Logik Die Motivation ist eine im Vergleich zum Ableiten in Logikkalkulen nahere Orientierung am menschlichen Argumentieren Durch den Rahmen der Dialogischen Logik wird der Anspruch erhoben dass die Beteiligten im Gesprach keinen externen Schiedsrichter benotigen sondern in Freiheit die Geltung von Aussagen selbst prufen Die Regeln fur die Junktoren und Quantoren werden als Dialogspiel konzipiert Der Dialog wird allgemein durch Rahmenregeln und im Detail durch Angriffs und Verteidigungsregeln fur die logischen Operatoren bestimmt Wahr heisst eine aus logischen Zeichen zusammengesetzte Aussage wenn sie sich im Dialog immer gewinnen lasst Formal wahr wird eine solche Aussage genannt wenn sie stets gewonnen werden kann ohne in einen Dialog uber die Primaussagen Elementarsatze einzutreten Wird in den herkommlichen Kalkulen von Elementarformeln ausgegangen und dann nach Kalkulregeln bis zum Endresultat abgeleitet so geht man in der Dialogischen Logik genau andersherum vor Es wird mit einer zusammengesetzten Behauptung angefangen und diese unter Einhaltung der Spielregeln auf Elementarsatze reduziert Inhaltsverzeichnis 1 Rahmenregeln 2 Effektive Rahmenregel 3 Angriffs und Verteidigungsregeln fur die logischen Operatoren 4 Beispiele 5 Anwendungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseRahmenregeln BearbeitenDer Proponent rechte Spalte als P notiert beginnt den Dialog indem er eine mit logischen Zeichen verknupfte Aussage aussert Die Dialogpartner sind abwechselnd am Zug Das weitere Vorgehen besteht aus Angriffen und Verteidigungen Ein Angriff stellt ein Recht dar eine noch angreifbare Aussage des Gegners anzugreifen Eine Verteidigung ist die Pflicht sich auf eine angegriffene Aussage zu verteidigen spatestens wenn man selber nicht mehr angreifen darf Die Angriffe und Verteidigungen sind in den Partikelregeln normiert Der Proponent hat gewonnen wenn er eine angegriffene Elementaraussage Primaussage oder Atomaussage verteidigt hat oder wenn der Opponent auf der linken Spalte mit O notiert eine angegriffene Elementaraussage nicht verteidigt Effektive Rahmenregel BearbeitenMan kann die Dialogische Logik schrittweise mit immer starkeren Regeln ausstatten Den Beginn machen meist die Regeln der Strengen Logik Aussagen heissen streng wahr wenn es fur sie unter der Regel eine Gewinnstrategie gibt dass die Argumente des Gegners jeweils hochstens einmal angegriffen werden durfen 1 Als nachsten Schritt kann die effektive Rahmenregel eingefuhrt werden die besonders fur die Interpretation der Subjunktion A B displaystyle A rightarrow B nbsp wenn A dann B relevant ist Kein Spieler muss sich auf einen Angriff verteidigen ehe nicht dieser Angriff seinerseits auf endlich viele Angriffe verteidigt wurde Vor einem Angriff legt sich der jeweilige Angreifer selbst auf eine Maximalzahl von Angriffen fest 2 Wenn die effektive Rahmenregel gilt ist die dialogische Logik ein Modell der intuitionistischen Logik Dadurch werden Aussagen fur den Dialog zugelassen deren Wahrheitswert nicht feststeht etwa bei ungelosten Problemen der Mathematik Aussagen uber zukunftige Ereignisse oder uber Unendliches Die klassisch zweiwertige Logik lasst sich durch eine weitere Liberalisierung der Rahmenregeln dadurch erhalten dass jede Aussage zu jedem Zeitpunkt des Dialogs verteidigt werden kann Angriffs und Verteidigungsregeln fur die logischen Operatoren BearbeitenHier sind die Angriffs und Verteidigungsregeln der dialogischen Logik aufgelistet wobei das Fragezeichen als Verteidigungsaufforderung gelesen werden soll Junktoren Angriff VerteidigungA B displaystyle A land B nbsp L displaystyle L nbsp A displaystyle A nbsp und A B displaystyle A land B nbsp R displaystyle R nbsp B displaystyle B nbsp und A B displaystyle A lor B nbsp displaystyle nbsp A displaystyle A nbsp B displaystyle B nbsp oder A displaystyle neg A nbsp A displaystyle A nbsp nicht A B displaystyle A rightarrow B nbsp A displaystyle A nbsp B displaystyle B nbsp wenn dann Der letzte Junktor wenn dann wird in