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Die Barockvioline auch gelegentlich Violine in alter Mensur oder Kurzhalsgeige genannt entspricht der gangigsten Bauweise und der Klangasthetik die in den ersten beiden Jahrhunderten nach dem ersten Auftreten der Violine ublich waren etwa 1580 1800 Das Instrument wird seit Ende der 1950er Jahre wieder verstarkt in Abgrenzung zur modernen Violine verwendet siehe Historische Auffuhrungspraxis Der Begriff Barockvioline ist eher neueren Datums und eigentlich kunsthistorisch nicht korrekt weil die Violine einige Jahrzehnte vor dem Beginn der Barockzeit in ihrer grundlegenden ausseren Form und Funktion entstanden ist Jakob Stainer 1658 Die heute vorhandenen sogenannten Barockviolinen lassen sich in drei Gruppen einteilen Original erhaltene Instrumente Diese gibt es allerdings nur in sehr geringer Zahl einzelne Teile wie Saitenhalter Bassbalken Steg u a sind ggf rekonstruiert Alte Instrumente die ab dem spaten 18 Jahrhundert bis in die 1950er Jahre umgebaut modernisiert wurden um sie den jeweils herrschenden Klangvorstellungen anzupassen und die spater in den ursprunglichen Zustand zuruckversetzt wurden Neue Instrumente Sie sind Repliken die nach verschiedenen alten Vorbildern gebaut werden Inhaltsverzeichnis 1 Unterschiede zur modernen Violine 2 Klang 3 Haltung und Spieltechnik 4 Historische Quellen fur die Spielpraxis 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseUnterschiede zur modernen Violine Bearbeiten nbsp Fruhbarocke Violine vor Violoncello da Spalla nbsp Unterschied der Position des Halses zwischen der Barock und der modernen ViolineDie Unterschiede der Barockvioline zur modernen Violine und Bratsche aber auch zu anderen Instrumenten der Violinfamilie sind Instrumente aus dem fruhen 17 Jahrhundert oder deren Nachbauten haben einen etwa 2 cm kurzeren Hals der das Spiel auf dem damals in der Armbeuge ruhenden Instrument erleichtert Um eine optimale Schwingungslange der Saite zu erreichen war der Steg ebenfalls 2 cm naher am Saitenhalter als im fruhen 18 Jahrhundert eine hochgewolbte Decke ein schlankerer Stimmstock ein kurzerer schlankerer Bassbalken manchmal aus der Decke herausgearbeitet ein kaum angewinkelter etwas breiterer flacherer aufgenagelter Hals ein kurzeres Griffbrett erst aus Buchsbaum spater aus Ahornholz gefertigt teils mit dunner Ebenholzauflage Dies mit den daruber genannten Merkmalen verlagert den Schwerpunkt der Violine ein anders geformter Saitenhalter mehrere Entwicklungsstufen im Laufe des 17 und 18 Jahrhunderts Bespannung mit Darmsaiten G Saite nach 1650 gelegentlich mit Silberdraht umsponnen ein bis zu 25 geringeres Gewicht eine andere Stegform Barocksteg in Hohe und Dicke eine etwas flachere Wolbung begunstigt das Akkordspiel 1 unterschiedliche Bogenformen langen gewichte und Gewichtsschwerpunkte Je nach Gegend fand man variierende Stimmungen zwischen 392 Hz und 466 Hz Details siehe Kammerton Die Mehrzahl der aktuellen Ensembles haben sich aus rein praktischen Grunden auf 415 Hz fur das barocke und auf 432 Hz fur das klassische Repertoire geeinigt Klang Bearbeiten nbsp Nachbau einer BarockviolineDer Klang der Barockgeige war im Gegensatz zur modernen Violine weniger genormt Es bestanden zum Teil erhebliche regionale Unterschiede in der Lautstarke Der franzosische Schriftsteller Francois Raguenet berichtete dass die Violinen in Italien bedingt durch dickere Saiten doppelt so laut klangen wie in Frankreich 2 Georg Philipp Telemann berichtet in seiner Biografie von Musik in Wirtshausern bei der eine hochgestimmte Violine ein halbes dutzend andre uberschreien konnte 3 Der amerikanische Musikwissenschaftler David D Boyden aussert in seinem Standardwerk zur Geschichte des Violinspiels von 1971 die Meinung man konne Ton und Klangqualitat der alten Violinen nicht in Worten beschreiben spekuliert aber dass der Ton kleiner weniger brillant susser und weniger metallisch gewesen sei 4 Eduard Melkus beschreibt 1973 den Klang der Barockvioline als weich transparent und silbrig der tragende und majestatische Klang der modernen Violine fehle jedoch 5 Nikolaus Harnoncourt charakterisiert den Ton der Barockvioline gegenuber dem modernen Instrument als leise aber von susser Scharfe 6 Haltung und Spieltechnik BearbeitenIm Gegensatz zum modernen Instrument wird die Barockvioline zumeist ohne Schulterstutze und Kinnhalter gespielt Das Instrument wird direkt auf das Schlusselbein oder die Schulter gelegt In selteneren Fallen wird es wie bis zu Beginn des 18 Jahrhunderts ublich und auf alten Abbildungen ersichtlich oberhalb der Brust gehalten Diese Haltungen erfordern eine grundlegend veranderte Technik der linken Hand beim Lagenwechsel Die andersartige Bauweise die Darmsaiten der historisch korrekte Bogen und die historische Spielweise fuhren zu einem sehr charakteristischen Klang der stark von dem der modernen Violine abweicht Sowohl die Beherrschung dieses Klangs als auch die