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Die so genannte Bibliotheke oder Bibliothek Apollodors ist eine vermutlich aus dem 1 Jahrhundert n Chr stammende in griechischer Sprache verfasste umfangreiche Zusammenstellung antiker Mythen Sie stellt eine wertvolle Quelle zur griechischen Mythologie dar Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungszeit und Autor 2 Textuberlieferung 3 Inhalt 4 Einordnung und Quellenwert 5 Ausgaben 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenEntstehungszeit und Autor BearbeitenDa im uberlieferten Text Kastor von Rhodos als Verfasser einer Chronika erwahnt wird 1 diese in 20 Fragmenten uberlieferte Chronik bis ins Jahr 61 60 v Chr reicht und es weiter keinen Grund zu der Annahme gibt dass die betreffende Stelle zu einem spateren Zeitpunkt eingefugt wurde ist damit ein fruhestmogliches Datum der Entstehung der Bibliotheke gegeben Allgemein wird heute eine Entstehung im 1 oder 2 nachchristlichen Jahrhundert angenommen Ein plausibles spatestmogliches Entstehungsdatum kann nicht angegeben werden da die erste datierbare Zitierung sich in der Bibliotheca des Byzantiners Photios aus dem 9 Jahrhundert findet Verweise auf die Bibliotheke in den Homerscholien sind nicht datierbar Die Bibliotheke wurde von Photios dem Grammatiker Apollodor von Athen zugeschrieben Photios zitiert den Titel des Werkes als Buchleinchen Apollodors eines Grammatikers 2 Da Apollodor von Athen jedoch schon Ende des 2 Jahrhunderts v Chr wirkte kommt er als Autor nicht in Frage 3 Ob es sich bei der Bibliotheke um eine Pseudepigraphie handelt oder ob eine zufallige Namensgleichheit der Name Apollodor war verbreitet Ursache der Zuschreibung ist oder ob wie von Diller 4 vermutet die haufige Nennung des echten Apollodors in ahnlichem Kontext wie die Bibliotheke in den Homerscholien zu einer Verwechslung fuhrte kann nicht geklart werden Textuberlieferung BearbeitenDer Text der Bibliotheke ist nicht vollstandig erhalten Ursprunglich aus vier Buchern bestehend ist deren 1 und 2 Teil vollstandig erhalten der 3 Teil endet abrupt mit 3 16 2 1 3 218 Drager der 4 Teil fehlte ursprunglich vollig In der altesten wohl aus dem 14 Jahrhundert stammenden Handschrift R Parisinus graecus 2722 Bibliotheque nationale Paris sind vom ursprunglichen Umfang von 29 Blattern 17 erhalten Durch einen glucklichen Zufall konnte der junge Wissenschaftler Richard Wagner 1885 in der Vatikanischen Bibliothek den Codex Vaticanus graecus 950 Handschrift E als eine Epitome d h einen Auszug der Bibliotheke identifizieren von deren 73 Druckseiten 23 den verlorenen Teil bis zu dem von Photios berichteten Schluss des Werkes abdecken 1891 wurde dieser Text von Wagner unter dem Titel Epitome Vaticana herausgegeben 5 1887 hatte der griechische Gelehrte Anastasios Papadopoulos Kerameus bei der Neuordnung der Bibliothek des Klosters des Hl Sabbas in Jerusalem den von ihm 1891 unter dem Titel Fragmenta Sabbaitica herausgegebenen Text entdeckt der Teile des 3 und das Ende des 4 Teils der Bibliotheke enthielt Handschrift S 6 Weitere Handschriften die aber Abschriften von R darstellen werden in der Bodleiana 7 in Oxford und in der Bayerischen Staatsbibliothek 8 in Munchen aufbewahrt Im Druck veroffentlicht wurde die Bibliotheke erstmals von Aegius Benedetto Aegio von Spoleto in Rom 1555 Inhalt BearbeitenDie Bibliotheke gliedert sich grob in drei Hauptteile Entstehung der Gotter Theogonie 1 1 1 1 6 3 Entstehung der Menschen und Heldensagen 1 7 1 E2 Ereignisse um Troia E3 E7 Innerhalb der Heldensagen gliedert sich der Inhalt im Wesentlichen genealogisch Nachkommen des Deukalion 1 7 1 1 9 28 Nachkommen des Aiolos 1 9 1 