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Mit Autonome Pfalz werden die Versuche bezeichnet nach dem Ersten Weltkrieg die linksrheinische Pfalz als autonomen von Bayern unabhangigen Staat zu etablieren Wahrend der Zeit der franzosischen Besetzung nach dem Ersten Weltkrieg entwickelten sich separatistische Tendenzen zunachst mit dem Ziel eines eigenstandigen Staates im Verband des Deutschen Reiches spater auch zur Schaffung eines vom Reich unabhangigen und an Frankreich angelehnten Staates Verwaltung bzw Besatzung der westdeutschen Gebiete Ende 1923 Inhaltsverzeichnis 1 Pfalzische Republik 1 1 Eberhard Haass 1 2 Reaktionen Bayerns 2 Autonome Pfalz 2 1 Ursachen 2 2 Johannes Hoffmann 2 3 Franz Joseph Heinz 2 4 Sturm auf das Pirmasenser Bezirksamt 2 5 Ende der Autonomen Pfalz 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweisePfalzische Republik BearbeitenEberhard Haass Bearbeiten Schon im Herbst 1918 grundete der Chemiker Eberhard Haass in Landau den Bund Freie Pfalz Unterstutzt wurde Haass durch den franzosischen General Augustin Gregoire Arthur Gerard Im Mai 1919 forderte Haass den Regierungsprasidenten der Pfalz Theodor von Winterstein auf die Fuhrung der separatistischen Bewegung zu ubernehmen Da dieser sich verweigerte wurde er von den Besatzungsbehorden aus der Pfalz ausgewiesen Daraufhin rief Haass am 1 Juni 1919 die Pfalzische Republik aus und versuchte vergeblich das Regierungsprasidium in Speyer zu besetzen Der Zeitpunkt fur den Putsch war ausserst ungunstig gewahlt denn fur den gleichen Tag war in Speyer eine von den Besatzungsbehorden genehmigte Demonstration fur den Verbleib bei Bayern angesetzt an der mehr als 10 000 Menschen teilnahmen Wenig spater verlor Haass mit der Abberufung General Gerards seinen wichtigsten Unterstutzer der Bund Freie Pfalz war damit gescheitert Siehe auch Friedrich von Chlingensperg Reaktionen Bayerns Bearbeiten Um den Separatismus zu bekampfen und die Verbindung zur pfalzischen Verwaltung zu halten grundete die bayerische Regierung die Zentralstelle fur pfalzische Angelegenheiten und die Haupthilfsstelle fur die Pfalz Beide hatten ihren Sitz zunachst in Mannheim und spater in Heidelberg und waren damit knapp ausserhalb des franzosischen Besatzungsgebiets angesiedelt Die Einrichtungen ubernahmen auch einen Teil der Aufgaben der legitimen pfalzischen Regierung Kernziel war aber die Abwehr des pfalzischen Separatismus durch Presse und Propagandaveroffentlichungen durch die Kontaktaufnahme zu pfalzischen Personlichkeiten und Einrichtungen und auch durch Erhebung von nachrichtendienstlichen Informationen Gleichzeitig wurde bei der bayerischen Regierung der Posten eines Staatskommissars fur die Pfalz geschaffen Erster Amtsinhaber war von Winterstein ihm folgte Lorenz Wappes 1 Autonome Pfalz BearbeitenUrsachen Bearbeiten Die franzosisch belgische Ruhrbesetzung seit Fruhjahr 1923 und die dadurch entstandenen wirtschaftlichen Probleme insbesondere die Inflation standen am Anfang der zweiten Phase des pfalzischen Separatismus 2 Johannes Hoffmann Bearbeiten Im Oktober 1923 waren es zunachst einige pfalzische Sozialdemokraten unter Johannes Hoffmann die unterstutzt durch den Kommandeur der franzosischen Besatzungsmacht General Adalbert Francois Alexandre de Metz einen selbststandigen pfalzischen Staat im Verband des Deutschen Reichs schaffen wollten bis sie am Widerstand von Behorden und Parteien vor allem Hoffmanns Sozialdemokraten verweigerten sich einem Schulterschluss scheiterten Franz Joseph Heinz Bearbeiten nbsp Heinz 2 von links und Mitglieder seines Kabinetts 1923 nbsp Leiche von Heinz im Wittelsbacher Hof SpeyerIm Gegensatz dazu verfolgte Franz Joseph Heinz nach seinem Heimatort auch Heinz Orbis genannt wesentlich radikalere Ziele die Schaffung eines vom Reich unabhangigen und an Frankreich angelehnten Staates Mit Hilfe seines Pfalzischen Corps erlangte er zwischen dem 6 und 10 Oktober 1923 die Kontrolle uber die pfalzischen Stadte Kaiserslautern Neustadt an der Haardt und Landau 3 Nach der Kapitulation der Regierung der Pfalz rief Heinz am 12 November 1923 in Speyer die Autonome Pfalz im Verband