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Dehngymnastik ist eine Ubungsform im Rahmen des sportlichen Trainings bei der Muskeln unter Zugspannung gesetzt werden um eine verbesserte Beweglichkeit und Gelenkigkeit zu erreichen inklusive der damit verbundenen sporttechnischen wie auch konditionellen Optimierung 1 Vermutet werden ferner ein vermindertes Verletzungsrisiko 1 2 positive Einflusse sowohl auf die Erholung 3 der durch Ermudung verkurzten Muskulatur 4 als auch auf die Psyche 3 Im Bereich der Physiotherapie wird Dehngymnastik daruber hinaus eingesetzt um muskulare Dysbalancen zu verringern 5 und pathologische Probleme durch Muskelverkurzungen zu beheben sowie die Wiederherstellung nach Verletzungen zu beschleunigen 6 Dehngymnastik ist popular vor allem in der statischen Variante die unter der Bezeichnung Stretching weithin bekannt geworden ist Diese Popularitat zeigt sich unter anderem auch augenfallig in einer grossen Auswahl entsprechender Ratgeberliteratur Dehngymnastik Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung 2 Anatomie und Physiologie 3 Begriffsbestimmungen und Trainingsmethoden 3 1 Dynamisches Dehnen 3 2 Statisches Dehnen Stretching 4 Einsatz im sportlichen Training 5 Verletzungsgefahr 6 Literaturempfehlungen 7 Weblinks 8 Literaturnachweise mit Weblinks zum Weiterlesen 9 FussnotenEntwicklung BearbeitenLange Zeit wurde die Dehngymnastik kaum erforscht und traditionell versucht mittels Federn und Wippen dynamisches Dehnen die Reichweite der Bewegungen zu vergrossern In den 1980ern fanden diese Ubungen erstmals grossere Beachtung und wurden schnell als angeblich schadlich verworfen da so die Vermutung die ruckartigen Bewegungen reflektorische Kontraktionen hervorrufen konnten Empfohlen wurde stattdessen statisches Dehnen bei dem in der finalen Dehnungsposition verharrt wird In der Folgezeit fand das statische Dehnen weite Verbreitung vor allem unter der aus dem anglo amerikanischen Sprachraum ubernommenen Bezeichnung Stretching Basierend auf den Grundprinzipien des statischen Dehnens wurden einige weitere Methoden entwickelt die vor oder parallel zum Dehnungsreiz eine Anspannung des Muskels beziehungsweise seines Gegenspielers Antagonist setzen um eine reflektorische Entspannung des zu dehnenden Muskels zu erreichen Ab den 1990er Jahren wurden nach und nach die vermeintlichen grundsatzlichen Vorzuge des statischen gegenuber dem dynamischen Dehnen als falsch erkannt und eine differenzierte Betrachtungsweise erarbeitet Anatomie und Physiologie BearbeitenMuskeln bestehen aus zwei Arten von Strukturen solchen die sie bei Aktivierung unter Energieverbrauch verkurzen Aktin und Myosinfilamente und solchen die passiv elastisch eine unphysiologische Langenzunahme verhindern Connectinfilamente in den Muskelfasern und selbige wie den gesamten Muskel netzartig umhullendes Bindegewebe nbsp Schematische Darstellung der fibrillaren Struktur einer Muskelfaser nbsp Aufbau eines Skelettmuskels in zunehmender Vergrosserungsstarke Entgegen fruheren Annahmen werden Muskeln durch Dehnubungen nur in Ausnahmefallen verlangert Sie ziehen sich unter Normalbedingungen stets in ihre ursprungliche Form zuruck Hauptverantwortlich hierfur ist ein riesiges Molekul namens Titin das als Connectinfilament Aktin und Myosinfilamente elastisch miteinander und mit den Z Scheiben auf denen die Aktinfilamente fussen verbindet und so den Formerhalt der Muskeln bewirkt Die bindegewebigen Strukturen innerhalb und ausserhalb der Muskeln werden erst bei sehr starker Dehnung merklich belastet ihre welligen Fasern dadurch leicht gestreckt Dieser so genannte Creep Effekt halt einige Minuten bis hochstens etwa eine Stunde an und kann daher nur fur direkt nachfolgende Ubungen genutzt werden nbsp Schematischer Aufbau einer MuskelspindelMuskeln besitzen zudem Dehnungsrezeptoren Muskelspindeln die uber eine Verschaltung im Ruckenmark ihren Dehnungsgrad ans Gehirn melden wo dieser im Rahmen der Bewegungsplanung verrechnet und gegebenenfalls der Befehl zur