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Der Complimentarius lat etwa Bucklingsmacher 1 auch Geharnischter Mann genannt war ein Salutierautomat der vom 17 Jahrhundert bis zum fruhen 19 Jahrhundert im Schutting zu Bremen stand und als eine der Sehenswurdigkeiten der Stadt galt Die Rustung des Complimentarius im Bremer Focke Museum Inhaltsverzeichnis 1 Der Gruss des Complimentarius 2 Die Geschichte des Complimentarius 3 Die Legende des Complimentarius 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseDer Gruss des Complimentarius Bearbeiten nbsp Kopf der FigurDer Complimentarius bestand aus einer lebensgrossen Holzfigur mit einem geschnitzten und bemalten Gesicht die einen Riefelharnisch mit Federschmuck am Helm trug An der Rustung war eine Klingenwaffe befestigt vermutlich ein Rapier und in der linken Hand hielt er einen Speer Der Complimentarius stand in der grossen Halle im ersten Stock des Schuttings nahe beim Eingang Ein Mechanismus aus Gestangen und Gelenken der im Inneren der Figur verlief und durch den Boden des Schutting fortgesetzt wurde bewirkte dass dieser beim Betreten zweier aufeinander folgender Treppenstufen die in den Saal hinein fuhrten zunachst mit dem linken Arm der den Speer hielt das Visier seines Helms offnete und sodann beim zweiten Schritt die rechte Hand zum Gruss hob Die nachfolgende Entlastung der Treppenstufen bewirkte ein Nicken des Kopfes welches das Visier wieder schloss und ein Absenken beider Arme so dass der Complimentarius wieder in seine Ausgangsstellung zuruckkehrte 2 Die Geschichte des Complimentarius Bearbeiten nbsp Der Schutting um 1833Der Harnisch 3 der Figur gehorte ursprunglich zum Kriegsgerat der Bremer Kaufmannschaft die im 16 Jahrhundert gut 50 dieser Rustungen ihr eigen nannte Als 1601 neue Rustungen angeschafft wurden da die bisherigen gegen Feuerwaffen keinen ausreichenden Schutz mehr bieten konnten wurden alle alten Rustungen bis auf diese in Zahlung gegeben 4 Die fruheste Erwahnung einer Figur mit Rustung findet sich in einem Rechnungsbuch des Schuttings aus dem Jahre 1602 in dem verzeichnet ist Evert de Snitker makede de Bordt dar de geharnischte Mann up stundt also Evert der Tischler verfertigte das Brett auf dem der geharnischte Mann stand 5 Wann genau und von wem der Salutiermechanismus in die Figur eingebaut wurde ist unbekannt spatestens jedoch existierte dieser ab 1676 da fur dieses Jahr eine sogenannte Prasidialrechnung des Schutting erhalten ist die die Entlohnung eines Uhrmachers zur Reparatur des geharnischten Manns belegt 6 Vermutlich handelte es sich bei dieser Person um den Schmiedemeister und Kirchenuhrmacher Konrad Schmidt der in weiteren Rechnungen aus den Jahren 1681 1683 und 1685 namentlich erwahnt wird Die Konstruktion eines grussenden Automaten durch die Kaufmannschaft ist als burgerliche Variante einer Wunderkammer zu verstehen und entspricht dem Interesse der Spatrenaissance an Kuriositaten und Automaten Bis Anfang des 19 Jahrhunderts stand der Complimentarius durchgehend im Schutting und galt lange Zeit als Sehenswurdigkeit der Stadt die in Reisehandbuchern und berichten des 18 Jahrhunderts mehrfach Erwahnung findet So schreibt zum Beispiel Zacharias Konrad von Uffenbach der den Schutting 1710 besichtigte Vorne an der Thure stehet ein geharnischter Mann welcher wann man hinein tritt allemal beyde Arme beweget und zwar den linken mit einem Javelier die Sturmhaube oder das Visier aufhebet und das holzerne angestrichene Gesicht zeiget Dieses ist sehr artig auf folgende