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Der nach dem englischen Mathematiker Thomas Bayes anhoren benannte bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff engl Bayesianism interpretiert Wahrscheinlichkeit als Grad personlicher Uberzeugung englisch degree of belief Er unterscheidet sich damit von den objektivistischen Wahrscheinlichkeitsauffassungen wie dem frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff der Wahrscheinlichkeit als relative Haufigkeit interpretiert Der bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff darf nicht mit dem gleichfalls auf Thomas Bayes zuruckgehenden Satz von Bayes verwechselt werden welcher in der Statistik reiche Anwendung findet Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung des bayesschen Wahrscheinlichkeitsbegriffs 2 Formalisierung des Wahrscheinlichkeitsbegriffes 2 1 Wahrscheinlichkeitswerte 3 Praktische Bedeutung in der Statistik 4 Siehe auch 5 LiteraturEntwicklung des bayesschen Wahrscheinlichkeitsbegriffs BearbeitenDer bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff wird haufig verwendet um die Plausibilitat einer Aussage im Lichte neuer Erkenntnisse neu zu bemessen Pierre Simon Laplace 1812 entdeckte diesen Satz spater unabhangig von Bayes und verwendete ihn um Probleme in der Himmelsmechanik in der medizinischen Statistik und einigen Berichten zufolge sogar in der Rechtsprechung zu losen Zum Beispiel schatzte Laplace die Masse des Saturns auf Basis vorhandener astronomischer Beobachtungen seiner Umlaufbahn Er erlauterte die Ergebnisse zusammen mit einem Hinweis seiner Unsicherheit Ich wette 11 000 zu 1 dass der Fehler in diesem Ergebnis nicht grosser ist als 1 100 seines Wertes Laplace hatte die Wette gewonnen denn 150 Jahre spater musste sein Ergebnis auf Grundlage neuer Daten um lediglich 0 37 korrigiert werden Die bayessche Interpretation von Wahrscheinlichkeit wurde zunachst Anfang des 20 Jahrhunderts vor allem in England ausgearbeitet Fuhrende Kopfe waren etwa Harold Jeffreys 1891 1989 und Frank Plumpton Ramsey 1903 1930 Letzterer entwickelte einen Ansatz den er aufgrund seines fruhen Todes nicht weiter verfolgen konnte der aber unabhangig davon von Bruno de Finetti 1906 1985 in Italien aufgenommen wurde Grundgedanke ist vernunftige Einschatzungen engl rational belief als eine Verallgemeinerung von Wettstrategien aufzufassen Gegeben sei eine Menge von Information Messungen Datenpunkten und gesucht wird eine Antwort auf die Frage wie hoch man auf die Korrektheit seiner Einschatzung wetten oder welche Odds man geben wurde Der Hintergrund ist dass man gerade dann viel Geld wettet wenn man sich seiner Einschatzung sicher ist Diese Idee hatte grossen Einfluss auf die Spieltheorie Eine Reihe von Streitschriften gegen frequentistische statistische Methoden ging von diesem Grundgedanken aus uber den seit den 1950ern zwischen Bayesianern und Frequentisten debattiert wird Formalisierung des Wahrscheinlichkeitsbegriffes BearbeitenIst man bereit Wahrscheinlichkeit als Sicherheit in der personlichen Einschatzung eines Sachverhaltes zu interpretieren s o so stellt sich die Frage welche logischen Eigenschaften diese Wahrscheinlichkeit haben muss um nicht widerspruchlich zu sein Wesentliche Beitrage wurden hierzu von Richard Threlkeld Cox 1946 geleistet Er fordert die Gultigkeit der folgenden Prinzipien Transitivitat Wenn Wahrscheinlichkeit A grosser ist als Wahrscheinlichkeit B und Wahrscheinlichkeit B grosser als Wahrscheinlichkeit C dann muss Wahrscheinlichkeit A auch grosser als Wahrscheinlichkeit C sein Ohne diese Eigenschaft ware es nicht moglich Wahrscheinlichkeiten in reellen Zahlen auszudrucken denn reelle Zahlen sind eben transitiv angeordnet Ausserdem wurden Paradoxien wie die folgende auftreten Ein Mann der die