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Entscheidung des BundesverfassungsgerichtsBrokdorf IIEntscheidungsdatum Datum Aktenzeichen 1 BvR 233 81 1 BvR 341 81Verfahrensart Individual Urteils VBEntscheidung Die VB ist in Teilen begrundet Die staatlichen Behorden sind gehalten nach dem Vorbild friedlich verlaufender Grossdemonstrationen versammlungsfreundlich zu verfahren und nicht ohne zureichenden Grund hinter bewahrten Erfahrungen zuruckzubleiben Steht nicht zu befurchten dass eine Demonstration im ganzen einen unfriedlichen Verlauf nimmt oder dass der Veranstalter und sein Anhang einen solchen Verlauf anstreben oder zumindest billigen bleibt fur die friedlichen Teilnehmer der von der Verfassung jedem Staatsburger garantierte Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten wenn mit Ausschreitungen durch einzelne oder eine Minderheit zu rechnen ist Fundstelle BVerfGE 69 315 372Angewandtes Recht Rechtsnorm Der Brokdorf Beschluss ist eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Versammlungsrecht von 1985 Darin befasste sich das Bundesverfassungsgericht erstmals eingehend fn 1 mit der Versammlungsfreiheit Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Sachverhalt 3 Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 3 1 Verfassungskonforme Auslegung der Anmeldepflicht fur Versammlungen 3 2 Kooperation zwischen Veranstaltern und Behorden 3 3 Schutz der Versammlungsfreiheit friedfertiger Teilnehmer 3 4 Anforderungen an die Gefahrenprognose bei Verboten 3 5 Definition der Versammlung 4 Literatur 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 Anmerkungen 8 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenWahrend der Planungs und Bauphase des Kernkraftwerks Brokdorf fanden seit Mai 1976 Demonstrationen statt die teilweise gewaltsam verliefen Bei der Grossdemonstration bei Brokdorf am 28 Februar 1981 versammelten sich weit mehr als 50 000 Burger und demonstrierten grosstenteils friedlich gegen den Bau Die juristische Auseinandersetzung im Vorfeld endete letztinstanzlich mit einem Verbot dieser Grossdemonstration Das Bundesverfassungsgericht entschied im Mai 1985 uber die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde der Veranstalter Sachverhalt BearbeitenAm 14 Februar beschlossen die Burgerinitiativen am 28 Februar eine Grossdemonstration durchzufuhren und riefen offentlich zur Beteiligung auf Nachdem am 21 die Details geplant waren sollte die Demonstration am nachsten Werktag dem 23 Februar 1981 offiziell angemeldet werden An diesem Tag erliess der Landrat des Kreises Steinburg eine Allgemeinverfugung durch die im Zeitraum vom 27 Februar bis zum 1 Marz 1981 alle gegen das Kernkraftwerk gerichteten Demonstrationen am Baugelande und dem umliegenden Gebiet der Wilstermarsch verboten wurde Gleichzeitig ordnete der Landrat die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfugung an Das Demonstrationsverbot wurde damit begrundet dass entgegen der gesetzlichen Regelung des 14 Versammlungsgesetz bisher keine Anmeldung erfolgt sei Selbst wenn die Demonstration bereits angemeldet gewesen ware hatte sie aber untersagt werden mussen da es zu unfriedlichen Aktionen kommen werde Gestutzt wurde diese Aussage auf Zeitungsberichte Angaben in Flugblattern verschiedener Gruppierungen und Erfahrungen bei anderen Demonstrationen Gegen diese Allgemeinverfugung legten die Veranstalter der Demonstrationen Widerspruch ein uber den der Landrat jedoch zunachst nicht entschied er wies den Widerspruch erst im Sommer des Jahres zuruck Das Schleswig Holsteinische Verwaltungsgericht ordnete auf Antrag der Beschwerdefuhrer am 27 Februar 1981 die teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widerspruche