Manier gemacht dass wenn man auf die erste Treppe tritt auf welcher man in das Gemacht hinunter gehet sich die Treppe etwa zwey Zoll unvermerkt hinunter beugt und vermuthlich durch eine eiserne Feder so drunter liegt den einen Arm bewegt Tritt man hernach auf die zweyte Treppe hebt sich eben also der andere Arm jetzt gleichermassen auf 7 Oder Thomas Lediards in seinem German Spy Am Fuss eines Abstiegs von drei Stufen uber die man in die Halle hinein kommt steht die Figur eines Kriegers in vollstandiger Rustung welche mittels eines Mechanismus unter den Stufen sobald man auf diese tritt um hinab zu gehen das Visier ihres Helms mit ihrem Speer anhebt und dich grusst 8 Die Faszination die der Complimentarius auf die gebildeten Reisenden des 18 Jahrhunderts ausubte steht zweifelsohne in Verbindung mit der im Zeitalter der Aufklarung entstandenen Vorstellung des Menschen als Maschine die in vielfaltiger Form in Philosophie Naturwissenschaft und Kunst jener Epoche Ausdruck fand so zum Beispiel in Julien Offray de La Mettries Werk L homme machine bei Jacques de Vaucansons Automaten Flotenspieler 1737 und Ente 1738 oder bei Wolfgang von Kempelens vermeintlicher Schachmaschine Der Turke 1769 nbsp Die Jacobihalle vormals das Schmiedeamt um 1890 Im Hintergrund der Turm der St Ansgarii KircheUm 1810 kam der Complimentarius dann vermutlich anlasslich der Umwidmung des Schutting zum Gerichtsgebaude nach der Annexion Bremens durch das napoleonische Frankreich in das so genannte Schmiedeamt das Haus der Schmiedezunft das sich im Chor der ehemaligen Jacobikirche befand Dies ist kein Zufall da die beiden Handwerker die stets mit der Instandhaltung der Figur und ihres Mechanismus befasst waren die zum Schmiedeamt gehorenden Rustungs und Uhrmacher waren Auch im Schmiedeamt grusste die Figur beim Betreten einer Treppe des Gebaudes vermutlich jedoch nur mittels des linken Arms zum Offnen des Visiers 9 Als die Schmiedezunft 1861 wegen der Einfuhrung der Gewerbefreiheit aufgelost wurde gelangte der Complimentarius in den Besitz des Schlossermeisters Konrad Asendorpf der den Chor der ehemaligen Jacobikirche gekauft und von Simon Loschen in eine Gaststatte die Jacobihalle hatte umbauen lassen Hier stand die Figur wiederum einige Jahre im Eingang auf einer erhohten Konsole war jedoch nur noch ein reines Dekorationsobjekt ohne Salutierfunktion Zwischen 1876 und 1883 der genaue Zeitpunkt ist unbekannt wurde der Complimentarius dann von dem Kaufmann Friedrich Heinrich Carstens erworben der ihn bald darauf an seinen Cousin den in St Petersburg geborenen und in Paris und Wiburg ansassigen Maler Wilhelm Tilman Gromme weiterverkaufte auch hier ist der genaue Zeitpunkt unbekannt der den Complimentarius nach Paris bringen liess Nach dem Tod des Malers kam er auf Grund einer testamentarischen Bestimmung Grommes jedoch im Jahr 1901 wieder zuruck nach Bremen zu Carstens der ihn mit weiteren Stucken aus dem Nachlass Grommes dem kurz zuvor gegrundeten Historischen Museum dem heutigen Focke Museum schenkte 1958 wurde der Complimentarius auf der Ausstellung Das Goldene Zeitalter der grossen Stadte in Gent als Leihstuck gezeigt Dazu war er mit einer neuen elektrischen Automatik versehen die auf Knopfdruck das Heben des linken Armes und Offnen des Visiers bewirkte Der rechte Arm wurde nicht bewegt und hielt stattdessen eine Hellebarde 10 Rustung und Holzfigur sind heutzutage im Focke Museum zu sehen Die Legende des Complimentarius Bearbeiten nbsp Der Junker Balthasar Brunnen in EsensAnfang des 20 Jahrhunderts