Transitivitat der Wahrscheinlichkeit nicht versteht hat in einem Rennen auf Pferd A gesetzt Er glaubt jetzt aber Pferd B sei besser und tauscht seine Karte um Er muss etwas dazuzahlen aber das macht ihm nichts aus weil er jetzt eine bessere Karte hat Dann glaubt er Pferd C sei besser als Pferd B Wieder tauscht er um und muss etwas dazuzahlen Jetzt glaubt er aber Pferd A sei besser als Pferd C Wieder tauscht er um und muss etwas dazuzahlen Immer glaubt er er bekame eine bessere Karte aber jetzt ist alles wieder wie vorher nur ist er armer geworden Negation Wenn wir uber die Wahrheit von etwas eine Erwartung haben dann haben wir implizit auch eine Erwartung uber dessen Unwahrheit Konditionierung Wenn wir eine Erwartung haben uber die Wahrheit von H und auch eine Erwartung uber die Wahrheit von D im Falle dass H wahr ware dann haben wir implizit auch eine Erwartung uber die gleichzeitige Wahrheit von H und D Schlussigkeit soundness Wenn es mehrere Methoden gibt bestimmte Informationen zu benutzen dann muss die Schlussfolgerung immer dieselbe sein Wahrscheinlichkeitswerte Bearbeiten Es stellt sich heraus dass die folgenden Regeln fur Wahrscheinlichkeitswerte W H gelten mussen 0 W H c displaystyle 0 leq W H leq c nbsp wir wahlen c 1 displaystyle c 1 nbsp W H W H c 1 displaystyle W H W H c 1 nbsp Summenregel W H D W D H W H displaystyle W H D W D H W H nbsp Produktregel Hier bedeutet H oder D Die Hypothese H ist wahr das Ereignis H tritt ein oder die Hypothese D ist wahr das Ereignis D tritt ein W H Die Wahrscheinlichkeit dass Hypothese H wahr ist das Ereignis H eintritt H Nicht H die Hypothese H ist nicht wahr das Ereignis H tritt nicht ein H D H und D sind beide wahr treten beide ein oder eins ist wahr und das andere tritt ein W D H Die Wahrscheinlichkeit dass Hypothese D wahr ist oder Ereignis D eintreten wird im Fall dass H wahr ware oder eintreten wurde Aus den obigen Regeln der Wahrscheinlichkeitswerte lassen sich andere ableiten Praktische Bedeutung in der Statistik BearbeitenUm solche Probleme trotzdem im Rahmen der frequentistischen Interpretation angehen zu konnen wird die Unsicherheit dort mittels einer eigens dazu erfundenen variablen Zufallsgrosse beschrieben Die Bayessche Wahrscheinlichkeitstheorie benotigt solch eine Hilfsgrosse nicht Stattdessen fuhrt sie das Konzept der A priori Wahrscheinlichkeit ein die Vorwissen und Grundannahmen des Beobachters in einer Wahrscheinlichkeitsverteilung zusammenfasst Vertreter des Bayes Ansatzes sehen es als grossen Vorteil Vorwissen und A priori Annahmen explizit im Modell auszudrucken Siehe auch BearbeitenBayesianische ErkenntnistheorieLiteratur BearbeitenDavid Howie Interpreting Probability Controversies and Developments in the Early Twentieth Century Cambridge University Press 2002 ISBN 0 521 81251 8 Edwin T Jaynes G Larry Bretthorst Probability Theory The Logic of Science Principles and Elementary Applications Cambridge Univ Press 2003 ISBN 0 521 59271 2 online David MacKay Information Theory Inference and Learning Algorithms Cambridge 2003 ISBN 0 521 64298 1 insb Kapitel 37 Bayesian Inference and Sampling Theory D S Sivia Data Analysis A Bayesian Tutorial Oxford Science Publications 2006 ISBN 0 19 856831 2 besonders fur Probleme aus der Physik zu empfehlen Jonathan Weisberg Varieties of Bayesianism PDF 562 kB S 477ff in Dov Gabbay Stephan Hartmann John Woods Hgg Handbook of the History of Logic Bd 10 Inductive Logic North Holland 2011 ISBN 978 0 444 52936 7 Dieter Wickmann Bayes Statistik Einsicht gewinnen und entscheiden bei Unsicherheit Mathematische Texte Band 4 Bibliographisches Institut Wissenschaftsverlag Mannheim Wien Zurich 1991 ISBN 978 3 411 14671 0 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bayesscher Wahrscheinlichkeitsbegriff amp oldid 226582311