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Case dei Pagani Heidenhauser auch Case dei Croisc Wildmannli Hauser 1 oder Case digl Grebel Heidenhauser 2 werden mehrere kleine mittelalterliche Wehrbauten Hohlenburgen im schweizerischen Kanton Tessin genannt Die meisten von ihnen stehen im Bleniotal oberhalb der Dorfer Aquila Marolta Dongio Olivone Dangio und Malvaglia Vereinzelt kommen sie auch in der Valle Leventina Chiggiogna im Maggiatal Losone und im Sottoceneri Mendrisio vor Ausserhalb des Bleniotals werden sie auch Castello bzw Castelli genannt Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeine Merkmale 2 Marolta 3 Dongio I 4 Dongio II 5 Malvaglia 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseAllgemeine Merkmale BearbeitenDie Case dei Pagani wurden an ausserst schwer zuganglichen Stellen in die steilen Felswande der Talflanken gebaut Geschutzt werden sie von uberhangenden Felsen oder durch naturliche Hohlen der Zugang erfolgte uber Leitern und holzerne Galerien Von manchen Anlagen haben sich nur noch sparliche Mauerreste erhalten die kaum mehr auf den ursprunglichen Bau schliessen lassen Vermutlich bestanden einige Obergeschosse mancher Gebaude teilweise auch aus Holz Feuerstellen Aborte und Kleinfunde belegen die Bewohnbarkeit Das Fehlen von urkundlichen Zeugnissen uber die Erbauung und die unzugangliche Lage in den Felswanden fuhrten in der Volksmeinung zur Entstehung von Hexen und Damonensagen und bei den Gelehrten zur Entwicklung phantastischer Deutungsversuche So sollen die Hauser der Ubermittlung von Signalen gedient haben oder Stutzpunkte von Sarazenen gewesen sein die um 920 durch die Alpen zogen Dass sie gemass einem 1883 veroffentlichten Buch von Mose Bertoni 1857 1929 nach der Christianisierung auch Ruckzugsorte von Heiden gewesen sein sollen konnte zur Namengebung beigetragen haben Auch als Gefangnisse fur Hexen Hauser fur Leprakranke oder als Raubernester sollen sie gedient haben Neuere Untersuchungen unter anderem durch den auf mittelalterliche Bauten spezialisierten Architekten Lukas Hogl ergaben indes dass die Case dei Pagani wohl kleine Burganlagen waren die im Fruhmittelalter von lokalen Adligen gebaut wurden und ihnen in gefahrlichen Zeiten als Fluchtburgen dienten 3 C 14 Datierungen lassen auf eine Erbauungszeit im 3 bis 7 Malvaglia bzw im 9 bis 11 Jahrhundert Dongio 1 schliessen 4 Ob sie auch als standig bewohnte Behausungen dienten ist angesichts der schwierigen Erreichbarkeit und Versorgungslage wenig wahrscheinlich aber auch nicht ganz auszuschliessen Die uneinnehmbare Lage der Case dei Pagani machte eine grosse Mauerstarke uberflussig diese bewegt sich zwischen 50 und 90 Zentimetern Die Mauern wurden aus Granitplatten unter Verwendung von Kalkmortel eher nachlassig aufgeschichtet Marolta Bearbeiten46 479361 N 8 917344 O nbsp Marolta Ansicht von SudwestenDie kleine Hohlenburg von Marolta wird Casa dei Croisc genannt Sie steht auf einer Hohe von 850 m u M ca 150 Meter nordwestlich der Brucke uber die Fruda am oberen Dorfausgang Durch Hochwasser im Jahr 1978 verursachte Erosionen unterhalb der Hohle erschweren den Zugang so dass sie ohne Kletterausrustung nicht mehr zu erreichen ist Fruher erfolgte der Zugang uber eine Leiter von einem sechs Meter darunter liegenden Felsband aus Durch die Lage unter