Gegenspannung erteilt wird Durch Dehnung der Muskeln kann die Reizschwelle dieses Systems herabgesetzt werden was eine starkere Muskeldehnung im Zuge nachfolgender Bewegungen ermoglicht Durch ihre elastischen Ruckstellkrafte weisen ruhende Muskeln stets eine Grundspannung Ruhetonus auf von der man annahm sie konnte durch Dehnubungen verringert werden Wenn uberhaupt erhoht sie sich jedoch eher noch wahrend regelmassiges Dehnen mittels Zug an den Z Scheiben einen Zuwachs an passiv stabilisierendem Titin erzeugt ebenso wie Kraftubungen bei denen in gleicher Form Krafte auf die Z Scheiben einwirken Dieser Effekt ist durchaus erwunscht denn die daraus resultierende Erhohung der so genannten Stiffness engl fur Steifheit oder Festigkeit des Muskels verbessert die Speicherung und Wiedergewinnung von Energie im physiologischen Dehnungs und Verkurzungszyklus Das hingegen was gemeinhin als permanente Muskelverkurzung bezeichnet wird ist keine strukturelle Langenminderung sondern ein Zeichen muskularer Dysbalancen infolge Fehlbelastung Ruhelange und Langenanderungsvermogen eines Muskels ergeben sich aus seiner tagtaglichen Beanspruchung Eine scheinbare Verkurzung kann daher nur behoben werden durch eine ausbalancierte aufrechte Korperhaltung und den physiologischen Spielraum regelmassig weitestgehend ausnutzende Bewegungen sowie gegebenenfalls durch eine gezielte Aktivierung und Kraftigung zu schwacher Antagonisten Begriffsbestimmungen und Trainingsmethoden BearbeitenBeweglichkeit ist eine motorische Fahigkeit welche gekennzeichnet ist durch die Amplitude die mittels innerer Krafte aktiv in der jeweiligen Endstellung der Gelenke erreicht werden kann Der durch aussere Krafte passiv erreichbare Umfang der Bewegung wird im Unterschied dazu als Gelenkigkeit bezeichnet Dehnubungen bewirken einen Zug am Gewebe vor allem in Langsrichtung wodurch Beweglichkeit und Gelenkigkeit verbessert werden konnen Dehnen kann aktiv durch Anspannung von Antagonisten erzeugt werden oder passiv indem Schwerkraft Schwung aussere Widerstande Partner technische Hilfsmittel oder nicht direkt antagonistisch wirkende Muskeln genutzt werden Beim Dehnen wird unterschieden in dynamische bewegte und statische unbewegte Methoden Die als statische Dehnubungen konzipierten Varianten konnen auch dynamisch durchgefuhrt werden Dynamisches Dehnen Bearbeiten Weiche schwunghaft in der Dehnposition federnde Bewegungen helfen Bewegungseinschrankungen wie etwa Verspannungen zu losen samtliche bewegte Muskeln inklusive deren Leitungsbahnen zu aktivieren und die intermuskulare Koordination zu schulen Die eigentliche dehnende Komponente wird hierbei begrenzt durch die Kraft der Muskeln Diese Dehnubungen unterstutzen im Anschluss an die erste Aufwarmphase die sportlichen Leistungsvorbereitungen insbesondere wenn sie in mehreren Abschnitten von je nur 10 20 Sekunden gut kontrolliert etwas kraftvoller pumpend ausgefuhrt werden ohne starke Dehnungsreize zu setzen Statisches Dehnen Stretching Bearbeiten Nachdem die zu dehnende Muskelgruppe aktiv oder passiv in eine Dehnstellung gebracht wurde wird sie in dieser Position wiederholt jeweils rund 10 20 Sekunden gehalten Besonders bei den aktiven Varianten werden zusatzlich mittels Muskelanspannung hemmende Neurone aktiviert und so die Spannbereitschaft des gedehnten Muskels eine Zeitlang verringert Wahrend der gesamten Ubung ist die Blutversorgung aller beteiligten Gewebe deutlich eingeschrankt und haufig zeigt sich auch eine uberhohte Anspannung des gesamten Korpers Das statische Dehnen eignet sich daher eher fur isolierte Trainingseinheiten als zur Leistungsvorbereitung Es lassen sich drei grundlegend unterschiedliche Methoden des statischen Dehnens unterscheiden das passive statische Dehnen das aktive statische Dehnen und das Anspannungs Entspannungs Dehnen nbsp Die funf DehnungsmethodenBeim passiven statischen Dehnen wird der Zielmuskel in einer durch aussere Krafte herbeigefuhrten Dehnstellung gehalten Dies ist eine besonders gut kontrollierbar in vielen