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Dauerwald synonym mit Dauermischwald forstwirtschaftlich auch ungleichaltriger Wald oder Nichtaltersklassenwald bezeichnet eine Hochwaldform zur forstlichen Holzproduktion die sich streng an der sog Stetigkeit des Waldwesens als lebendem Organismus orientiert 1 Der Begriff Dauerwald stammt von Alfred Moller der ihn 1922 zum Titel seiner gleichnamigen Schrift machte und damit den waldbauwissenschaftlichen Fachbegriff in die deutsche Fachdiskussion einfuhrte 1 Der Begriff wird teilweise synonym mit Plenterwald gebraucht auch wenn letzterer Begriff eher die Bewirtschaftungsform bezeichnet und Dauerwald eher deren Resultat Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsabgrenzung 2 Zur Historie des Begriffs 3 Fachlicher Inhalt 4 Anwendung in Deutschland 5 Dauerwald Modell fur den Waldumbau im Klimawandel 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseBegriffsabgrenzung BearbeitenZu unterscheiden ist der Dauerwald vom sog Dauerwaldvertrag auch Jahrhundertvertrag des kommunalen Zweckverbandes Gross Berlin mit dem Koniglich Preussischen Staat zum Walderwerb aus dem Jahr 1915 Dieser bezieht sich nicht auf den forstwirtschaftlichen Begriff Dauerwald sondern meint einen auf unbegrenzte Dauer geschlossenen Vertrag Zur Historie des Begriffs BearbeitenAls Wiege der Dauerwaldidee Mollers gilt die sog Barenthorener Kiefernwirtschaft die der Freiherr Friedrich von Kalitsch 1884 in Barenthoren im Flaming als forstlich nicht ausgebildeter Autodidakt und Privatwaldeigentumer in seinem Wald begrundet hat Moller hat diesen Wald nach 1910 also nach ca 25 jahriger waldbaulicher Bearbeitung intensiv wissenschaftlich untersuchen lassen und kam zu dem Ergebnis dass bei konsequentem Schutz und gezielter Pflege der waldkybernetischen Selbstoptimierungsprozesse des Waldokosystems d h Stetigkeit des Waldorganismus der Nutzwald hohere Leistungen zu erbringen im Stande ist als vergleichbare Walder auf ahnlichen Standorten in konventioneller Wirtschaftsweise des sog Altersklassenwaldes mit schlagweiser Bearbeitung Fachlicher Inhalt BearbeitenNach Moller ist Ziel des Waldbaus den Wald dauerhaft als Produktionssystem zu erhalten also das Schlagholz selbst nur als Frucht des Waldes anzusehen und zu ernten ohne dessen biologisches Produktionssystem zu unterbrechen 2 Entsprechend definierte Moller funf technische Teilziele die bei der Bewirtschaftung streng zu beachten seien 3 Gleichgewichtszustand aller dem Wald eigentumlichen Glieder d h konsequent kahlschlagsfreie Bewirtschaftung durch Einzelbaumnutzung und weitgehender Verzicht auf biologisch okologische Schadigungen des Systems Gesundheit und Tatigkeit des Bodens d h Schutz und Pflege der Bodenlebewelt Mischbestockung Ungleichaltrigkeit einen uberall zur Holzwerterzeugung genugenden lebenden HolzvorratMoller uberforderte mit seinem Wirtschaftsmodell den forstlichen Wissensstand seiner Zeit trotz des enormen akademischen Echos das seine Schrift Mitte der 1920er Jahre erfuhr Seit Erscheinen seiner revolutionaren Waldbauschrift hat es infolgedessen immer wieder Versuche gegeben seine Gedanken in die Praxis der Waldwirtschaft umzusetzen so 1923 1934 nach 1945 durch Grundung der