einem uberhangenden Felsdach war die Hohle auch gegen Angriffe von oben gut geschutzt Die Hohle wurde teilweise aus dem weichen Fels gehauen und bildet im Grundriss ein unregelmassiges Viereck Von der Westseite hat sich ein rund 50 Zentimeter festes Mauerstuck erhalten die Sudseite ist weggebrochen Die Mauern bestehen aus Gneisplatten aus dem Bachbett Die Eingangstur lag im Nordwesten Sie war in einen Rahmen eingelassen der in Aussparungen in Fels und Mauer sass Mehrere Vertiefungen im Fels unterhalb der Hohle konnten Spuren einer Zugangskonstruktion sein Uber den Zeitpunkt der Erbauung ist nichts bekannt nbsp Blick in das Tobel der Fruda Die Casa steht in der Felswand im Schatten nbsp Ansicht von Sudwesten nbsp Blick talwartsDongio I Bearbeiten46 438121 N 8 960728 O nbsp Dongio I Ansicht von Westen nbsp Die von weitem sichtbare Casa dei Pagani liegt auf einer Hohe von 620 m u M in einer hohen Balme in der Felswand oberhalb des Friedhofs von Dongio Sie ist die am vollstandigsten erhaltene Hohlenburg im Tessin Eine C14 Datierung eines Gerustholzes im Jahr 1985 lasst auf eine Erbauungszeit zwischen dem 9 und 11 Jahrhundert schliessen 4 Die Felswand ist uber einen steilen Waldweg erreichbar Er fuhrt an den Ruinen des alten Dorfes vorbei das 1747 verschuttet wurde An der Wand fuhrt ein langgestrecktes schmales Felsband talaufwarts bis unterhalb der Burg Die Ruine des Hauses kann nur durch gefahrliche Kletterei betreten werden Seit 2017 ist der letzte Wegabschnitt durch Metallketten gesichert an denen man sich festhalten kann Es lassen sich zwei Bauphasen unterscheiden Die Anlage entstand zwischen 875 und 1055 ein Ausbau erfolgte im 13 Jahrhundert Wie lange der Unterbruch der Besiedlung dauerte ist kaum mehr festzustellen An ihrem Beginn stand ein verheerender Brand bei dem der holzerne Oberbau und Teile der Frontmauer zerstort wurden 5 Der 14 Meter lange Wohntrakt ist ein langgestreckter zweigeteilter Bau Von ursprunglich vier Geschossen haben sich drei erhalten Die erhoht angebrachte Eingangstur fuhrte in den dreigeschossigen Nordtrakt Sie fuhrt vom Felsband aus uber eine aus drei vorspringenden Steinplatten bestehende Treppe ins Innere des Gebaudes In der Trennmauer zum sudlichen Teil mit einer anderen Stockwerkeinteilung gab es auf jeder Etage eine Verbindungstur Der ursprunglich ebenfalls dreigeschossige Sudtrakt wurde in einer zweiten Bauphase offenbar um ein Geschoss erhoht worauf eine sorgfaltigere Bauweise mit ausgewahlten Steinplatten anstelle von Bruchsteinen hindeutet In der Sudwand dieses Trakts fuhrte eine Abortnische ins Freie Die obersten Geschosse heute in Trockenmauerwerk aufgefuhrt bestanden ursprunglich wohl aus Holz Am Fuss des Felsvorsprungs der den Wohntrakt tragt sind sparliche Reste weiterer Bauten zu erkennen uber deren Zweck nichts bekannt ist Auf der linken Seite sperrte eine hoher gelegene Quermauer den Zugang und schutzte das Wohngebaude Die Anlage von Dongio diente wohl als kleine Adels und Fluchtburg Eine entsprechende Familie die mit der Burg in Verbindung gebracht werden konnte ist nicht bekannt Im Verlauf des 15 Jahrhunderts durfte die Anlage verlassen worden sein 6 1968 69 und 1980 wurde die Anlage vermessen Gemass nicht weiter bestatigten Berichten sollen die Einwohner von Dongio um 1798 in der Ruine ein Feuer