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Das bayerische Landtagswahlsystem dient der Bestellung der derzeit mindestens 180 Sitze des bayerischen Parlaments Die Bayerische Verfassung in Art 14 Abs 1 BV sowie das Bayerische Landeswahlgesetz LWG sehen hierbei ein so genanntes verbessertes Verhaltniswahlrecht vor Anders als bei Bundestagswahlen sind Erst und Zweitstimmen fur die proportionale Verteilung der Sitze auf die Parteien gleichwertig Inhaltsverzeichnis 1 Rechtliche Grundlagen 1 1 Wahlrechtsgrundsatze 1 2 Wahlrecht 1 2 1 Aktives Wahlrecht 1 2 2 Passives Wahlrecht 2 Wahlsystem 2 1 Wahlkreislisten 2 2 Erststimme 2 3 Zweitstimme 2 4 Sperrklausel 2 5 Sitzverteilung 2 5 1 Stimmkreis 2 5 2 Wahlkreis 2 5 3 Uberhang und Ausgleichsmandate 2 5 4 Mehrheitsklausel 2 6 Staatliche Mittel fur Parteien und Wahlergruppen 3 Zusammenfassend Besonderheiten 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseRechtliche Grundlagen BearbeitenIm Vergleich zu anderen Bundeslandern und dem Wahlrecht des Bundestages legt die bayerische Verfassung einige Details sehr konkret fest Das Bayerische Landtagswahlsystem zu andern ist daher mit grosseren Hurden verbunden als etwa das Wahlrecht des Bundestages namlich mit einer verfassungsandernden Mehrheit im bayerischen Landtag und einer Volksabstimmung vgl Art 75 BV 1 Wahlrechtsgrundsatze Bearbeiten Wie in Artikel 28 GG fur alle deutschen Lander gleichermassen vorgeschrieben gelten auch in Bayern die Grundsatze der demokratischen Wahl Die bayerische Verfassung legt hierzu fest Die Abgeordneten werden in allgemeiner gleicher unmittelbarer und geheimer Wahl nach einem verbesserten Verhaltniswahlrecht von allen wahlberechtigten Staatsburgern in Wahlkreisen und Stimmkreisen gewahlt Art 14 Abs 1 BV 2 Das Kriterium der freien Wahl versteht man dabei als aus den anderen vier Grundsatzen notwendig hervorgehend Fur weiterfuhrende Informationen zu den Wahlrechtsgrundsatzen siehe den Artikel Bundestagswahlrecht Wahlrecht Bearbeiten Aktives Wahlrecht Bearbeiten Stimmberechtigt bei den Wahlen zum Landtag bei Volksbegehren und Volksentscheiden sind alle Deutschen die das 18 Lebensjahr vollendet Volljahrigkeit und ihren Wohnsitz seit mindestens drei Monaten in Bayern haben Daruber hinaus darf das Stimmrecht zum Beispiel durch einen Richterspruch nicht aberkannt worden sein 3 Passives Wahlrecht Bearbeiten Wahlbar ist jeder Stimmberechtigte es sei denn dass er durch Richterspruch von der Wahlbarkeit ausgeschlossen ist Wahlvorschlage konnen gemass Artikel 23 des Landeswahlgesetzes nur von politischen Parteien und sonstigen organisierten Wahlergruppen eingereicht werden Wahlsystem Bearbeiten nbsp Die sieben bayerischen WahlkreiseBei der bayerischen Landtagswahl sind seit 2003 mindestens 180 Mandate in sieben Wahlkreisen zu vergeben Der Sprachgebrauch des bayerischen Landtagswahlrechts weicht ab vom Bundestagswahlrecht und dem Wahlrecht anderer Bundeslander Wahlkreis ist jeder der sieben Regierungsbezirke Auf Ebene dieser Wahlkreise werden die Sitze nach Verhaltniswahl verteilt Es gibt also keinen landesweiten Verhaltnisausgleich Stimmkreis ist die Einheit innerhalb der ein Abgeordneter direkt gewahlt wird Er entspricht dem was im Bundestagswahlrecht als Wahlkreis bezeichnet wird 180 Sitze werden gemass ihrem Anteil an den Wahlberechtigten bis Mai 2022 Anteil an der deutschen Bevolkerung auf die Wahlkreise verteilt 4 5 Die Wahlkreise sind in Stimmkreise unterteilt Im Stimmkreis wird jeweils ein Bewerber direkt gewahlt die ubrigen Sitze werden uber Wahlkreislisten besetzt Gemass Art 14 der