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Das Deutsche Stickstoff Syndikat Abkurzung DSS war ein am 8 Mai 1919 gegrundetes Kartell der grossten deutschen Produzenten von Stickstoffdungern und technischen Dungern zunachst unter der Fuhrung der BASF spater der I G Farben und existierte bis 1945 Es bildete die Drehscheibe und Clearingstelle fur den weltweiten Handel von Stickstoffdungern und fuhrte das Internationale Stickstoffkartell mit dem Namen Convention de l Industrie de l Azote CIA 1926 machte die Produktion von Stickstoffdungern 43 des Umsatzes und 65 der Gewinne der IG Farben aus Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Internationales Stickstoffkartell 3 Bewertung 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Deutsche Ammoniakproduktion in den Jahren von 1913 bis 1945 in Kilotonnen fixierter StickstoffIm Ersten Weltkrieg wurden zur Munitionserzeugung grosse Anlagen zur Erzeugung von Ammoniak nach dem Haber Bosch Verfahren aufgebaut parallel aber auch grosse Kapazitaten zur Produktion von Stickstoffdunger beispielsweise Cyanamid Wahrend des Krieges investierten das Reich und die chemische Industrie mit jeweils halftiger Beteiligung rund 1 1 Milliarden Reichsmark in die Stickstoffproduktion In diesem Zusammenhang entstanden unter anderem die Leunawerke und die staatseigenen Reichsstickstoffwerke 1 Anlass zur Bildung der Gesellschaft unter dem Namen Stickstoff Syndikat G m b H waren aber nicht Uberkapazitaten sondern im Gegenteil die stark eingebrochene Produktion angesichts der Wirtschaftskrise wahrend des Kriegsendes der damit verbundene Nahrungsmittelmangel und die Notwendigkeit die landwirtschaftliche Produktion zu steigern Dazu sollte der verfugbare Kunstdunger sinnvoll verteilt und die Produktion organisiert werden Zudem war die Politik nicht bereit die im Krieg sehr enge Kontrolle uber Produktion und Preise wieder vollstandig dem Markt zu uberlassen zumal das Reich selbst als Eigentumer der Anlagen des Reichssticktoffwerks selbst eng mit der Produktion verflochten war In der politischen Debatte wurde auch eine komplette Verstaatlichung der Stickstoffherstellung erwogen wogegen sich die Industrie massiv wehrte Zugleich warnten Landwirtschaftsfunktionare vor einer Freigabe und damit einem Anstieg der Dungemittelpreise Aufgrund des massiven politischen Drucks erklarten sich die Unternehmen zur Bildung des Syndikats bereit 2 Neben der BASF waren die Ammoniak Verkaufs Vereinigung DAVV als wichtigster Anbieter des Kokerei Nebenprodukts Ammoniumsulfat und die Bayerischen Kalkstickstoffwerke die unter anderem die Reichsstickstoffwerke betrieben wichtige Grundungsmitglieder Mit Sitzen im Aufsichtsrat hatten zunachst auch Reichsregierung Gewerkschaften und Landwirtschaftsvertreter einen Einfluss 3 Das Syndikat setzte die Preise fur Kunstdunger fest und versuchte zumindest anfangs auch einen Kostenausgleich auf der Produzentenweite herzustellen Die zustandige Kostenausgleichsstelle wurde bereits im Dezember 1921 wieder aufgelost Der Verbraucherpreis wurden unabhangig von den Transportkosten festgelegt Dies baute Marktnachteile fur die ostliche Landwirtschaft ab die weit von den Werken der Stickstoffindustrie im Westen und in Mitteldeutschland entfernt lagen Die stabilen und offentlich transparenten Preise ermoglichten der Landwirtschaft ihre Investitions und Anbauplane sicherer zu kalkulieren Zudem wurde durch zentrale Versanddisposition ein deutlicher Rationalisierungseffekt bei den Versandkosten erzielt 4 5 In einer Rede Die Lage der deutschen Landwirtschaft und ihr Verhaltnis zur Industrie vor dem Industrie Club zu Dusseldorf am 7 Marz 1925 fuhrte Carl Duisberg aus Meine sehr verehrten Herren Nun mussen Sie bedenken dass die chemische Industrie Deutschlands die diese synthetischen Stickstoffdungemittel herstellt und die Kokereien die das schwefelsaure Ammoniak gewinnen ihre Produkte erheblich etwa 30 unter den Weltmarktpreisen an die Landwirtschaft abliefern Das geschieht im wesentlichen deshalb um durch billigen Preis die Produktion zu heben und mit der grosseren Produktion wiederum eine Verminderung der Einstandspreise herbeizufuhren 6 Auch das Vertriebsnetz steuerte das