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Berglitzl ist die Bezeichnung einer der bedeutendsten prahistorischen Kultstatten des Donauraums mit einem funftausendjahrigen Kontinuum als Heiligtum an der ehemaligen Ostflanke der Mundung des Flusses Gusen in die Donau Neolithisch Fruhbronzezeitlicher SchalensteinDer Schalenstein fungierte als Opferschussel und war wichtiger Bestandteil der KultanlageSie liegt sudlich des Dorfes Gusen in der Gemeinde Langenstein Oberosterreich nordlich der Donau Die der Berglitzl gegenuberliegende Seite der Donau war von jeher durch die nahen Mundungsgebiete der Flusse Traun und Enns mit ihren Verkehrswegen von Suden nach Norden bestimmt Die Nutzung als Kultplatz uberspannt eine Periode von der Mittelsteinzeit Mesolithikum bis zum 10 Jahrhundert n Chr Inhaltsverzeichnis 1 Besonderheiten der Berglitzl 2 Die Berglitzl als Element der Landschaft 3 Grabungsgeschichte 4 Zeitliche Stellung der Funde 4 1 Die altsteinzeitliche palaolithische Plateau Pflasterung ca 120 000 bis 40 000 vor heute 4 2 Der mittelsteinzeitliche mesolithische Werkplatz 12 000 6000 v Chr 4 3 Die mitteljungsteinzeitliche Kultanlage der Lengyel Kultur 5 000 bis 4 000 v Chr 4 4 Die fruhbronzezeitliche Kultanlage ca 2 000 v Chr 4 5 Der neolithisch fruhbronzezeitliche Schalenstein 4 6 Das fruhmittelalterliche Graberfeld 8 bis 10 Jh n Chr 5 Zugang 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBesonderheiten der Berglitzl BearbeitenBesonderheiten der Berglitzl sind 1 altsteinzeitliche Granitsteinpflasterung aus dem Aurignacien 2 als Ritus Gruppe intensiv genutzter mittelsteinzeitlicher mesolithischer Werkplatz unzerstort gebliebene mittel bis spat jungsteinzeitliche ortsfeste Kultanlage fruhbronzezeitliche Kultanlage am exakt gleichen Ort der mittel bis spat jungsteinzeitlichen Kultanlage der Ritus des gepflasterten Opferplatzes die neue Ritusauspragung von in gleicher Richtung am gleichen Ort angelegten OpferschachtenDaruber hinaus sind die fruhe Jungsteinzeit und die La Tene Zeit auf der Berglitzl durch Funde vertreten Bemerkenswert ist auch dass auf der Berglitzl bis zum 10 Jahrhundert n Chr am Ort der fruhbronzezeitlichen Opferschachte in gleicher Anordnung ahnliche Gruben angelegt wurden welche mit dem etwas fruher angelegten und zeitgleichen Graberfeld aus dem 8 und 9 Jahrhundert in Verbindung stehen Die Berglitzl als Element der Landschaft BearbeitenDie Berglitzl bildete bis zur Regulierung der Donau in der Mitte des 19 Jahrhunderts den vordersten Bereich einer bis zum Hauptstrom ragenden Landzunge und ragt noch heute bei Hochwasser als inselartige Erhohung etwa 13 Meter uber das weitgehend ebene Gelandeniveau 3 Die Berglitzl besteht aus einer im Westen schroff abfallenden Granitsteinwand und einer sanft abfallenden Flanke im Osten und Sudosten aus Loss und Schwemmsedimenten Sie hat eine Ausdehnung von etwa 150 Metern von Norden nach Suden und etwa 90 Metern 3 von Westen nach Osten und bildet zusammen mit dem so genannten Kirchenhugel im Dorf Gusen und dem Felsen auf dem einst mitten in der Donau die Burg Spielberg errichtet wurde und dem so genannten Tabor bei Enghagen Stadtgemeinde Enns eine geologische Besonderheit dieser Aulandschaft 2 Die Berglitzl liegt auch exakt auf der Verbindungslinie zwischen der Pfarrkirche in St Georgen an der Gusen und der Pfarrkirche in Enns und lag vermutlich seit prahistorischer Zeit bei einem wichtigen Landungspunkt am nordlichen Donauufer Das ehemalige romische Legionslager Lauriacum lag auf der anderen Uferseite nur etwa 3 Kilometer Luftlinie von diesem uralten Heiligtum an der Donau entfernt Grabungsgeschichte BearbeitenErste beigabenlose