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Behandlungsabbruch ist nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs BGH vom 25 Juni 2010 das Unterlassen Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung 1 In der betreffenden Entscheidung Fall Putz hat der BGH die Anforderungen an eine durch mutmassliche Einwilligung gerechtfertigten Sterbehilfe beim Behandlungsabbruch im Fall eines todlichen Krankheitsverlaufs konkretisiert Der gerechtfertigte Behandlungsabbruch nach Massgabe des Patientenwillens fuhrte zu einer Neubewertung der passiven Sterbehilfe in Deutschland 2 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Voraussetzungen fur einen gerechtfertigten Behandlungsabbruch 2 1 Lebensbedrohliche Erkrankung 2 2 Behandlungsabbruch 2 3 Willensentsprechung 2 4 Subjektives Element 3 Literatur 4 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenFruher unterschied die herrschende Meinung zwischen der passiven erlaubten bzw indirekten erlaubten und der aktiven verbotenen Sterbehilfe 3 Das Beenden einer medizinischen Versorgung umfasst allerdings vielerlei aktive und passive Handlungen deren Einordnung nach der obigen Ansicht oftmals Schwierigkeiten bereitete und teilweise auch nur vom Zufall abhing denn die naturalistische Unterscheidung zwischen aktiv Tun und passiv Unterlassen hing nur von der Ausfuhrung des Handelnden ab und dieser war je nach Art der Ausfuhrung entweder gerechtfertigt oder nicht obwohl die Zielsetzung jeweils die gleiche war Diese Rechtslage war unsicher und nicht praktikabel sodass der BGH den sog rechtfertigenden Behandlungsabbruch entwickelte um die Voraussetzungen der Rechtfertigung einer Sterbehilfe zu vereinheitlichen Voraussetzungen fur einen gerechtfertigten Behandlungsabbruch BearbeitenDer BGH entwickelte einheitliche Voraussetzungen an denen die Rechtfertigung eines Behandlungsabbruchs nun zu messen sei Lebensbedrohliche Erkrankung der betroffenen Person bzw ist ihr Weiterleben medizinisch von Massnahmen zur Verlangerung oder Erhaltung des Lebens abhangig Die Lebensverkurzung muss sich auf einen Behandlungsabbruch beschranken Der Behandlungsabbruch muss dem tatsachlichen Willen oder dem mutmasslichen Willen der betroffenen Person entsprechen Ob das Verfahren der 1901a ff BGB a F eingehalten werden musste war umstritten seit 2013 kann ein Behandlungsabbruch nach 630d BGB auch direkt auf eine Patientenverfugung gestutzt werden zum 1 Januar 2023 wurden die 1901a ff zu 1827 ff BGB umnummeriert Subjektiv mussen Kenntnis der objektiven Umstande nach einer pflichtgemassen Uberprufung der Willensubereinstimmung und das Motiv beim Handelnden vorliegen im Willen des Patienten zu handelnDie Rechtfertigung gilt unabhangig davon ob es sich tatbestandlich um einen Totschlag 212 Strafgesetzbuch StGB oder aufgrund eines geausserten Sterbeverlangens um eine Totung auf Verlangen 216 StGB handelt In personlicher Hinsicht sind nicht nur Arzte Betreuer und Bevollmachtigte gerechtfertigt sondern auch Dritte soweit sie als fur die medizinische Behandlung und Betreuung als Hilfsperson tatig sind 4 Lebensbedrohliche Erkrankung Bearbeiten Die betroffene Person muss lebensbedrohlich erkrankt sein oder ihr Weiterleben ist medizinisch von Massnahmen zur Verlangerung oder Erhaltung des Lebens abhangig Letzteres konnen vor allem die kunstliche Ernahrung die Beatmung oder auch andere Tatigkeiten sein die der Korper nicht mehr selbst durchfuhren kann wie bspw eine Dialyse Behandlungsabbruch Bearbeiten Die Lebensverkurzung muss sich auf einen Behandlungsabbruch