Syndikat zentral So wurde die im Krieg als planwirtschaftliche Verteilorganisationen genutzte Bezugsvereinigung der deutschen Landwirte mit dem Vertrieb von 50 der Produktion betraut die ahnlich gelagerte Deutsche Landwirtschaftliche Handelsbank mit 10 die Vertriebsnetze von BASF und DAVV mit zusammen 30 und die Produzenten von Mischdungern mit 10 7 1920 machten sich die Folgen der im Krieg aufgebauten Uberkapazitaten bemerkbar Das DSS konnte seine Jahresproduktion nicht vollstandig am Markt absetzen Als 1922 angesichts nachlassender gesamtwirtschaftlicher Storungen viele Werke ihre volle Produktionsleistung erreichten und auch alle im Krieg geplanten Produktionslinien verwirklicht wurden verstarkte sich dieser Effekt obwohl die Landwirtschaft im Dungejahr 1921 22 rund 300 000 t reinen Stickstoff abnahm Zudem zeigten sich die negativen Folgen reiner Stickstoffdungung in Form von Bodenversauerung und angesichts von verfugbaren Alternativen brach die Nachfrage nach dem gesundheitsschadlichen Cyanamid ein Das DSS reagierte mit Marketingkampagnen um Landwirte zum verstarkten Einsatz von Kunstdunger zu bewegen und dem Angebot von Kalkammonsalpeter der keine Versauerung auslost Zudem wurde die Vermarktung verbessert etwa durch Informationszentren in verschiedenen Landesteilen Bis 1928 entstanden 19 dieser Einrichtungen Weitere Neuerungen waren Finanzierungsangebote fur Landwirte die die Bezahlung des Kunstdungers nach der Ernte ermoglichten das Angebot kleinere Gebinde statt der zuvor ublichen ganzen Eisenbahnwaggons oder der Lieferung von Schutzausrustung zusammen mit dem gesundheitsschadlichen Cyanamiddunger 8 Als 1923 wieder der Import von Chilesalpeter einsetzte gewann das Naturprodukt nur einen kleinen Teil seines Vorkriegsmarkts zuruck Sogar das eigentlich wenig beliebte Cyanamid war mit einem Verbrauch von gut 52 000 t im Dungejahr 1924 25 deutlich gefragter Der einheimische Kunstdunger blieb dominierend Innerhalb das DSS gewann die BASF beziehungsweise von 1925 an I G Farben parallel mit ihrem steigenden Produktionsanteil auch institutionellen Einfluss Der staatliche Einfluss schwand hingegen 9 Die BASF besass von den 33 Stimmen im Verwaltungsrat 20 Stimmen die Reichsregierung dagegen nur 3 Die deutsche Schwerindustrie die Stickstoffverbindungen wie Ammoniak als Nebenprodukt erzeugte trat 1930 dem DSS bei Im Dungejahr 1925 26 stellte I G Farben gut 73 des Stickstoffs im Syndikat her 10 Internationales Stickstoffkartell Bearbeiten1927 gewann das DSS mit einer Beteiligung von 25 die Kontrolle uber die norwegische Norsk Hydro die im Gegenzug das Haber Bosch Verfahren erhielt In einem Kartellvertrag mit den britischen Imperial Chemical Industries ICI mit Gultigkeit vom 1 Juli 1929 mit zehnjahriger Laufzeit teilte es sich den Weltmarkt im Verhaltnis 80 5 zu 19 5 zu Gunsten des DSS auf Damit entstand die DEN Gruppe Deutsch Englisch Norwegische Am 1 Juli 1930 trat das internationale Stickstoffkartell CIA fur ein Jahr in Kraft und umfasste neben der DEN Gruppe die Lander Frankreich Belgien Niederlande Polen und die Tschechoslowakei Am 1 Juli 1932 wurde es erneuert Prasident des Kartells wurde das Vorstandsmitglied der IG Farben Hermann Schmitz Die DEN Gruppe erhielt 75 9 des Exportanteils Die CIA zahlte um die Preise im Kartell hoch zu halten bei einem Marktpreis von 40 Pfennigen aussergewohnlich hohe 15 Goldpfennig je Kilogramm fur nicht produziertes Ammoniumsulfat In der Weltwirtschaftskrise begann ab August 1931 ein allgemeiner Preiskampf der den Weltmarktpreis um die Halfte senkte Die CIA zerbrach In diesem Preiskampf arbeiteten das DSS und das Auswartige Amt zusammen Uberall in der Welt fuhrten die Regierungen Schutzzolle zum Schutz ihrer Stickstoffindustrie ein oder riegelten ihren Markt mit anderen Mitteln ab Der Preiskampf und die Schrumpfung des Marktes durch die Weltwirtschaftskrise fuhrten zu einem Zusammenbruch der chilenischen Salpeterindustrie In Chile machte der Exportzoll fur Salpeter 60 der Staatseinnahmen aus Dieser Zusammenbruch fuhrte dort zu einer sozialen und gesellschaftlichen Krise die funf gewaltsame Regierungswechsel zur Folge hatte Die DEN Gruppe ging als Sieger des Preiskampfes hervor