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Die Deutsche Afrika Schau war eine an das Konzept der Volkerschauen anknupfende Wanderschau die mit Unterstutzung der nationalsozialistischen Behorden von 1936 an durch das Deutsche Reich reiste bis sie 1940 verboten wurde Das Unternehmen sollte in Deutschland lebenden Schwarzen eine Verdienstmoglichkeit bieten und diese gleichzeitig unter staatlicher Kontrolle halten Die Wanderschau warb im Sinne der NS Propaganda fur die Ruckgewinnung der ehemaligen deutschen Kolonien Inhaltsverzeichnis 1 Die Anfange als Jahrmarktschau 2 Vereinnahmung durch die Kolonialpropaganda 3 Die Deutsche Afrika Schau als Lager 4 Das Programm zwischen Variete und Volkerschau 5 Die Schaumitglieder und das Publikum 6 Das Ende der Deutschen Afrika Schau 7 Literatur 8 EinzelnachweiseDie Anfange als Jahrmarktschau BearbeitenDie Deutsche Afrika Schau ging aus einer als Negerdorf bezeichneten Jahrmarktschau hervor einem weitgehend selbstorganisierten Unternehmen in dem Schwarze auf Jahrmarkten und Schutzenfesten auftraten Leiter der Schau waren der aus Togo stammende Deutsch Afrikaner Kwassi Bruce der auch als Darsteller auftrat und der weisse Deutsche Adolf Hillerkus Seine Ehefrau Juliette Tipner in Wien geborene Tochter einer Liberianerin und eines Osterreichers war ebenfalls eine Darstellerin 1 Wahrend viele deutsche Volkerschauen schwarze Menschen in Zoos und damit neben Tieren zeigten lag der Schwerpunkt der Afrika Schau explizit auf Volksfesten 2 1935 wandten sich die Betreiber der Schau an das Auswartige Amt um eine offizielle Erlaubnis zum Auftreten zu erhalten Im Februar 1936 wurde ihnen eine Unbedenklichkeitserklarung ausgestellt das Propagandaministerium unterstutzte von nun an die Schau 3 Nachdem das Unternehmen infolge eines Transportunfalls im Sommer 1936 in finanzielle Not geraten war ubernahm die Deutsche Arbeitsfront DAF die Verantwortung fur die Schau die nun offiziell Deutsche Afrika Schau hiess Vereinnahmung durch die Kolonialpropaganda BearbeitenIm nationalsozialistischen Deutschland wurden Schwarze aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen und gleichzeitig fur die Ziele der NS Kolonialpolitik vereinnahmt Das Auswartige Amt das fur die Wiedererlangung der 1918 verlorenen deutschen Schutzgebiete eintrat sah die zunehmende Diskriminierung der Schwarzen im NS Staat mit Sorge da dies im Ausland die Auffassung verstarkte Deutschland sei nicht in der Lage Kolonien zu verwalten Die Deutsche Afrika Schau sollte deshalb den fur staatenlos erklarten Kolonialmigranten die kaum noch Arbeit fanden eine Verdienstmoglichkeit eroffnen In den letzten Jahren ihres Bestehens erfolgte eine zunehmende kolonialpolitische Ausrichtung der Deutschen Afrika Schau Anfang 1939 wurde sie in das Deutsche Volksbildungswerk und damit direkt in den NS Propagandaapparat eingegliedert Die Vorfuhrungen sollten den Mythos des treuen Askari verbreiten des schwarzen Kolonialsoldaten der im Ersten Weltkrieg loyal an der Seite des Deutschen Reiches gekampft hatte Damit sollte die Verbundenheit der ehemaligen Schutzbefohlenen mit den deutschen Kolonialherren und gleichzeitig deren Unterlegenheit betont werden Fur eine solche Inszenierung war es notwendig die Schaumitglieder die haufig in Deutschland geboren waren als reinrassige Eingeborene zu prasentieren deren Sitten und Gebrauche nichts mit der deutschen Kultur zu tun hatten Die Deutsche Afrika Schau als Lager BearbeitenNachdem die Deutsche Afrika Schau der Deutschen Arbeitsfront unterstellt worden war wurde sie zunehmend zu einem Instrument der rassenpolitischen Kontrolle umfunktioniert Der Betreiber Hillerkus wurde angewiesen darauf zu achten dass Angehorige der Schau keinen Geschlechtsverkehr mit Weissen hatten 4 Anfang 1937 ubertrugen die Behorden die Schau wegen finanzieller Probleme an den Zirkusunternehmer Alfred Schneider der die Mitglieder zu einer strenggeschlossenen Gemeinschaft zusammenschliessen wollte Zu diesem Zeitpunkt verliessen Hillerkus und Bruce die Schau die von nun an unter direkter Kontrolle der NSDAP und der Behorden stand Wegen seiner Verschuldung gab Schneider bereits im Mai 1937 die Leitung ab nach einigen Monaten Pause ubernahm der Kaufmann Georg Stock das Unternehmen Im Herbst 1937 entliess er einen Mitarbeiter nachdem dieser andere Schaumitglieder belastigt hatte ein Schritt den die DAF ablehnte Der Mann solle aus rassepolitischen Grunden wieder in die Schau