Graber denen keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt wurde wurden bereits im Jahre 1938 gefunden und dokumentiert 4 Auch im Jahre 1942 wurde im Zusammenhang mit den von einem Aussenkommando des Konzentrationslagers Gusen durchgefuhrten archaologischen Ausgrabungen der bronzezeitlichen Funde am nahegelegenen Koglberg eine Begehung der Berglitzl durchgefuhrt 1964 wurden durch den Eigentumer einer Kiesgrube bei der Berglitzl weitere Skelettfunde gemeldet ehe die Kiesgrube 1965 aufgelassen und mit Umgebungsmaterial eingeebnet wurde 4 Nachdem ein Hochwasser 1965 aus diesem Umgebungsmaterial ca 1 5 Kubikmeter archaologisches Material freigeschwemmt hatte wurde noch in diesem Jahr durch Amilian Kloiber eine erste Probegrabung durchgefuhrt sodass 1965 und 1966 mehrere Graber aus slawisch fruhdeutscher Zeit freigelegt werden konnten Eine grossere Grabung im Jahre 1968 konzentrierte sich hauptsachlich auf die damals gefundene altsteinzeitliche Plateaupflasterung der Berglitzl Grabungen in den Jahren 1969 und 1970 forderten weitere Graber zu Tage Die Grabungen wurden 1972 bis 1974 durch Vlasta Tovornik und Manfred Pertlwieser jahrlich mit dem Schwerpunkt urgeschichtliche Kultanlage weitergefuhrt Eine Bewertung des auf der Berglitzl gefundenen fruhmittelalterlichen Graberfeldes mit 90 Bestattungen erfolgte 1975 5 Zeitliche Stellung der Funde BearbeitenDie altsteinzeitliche palaolithische Plateau Pflasterung ca 120 000 bis 40 000 vor heute Bearbeiten Diese wurde auf der Kuppe der Berglitzl als nahezu horizontale Ebene mit Granitsteinen direkt auf den darunter liegenden Schotterschichten des Wurmglazial angeordnet Im Zusammenhang mit diesem palaolithischen Bauwerk wurden auch zum Pflaster gehorende mousteroide Artefakte und Knochen ausgestorbener Tiere gefunden und bestimmt Diese gepflasterte Plateau Ebene wurde in nachfolgenden Jahrtausenden durch eine bis zu 2 Meter dicke Loss Schichte uberdeckt 6 Der mittelsteinzeitliche mesolithische Werkplatz 12 000 6000 v Chr Bearbeiten Dieser befand sich in einer Tiefe von ca 2 Metern am sudostlichen Hangauslaufer der Berglitzl auf der erhalten gebliebenen postglazialen Bodenoberflache welche damals am Ufer der Donau lag In dieser Bodenschicht fanden sich neben zersplitterter Muschel und Schneckengehause grosse Mengen zerschlagener Gerolle Hornsteinrohlinge Hornsteinabschlage und Steinwerkzeuge Daneben zwei Herdstellen bei welchen Holzkohlenreste lange spitze Tierknochenabsplitterungen und Gerollbruchstucke mit deutlichen Brandspuren und Hitzerissen lagen 7 Die mitteljungsteinzeitliche Kultanlage der Lengyel Kultur 5 000 bis 4 000 v Chr Bearbeiten Diese befand sich in Form von Feuer und Depotstatten ebenfalls am Sudosthang der Berglitzl uber der mittelsteinzeitlichen Schicht und war in einer gekrummten Linie entlang der ehemaligen Uferzone der Berglitzl angelegt Die Uferzone zur Donau war durch massive Felssteinsetzungen zusatzlich befestigt Die Feuer und Depotstellen waren kreisrund bis lang oval ausgefuhrt In ihnen fand man gelochte amulettartige Gegenstande aus Knochen Tierzahnen Muschelschalen und Stein sowie betrachtliche Mengen von zerschlagener Keramik und Tierknochen welche mit Klopfsteinen und Beilen aufgeschlagen waren Einzelne Feuer und Depotstellen wiesen auch Gefassdeponierungen auf welche meist kleine Flachbeile enthielten Mehrmals fanden sich bei diesen Feuer und Depotstatten auch zerschlagene Menschenknochen die auf kannibalische Kulthandlungen auf der Berglitzl hinweisen 8 Die fruhbronzezeitliche Kultanlage ca 2 000 v Chr Bearbeiten Diese befand sich ebenfalls am Sudosthang uber der mesolithischen und der neolithischen Schicht