Verfassung darf die Zahl der in Stimmkreisen gewahlten Abgeordneten die Zahl der uber die Wahlkreislisten gewahlten Abgeordneten um hochstens eins ubersteigen Stehen also z B einem Wahlkreis 19 Sitze zu durfen dort hochstens 10 Stimmkreise gebildet werden In der Praxis wird die Hochstzahl stets ausgeschopft Seit der Verkleinerung des Landtags auf 180 Sitze bestehen landesweit immer 90 bis 92 Stimmkreise Wahlkreislisten Bearbeiten Die Wahlkreisliste ist von einer Mitglieder oder Vertreterversammlung der Partei oder Wahlergruppe aufzustellen Die Liste muss alle ihre Stimmkreisbewerber enthalten die von Mitglieder oder Vertreterversammlungen in den jeweiligen Stimmkreisen gewahlt worden sind Jede Liste muss mindestens einen Stimmkreisbewerber enthalten Fur jeden Stimmkreis kann nur ein Stimmkreisbewerber aufgestellt werden Die Aufstellungsversammlung kann auf Wahlkreisebene weitere Bewerber wahlen Die Liste darf hochstens so viele Bewerber enthalten wie im Wahlkreis Sitze zu vergeben sind Die Aufstellungsversammlung kann muss aber nicht die Reihenfolge der Kandidaten bestimmen Erststimme Bearbeiten nbsp Stimmzettel fur die Erststimme mit den Direktkandidaten des Stimmkreises Hier fur den Stimmkreis Munchen Milbertshofen im Wahlkreis Oberbayern Mit der Erststimme haben die Wahlberechtigten die Wahl zwischen den Stimmkreiskandidaten der kandidierenden Parteien und Wahlergruppen Hat die Partei fur einzelne Stimmkreise keinen Stimmkreisbewerber aufgestellt ist sie dort mit der Erststimme nicht wahlbar Zweitstimme Bearbeiten nbsp Stimmzettel fur die Zweitstimme mit den wahlbaren Kandidaten der 17 Wahlkreislisten Hier im Stimmkreis Munchen Milbertshofen im Wahlkreis Oberbayern Mit der Zweitstimme wahlen die Wahlberechtigten einen Kandidaten einer Wahlkreisliste Eine Stimme fur einen Bewerber ist gleichzeitig eine Stimme fur dessen Partei oder Wahlergruppe Im Gegensatz zum Bundestagswahlrecht gibt der Wahler auch seine Zweitstimme einem bestimmten Kandidaten und hat daher mehr Einfluss Der Stimmzettel enthalt grundsatzlich alle Bewerber aller Wahlkreislisten Die Stimmkreisbewerber stehen aber in dem Stimmkreis fur den sie aufgestellt sind nicht auf dem Stimmzettel Anders als bei Bundestagswahlen gibt es fur Erst und Zweitstimme getrennte Stimmzettel Soweit die Partei oder Wahlergruppe keine Reihenfolge der Bewerber festgelegt hat werden diese in alphabetischer Reihenfolge aufgefuhrt Bewerber die in der Liste ganz oben stehen werden allein schon deswegen haufiger gewahlt und sind daher bevorteilt Sperrklausel Bearbeiten Bis 1973 erhielten nur Parteien und Wahlergruppen Sitze die in wenigstens einem Wahlkreis mindestens 10 Prozent der Stimmen errangen 6 So erhielt die GDP bei der Landtagswahl 1962 in keinem Wahlkreis 10 der Stimmen und mit 5 1 der Stimmen landesweit keine Sitze ebenso die FDP 1966 die Bayernpartei mit einem Stimmenanteil von 4 8 landesweit hingegen acht Sitze da sie in Niederbayern 10 3 erreichte Seit 1973 ist in Art 14 der Verfassung eine landesweite Funf Prozent Hurde verankert Da es im bayerischen Wahlsystem keine der Grundmandatsklausel des Bundestagswahlrechts vergleichbare Regelung gibt bedeutet dies auch dass siegreiche Stimmkreisbewerber dadurch eventuell kein Mandat erhalten Sitzverteilung Bearbeiten Stimmkreis Bearbeiten Im Stimmkreis ist der Bewerber mit den meisten Erststimmen gewahlt Ist die Partei oder Wahlergruppe des stimmenstarksten Bewerbers an der Funf Prozent Hurde gescheitert so wird diesem Bewerber der Sitz nicht zugeteilt Stattdessen ist der Bewerber mit der nachsthochsten Stimmenzahl