entsprechende historische Auffuhrungspraxis und Spielhaltung erfordern eine darauf angepasste Spieltechnik die heute an den meisten Musikhochschulen und in Meisterkursen gelehrt wird Zu den moglichen unterschiedlichen Bogenhaltungen schrieb Georg Muffat im Jahre 1698 In Angreifung des Bogens spielen die meisten Teutschen indem sie die Haare mit dem Daumen nach Bedarf andrucken und seyend hierinnen von den Welschen als welche die Haare unberuhrt lassen unterschieden nbsp Haltung und tiefe Stegposition um 1620 nbsp Haltung an der Brust und in Armbeuge um 1650 nbsp Veracini Haltung auf dem Schlusselbein um 1700 nbsp Musiker spielen mit historischer GeigenhaltungHistorische Quellen fur die Spielpraxis BearbeitenEine der wichtigsten Grundlagen fur die originale Spielweise sind Notenhandschriften des 17 und 18 Jahrhunderts sowie historische Unterrichtswerke Aus dem deutschsprachigen Raum sind zu erwahnen Leopold Mozarts Versuch einer grundlichen Violinschule 1756 An junge Anfanger gerichtet ist das 1695 in Augsburg entstandene Lehrwerk Daniel Mercks 1650 1713 Compendium musicae instrumentalis Celicae kurtzer Begriff welcher Gestalten die Instrumental Music auf der Violin Pratschen Viola da Gamba und Bass grundlich und leicht zu erlernen seye Bezuglich der Besaitung schreibt Michael Praetorius 1619 in seinem Syntagma musicum II S 48 Abschnitt VIOLN DE BRACIO Deroselben Bass Tenor und Discantgeig welche Violino oder Violetta picciola auch Rebecchino genennet wird seynd mit 4 Saiten und werden alle durch Quinten gestimmet Und demnach dieselbige jedermann bekandt ist darvon ausser diesem dass wenn sie mit Messings und Stalenen Saiten bezogen werden einen stillen und fast lieblichen Resonanz mehr als die anderen von sich geben Der Versuch einer Anweisung die Flote traversiere zu spielen von Johann Joachim Quantz ist zwar in erster Linie fur die Querflote gedacht enthalt aber auch zahlreiche Hinweise zum barocken Spielstil der Streichinstrumente In Mailand erschien 1645 Il scolaro per imparar a suonare di violino von Gasparo Zanetti 1791 in Rom Francesco Galeazzis Elementi teoretico pratici di musica con un saggio l arte suonare il violino analizzata ed a dimonstrabilis principi ridotta John Lentons The Gentleman s Diversion or the Violin explained erschien 1698 in London 1751 schliesslich Francesco Geminianis L Arte del Violino das einen wichtigen Einfluss auf die damalige Violintechnik hatte In Frankreich erscheint 1636 Marin Mersennes Werk Harmonie Universelle um 1738 in Paris dann Michel Correttes L Ecole d Orphee in der er wichtige Anweisungen zur zeitgenossischen Interpretation des italienischen und franzosischen Stils gibt Das Werk L Art de se perfectionner sur le violon ist als Fortsetzung anzusehen Um 1740 erscheint Guillaume Pierre Duponts 1718 1778 Principes de violon par demandes et par reponce Fragen und Antworten zu den Prinzipien der Violine Giuseppe Tartini veroffentlichte 1771 in Paris Traite des agrements de la musique Mehr und mehr moderne Violinisten benutzen je nach Repertoire neben der modernen Violine die Barockvioline z B Christian Tetzlaff Thomas Zehetmair oder Maxim Wengerow Letzterer spielt immer wieder Mozarts Violinkonzerte oder das Beethovenkonzert auf der Barockvioline Andere namhafte Solisten entdecken die historische Auffuhrungspraxis und setzen die Spieltechnik der Barockviolinisten auf herkommlichen Instrumenten ein wie Viktoria Mullova mit dem Mailander Barockensemble Il Giardino Armonico Sie auch Einige namhafte Solisten und Padagogen in der Liste von Violinisten Literatur BearbeitenDas von Arnold Dolmetsch herausgegebene Werk The Interpretation of the Music of the XVIIth and XVIIIth Century London 1915 gehort zu den Erstwerken der Neuzeit uber die historische Auffuhrungspraxis David Dodge Boyden Die Geschichte des Violinspiels von seinen Anfangen bis 1761 1971 ISBN 3 7957 2100 8 Sol Babitz 1957 und 1970 Differences Between Eighteenth century and Modern Violin Bowing Early Music Laboratory Los Angeles Sol Babitz 1974 Violin Fingering Von Greta Moens Haenen Das Vibrato in der Musik des Barock Graz 1988 ISBN 3 201 01398 6 Deutsche Violintechnik im 17 Jahrhundert ISBN 3 201 01865 1 Versuch einer grundlichen Violinschule von Leopold Mozart Herausgeberin ISBN 3 7618 1238 8Weblinks BearbeitenThe Art of Playing on the Violin von Francesco Geminiani Ecole d Orphee von Michel CorretteEinzelnachweise Bearbeiten Eduard Melkus Die Violine 4 erweiterte uberarbeitete Auflage 2000 S 174 182 Francois Raguenet Parallele des Italiens et des Francois en ce qui regarde la musique et les operas 1702 Georg Philipp Telemann Autobiografie 1749 wikisource David D Boyden Die Geschichte des Violinspiels von seinen Anfangen bis 1761 Mainz 1971 Eduard Melkus Die Violine Mainz 1973 Nikolaus Harnoncourt Musik als Klangrede Wien 1982 S 186Normdaten Sachbegriff GND 7844008 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Barockvioline amp oldid 237559765