Bemerkenswert war die depotartige Anhaufung von 15 lang walzenformigen Steinen welche teilweise deutliche Gebrauchsspuren trugen Am Sudplateau wurde nahe der westlichen Steilwand auch eine vollkommen ebene quadratische Flache mit ungefahr 2 5 Metern Seitenlange gefunden In dieser wurde ein halber menschlicher Oberschenkelknochen Femur und ein halber Unterkiefer mit den Merkmalen gewollter Zerschlagung gefunden der von mehreren grossen Gefasstrummern bedeckt war Beide Skelettteile waren von einem glattpolierten spindelartigen Gegenstand aus Grunstein und einer Hornsage begleitet Daruber befand sich eine ungemein dichte und flachige Anhaufung von anscheinend an diesem Ort zerschlagenen Gefassen und Gefassteilen Uber der neolithischen Kultanlage wurden auch eine horizontal zum Hang verlaufende Reihe kreisrunder fruhbronzezeitlicher Opferschachte mit 1 2 bis 2 2 Metern Durchmesser gefunden In deren Zentrum fand man jeweils 1 bis 3 grossere Vorratsgefasse mit Getreide Um diese herum in kreisformiger Anordnung mehrere bis viele kleine und kleinste Gefasse In den Gruben fand man auch ganze Kiefer und Zahne von Caniden und Teile von verbrannten Hirschgeweihen Die Opferschachte waren mit einer Uberbauung aus armdicken Rundholzern ausgestattet auf denen man Feuer anzundete bis das versturzende Material die Opfergefasse im Schacht zerschlug Am Fuss des Osthanges wurde auch eine weitere Anlage mit relativ geschlossenen langgezogenen Herdsteinsetzungen und ortlich dichten Gefassdeponierungen entdeckt Dort fanden sich vor allem im Gelenksverband angetroffene Tierkorperteile von Pferden und Ziegen und teilweise meterlange armdicke verkohlte Holzer Die um diese Kultstatten vorgefundenen stark angebrannten Gerollsteinpflasterungen lassen darauf schliessen dass diese aus kultischen Grunden angelegt wurden wahrend das Feuer noch brannte Auch in der Bronzezeit wurde noch die Tradition der Hinterlegung besondere Gegenstande im Handlungszentrum fortgefuhrt So konnten in Kultstatten ein triangularer Bronzedolch und ein prachtvoller Feuersteindolch gefunden werden 9 Der neolithisch fruhbronzezeitliche Schalenstein Bearbeiten Dieser befindet sich ebenfalls an der sudostlichen Flanke Er ist das einzige heute zugangliche Objekt und lag vor dessen Ausgrabung im Jahre 1973 jahrtausende lang unter meterdicken Fundschichten Der dreieckige und auffallend brandgerotete Schalenstein aus Granit uberragte in fruhneolithischer Zeit den Wasserspiegel der Donau um etwa 1 7 Meter 10 und war von parallel zum Ufer verlaufenden einreihigen Grosssteinsetzungen begleitet Im Umfeld dieses Schalensteines fand man neben Tierkorperteilen im Skelettverband Bronzewerkzeugen und einer Vielzahl von Grunstein Flachbeilen 10 vor allem auch halbierte Unterkiefer in besonderen Positionen sowie zerschlagene und teilweise angebrannte Menschenknochen An diesem bedeutenden Wasserheiligtum wurde ein Kult mit intensivem Feuergebrauch praktiziert Von besonderer Bedeutung ist auch der Fund von besonders angeordneten Skelettteilen eines Madchens welche auf ein dort durchgefuhrtes Madchenopfer hinweisen 11 Das fruhmittelalterliche Graberfeld 8 bis 10 Jh n Chr Bearbeiten Bis 1975 wurden 102 Graber aus karolingischer Zeit gefunden 12 Die ersten Bestattungen fanden auf diesem Friedhof der in einer bis 2 Meter dicken Loss Schicht uber dem altsteinzeitlichen Plateaupflaster angelegt wurde noch vor 800 statt und endeten im 9 Jahrhundert 13 Die Toten wurden in dieser Zeit in 4 bis 5 getrennten Gruppen bestattet Das Faktum dass den fruheren Bestattungen Grabbeigaben beigefugt wurden und die spateren Bestattungen ohne Grabbeigaben erfolgten lasst auf die zu dieser Zeit