1 9 15 Kolcher Medea Argonautensage 1 9 16 1 9 28 Nachkommen des Inachos 2 1 1 3 9 2 Nachkommen des Belos Perseus Herakles 2 2 1 2 8 5 Nachkommen des Agenor Kadmos 3 1 1 3 7 7 Nachkommen des Pelasgos Lykaon 3 8 1 3 9 2 Nachkommen des Atlas 3 10 1 3 12 6 3 Plejaden Helena Dioskuren 3 10 1 3 11 2 Nachkommen des Dardanos Priamos 3 12 1 3 12 6 3 Nachkommen des Asopos 3 12 6 4 3 13 8 Konige der Athener Erichthonios bis Theseus 3 14 1 3 16 2 E1 Nachkommen des Pelops Geschlecht des Atreus E2 Einordnung und Quellenwert BearbeitenMissachtung und Geringschatzung der Bibliotheke haben eine lange Tradition beginnend bei Photios der die Bibliotheke als Buchleinchen biblidarion bezeichnet das nicht unbrauchbar sei fur jene die sich fur dergleichen Altertumer interessieren Sie reicht bis in die Gegenwart Im Kleinen Pauly zieht Heinrich Dorrie das Resumee Die Kompilation besitzt wenig Quellenwert 9 Vor allem in der jungeren Forschung wird die Bibliotheke dagegen hoch geschatzt Paul Drager etwa nennt sie ein Kleinod von unschatzbarem Wert 10 Bei einer solch unterschiedlichen Betrachtung liegen wohl folgende Ursachen einer Abwertung der Bibliotheke zugrunde Die literarische Bewertung Im Gegensatz zur ausschmuckenden Darstellung der griechischen Mythen etwa bei Homer Hesiod oder den Tragikern der klassischen Zeit ist die Darstellung der Bibliotheke nuchtern und schmucklos Auch haufige langere Aufzahlungen wie etwa die namentliche Nennung der 50 Hunde des Aktaion heben den dichterischen Rang nicht Die Entdeckung dass nicht der Grammatiker Apollodor der Autor sein kann Vor allem im 19 Jahrhundert war man geneigt Pseudepigraphie und Falschung in einen Topf zu werfen und alles was irgendwie als nicht authentisch erschien nur gering zu schatzen 11 Die vermeintlichen Fehler und Auslassungen der Bibliotheke Gegenuber den bei den klassischen Dichtern uberlieferten Fassungen der griechischen Mythen weist die Fassung der Bibliotheke zahlreiche Abweichungen Auslassungen aber auch Erganzungen auf Dies wurde als Beleg dafur angesehen dass die Bibliotheke eine schlampige unzuverlassige Kompilation sei Eben dieser letzte Punkt begrundete auf der anderen Seite die Hochschatzung der Bibliotheke als zentrale Quelle fur die griechische Mythologie Ein genaues Abgleichen der Unterschiede Auslassungen und Erganzungen macht es namlich wahrscheinlich dass obwohl der Text wohl erst aus der fruhen Kaiserzeit stammt der Inhalt Material einer archaischen Tradition wiedergibt die ausser in wenigen Fragmenten sonst nirgendwo uberliefert ist dass also bestimmte Episoden der Odyssee oder der Argonautika des Apollonios von Rhodos in der Bibliotheke nicht deshalb fehlen oder etwas abweichend dargestellt werden weil der Autor der Bibliotheke sich nicht oder nur schlecht erinnert hat vielmehr erscheint es plausibel dass die betreffenden Teile fehlen weil sie eine dichterische Erfindung Homers bzw des Apollonios darstellen und daher in den vom Autor der Bibliotheke verwendeten Quellen nicht erscheinen In diesen Zusammenhang gehort auch eine ansonsten nur schwer erklarbare Auslassung Das Romische Imperium wird an keiner Stelle erwahnt auch dort nicht wo es sich anbieten wurde etwa in Zusammenhang mit Aeneas oder mit dem sagenhaften Zug des Herakles durch Italien Wenn die Quelle n der Bibliotheke zum Beispiel aus dem 6 Jahrhundert v Chr datierten so ware die Auslassung nur naturlich da das romische Weltreich damals eben noch nicht existierte Als eigentliche Quelle der Bibliotheke wird daher ein mythographisches Handbuch angenommen das sein Material aus den nur in Fragmenten erhaltenen Werken des Pherekydes von Athen und des Akusilaos von Argos