beschranken d h einem bereits begonnenen Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen ggf Leiden oder Schmerz zu lindern die lebenserhaltenden oder lebensverlangernden Massnahmen nicht fortzufuhren sodass der Patient dem Sterben uberlassen wird Gerechtfertigt kann das Unterlassen einer lebenserhaltenden Massnahme oder der Abbruch der Massnahme und auch Handlungen die als indirekte Sterbehilfe zu qualifizieren sind wie bspw die Verabreichung von Schmerzmitteln mit der Nebenfolge der Lebensverkurzung Diese indirekte Sterbehilfe kann sogar unter Umstanden ohne arztliche Anordnung gerechtfertigt sein 5 Lebensbeendende Handlungen die nicht im medizinischen Zusammenhang mit der Behandlung stehen sind als aktive Lebensverkurzung aktive Sterbehilfe nicht rechtfertigungsfahig Willensentsprechung Bearbeiten Der Behandlungsabbruch muss dem tatsachlichen oder dem mutmasslichen Willen der betroffenen Person entsprechen Dies geht darauf zuruck dass das Selbstbestimmungsrecht aus Art 1 Abs 1 Art 2 Abs 1 Grundgesetz GG zur Abwehr gegen nicht gewollte Eingriffe in die korperliche Unversehrtheit und gegen die Beeinflussung des Fortgangs seines Lebens bzw Sterbens dient Allerdings ist umstritten ob die Voraussetzungen der 1901a ff BGB erfullt sein mussen In der Literatur wird dies abgelehnt weil Regelungen des Burgerlichen Gesetzbuchs dem materiellen Strafrecht fremd seien 6 Dagegen spricht jedoch bereits dass auch die Selbsthilferechte aus dem Burgerlichen Gesetzbuch als Rechtfertigungsgrunde im materiellen Strafrecht anerkannt sind Die Rechtsprechung hingegen erachtet die Einhaltung der 1901a ff BGB fur unverzichtbar Die Vorschriften geben den Beteiligten Rechts und Verhaltenssicherheit Ausserdem sollen die Vorschriften gewahrleisten dass in einer solchen emotionalen Ausnahmesituation eine sorgfaltige und gewissenhafte Prufung des Patientenwillens erfolgt Im Ergebnis sollte aus Grunden der Rechtssicherheit der Rechtsprechung gefolgt werden zumal diese Frage hochstrichterlich geklart wurde 7 Subjektives Element Bearbeiten Subjektiv muss der Handelnde in Kenntnis der objektiven Umstande nach einer pflichtgemassen Uberprufung der Willensubereinstimmung handeln und das Motiv im Willen des Patienten zu handeln muss vorliegen Literatur BearbeitenRuth Rissing van Saan Rechtliche Aspekte der aktiven Sterbehilfe Nach dem Urteil des 2 Strafsenats des BGH vom 25 Juni 2010 2 StR 454 09 ZIS 2011 S 544 551 Ruth Rissing van Saan Das BGH Urteil 2010 In Franz Josef Bormann Hrsg Lebensbeendende Handlungen Ethik Medizin und Recht zur Grenze von Toten und Sterbenlassen Berlin 2017 S 645 666 Einzelnachweise Bearbeiten BGH Urteil vom 25 Juni 2010 2 StR 454 09 LS 1 Henning Rosenau Die Neuausrichtung der passiven Sterbehilfe Der Fall Putz im Urteil des BGH vom 25 Juni 2010 2 StR 454 09 Festschrift fur Ruth Rissing van Saan zum 65 Geburtstag am 25 Januar 2011 De Gruyter 2011 S 547 567 Thomas Fischer Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen Vorbemerkung zu 211 217 Rn 33 f ISBN 978 3 406 75424 1 BGH Urteil vom 25 Juni 2010 2 StR 454 09 Rn 39 Bundesgerichtshof BGH Urteil vom 30 Januar 2019 2 StR 325 17 Abgerufen am 7 April 2021 Thorsten Verrel Neue Zeitschrift fur Strafrecht 2010 671 674 ebd Neue Zeitschrift fur Strafrecht 2011 274 277 Rudolf Rengier Strafrecht Besonderer Teil II 22 Auflage C H Beck Munchen 2021 Bundesgerichtshof BGH Beschluss vom 10 November 2010 2 StR 320 10 Abgerufen am 7 April 2021 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Behandlungsabbruch amp oldid 229547229