unterhalten haben um den einmarschierenden Franzosen eine bewaffnete Festung vorzutauschen Sie seien aber vertrieben und durch franzosische Soldaten ersetzt worden Im Herbst 2017 wurde die Casa von Dongio untersucht und teilweise wieder aufgebaut 7 nbsp Zugangsweg nbsp Blick nach Sudosten nbsp Eingangstor nbsp Plan der AnlageDongio II Bearbeiten46 431762 N 8 971871 O nbsp Dongio II Die Ruinen der Casa liegen am Fuss der weissen FelswandEine weitere Casa dei Pagani in Dongio liegt auf der untersten Felsstufe des Berghangs oberhalb des Dorfteils Motto auf einer Hohe von 600 m u M Wenn man den genauen Standort nicht kennt sind ihre niedrigen Mauerreste vom Tal aus nicht zu erkennen Die Anlage stand in einer weit geoffneten Grotte auf einem kunstlich verbreitetem Felsplateau dem grossten der Tessiner Grottenburgen Der Zugang erfolgte von Sudosten uber einen fest verankerten Holzsteg Zahlreiche Felsbearbeitungen auf dem Plateau deuten auf frei stehende holzerne Bauten hin Etwa 50 Meter unterhalb haben sich am Fuss der Felswand Spuren ehemaliger Oekonomiegebaude oder Stallen erhalten Bodenfunde lassen auf eine langere Bewohnung schliessen Verkohltes Holz weist auf eine mogliche Zerstorung durch einen Brand hin Im Gegensatz zur Anlage von Malvaglia fehlen hier Zeichen eines Wiederaufbaus nbsp Die sparlichen Mauerreste sind kaum zu erkennen nbsp Blick auf die MauerresteMalvaglia Bearbeiten46 410879 N 8 985849 O nbsp Malvaglia Blick auf die Casa am Rand der Orino Schlucht unterhalb der Kapelle San NicolaoDie Casa dei Pagani von Malvaglia ist die unzuganglichste aller Tessiner Hohlenburgen Sie steht auf einer Hohe von 515 m u M hoch uber dem Dorf mitten in einer senkrechten Felswand 50 Meter unterhalb der Cappella San Nicolao am Ausgang der Orino Schlucht Oberhalb des Weilers Pianezza fuhrt eine ausserst exponierte Traverse durch die Wand in westlicher Richtung von der Kante der Schlucht zur Burg Das Felsband mit dem Zugang ist auf den ersten 10 Metern nur 10 bis 30 Zentimeter breit dann folgt ein 4 Meter breites Couloir Die Burg selber stand auf einem 15 Meter langen und 3 Meter breiten Felsband Gut erhalten hat sich die von weither sichtbare westliche Abschlussmauer die sich bogenformig bis an die uberhangende Felswand hochzieht In die Mauer eingelassen ist die Eingangstur Die ubrigen Gebaudeteile bestanden aus Holz Im Fels haben sich zahlreiche Balken und Pfostenlocher erhalten Unterschiedliche Mortelzusammensetzungen und Mauerfugen lassen auf mehrere Bauphasen schliessen Verankerungslocher von Stutzbalken zeugen von einem holzernen Zugangssteg uber Felsband und Couloir Vor dem Eingang lag ein vorkragendes Podest Zwischen 1975 und 1978 wurde die Anlage von Malvaglia wissenschaftlich untersucht Zahlreiche Kleinfunde konnten geborgen werden Dank der geschutzten Lage hatten sich in der trockenen Erde auch Gegenstande aus verganglichem Material wie Gefasse aus Holz gut erhalten Metallene Schmuckstucke eine Feinwaage und Munzen aus der Zeit zwischen 1150 und 1300 belegen den gehobenen Stand der Bewohner Die altesten Pfeileisen stammen aus dem 10 Jahrhundert die jungsten aus der Zeit um 1400 Ein Fragment einer Pergamenturkunde mit noch lesbarer Schrift ist vom 1 September 1308 datiert In der Ecke der Tormauer wurden zwei Feuerstellen aus verschiedenen Bauphasen