sie konnte ihre Position im internationalen Stickstoffkartell weiter starken 1931 hielt der spatere Reichsstickstoffkommissar Julius Bueb einen Vortrag vor dem Aufsichtsrat des DSS in dem er ein internationales wirtschaftliches Vorgehen aller kapitalistisch orientierten Staaten gegen das Preisdumping der Sowjetunion bei einer Reihe von Rohstoffen forderte 11 Das DSS und die ICI versuchten in der ganzen Welt den Bau von Stickstoffdungerwerken zu behindern U a durch Verweigerung technischer Hilfe oder durch das Angebot technischer Hilfe die dann hintertrieben wurde So konnte durch hintertriebene Hilfe ein Werk in Finnland jahrelang verzogert werden Den Bau eines danischen Werkes verhinderte die deutsche Regierung nach Absprache mit dem DSS durch Androhung einer Verschlechterung des zwischenstaatlichen Verhaltnisses 1934 wurde das DSS ein Zwangskartell und so auch die letzten innerdeutschen Aussenseiter in das Kartell gezwungen 1939 vereinbarten das DSS und die ICI ihre Beziehungen auch im Fall eines deutsch britischen Krieges aufrechtzuerhalten Der Angestellte des Internationalen Stickstoffkartells Walter Jacobi sagte im I G Farben Prozess aus Im Jahre 1938 wurde viel von Krieg unter den Mitgliedern des Kartells gesprochen Denn diesem Jahr teilte die IG Farben dem CIA mit dass sie nicht die Exportquote erfullen konne daraus schlossen alle Mitglieder dass die deutsche Stickstofferzeugung auf synthetisches Benzin und Sprengstoffe abgelenkt wurde Nach dem Munchner Abkommen wurde zum Schutz vor Beschlagnahmung der Aktiven im Kriegsfall der Sitz des CIA nach Norwegen verlegt 12 Bewertung BearbeitenHarm G Schroter bewertet das Internationale Kartell CIA durch die geschickte Fuhrung durch das DSS als eines der erfolgreichsten Kartelle da die Produktion erfolgreich eingeschrankt werden konnte und so die Preise hoch gehalten werden konnten Allerdings gelang es ihm nicht den Ausbau der Produktionskapazitaten zu stoppen an dem weltweit die Regierungen aus militarischen Grunden interessiert waren Die Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft bewertet er als weltweit ublich und eine besondere Aggressivitat des deutschen Kapitals ist fur ihn nicht nachweisbar Siehe auch BearbeitenDeutsches Kalisyndikat ein ebenfalls 1919 mit staatlicher Beteiligung gegrundetes Kartell Literatur BearbeitenHarm G Schroter Das internationale Stickstoffkartell 1929 1939 In Harm G Schroter Clemens A Wurm Hrsg Politik Wirtschaft und internationale Beziehungen Studien zu ihrem Verhaltnis in der Zeit zwischen den Weltkriegen Mainz 1991 Weblinks BearbeitenFruhe Dokumente und Zeitungsartikel zur Deutsches Stickstoff Syndikat in den Historischen Pressearchiven der ZBWEinzelnachweise Bearbeiten Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 170 174 doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 177 f doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 178 doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Ermbrecht Rindtorff Zur Geschichte des Stickstoffsyndikats In Ludwig Kastl Kartelle in der Wirklichkeit Koln 1963 S 407 413 Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 177 f doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Carl Duisberg Abhandlungen Vortrage und Reden aus den Jahren 1922 1933 Berlin 1933 S 249 Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 179 doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 180 ff doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 185 doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Christine Strotmann Nitrogenous Fertilisers in Germany Paths of Distribution from Chile Saltpetre to Haber Bosch Ammonia and Cyanamide ca 1914 1930 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Band 62 Nr 1 30 April 2021 S 187 doi 10 1515 jbwg 2021 0007 Schreiben von Dr Bueb an Ernst von Borsig vom 7 Marz 1931 Gutsarchiv Borsig Zit n Karsten Heinz Schonbach Die deutschen Konzerne und Nationalsozialismus 1926 1943 Berlin 2015 S 449 f Dokument NI 7745 Zit n Hans Radandt Hrsg Fall 6 Ausgewahlte Dokumente und Urteil des IG Farben Prozesses Berlin 1970 S 115 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deutsches Stickstoff Syndikat amp oldid 229240876