in diesem Raum erfolgte fortschreitende Missionierung der heidnisch slawischen Bevolkerung durch die bereits christlichen Bayern und eine Zuwendung zur Bestattungsordnung einer zu dieser Zeit in diesem Raum entstehenden Kirchenorganisation schliessen 14 Typische Grabbeigaben waren zum Beispiel 12 Geflugel Fisch Korperteile von Schaf Ziege Schwein und Kalb in 3 4 Wellenband Topfen Waffen Eisenmesser Gerate Die Sitte der Grabbeigaben endet gegen Mitte des 9 Jahrhunderts Bei einem Teil der Toten wurden auch Bruchstucke jener Schusseln die beim Totenmahl verwendet wurden im Verfullmaterial der Graber gefunden Auffallend ist auch dass 48 Prozent der bestatteten Kinder im Alter bis etwa 7 Jahren waren sowie dass ein mannliches Ubergewicht von etwa einem Drittel unter den Erwachsenen bestand Noch heute wird ein kleines Anwesen neben der Berglitzl Freithofer genannt 14 Moglicherweise steht auch das Granitplateau Kirchenhugel im Dorf Gusen in einem Zusammenhang mit diesem Friedhof aus karolingischer Zeit 14 Moglicherweise aber auch ein angenommener fruher Kirchenbau auf dem nahegelegenen Frankenberg Zugang BearbeitenDas Areal liegt auf Privatbesitz bei einer Besichtigung ist der Grundeigentumer zu fragen 15 Literatur BearbeitenAmilian Kloiber Manfred Pertlwieser Die urgeschichtlichen Fundschichten auf der Berglitzl in Gusen Politischer Bezirk Perg Oberosterreich Ergebnisse der Grabungsjahre 1965 1968 In Jahrbuch des Oberosterreichischen Musealvereines Nr 114 Linz 1969 S 9 18 ooegeschichte at PDF Manfred Pertlwieser Zur prahistorischen Situation der Berglitzl in Gusen Pol Bez Perg OO Ergebnisse der Grabungsjahre 1965 1972 In Jahrbuch des Oberosterreichischen Musealvereines Nr 118 Linz 1973 S 17 34 zobodat at PDF Vlasta Tovornik Der Schalenstein am urgeschichtlichen Opferplatz auf der Berglitzl in Gusen Pol Bez Perg OO In Jahrbuch des Oberosterreichischen Musealvereines Nr 119 Linz 1974 S 19 22 ooegeschichte at PDF Vlasta Tovornik Zum Stand der Erforschung des fruhmittelalterlichen Graberfeldes von Gusen Berglitzl Pol Bez Perg OO In Jahrbuch des Oberosterreichischen Musealvereines Nr 120 Linz 1975 S 57 66 ooegeschichte at PDF Manfred Pertlwieser Eine gewaltlose Eroberung Die urzeitliche Besiedlung des Donautales In Kulturreferat der Oberosterreichischen Landesregierung Hrsg Die Donau Facetten eines europaischen Stromes Katalog zur Oberosterreichischen Landesausstellung 1994 in Engelhartszell Linz 1994 ISBN 3 85214 608 9 S 85 92 Alexander Binsteiner Erwin M Ruprechtsberger Von der Alt zur Jungsteinzeit Die Berglitzl im Spannungsfeld der Forschung In Studien zur Kulturgeschichte von Oberosterreich Folge 29 Linz 2010 ISBN 978 3 85474 246 3 S 1 94 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Berglitzl Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Bibliografie zur oberosterreichischen Geschichte Suche nach Berglitzl In ooegeschichte at Virtuelles Museum Oberosterreich abgerufen am 1 Januar 1900 Einzelnachweise Bearbeiten Pertlwieser 1973 S 34 a b Kloiber Pertlwieser 1969 S 9 18 a b Pertlwieser 1973 S 18 a b Tovornik 1975 S 57 Tovornik 1975 S 62 66 Pertlwieser 1973 S 22 26 Pertlwieser 1973 S 26 28 Pertlwieser 1973 S 28 30 Pertlwieser 1973 S 30 33 a b Tovornik 1974 S 20 Tovornik 1974 S 22 a b Tovornik 1975 S 65 Tovornik 1975 S 64 a b c Tovornik 1975 S 66 OVP St Georgen Neuburger Mappe St Georgen Gusen PDF In ooevp at November 2009 S 39 bei Abschnitt 6 6 Planetenweg Spilbergrunde archiviert vom Original am 5 Marz 2016 abgerufen am 9 Juni 2023 48 249738888889 14 458691666667 Koordinaten 48 14 59 06 N 14 27 31 29 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Berglitzl amp oldid 239551692