dahingehend an dass das Verbot nicht das gesamte Gebiet betreffe Hiergegen erhoben der Landrat und andere Beteiligte Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht fur die Lander Niedersachsen und Schleswig Holstein welches in der Nacht zum 28 Februar 1981 die erstinstanzlichen Entscheidungen durch Beschlusse dahingehend abanderte dass die Antrage auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in vollem Umfang zuruckgewiesen wurden In seiner Begrundung fuhrte es aus dass eine Gefahr bestunde und keine Ermessensfehler seitens des Landrats zu erkennen seien Auch sei fraglich ob eine nicht angemeldete Versammlung den Schutz des Art 8 GG geniessen konne dessen Garantie durch die versammlungsrechtlich vorgesehene Anmeldepflicht eingeschrankt sei Noch in derselben Nacht legten die Beschwerdefuhrer gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde ein Gleichzeitig stellten die Veranstalter beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der erfolglos blieb 1 Gleichwohl fand die Demonstration unter Beteiligung von weit mehr als 50 000 Burgern statt Uber die Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht die vom Hamburger Rechtsanwalt Klaus Sojka fur ein Vorstandsmitglied des Weltbund zum Schutz des Lebens e V und vom Bundesverband Burgerinitiativen Umweltschutz eingereicht worden waren 2 wurde im Mai 1985 entschieden Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts BearbeitenVerfassungskonforme Auslegung der Anmeldepflicht fur Versammlungen Bearbeiten In seinem Beschluss in der Hauptsache legte das Bundesverfassungsgericht dar dass die nach dem Versammlungsgesetz bestehende Anmeldepflicht fur Versammlungen unter freiem Himmel den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei verfassungskonformer Auslegung genugt Die Vorschriften seien dahingehend auszulegen dass bei Demonstrationen die sich aus einem aktuellen Anlass augenblicklich bilden Spontandemonstrationen keine Anmeldepflicht bestehe Damit bestatigte das Gericht die diesbezugliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes und die herrschende Ansicht in der Literatur Zudem konne auch sonst das Verbot oder die Auflosung einer Versammlung nicht allein auf die Verletzung der Anmeldepflicht gestutzt werden Fur beides spreche der Wortlaut des Art 8 Abs 1 GG der die Versammlungsfreiheit ohne Anmeldung oder Erlaubnis gewahre Keine Ausnahme von der Anmeldepflicht sei bei von zahlreichen Tragerorganisationen veranstalteten Grossdemonstrationen geboten Allerdings sei es den Anmeldern hier nicht immer zuzumuten eine Gesamtverantwortlichkeit fur die Demonstration zu ubernehmen Kooperation zwischen Veranstaltern und Behorden Bearbeiten Die Schwelle fur ein behordliches Eingreifen in Demonstrationen zum Schutz von Sicherheit und Ordnung sei umso hoher je mehr die Veranstalter von Demonstrationen vertrauensbildende Massnahmen unternehmen oder zur Kooperation mit den zustandigen Behorden bereit seien Es sei Pflicht der Behorden ihrerseits versammlungsfreundlich zu verfahren und zum Zustandekommen einer Kooperation beizutragen Fur Grossdemonstrationen seien bei der Anwendung des Versammlungsrechts die Erfahrungen mit der friedlichen Durchfuhrung solcher Versammlungen zu nutzen Als positive Beispiele nennt das Gericht ausdrucklich den Gorleben Treck 1979 die Bonner Friedensdemonstration 1981 und die Menschenkette von Stuttgart nach Neu Ulm 1983 Schutz der Versammlungsfreiheit friedfertiger Teilnehmer Bearbeiten Die Versammlungsfreiheit friedfertiger Demonstrationsteilnehmer bleibe auch dann erhalten wenn mit Ausschreitungen Einzelner oder einer Minderheit zu rechnen ist Ein Verbot