Arbeitsgemeinschaft Naturgemasse Waldwirtschaft ANW und schliesslich Mitte der 1950er Jahre in der DDR die jeweils am entschiedenen fachinternen Widerstand namentlich der Forstwissenschaften und der Forstverwaltungen scheiterten Erst mit der Einfuhrung der landesweit kahlschlagfreien Waldwirtschaft durch den saarlandischen Wirtschaftsminister Hajo Hoffmann SPD und seinen Forstchef Wilhelm Bode im Saarland 1987 gewinnt der Dauerwaldgedanke als Leitgedanke der Waldwirtschaft zunehmende Akzeptanz auch in den offentlichen Forstbetrieben Deutschlands Die saarlandische Reform traf auf ein grosses publizistisches und politisches Interesse und loste zusammen mit dem Buch Waldwende 4 u a eine SPIEGEL Titelgeschichte 5 aus was massgeblich die Aufmerksamkeit der Politik weckte und der waldpolitischen Reform zum Durchbruch verhalf Insbesondere der Naturschutz fordert die Einfuhrung der Dauerwaldwirtschaft auf ganzer Flache da sie aus dem Gesichtspunkt der biologischen Nachhaltigkeit 6 der Altersklassenwirtschaft deutlich uberlegen ist Der Dauermischwald beruht auf Einzelstammnutzung ohne das biologische Produktionssystem Wald wesentlich zu schadigen was zu biologischem Strukturreichtum und zu biologisch reiferen Mischwaldern mit hohem Nischenreichtum fuhrt und bei der Holzernte sanfte Betriebstechniken begunstigt Anwendung in Deutschland BearbeitenNamentlich die westdeutschen Bundeslander bekennen sich heute mehrheitlich zur Dauerwaldidee auch wenn die Umsetzung auf der Flache nur selten konsequent angegangen wird Die politische und offentliche Akzeptanz wird inzwischen aber auch dadurch gesichert dass eine Reihe privater Forstbetriebe vorwiegend in adliger Hand die teilweise seit den 1920er Jahren konsequent danach wirtschaften heute nicht nur zu den naturnahsten zahlen sondern gleichzeitig die rentabelsten Waldbetriebe in Deutschland sind Schliesslich gilt nach ubereinstimmender Meinung in der Forstwissenschaft der Dauerwald als das am ehesten geeignete Wirtschaftsmodell den Auswirkungen des Klimawandels durch Vielfalt der Baumspezies genetische Vielfalt Naturverjungung Strukturreichtum Waldbinnenklima usw zu begegnen 4 Besondere Bedeutung unter dem Gesichtspunkt zunehmender Kalamitatsanfalligkeit z B durch Insektenkalamitaten zunehmende Windgeschwindigkeiten Nassschnee usw als Folge eines hoheren Energiegehaltes der Atmosphare kommt der Resilienz von Dauerwaldern zu Wahrend Altersklassenwalder zur flachigen Zerstorung neigen Kahlflachen kommen diese im Dauerwald nur sehr selten vor Das vielschichtige Waldgefuge bleibt in wesentlichen Teilen erhalten und der Wald wachst schon im Jahr nach der Katastrophe mit erhohtem Zuwachs weiter Am 20 Dezember 2011 wurde die erste private deutsche Dauerwaldstiftung die gemeinnutzige Dauerwaldstiftung in Pommern auf Initiative von Wilhelm Bode im Auftrag des waldbesitzenden Stifters Eckhard Wenzlaff dem Waldsprecher des NABU in Mecklenburg Vorpommern begrundet Die in Deutschland seit Jahrzehnten und teilweise sogar seit einem Jahrhundert nach der Dauerwaldmethode wirtschaftenden privaten Waldbetriebe haben sich erst jungst in der Waldkrise 2018 2021 bundesweit als deutlich resilienter erwiesen als die schwer getroffenen vorgeblich standortgerechten