eingereiht werden 5 Im Oktober 1938 gab es Planungen der NS Behorden mittels einer speziellen Polizeiverordnung alle Schwarzen die aus den ehemaligen Schutzgebieten stammten und sich in Deutschland aufhielten in der Afrika Schau zusammenzufassen Dazu wurde eine Liste mit 80 Namen zusammengestellt Das Vorhaben wurde nicht umgesetzt da das Auswartige Amt negative Auswirkungen im Ausland befurchtete In den spaten 30er Jahren nahm die Deutsche Afrika Schau immer mehr den Charakter eines Lagers fur schwarze Manner an Menschen die nicht aus den deutschen Kolonien stammten sollten ebenso ausgeschlossen werden wie schwarze Frauen Mischlinge haufig Kinder der Schaumitglieder von deutschen Frauen wurden ebenso ausgeschlossen 6 Das Programm zwischen Variete und Volkerschau BearbeitenDas Programm der Deutschen Afrika Schau veranderte sich im Zuge der Vereinnahmung durch den nationalsozialistischen Staat Anders als in der klassischen Volkerschau standen zunachst nicht die Prasentation von Eingeborenen in ihrer naturlichen Umgebung im Vordergrund auch wenn die Einteilung der Darsteller in eine Gruppe Alt Afrika und eine Sudsee Gruppe einen Bezug zu den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika und Ozeanien herstellte Neben exotischen Inszenierungen wie Speertanzen wurden auch akrobatische Kunststucke und eine Tanzparodie gezeigt Die Schau orientierte sich an popularen Unterhaltungsveranstaltungen der Zeit und erinnerte vom Aufbau an ein Variete Interessierte konnten ausserdem eine kleine volkerkundliche Ausstellung besuchen und in Verkaufsbuden exotische Artikel wie Kaurischnecken und Kaffee erwerben 7 Nachdem die Schau in den Dienst der Kolonialpropaganda gestellt worden war sollten sich die Darsteller stilechter kleiden ein Lichtbildervortrag erinnerte an die ehemaligen deutschen Schutzgebiete Mit dem Aufbau eines 900 Quadratmeter grossen Eingeborenendorfs wurde die Schau dem Modell der Volkerschauen angeglichen 8 1939 erfolgte eine vollige Umgestaltung der Deutschen Afrika Schau Sie wurde aus dem Jahrmarktsmilieu herausgelost und trat nur noch in angemieteten Salen auf Um der Kritik an der mangelnden Authentizitat der Schau zu begegnen verschwanden Artistiknummern aus dem Programm die Schaumitglieder sollten nur noch die Sitten und Gebrauche ihrer Heimat vorfuhren Weisse Afrika Experten sorgten fur die vermeintliche Authentizitat indem sie die Tanze mit den Schaumitgliedern einstudierten 9 Einzelne Mitglieder wurden in Militaruniformen als treue Askari prasentiert Die Schaumitglieder und das Publikum BearbeitenDer Kolonialrevisionismus und Askari Mythos bot fur Schwarze eine zentrale Strategie sich gegen den zunehmend gewalttatigen Rassismus zu wehren Sie prasentierten sich als deutsche Soldaten und wehrten sich so gegen eine rassistische Abwertung Ein Teilnehmer berichtete von seinem Sohn der als Wehrmachtssoldat an der Front kampfte Die NS Behorden versuchten zu verhindern dass bekannt wurde dass einige der Schaumitglieder mit weissen Frauen verheiratet waren Ausserungen von Schaumitgliedern welche die Grenze zwischen schwarzen Darstellern und weissem Publikum verwischten fuhrten immer wieder zu Beschwerden So sollen einige Darsteller die Besucher mit Landsleute deutsche Volksgenossen angesprochen haben und ihre Tanze mit dem bayerischen Schuhplatteln verglichen haben 10 Teilnehmer der Afrika Schau erklarten dem Publikum dass die meisten von ihnen nie in den Kolonien gewesen seien einer sei amerikanischer Neger verschiedene lebten seit ihrer Kindheit in Deutschland 11 Uber das Leben der Schaumitglieder ist wenig bekannt Zwar verschlechterten sich die Arbeits und Lebensbedingungen immer mehr jedoch wurden sie auch von ihrem letzten Betriebsleiter Georg Stock nicht daran gehindert sich an den Gastspielorten frei zu bewegen 12 Frauen die 1936 noch ein Drittel der Schaumitglieder ausgemacht hatten wurden nach und nach in den Hintergrund gedrangt und aus der Schau ausgeschlossen Das Ende der Deutschen Afrika Schau BearbeitenDie letzte Tournee fuhrte die Deutsche Afrika Schau von Oktober 1939 durch die Ostmark Auf Anweisung der Reichspropagandaleitung der NSDAP wurde die Schau am 21 Juni 1940 ohne vorherige Ankundigung eingestellt In den Monaten zuvor hatte die NS Propaganda eine Kampagne gegen den Einsatz franzosischer Kolonialtruppen an der Westfront gestartet Die Stilllegung der Schau begrundeten die NS Behorden damit es konne nicht Propaganda gegen die Schwarze