bezog Auch Hesiods Katalog der Frauen gynaikῶn katalogos wurde als Quelle ausgemacht Da dieses Material wiederum in einer vorhomerischen mundlichen Tradition epischer Kyklos wurzelt biete die Bibliotheke damit einen einzigartigen Blick auf eine archaische Schicht des griechischen Mythos Ausgaben BearbeitenApollodor Bibliotheke Gotter und Heldensagen Sammlung Tusculum Griechisch und Deutsch Herausgegeben ubersetzt und kommentiert von Paul Drager Artemis amp Winkler Dusseldorf Zurich 2005 ISBN 3 7608 1741 6 Apollodoros Gotter und Helden der Griechen Bibliothek der Antike Eingeleitet herausgegeben und ubersetzt von Kai Brodersen Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2012 ISBN 978 3 534 25246 6 Apolloro I miti greci Biblioteca A cura di Paolo Scarpi Traduzione di Maria Grazia Ciani Fondazione Lorenza Valla Arnoldo Mondadori Editore Mailand 1996 IV edizione rinnovata 1998 Johann Franz Beyer Ubersetzer Apollodor s Mythische Bibliothek Neue Gelehrten Buchhandlung Hadamar und Herborn 1802 archive org deutsche Ubersetzung James George Frazer Ubers Apollodoros The library Loeb Classical Library 2 Bande London New York 1921 Frazer integrierte den uberlieferten Text mit dem Material aus Handschriften E und S zu einem zusammenhangenden Text online im Volltext beim Perseus Project Dorothea Vollbach Ubers Die griechische Sagenwelt Apollodors mythologische Bibliothek Dieterich sche Verlagsbuchhandlung Leipzig 1988 ISBN 3 7350 0012 6 Nachbearbeitung der Ubersetzung von Christian Gottlob von Moser Richard Wagner Hrsg Apollodori Bibliotheka In Mythographi Graeci Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana Bd 1 Teubner Leipzig 1926 Nachdruck 1965 heute noch massgebliche Ausgabe des griechischen Textes Literatur BearbeitenMarc Huys 125 Years of Scholarship on Apollodoros the Mythographer A Bibliographical Survey In L antiquite classique Band 66 1997 S 319 351 aktualisiert in Marc Huys Daniela Colomo Bibliographical Survey on Apollodoros the Mythographer a Supplement In L antiquite classique Band 73 2004 S 219 237 Aubrey Diller Studies in Greek Manuscript Tradition Amsterdam 1983 S 199 216 Ursprunglich erschienen als The Text History of the Bibliotheca of Pseudo Apollodorus In Transactions of the American Philological Association Band 66 1935 S 296 313 Carl Robert De Apollodori Bibliotheca Berlin 1873 Marchinus van der Valk On Apollodori Bibliotheca In Revue des Etudes Grecques Band 71 1958 S 100 168 online Weblinks BearbeitenGriechischer Text deutsche Ubersetzung Stammbaume und Verlinkung zum mythologischen Lexikon Apollodorus Library and Epitome griechischer Text und englische Ubersetzung von James George Frazer im Perseus Project Apollodorus Library Ubersetzung von James George Frazer im Theoi ProjectAnmerkungen Bearbeiten 2 1 3 1 Photios Bibliotheca cod 186 p 142a b Das wurde spatestens von Carl Robert 1873 festgestellt Robert 1873 S 4 48 Diller Text History S 296 300 Richard Wagner Epitoma Vaticana ex Apollodori Bibliotheca Leipzig 1891 Anastasius Papadopoulos Kerameus Apollodori bibliothecae fragmenta Sabbaitica In Rheinisches Museum 46 1891 S 161 192 Oxoniensis Laudianus Graecus 55 Handschrift O Monacensis Graecus 182 Handschrift M Bibliotheke des Apollodor In Der Kleine Pauly KlP Band 1 Stuttgart 1964 Sp 439 Paul Drager Bibliotheke S 891 Auch das Bedauern uber den Verlust samtlicher authentischer Werke Apollodors mag einen psychologischen Beitrag geleistet haben Dass Apollodors Peri theon verloren ist wurde gewissermassen der erhalten gebliebenen Bibliotheke zum Vorwurf gemacht Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bibliotheke des Apollodor amp oldid 236346829