Alterklassenforste Da aber die deutsche Forstwissenschaft bis heute es unterlassen hat Alfred Mollers Dauerwaldidee trotz dieser eindrucklichen und unbestrittenen Erfolge in zahlreichen privaten Waldbetrieben Deutschlands zum Gegenstand waldbauwissenschaftlicher Untersuchung zu machen hat der Dauerwaldverfechter Wilhelm Bode aus Anlass des 100 Geburtstages von Mollers Dauerwaldgedanken 2021 alle seine drei Schriften kommentiert und reprintiert sowie erstmals einen Dauerwaldleitfaden unter dem Titel Dauerwald Leicht gemacht herausgegeben Dauerwald Modell fur den Waldumbau im Klimawandel BearbeitenBundesweit leiden nahezu alle Baumarten unter einem klimabedingten Vitalitatsverlust Folgeschadlinge wie z B die Borkenkafer haben in den Jahren 2018 2022 zu nahezu 600 000 ha Kahlflachen gefuhrt Das Risiko grossflachiger Verluste von Wald mit seinen Funktionen hat die gesamte Gesellschaft betroffen gemacht Grune vergleichsweise vitale Inseln sind Dauerwalder U a die Arbeitsgemeinschaft Naturgemasse Waldwirtschaft ANW hat den politisch verantwortlich Handelnden diese Walder gezeigt und erklart Der strukturreiche gemischte Dauerwald wird inzwischen bundesweit auch von der Wissenschaft als Modell fur den erforderlichen Waldumbau der Politik empfohlen Auch die forstlichen Forderrichtlinien werden sukzessive in Richtung Mischung und strukturelle Vielfalt angepasst Die ANW Beispielbetriebe aller Waldbesitzarten die seit Jahrzehnten nach den Dauerwaldkriterien erfolgreich vgl Knoke wirtschaften sind begehrte Lernziele fur Wissenschaft Forster und Waldbesitzer Dauerwald birgt die Chance zwischen den polarisierenden Meinungen derer die Wald stilllegen oder so weitermachen wollen wie bisher Brucken zu schlagen Dauerwald beachtet nicht nur die Stabilitat der Baume sondern die des gesamten Okosystems Ohne diese ganzheitliche Betrachtung vgl Moller wird es die angestrebte Stabilitat von Waldokosystemen nicht geben Dauerwald entsteht durch naturgemasse Bewirtschaftung bei der naturliche Prozesse integriert werden Dauerwald erhalt nicht nur naturnahe Lebensraume sondern resilienten und stabilen Wald der nachhaltig Holz bereitstellt Wasser und Boden schutzt als Erholungsraum genutzt werden kann und okologisch intakt ist Die ANW definiert in Anlehnung an Alfred Moller Dauerwald wie folgt Dauerwald steht grundlegend fur eine Waldgesinnung mit einer ganzheitlichen Betrachtung des Waldes als dauerhaftes vielgestaltiges und dynamisches Okosystem Der Dauerwald ist ein standortangepasster durch naturgemasse Bewirtschaftung entwickelter gemischter kleinflachig unterschiedlich strukturierter ungleichaltriger Wald in dem auf den Einzelbaum oder die Kleinflache Gruppe bezogen die naturlichen Prozesse des Waldwachstums und der Walddynamik der Regeneration der Mischung der Differenzierung und Strukturierung beachtet und integriert werden weist einen relativ konstanten Vorrat auf Die haufig wiederkehrenden aber jeweils geringen Eingriffe der Pflege und Ernte orientieren sich an dem individuellen Zuwachs Die unterschiedlichen Belichtungsverhaltnisse bei optimalem Gesamt aber kleinflachig differenziertem Holzvorrat sind Motor fur die Mischung von Baumarten und strukturelle Vielfalt beachtet