gewahlt Wahlkreis Bearbeiten Fur die Sitzverteilung in den Wahlkreisen sind die Gesamtstimmen massgeblich Die Zahl der Gesamtstimmen der Partei oder Wahlergruppe wird ermittelt indem ihre Erst und Zweitstimmen addiert werden Anders als bei Bundestagswahlen werden also fur die proportionale Sitzverteilung auch die Erststimmen berucksichtigt Bei der Sitzverteilung werden nur die Parteien und Wahlergruppen berucksichtigt die mindestens 5 der Gesamtstimmen in Bayern erringen Auf diese werden die Sitze des Wahlkreises proportional nach dem Sainte Lague Verfahren verteilt Bis einschliesslich der Landtagswahl 1990 wurde das fur grosse Parteien gunstigere d Hondtsche Hochstzahlverfahren verwendet was der Bayerische Verfassungsgerichtshof 1992 fur verfassungswidrig erklarte Danach wurde das Hare Niemeyer Verfahren verwendet 7 Nachdem schon bei der Wahl der Bezirkstage 2018 und bei den Kommunalwahlen 2020 zum Sainte Lague Verfahren gewechselt wurde wurde 2022 auch das Wahlrecht des Landtags auf das Sainte Lague Verfahren geandert 8 Hat die Partei oder Wahlergruppe im Wahlkreis weniger Stimmkreise gewonnen als ihr Sitze zustehen gehen die noch zu besetzenden Sitze an die Bewerber ihrer Wahlkreisliste mit den meisten Gesamtstimmen Bereits im Stimmkreis gewahlte Bewerber bleiben dabei ausser Betracht Dadurch dass Erst und Zweitstimmen zusammengezahlt werden sind Stimmkreisbewerber gegenuber den anderen Bewerbern auf der Wahlkreisliste erheblich begunstigt Uberhang und Ausgleichsmandate Bearbeiten Wenn es bei der Mandatsvergabe zu Uberhangmandaten kommt indem eine Partei in einem Wahlkreis mehr Stimmkreismandate erringt als ihr nach dem Sitzzuteilungsverfahren zustehen bleiben ihr diese zusatzlichen Sitze erhalten Zum Ausgleich wird die Zahl der Mandate im betreffenden Wahlkreis erhoht bis wieder eine proportionale Sitzverteilung aller Listen im Wahlkreis erreicht ist siehe auch Ausgleichsmandat Der betreffende Wahlkreis ist dadurch im Landtag uberreprasentiert Wenn eine Partei in mehreren Wahlkreisen die am starksten uberhangende Liste stellt hat sie einen systematischen Vorteil dadurch dass sie in jedem dieser Wahlkreise den letzten Sitz erhalt 9 Die Regelung fur Uberhangmandate wurde mehrfach geandert Ursprungliche erhielten bei Uberhangmandaten fur eine Partei die ubrigen Parteien weniger Sitze die Grosse des Landtags anderte sich nicht Bei der Landtagswahl 1950 erhielt die CSU in Schwaben zwei Uberhangmandate die SPD und die Bayernpartei bekamen dadurch jeweils einen Sitz weniger Landesweit hatte die CSU dadurch mit einem Stimmenanteil von 27 4 einen Sitz mehr als die SPD mit 28 der Stimmen 10 Kurz vor der Landtagswahl 1954 kam es zu einer Anderung nach der Uberhangmandate nicht mehr zugeteilt wurden die Stimmkreisbewerber der uberhangenden Liste mit den geringsten Gesamtstimmen schieden als uberzahlig aus Bei der Wahl 1954 wurden der CSU deswegen zwei Direktmandate in Niederbayern gestrichen 10 Eine Klage der CSU Landtagsfraktion gegen die Anderung beim Verfassungsgerichtshof vor der Wahl war erfolglos 11 Die nachste Anderung folgte 1966 Uberhangmandate verblieben demnach der Partei ohne Ausgleich 12 1973 wurden Ausgleichsmandate eingefuhrt die Zahl der Ausgleichsmandate war aber auf die Zahl der Uberhangmandate begrenzt 13 Die Beschrankung der Ausgleichsmandate fiel 1993 fort 14 Mehrheitsklausel Bearbeiten Erhalt eine Partei oder Wahlergruppe mehr als die Halfte der landesweit bei der Sitzverteilung zu berucksichtigenden Stimmen aber nicht die absolute Mehrheit im Landtag so werden ihr so viele weitere Sitze