kam im Zusammenhang mit dem Complimentarius die Geschichte auf dass es sich bei dessen Rustung um den Harnisch des ostfriesischen Junkers Balthasar von Esens handele der im 16 Jahrhundert mit Bremen im Krieg lag Laut dieser Legende soll die Rustung im Jahre 1540 nach der Belagerung von Esens durch Bremer Truppen und dem Tode des Junkers als Beute nach Bremen gebracht worden sein Die Kaufmannschaft deren Schiffe zuvor unter den Uberfallen der Esenser besonders gelitten hatten habe die Trophae mit dem Salutiermechanismus versehen damit der ehemalige Erzfeind fur alle Zeiten den Kaufleuten seine Reverenz erweisen sollte Abgesehen von der zeitlichen Nahe zwischen dem Sieg uber Balthasar von Esens und der Ausstellung des geharnischen Manns gibt es keinerlei Indizien oder gar schriftliche Belege fur die Richtigkeit dieser Geschichte vielmehr legen alle bekannten Aufzeichnungen nahe dass der Harnisch wie oben erwahnt aus eigenen Bestanden des Schutting stammt 11 Siehe auch BearbeitenGeschichte der AutomatenLiteratur BearbeitenH H Meyer Der Complimentarius Geschichte einer Bremer Sehenswurdigkeit In Bremisches Jahrbuch Band 77 Bremen 1998 ISSN 0341 9622 S 168 255 Herbert Schwarzwalder Das Grosse Bremen Lexikon Edition Temmen Bremen 2003 ISBN 3 86108 693 X Ausstellung des Bremer Focke Museums Weblinks BearbeitenHelge Hommers Das vergessene Wahrzeichen Rustung aus dem Focke Museum Zeitung Weser Kurier 4 April 2018 abgerufen am 5 April 2018 Einzelnachweise Bearbeiten Complimentarius In Johann Heinrich Zedler Grosses vollstandiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Kunste Band 6 Leipzig 1733 Sp 874 jemand der gar zu viel Complimenten gegen alle Leute macht wenn ers gleich nicht nothig hat Kompliment hier zu verstehen als Hochachtungs oder Hoflichkeitsbezeigung Wie der Mechanismus im Inneren der Holzfigur und der Treppe genau funktionierte lasst sich heute nicht mehr vollstandig rekonstruieren da er ab 1861 nur noch als Dekorationsobjekt diente und 1958 anlasslich der Prasentation auf einer Ausstellung mit einer neuen Mechanik versehen wurde Gemass Angabe des Focke Museums Bremen ist es der einzige nahezu vollstandig erhaltene Riefelharnisch Nordwestdeutschlands H H Meyer Der Complimentarius Geschichte einer Bremer Sehenswurdigkeit In Bremisches Jahrbuch Band 77 S 192 H H Meyer Der Complimentarius Geschichte einer Bremer Sehenswurdigkeit In Bremisches Jahrbuch Band 77 S 185 H H Meyer Der Complimentarius Geschichte einer Bremer Sehenswurdigkeit In Bremisches Jahrbuch Band 77 S 196 Zacharias Conrad von Uffenbach Merkwurdige Reisen durch Niedersachsen Holland und England Ulm 1753 S 184 185 Thomas Lediard The German Spy Or Familiar Letters from A Gentleman on his Travels thro Germany to His Friend in England 2 Auflage London 1740 S 66 Im englischen Original lautet der Text At the bottom of a descent of three steps by which you enter into the hall stands the figure of a warrior in compleat armor who by means of a piece of machinery under the steps as soon as you tread upon them to descent lifts up the bever of his helmet with his truncheon and salutes you H H Meyer Der Complimentarius Geschichte einer Bremer Sehenswurdigkeit In Bremisches Jahrbuch Band 77 S 172 H H Meyer Der Complimentarius Geschichte einer Bremer Sehenswurdigkeit In Bremisches Jahrbuch Band 77 S 182 H H Meyer Der Complimentarius Geschichte einer Bremer Sehenswurdigkeit In Bremisches Jahrbuch Band 77 S 212 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Complimentarius amp oldid 224697220