weitestgehend unterschiedliche okologische Elemente u a Wasserhaushalt und Biodiversitat als wichtige Voraussetzung fur Okosystemstabilitat schont Boden durch waldangepasste Arbeitsverfahrenschafft durch die Entwicklung zu stufigem Wald ein ausgeglichenes wasserschonendes Waldinnenklima unterstutzt die kleinflachige naturliche Regeneration einer standortmoglichen gemischten Baum Strauch und Krautschicht auf der ganzen Waldflache durch okonomisch und okologisch angepasste Wilddichten Siehe auch BearbeitenNaturwald Urwald Naturnahe Waldwirtschaft WaldwendeLiteratur BearbeitenAlfred Moller Der Dauerwaldgedanke Sein Sinn und seine Bedeutung Springer Berlin 1922 in Wilhelm Bode Kommentierter Reprint mit Einfuhrung und Glossar Degreif Oberteuringen 1992 Wilhelm Bode Martin von Hohnhorst Waldwende Vom Forsterwald zum Naturwald Munchen 1994 4 Auflage Munchen 2000 ISBN 3 406 45984 6 Wilhelm Bode Hrsg Alfred Mollers Dauerwaldidee herausgegeben und kommentiert aus Anlass einer 100jahrigen Diskussion um die revolutionare Dauerwaldidee Alfred Mollers Matthes amp Seitz Berlin 2021 ISBN 978 3 95757 963 8 Wilhelm Bode und Rainer Kant Dauerwald Leicht gemacht Ein Kurzleitfaden fur die Praxis Herausgegeben von B A U M e V Natur Text Rangsdorf 2021 ISBN 978 3 942062 54 1 Hans Lemmel Die Organismusidee in Mollers Dauerwaldgedanken Springer Berlin 1939 Irene Seling Zur Uberfuhrung von Altersklassenwald in Dauerwald Versuch einer wirtschaftsempirischen Analyse im Forstamt Erdmannhausen Albert Ludwigs Universitat Freiburg Institut fur Forstokonomie Freiburg im Breisgau 1996 Irene Seling Die Dauerwaldbewegung in den Jahren zwischen 1880 und 1930 Eine sozialhistorische Analyse Albert Ludwigs Universitat Freiburg Institut fur Forstokonomie Freiburg im Breisgau 1997 Gunter Pietschmann Zusammenstellung Literatur Sammlung zur Geschichte des Reviers Barenthoren zur Familie Friedrich Kalitsch und zum Dauerwald Landesforstverwaltung Sachsen Anhalt Magdeburg 2002 Ottomar Greger Gedanken zur Entwicklung der Waldokologie auf der Basis des Dauerwaldgedankens Archiv f Forstwesen u Landsch okol 45 2011 4 160 173 Thomas Knoke Okonomische Aspekte der Holzproduktion in ungleichaltrigen WaldernWeblinks BearbeitenLehrvideos von Wilhelm Bode auf youtube deEinzelnachweise Bearbeiten a b Alfred Moller Der Dauerwaldgedanke Sein Sinn und seine Bedeutung Springer Berlin 1922 in Wilhelm Bode Kommentierter Reprint mit Glossar und Einfuhrung Degreif Oberteuringen 1992 S 39ff Alfred Moller Der Dauerwaldgedanke Sein Sinn und seine Bedeutung Springer Berlin 1922 in Wilhelm Bode Kommentierter Reprint mit Glossar und Einfuhrung Degreif Oberteuringen 1992 S 56 Alfred Moller Der Dauerwaldgedanke Sein Sinn und seine Bedeutung Springer Berlin 1922 in Wilhelm Bode Kommentierter Reprint mit Glossar und Einfuhrung Degreif Oberteuringen 1992 S 11 a b Wilhelm Bode Martin von Hohnhorst Waldwende Vom Forsterwald zum Naturwald Munchen 1994 4 Auflage Munchen 2000 ISBN 3 406 45984 6 Der Oko Wald Rezept gegen das Waldsterben Spiegel Nr 48 1994 Wilhelm Bode Hrsg Naturnahe Waldwirtschaft Prozessschutz oder biologische Nachhaltigkeit Holm 1997 ISBN 3 930720 31 0 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dauerwald amp oldid 239303540