freigelegt Schriftliche Belege uber die Erbauer fehlen Nach einer Zerstorung gegen das Ende des 12 Jahrhunderts wurde die Anlage zu Beginn des 13 Jahrhunderts durch Herabsetzung der Hohe des Mauerschildes und Schwachung der Toranlage entwehrt und wieder aufgebaut Zahlreiche Kleinfunde zeigen dass die Anlage bis ins 14 oder 15 Jahrhundert intensiv bewohnt war Wahrscheinlich diente auch sie Angehorigen der lokalen Fuhrungsschicht als Wohnsitz 8 nbsp Blick in die Schlucht Rechts der Weiler Pianezza nbsp nbsp Literatur BearbeitenMose Bertoni Le Case dei pagani italienisch Hrsg von Peter Schrembs La Baronata Lugano 1996 Lukas Hogl Casa dei Pagani In Historisches Lexikon der Schweiz 16 Marz 2017 Lukas Hogl Burgen im Fels Eine Untersuchung der mittelalterlichen Hohlen Grotten und Balmburgen der Schweiz Walter Verlag Olten 1986 Werner Meyer Eduard Widmer Das grosse Burgenbuch der Schweiz Ex libris Zurich 1977 Werner Meyer Tessiner Grottenburgen In Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins 41 1968 S 258 263 Werner Meyer Burgen der Schweiz Band 2 Silva Verlag Zurich 1983 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Case dei Pagani Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Casa dei Pagani Film Beitrag SRF vom 28 September 2017 auf srf ch Werner Meyer Tessiner Grottenburgen in Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins Casa dei Pagani von Dongio auf burgenwelt org Casa dei Pagani von Malvaglia auf burgenwelt org Casa dei Pagani von Dongio auf swisscastles ch Casa dei Pagani von Malvaglia auf swisscastles chEinzelnachweise Bearbeiten Laut Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana VSI Band VII S 164 166 Artikel crosc sind die croisc so die Bleniotaler Dialektvariante figure misteriose che si riteneva vivessero ritirate in zone isolate e impervie nelle vicinanze dei villagi Sie werden als klein manchmal missgebildet kraftig und mit einem in der Mitte der Stirn liegenden Auge beschrieben und sollen in Hohlen Schluchten oder eben den case dei pagani wohnen sie werden teils fur harmlos und lustig teils fur Kinderrauber und teils namlich in Olivone fur die Erfinder der Kaseherstellung gehalten Grebel kann laut Lessico dialettale della Svizzera italiana Artikel im VSI noch ausstehend grob rauh lummelhaft flegelhaft aber auch unglaubig bedeuten in Anbetracht der standarditalienischen Benennung casa dei pagani durfte letztgenannte Ubersetzung am ehesten zutreffen swisscastles ch a b Lukas Hogl Casa dei Pagani In Historisches Lexikon der Schweiz 16 Marz 2017 abgerufen am 4 November 2018 Lukas Hogl Burgen im Fels Eine Untersuchung der mittelalterlichen Hohlen Grotten und Balmburgen der Schweiz S 166 swisscastles ch Beitrag SRF vom 28 September 2017 Casa dei Pagani im Dongio franzosisch auf swisscastles ch nbsp Karte mit allen Koordinaten OSM WikiMap Burgen und Schlosser im Kanton Tessin Castello Visconteo Locarno Castelgrande Bellinzona Castello di Montebello Bellinzona Castello di Sasso Corbaro Murata Bellinzona Fortini della Fame Castello di Santa Maria Forte Airolo Festung Foppa Grande Serravalle Burg Case dei Pagani Castello Paleari Morcote Ruine Schloss Pontegana Balerna Schloss San Marterno Ascona Schloss San Michele Ascona Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Case dei Pagani amp oldid 223359843