zugeteilt bis sie uber die absolute Mehrheit verfugt Diese Sitze gehen an ihre noch nicht gewahlten Bewerber mit den landesweit hochsten Stimmenzahlen Staatliche Mittel fur Parteien und Wahlergruppen Bearbeiten Die Parteienfinanzierung ist bundesrechtlich im Parteiengesetz geregelt In den Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung kommen alle Parteien die landesweit mindestens 1 der Gesamtstimmen erzielen Die Hohe der staatlichen Zuwendungen orientiert sich am Mittelwert aus Erst und Zweitstimmen 15 Wahlergruppen die mindestens 1 der Gesamtstimmen erzielen erhalten 1 28 Euro je Gesamtstimme Zusammenfassend Besonderheiten BearbeitenErststimmen und Zweitstimmen sind bei der Sitzverteilung auf die Parteien in gleichem Masse relevant Die Zweitstimme wird einem Kandidaten einer offenen Liste gegeben entscheidet jedoch nur zusammen mit den Erststimmen des Kandidaten uber die Wahl Der von der Partei vergebene Listenrang eines Bewerbers hat keinen direkten Einfluss auf die Mandatschance Fuhrende Stimmkreiskandidaten deren Partei an der Funf Prozent Hurde scheitert erhalten kein Mandat Es werden keine Landeslisten aufgestellt sondern nur solche die sich auf je einen Regierungsbezirk hier Wahlkreis beziehen Es findet kein landesweiter Verhaltnisausgleich statt Siehe auch BearbeitenBayerischer Landtag Politisches System Bayerns Liste der Landtagswahlergebnisse in Bayern Liste der Wahl und Stimmkreise in Bayern WahlsystemLiteratur BearbeitenRainer A Roth Politische Landeskunde Freistaat Bayern 3 Auflage Bayerische Landeszentrale fur Politische Bildungsarbeit Munchen 2000 Frank Hofer Die politische Ordnung in Bayern 6 Auflage Bayerische Landeszentrale fur Politische Bildungsarbeit Munchen 2001 Enno Boettcher Reinhard Hogner Cornelius Thum Werner Kreuzholz Landeswahlgesetz Bezirkswahlgesetz und Landeswahlordnung Bayern Kommentar 18 Auflage Kohlhammer Deutscher Gemeindeverlag Stuttgart 2013 ISBN 978 3 555 01591 0 Cornelius Thum Michael Greiner Bayerisches Landeswahlrecht und Bezirkswahlrecht Kommentare Gemeinde und Schulverlag Bavaria Munchen 2003 ISBN 3 89382 207 0 Weblinks BearbeitenLandeswahlgesetz LWG Erlauterung des Landtagswahlsystems auf der Internetseite des Bayerischen Landtags Bayerisches Wahlrecht auf wahlrecht de Die bayerische Landtagswahl Erklarfilm des Bayerischen Rundfunks Verfassung des Freistaates BayernEinzelnachweise Bearbeiten Verfassung des Freistaates Bayern Art 75 Verfassung des Freistaates Bayern Art 14 Abs 1 Gesetz uber Landtagswahl Volksbegehren und Volksentscheid Landeswahlgesetz LWG Art 2 Gesetz vom 23 Mai 2022 GVBl S 218 Bericht der Bayerischen Staatsregierung uber die Veranderung der Einwohnerzahlen in den Wahl und den Stimmkreisen nach Art 5 Abs 5 des Landeswahlgesetzes vom 12 Oktober 2021 PDF 245 kB abgerufen am 10 Juni 2022 Bayerisches Wahlrecht auf wahlrecht de Stichwort Sperrklausel Bayerisches Wahlrecht auf wahlrecht de Stichwort Sitzzuteilungsverfahren abgerufen am 30 September 2018 Gesetz zur Anderung des Landeswahlgesetzes vom 23 Mai 2022 GVBl S 218 1 Nr 9 Christian Endt Bayern Wahlrecht konnte CSU und Freien Wahlern nutzen Abgerufen am 21 Juli 2021 a b Ritter Niehuss Wahlen in Deutschland S 132 Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 18 November 1954 Vf 93 IV 54 online Gesetz vom 25 Mai 1966 GVBl S 183 Gesetz vom 27 Juli 1973 GVBl S 417 Gesetz vom 19 Februar 1993 GVBl S 58 https www bundestag de blob 503226 eb02070236090c98b3ca24ce9dfc57fa finanz 16 data pdf Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bayerisches Landtagswahlsystem amp oldid 239404749