Bereichen angewandte aber insgesamt wenig effektive Methode die auch in Form von Entspannungsubungen eingesetzt wird Beim aktiven statischen Dehnen wird wahrend der Dehnungsphase des Zielmuskels dessen Antagonist maximal angespannt Dies lost vermutlich eine reziproke Vorwartshemmung des Zielmuskels aus ein Prinzip das beschreibt wie der Gegenspieler eines angespannten Muskels automatisch gehemmt wird um dessen Verkurzung nicht durch eine unwillkurliche Kontraktion ausgelost durch die Dehnungsrezeptoren zu behindern Diese Methode kann anatomisch bedingt nicht bei allen Muskeln gleichermassen effektiv eingesetzt werden Beim Anspannungs Entspannungs Dehnen Synonyma PIR Dehnen von post isometrische Relaxation und CHRS Dehnen von engl Contract Hold Relax Stretch wird der Zielmuskel vor Beginn der eigentlichen Dehnprozedur in Ruhestellung isometrisch ohne zu verkurzen maximal angespannt Nachdem die Anspannung aufgelost wurde folgt eine statische Dehnung Zum Beispiel legt die dehnende Person ihren Unterschenkel bei gewinkeltem Knie auf die Schulter eines Partners und versucht diese durch maximale Anspannung der Ischiokruralmuskulatur nach unten zu drucken Anschliessend wird das Bein gestreckt und Richtung Vorderseite des Korpers gezogen Eine Kombination von Anspannungs Entspannungs und aktivem statischem Dehnen hat sich in aktuellen Studien als effektivste Methode zur Verbesserung der Beweglichkeit erwiesen und wird daher empfohlen Einsatz im sportlichen Training BearbeitenNeben isolierten Trainingseinheiten zur alleinigen Verbesserung der Beweglichkeit oder bei den seltenen echten muskularen Verkurzungen wird submaximales statisches Dehnen auch zum sanften Nachdehnen am Ende einer Trainingseinheit nach langsamem lockerndem Laufen empfohlen um zu entspannen den erhohten Muskeltonus herunterzubringen und sportspezifische Haltungs und Beugehaltungsadaptationen zu vermeiden Einige Muskeln neigen verstarkt zur funktionellen Verkurzung und benotigen deshalb nach jeder sportlichen Tatigkeit Dehnung namlich die hintere und seitliche Halsmuskulatur die vordere Brustmuskulatur sowie die vordere die hintere und die innenseitig gelegene Oberschenkelmuskulatur In der Aufwarmphase zur Leistungsvorbereitung ist intensives statisches Dehnen dort forderlich wo im Anschluss maximaler Bewegungsspielraum benotigt wird da es Kraft und Spannbarkeit der Muskeln verringert wodurch die Leistungsfahigkeit herabgesetzt wird In der Leistungsvorbereitung fur Sportarten bei denen es zu schnellkraftigen Bewegungen oder zu grossen Gelenkausschlagen kommt konnen kurze Sequenzen von submaximalem vorzugsweise dynamischem Dehnen helfen das Verletzungsrisiko zu verringern Verletzungsgefahr BearbeitenDehnubungen sind mit Bedacht auszufuhren Wird deutlich uber eine leichte bis mittlere Schmerzhaftigkeit hinaus gedehnt oder bereits vorgeschadigtes Gewebe weiter beansprucht konnen Faserrisse an Muskeln Sehnen oder Bandern sowie Gelenkknorpelschaden provoziert werden Dies kann unbemerkt geschehen da durch intensives Dehnen der muskeleigene Dehnungsschutzreflex und das Schmerzempfinden im Gewebe gleichsam reduziert werden konnen Ein besonders haufiger Fehler sind beispielsweise intensive Dehnubungen trotz Vorliegen eines Muskelkaters Dabei wird die Schutzspannung die dem durch kleine Muskelfaserrisse geschadigten Gewebe die notige Ruhe zur Ausheilung gewahrleisten soll als lastige Verspannung fehlgedeutet und durch Zug am Gewebe weiterer Schaden provoziert Insgesamt gesehen ist die Verletzungsgefahr beim Dehnen jedoch sehr gering Da eine allgemein gute Beweglichkeit wie sie durch regelmassiges Training erreicht werden kann auch die Bewegungssicherheit erhoht kann Dehngymnastik sogar die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen der Muskulatur durch schlecht koordinierte Bewegungen verringern Literaturempfehlungen BearbeitenKarin Albrecht Stephan Meyer Stretching und Beweglichkeit Das neue Expertenhandbuch 2005 ISBN 3 8304 7221 8 Christoph Anrich Supertrainer Stretching und