Schmach gemacht werden wenn in Deutschland Afrikaner auf die Buhne gestellt werden Die Historikerin Susann Lewerenz geht allerdings davon aus dass die Schwarze Schmach Kampagne eher Anlass als ausschlaggebender Grund fur die Schliessung der Afrika Schau gewesen ist Im Vordergrund habe die Erfahrung gestanden dass sich der Raum der Deutschen Afrika Schau nicht so wie erwunscht habe kontrollieren lassen es sei nicht gelungen eine eindeutige Differenz zwischen Schaumitgliedern und Publikum herzustellen 13 Ausserdem waren nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs die Bemuhungen um die Ruckgewinnung der deutschen Kolonien in den Hintergrund geruckt Das Verbot des Auftretens schwarzer Menschen in Deutschland das bereits im November 1939 von der Reichspropagandaleitung beschlossen worden war besiegelte das Ende der Deutschen Afrika Schau Bemuhungen fur eine Wiederzulassung durch die Kolonialabteilung des Auswartigen Amtes und der Deutschen Gesellschaft fur Eingeborenenkunde blieben erfolglos Uber das weitere Schicksal der Schaumitglieder ist wenig bekannt Einige arbeiteten danach als Komparsen in der Filmbranche einige uberlebten die Zeit des Nationalsozialismus nicht Jonas Alexander N doki wurde 1942 wegen versuchter Notzucht hingerichtet Bayume Mohamed Husen starb 1944 im KZ Sachsenhausen 14 Literatur BearbeitenBechhaus Gerst Marianne Klein Arendt Reinhard Hrsg Die koloniale Begegnung AfrikanerInnen in Deutschland 1880 1945 Deutsche in Afrika 1880 1918 Peter Lang Verlag Frankfurt am Main 2006 ISBN 3 631 39175 7 332 S Dreesbach Anne Gezahmte Wilde die Zurschaustellung exotischer Menschen in Deutschland 1870 1940 Campus Verlag Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 593 37732 2 371 S Forgey Elisa Die grosse Negertrommel der kolonialen Werbung Die Deutsche Afrika Schau 1935 1943 in Werkstatt Geschichte Heft 9 3 Jahrgang Dezember 1994 Hamburg ISBN 3 87916 210 7 S 25 33 Joeden Forgey Elisa von Race Power in Postcolonial Germany The German Africa Show and the National Socialist State 1935 1940 in Alonzo Christine Martin Peter Hrsg Zwischen Charleston und Stechschritt Schwarze im Nationalsozialismus Dolling und Galitz Hamburg 2004 ISBN 3 935549 84 9 790 S Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 1935 1940 Rassismus Kolonialrevisionismus und postkoloniale Auseinandersetzungen im nationalsozialistischen Deutschland Peter Lang Verlag Frankfurt am Main 2006 ISBN 3 631 54869 9 174 S Einzelnachweise Bearbeiten Aitken Robbie Rosenhaft Eve Black Germany The Making and Unmaking of a Diaspora Community 1884 1960 Cambridge University Press 2013 S 250 Annette von Wangenheim Pagen in der Traumfabrik Schwarze Komparsen im deutschen Spielfilm Dokumentation Hrsg WDR 2001 OCLC 662479351 annettevonwangenheim de Memento des Originals vom 2 November 2019 im Internet Archive abgerufen am 13 Mai 2020 Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 1935 1940 Rassismus Kolonialrevisionismus und postkoloniale Auseinandersetzungen im nationalsozialistischen Deutschland Frankfurt am Main 2006 S 91 Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 2006 S 97 Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 2006 S 99 Forgey Elisa Die grosse Negertrommel der kolonialen Werbung Die Deutsche Afrika Schau 1935 1943 in Werkstatt Geschichte Heft 9 3 Jahrgang Dezember 1994 Hamburg S 30 Dreesbach Anne Gezahmte Wilde die Zurschaustellung exotischer Menschen in Deutschland 1870 1940 Campus Verlag Frankfurt am Main 2005 S 309 Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 2006 S 104 Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 2006 S 115 Forgey Elisa Die grosse Negertrommel der kolonialen Werbung Die Deutsche Afrika Schau 1935 1943 in Werkstatt Geschichte Heft 9 3 Jahrgang Dezember 1994 Hamburg S 31 Sippel Harald Kolonialverwaltung ohne Kolonien Das Kolonialpolitische Amt der NSDAP und das geplante Reichskolonialministerium in Van der Heyden Ulrich Zeller Joachim Hrsg Kolonialmetropole Berlin Eine Spurensuche Berlin 2002 S 412 Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 2006 S 131 Lewerenz Susann Die Deutsche Afrika Schau 2006 S 132 Bechhaus Gerst Marianne Treu bis in den Tod Von Deutsch Ostafrika nach Sachsenhausen eine Lebensgeschichte Links Verlag Berlin 2007 S 141 150 Normdaten Veranstaltung GND 7521142 7 lobid OGND AKS VIAF 234362790 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deutsche Afrika Schau amp oldid 234972347