der dialogischen Logik ublicherweise nicht Subjunktion sonst Implikation genannt Quantoren Angriff Verteidigung x A x displaystyle bigwedge x A x nbsp n displaystyle n nbsp A n displaystyle A n nbsp x A x displaystyle bigvee x A x nbsp displaystyle nbsp A n displaystyle A n nbsp Quantorzeichen displaystyle bigvee nbsp Einsquantor auch Existenzquantor fur mindestens ein bzw displaystyle bigwedge nbsp Allquantor fur alle Beispiele BearbeitenHier als einfaches Beispiel ein Dialog um a a displaystyle a rightarrow a nbsp Die Aussage ist formal logisch wahr O displaystyle O nbsp P displaystyle P nbsp a a displaystyle a rightarrow a nbsp a displaystyle a nbsp Die Subjunktionbehauptung wird nach der Subjunktionsregel angegriffen dafur wird die voranstehende Primaussage behauptet a displaystyle a nbsp Als Verteidigung wird die nachstehende Primaussage genannt dies ist gleichzeitig auch eine Ubernahme des a displaystyle a nbsp der vorigen Zeile P displaystyle P nbsp kann den Dialog immer gewinnen denn er kann a displaystyle a nbsp ubernehmen Im Folgenden weitere Beispiele zunachst fur den klassisch und intuitionistisch wahren Satz A A displaystyle A rightarrow neg neg A nbsp dann fur den nur klassisch wahren Satz A A displaystyle neg neg A rightarrow A nbsp Es wird hier auch bei Verteidigungen angegeben gegen welchen Angriff sie sich richten 1 heisst also verteidigt sich gegen den Angriff unter 1 und 1 bedeutet greift die Aussage unter 1 an Klammern bezeichnen Zuge die unter Einhaltung der effektiven Rahmenregel nicht moglich sind O displaystyle O nbsp P displaystyle P nbsp 1 A A displaystyle A rightarrow neg neg A nbsp 2 1 displaystyle 1 nbsp A displaystyle A nbsp 2 displaystyle 2 nbsp A displaystyle neg neg A nbsp 3 2 displaystyle 2 nbsp A displaystyle neg A nbsp 3 displaystyle 3 nbsp A displaystyle A nbsp 4 3 displaystyle 3 nbsp 2 displaystyle 2 nbsp P displaystyle P nbsp stellt in Schritt 3 eine Primaussage namlich A displaystyle A nbsp auf die O displaystyle O nbsp in Schritt 2 schon behauptet hat Nach den Regeln ist der Dialog damit fur P displaystyle P nbsp gewonnen Ganz anders sieht es fur A A displaystyle neg neg A rightarrow A nbsp aus O displaystyle O nbsp P displaystyle P nbsp 1 A A displaystyle neg neg A rightarrow A nbsp 2 1 displaystyle 1 nbsp A displaystyle neg neg A nbsp 2 displaystyle 2 nbsp A displaystyle neg A nbsp 3 2 displaystyle 2 nbsp A displaystyle A nbsp 2 displaystyle 2 nbsp A displaystyle A nbsp Im letzten Schritt verteidigt P displaystyle P nbsp die Aussage unter 1 die O displaystyle O nbsp in Schritt 2 angegriffen hat Da O displaystyle O nbsp nach Schritt 2 noch Aussagen von P displaystyle P nbsp angegriffen hat ware die Verteidigung nur moglich wenn die effektive Rahmenregel nicht gelten wurde Auch ein anderer Spielverlauf hilft nicht O displaystyle O nbsp P displaystyle P nbsp 1 A A displaystyle neg neg A rightarrow A nbsp 2 1 displaystyle 1 nbsp A displaystyle neg neg A nbsp 2 displaystyle 2 nbsp A displaystyle A nbsp 3 2 displaystyle 2 nbsp 2 displaystyle 2 nbsp A displaystyle neg A nbsp 4 3 displaystyle 3 nbsp A displaystyle A nbsp 3 displaystyle 3 nbsp A displaystyle A nbsp O displaystyle O nbsp greift in Schritt 3 die Primaussage A displaystyle A nbsp an Obwohl O displaystyle O nbsp diese Primaussage in Schritt 4 selbst einraumt darf P displaystyle P nbsp sich nicht mehr gegen diesen Angriff verteidigen da inzwischen ein weiterer Angriff erfolgt ist Da der Proponent keinen Spielverlauf erzwingen kann wo er unter Einhaltung der effektiven Rahmenregel gewinnt ist die Aussage A A displaystyle neg neg A rightarrow A nbsp in der intuitionistischen Logik nicht zu beweisen In der klassischen Logik hingegen gilt sie wie die Beispiele zeigen Anwendungen BearbeitenInteressant sind die speziellen Effekte die bei der intuitionistischen Interpretation des Subjunktors displaystyle rightarrow nbsp auftreten Wahrend des Dialogs sind auch nicht wahrheitsdefinite eine Aussage ist entweder wahr oder falsch Aussagen erlaubt