Beweglichkeit 2005 ISBN 3 499 61047 7 K M Cross T W Worrell Effects of a static stretching program on the incidence of lower extremity musculotendinous strains In Journal of Athletic Training 34 1999 S 11 14 PDF 707 kB Ludwig V Geiger Uberlastungsschaden im Sport BLV Verlagsgesellschaft Munchen 1997 ISBN 3 405 15149 X S 76 R D Herbert M Gabriel Effects of stretching before and after exercising on muscle soreness and risk of injury systematic review In British Medical Journal 325 2002 S 1 5 PDF 248 kB G Jamtvedt R D Herbert S Flottorp J Odgaard Jensen K Havelsrud A Barratt E Mathieu A Burls A D Oxman A pragmatic randomised trial of stretching before and after physical activity to prevent injury and soreness In British Journal of Sports Medicine 44 2010 S 1002 1009 PDF 327 kB A Klee K Wiemann Dehnen Training der Beweglichkeit Schriftenreihe Praxisideen 2 erweiterte Auflage Verlag K Hofmann Schorndorf 2012 A Klee K Wiemann Zur Problematik des Dehnens in der Gymnastik theoretische und experimentelle Uberlegungen In Klaus Jurgen Gutsche Hans J Medau Hrsg Gymnastik im neuen Jahrtausend Hofmann Schorndorf 2002 ISBN 3 7780 3472 3 biowiss sport de PDF 180 kB Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Stretching Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Methoden und Wirkungen des Dehnungstrainings Vortrag anlasslich der A Trainer Fortbildung des Deutschen Tennis Bundes von Andreas Klee PDF 7 MB Beweglichkeit Beweglichkeitstraining Dehngymnastik im Sportunterricht mit UbungenLiteraturnachweise mit Weblinks zum Weiterlesen BearbeitenCh Hoss Jelten Untersuchungen zu den unmittelbaren Wirkungen verschiedener Dehnmethoden auf ausgewahlte Kraftparameter Dissertation in Sportwissenschaft an der Technischen Universitat Munchen 2004 PDF 6 7 MB Klaus Wiemann Effekte des Dehnens und die Behandlung muskularer Dysbalancen In Michael Sievers Hrsg Muskelkrafttraining 2000 S 95 119 PDF 170 kB Andreas Klee Klaus Wiemann Methoden und Wirkungen des Dehnungstrainings 2004 PDF 220 kB 7 Andreas Klee Neue Erkenntnisse aus der Trainingslehre erfahrbar machen Verschiedene Dehnungsmethoden im Vergleich PDF 32 kB Zur Wirkung des Dehnungstrainings als Verletzungsprophylaxe In A Freiwald T Jollenbeck N Olivier Hrsg Pravention und Rehabilitation 7 Gemeinsames Symposium der dvs Sektionen Biomechanik Sportmotorik und Trainingswissenschaft 2007 S 337 346 PDF 282 kB Dehnen beim Tennis Sinnvoll oder Mythos In TennisSport Heft 5 2011 S 5 11 biowiss sport de PDF 2 6 MB Andreas Klee Update Dehnen April 2013 researchgate net Fussnoten Bearbeiten a b Jurgen Weineck Optimales Training Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berucksichtigung des Kinder und Jugendtrainings 15 vollstandig uberarbeitete Auflage Spitta Verlag Balingen 2007 ISBN 978 3 938509 15 9 S 739 Sven A Solveborn Das Buch vom Stretching Beweglichkeitstraining durch Dehnen und Strecken Mosaik Verlag Munchen 1989 ISBN 3 570 03416 X S 126 a b Jurgen Weineck Optimales Training Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berucksichtigung des Kinder und Jugendtrainings 15 vollstandig uberarbeitete Auflage Spitta Verlag Balingen 2007 ISBN 978 3 938509 15 9 S 740 Bernhard Kolster Medizinische Trainingstherapie In Bernhard Kolster Gisela Ebelt Paprotny Martin Hirsch Hrsg Leitfaden Physiotherapie Befunde Techniken Behandlung Rehabilitation korrigierte Auflage Jungjohann Verlagsgesellschaft Neckarsulm 1995 ISBN 3 8243 1316 2 S 618 636 634 Ludwig V Geiger Uberlastungsschaden im Sport BLV Verlagsgesellschaft Munchen 1997 ISBN 3 405 15149 X S 76 Jurgen Weineck Optimales Training Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berucksichtigung des Kinder und Jugendtrainings 15 vollstandig uberarbeitete Auflage Spitta Verlag Balingen 2007 ISBN 978 3 938509 15 9 S 741 an der Universitat Wuppertal gibt es eine Arbeitsgruppe Bewegungslehre Memento vom 9 Juni 2007 im Internet Archive Normdaten Sachbegriff GND 4011303 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dehngymnastik amp oldid 234490147