komme erst dann in Betracht wenn eine Demonstration im Ganzen einen unfriedlichen Verlauf nimmt oder der Veranstalter einen solchen Verlauf anstrebt oder billigt auch hier seien jedoch seitens der Behorden zunachst alle Mittel auszuschopfen die den friedlichen Demonstranten eine Grundrechtsverwirklichung ermoglichen Anforderungen an die Gefahrenprognose bei Verboten Bearbeiten Da anders als im allgemeinen Polizeirecht Verbote und Auflosungen von Versammlungen erst bei unmittelbarer Gefahrdung der offentlichen Sicherheit oder Ordnung ergehen konnten seien strenge Anforderungen an die anzustellende Gefahrenprognose zu erfullen Verdacht oder Vermutungen reichten nicht aus vielmehr musse die Prognose auf konkreten Tatsachen Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten beruhen Definition der Versammlung Bearbeiten Da sich das Bundesverfassungsgericht erstmals ausfuhrlich mit der Versammlungsfreiheit befasste definierte es erstmals auch was eine Versammlung sei Dies geschah im Wesentlichen dadurch dass es eine durch Art 8 GG geschutzte Versammlung als einen Ausdruck gemeinschaftlicher auf Kommunikation angelegter Entfaltung 3 sah Darin liege der Unterschied zu blossen Ansammlungen oder Volksbelustigungen 3 In spateren Definitionen wurde dies weiter verengt als das Bundesverfassungsgericht dann zusatzlich das Ziel der Teilhabe an der offentlichen Meinungsbildung 4 verlangte 5 Literatur BearbeitenAnselm Doering Manteuffel Bernd Greiner Oliver Lepsius Der Brokdorf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 1985 Eine Veroffentlichung aus dem Arbeitskreis fur Rechtswissenschaft und Zeitgeschichte an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz Mohr Siebeck Tubingen 2015 ISBN 978 3 16 153745 5 van Ooyen Robert Der Brokdorf Beschuss 1985 und die andere Demokratietheorie des Bundesverfassungsgerichts in Recht und Politik RuP 4 2015 S 225 232Siehe auch BearbeitenListe von Fallbeispielen in der RechtswissenschaftWeblinks BearbeitenBVerfGE 69 315 Beschluss des Ersten Senats vom 14 Mai 1985 Aktenzeichen 1 BvR 233 341 81 Hans Schueler Eine Demonstration fur die Burgerfreiheit In Die Zeit 2 August 1985 abgerufen am 15 Mai 2017 Anmerkungen Bearbeiten zur verfassungskonformen Auslegung des Uniformverbots bereits BVerfG Nichtannahme Beschluss vom 27 April 1985 Aktenzeichen 1 BvR 1138 81 NJW 1982 1803 Einzelnachweise Bearbeiten Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 28 Dezember 1981 Aktenzeichen 1 BvR 233 81 BVerfGE 56 244 246 Brokdorf Demonstrationsrecht beschaftigt erneut BVG In Weser Kurier 14 April 1981 S 2 a b BVerfGE 69 315 343 NJW 1985 2395 2396 BVerfG Beschluss vom 12 Juli 2001 1 BvQ 28 01 1 BvQ 30 01 NJW 2001 2459 2460 Zitat ortliche Zusammenkunfte mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erorterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der offentlichen Meinungsbildung Ahnlich BVerfG Beschluss vom 24 Oktober 2001 1 BvR 1190 90 1 BvR 2173 93 BVerfGE 104 92 104 NJW 2002 1031 1032 Zitat Fur die Eroffnung des Schutzbereichs reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess offentlicher Meinungsbildung nicht aus dass die Teilnehmer bei ihrer gemeinschaftlichen kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind Vorausgesetzt ist vielmehr zusatzlich dass die Zusammenkunft auf die Teilhabe an der offentlichen Meinungsbildung gerichtet ist Versammlungen im Sinne des Art 8 GG sind demnach ortliche Zusammenkunfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen auf die Teilhabe an der offentlichen Meinungsbildung gerichteten Erorterung oder Kundgebung Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brokdorf Beschluss amp oldid 229951140