Der Wahrheitswert der Aussagen kann in einem Schwebezustand belassen bleiben Bei der effektiven Rahmenregel wird der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht vorausgesetzt Erst bei Abschluss des Dialogs steht der Wahrheitswert der Gesamtaussage fest Fuhrt man eine Rahmenregel ein bei der eine Aussage spater im Dialog nicht mehr zur Verfugung steht so kann man aus der dialogischen Logik eine zeitliche Logik entwickeln Carl Friedrich von Weizsacker und Peter Mittelstaedt haben diese Regel fur die Interpretation der Quantenphysik durch zeitliche Logik aufgenommen Hier ein Beispiel Wahrend wir uberlegen ob der Mond untergeht oder nicht geht er unter Weitere Anwendungen ergeben sich fur die Argumentationstheorie da die dialogische Logik im Verlauf des Dialogs aufzeigt wer wann Beweislast fur Tatsachenbehauptungen in Form von Elementaraussagen ubernimmt Literatur BearbeitenJurgen Mittelstrass Christopher von Bulow Hrsg Dialogische Logik mentis 2015 ISBN 978 3 89785 639 4 Kuno Lorenz Logik dialogische In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Band 2 Metzler Stuttgart Weimar 1995 S 643ff Jaakko Hintikka Esa Saarinen Game Theoretical Semantics Springer 1979 ISBN 90 277 0918 1 Kuno Lorenz Paul Lorenzen Dialogische Logik WBG Darmstadt 1978 Mathieu Marion Why Play Logical Games In Unifying Logic Language and Philosophy Springer 2009 ISBN 978 1 4020 9373 9 S Rahman L Keiff On how to be a dialogician In Daniel Vanderken Hrsg Logic Thought and Action Springer 2005 ISBN 1 4020 2616 1 S 359 408 Rudiger Inhetveen Logik Eine dialog orientierte Einfuhrung 2003 ISBN 3 937219 02 1 J van Benthem Logic in Games Elsevier 2006 L Keiff Introduction a la logique modale et hybride In M Rebusqui T Tulenheimo Hrsg Logique et theorie de jeux Kime 2004 S 89 102 ISSN 1281 2463 S Rahman Non Normal Dialogics for a Wonderful World and More In J van Benthem G Heinzmann M Rebuschi H Visser Hrsg The Age of Alternative Logics Springer 2006 ISBN 1 4020 5011 9 S Rahman and N Clerbout Linking Games and Constructive Type Theory Dialogical Strategies CTT Demonstrations and the Axiom of Choice Springer Briefs 2015 https www springer com gp book 9783319190624 dd S Rahman Z McConaughey A Klev N Clerbout Immanent Reasoning or Equality in Action A Plaidoyer for the Play level Springer 2018 https www springer com gp book 9783319911489 dd H Ruckert Logiques dialogiques multivalentes In M Rebusqui T Tulenheimo Hrsg Logique et theorie de jeux Kime 2004 S 59 88 ISSN 1281 2463 J Ehrensberger C Zinn DiaLog A System for Dialogue Logic In William McCune Hrsg Proceedings of the 14th Conference on Automated Deduction CADE 14 Lecture Notes in Artificial Intel ligence Band 1249 Springer 1997 S 446 460 C Zinn Colosseum An Automated Theorem Prover for Intuitionistic Predicate Logic based on Dialogue Games In Position Papers of the International Conference on Analytic Tableaux and Related Methods Tableaux 99 Technical Report Saratoga Springs 1999 S 133 147 Weblinks BearbeitenLaurent Keiff Dialogical Logic In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Wilfrid Hodges Logic and games In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Thomas Piecha Dialogical Logic In The Internet Encyclopedia of Philosophy 2015 Shahid Rahman Pladoyer fur Logik in der Rechtsinformatik Sahid Rahman Helge Ruckert Die pragmatischen Sinn und Geltungskriterien der Dialogischen Logik beim Beweis des Adjunktionssatzes in Philosophia Scientiae Bd 3 no 3 1998 1999 p 145 170 online auf numdam orgEinzelnachweise Bearbeiten Peter Schroeder Heister Logik strenge In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Band 5 Metzler Stuttgart Weimar 2013 S 82 Kuno Lorenz Die dialogische Rechtfertigung der effektiven Logik 1973 In Paul Lorenzen Kuno Lorenz Dialogische Logik WBG Darmstadt 1978 S 184 Rudiger Inhetveen Logik Eine dialog orientierte Einfuhrung EAGLE 002 Edition am Gutenbergplatz Leipzig 2003 S 40 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dialogische Logik amp oldid 237115065