der Rheinischen Republik aus In den nachsten Wochen fielen den Separatisten immer mehr pfalzische Stadte zu so etwa Edenkoben in der Nacht des 18 November Offenbar mit Billigung der bayerischen Regierung wurden Heinz und seine engsten Gefolgsleute unter ihnen Nikolaus Fussholler am 9 Januar 1924 im Gastzimmer des Speyerer Hotels Wittelsbacher Hof von Angehorigen des Bundes Wiking ermordet Abends sturmten unter dem Kommando von Edgar Julius Jung rund 20 Manner die uber den zugefrorenen Rhein gekommen waren den Speisesaal im Wittelsbacher Hof Die Attentater riefen Hande hoch es gilt nur den Separatisten und schossen die zusammen an einem Tisch essenden Manner sofort nieder Matthias Sand ein Bekannter von Heinz der bei den Pfalzer Autonomen sass wurde ebenfalls getotet Der unbeteiligte Geschaftsreisende Wilhelm Spankuss der zufallig am gleichen Tisch Platz genommen hatte verlor infolge eines Schusses quer durch den Mund zwei Backenzahne Bei dem anschliessenden Schusswechsel starben auch zwei der Angreifer Franz Hellinger und Ferdinand Wiesmann Jung wurde nur leicht verletzt und floh aus der Pfalz nach Munchen Nach der Tat bildete der bisherige Stellvertreter von Heinz der Fabrikbesitzer und Stadtrat aus Kirchheimbolanden Adolf Bley eine kurzlebige neue Regierung 4 Die Tat bedeutete aber letztlich das Ende der Separatisten die in der Bevolkerung wegen ihrer Durchsetzung mit Kriminellen sowie der Nahe zum franzosischen Staat nie beliebt waren und aufgrund finanzieller Probleme und der Tatsache dass die Beamtenschaft der bayerischen Regierung die Treue hielt nie die Verwaltung unter ihre tatsachliche Kontrolle bekommen konnten Die Morde wurden in der Zeit des Nationalsozialismus von der Staatsanwaltschaft als legaler Akt der Staatsnothilfe eingestuft Vorher wurde den beiden toten Attentatern 1932 auf Initiative von rechtsradikalen Sympathisanten sogar ein Denkmal auf dem Speyerer Friedhof gesetzt 5 6 In Kaiserslautern wurde eine Strasse nach Ferdinand Wiesmann benannt die jedoch spater wieder ihren alten Namen Schwanenstrasse zuruckerhielt 7 Sturm auf das Pirmasenser Bezirksamt Bearbeiten nbsp Das brennende Bezirksamt Pirmasens Nacht vom 12 zum 13 Februar 1924 nbsp Pirmasens Gedenktafel fur den 12 Februar 1924Der Schlusspunkt fur die Autonome Pfalz wurde mit dem von den franzosischen Truppen durch anfangliches Nichteingreifen begunstigten Sturm auf das Pirmasenser Bezirksamt am 12 Februar 1924 gesetzt Alle sechzehn im vor der Ersturmung in Brand gesteckten Bezirksamt anwesenden Separatisten die die Forderung einer Menschenmenge nach Wiederherstellung der Pressefreiheit mit Schussen und Handgranaten beantwortet hatten fielen bei der Ersturmung des Hauses oder wurden anschliessend gelyncht unter den Angreifern gab es sechs Tote und zwolf Schwerverletzte Ende der Autonomen Pfalz Bearbeiten Politisch war das Ende der Autonomen Pfalz schon zuvor weitgehend geklart 2 Das Verhaltnis zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich hatte sich Anfang 1924 mit dem Abschluss der MICUM Abkommen deutlich gebessert Zudem hatten sich am 11 Januar 1924 der Speyerer Bischof Ludwig Sebastian und der Kirchenprasident der Protestantischen Landeskirche der Pfalz Karl Heinrich Fleischmann 1867 1954 8 gegen eine Anerkennung der Autonomen Pfalz ausgesprochen Bereits im November 1923 hatte Lord Kilmarnock 1876 1928 britischer Oberkommissar bei der interalliierten Rheinlandkommission seiner Regierung eine Untersuchung der Situation vorgeschlagen Diese Anregung wurde nun von der britischen Regierung aufgegriffen in deren Auftrag Robert Henry Clive 1877 1948 9 britischer Generalkonsul in Munchen vom 14 bis 18 Januar 1924 die Pfalz bereiste Clive stellte dabei fest dass die Mehrheit der Bevolkerung die separatistische Regierung ablehne weil sie uber keine Regierungserfahrung verfuge und sich nur mit franzosischer Hilfe halten konne Auf diesen Bericht hin erreichte Grossbritannien die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der interalliierten Rheinlandkommission der vom 14 bis 16 Februar mit dem Kreisausschuss der Pfalz das Speyerer Abkommen aushandelte In diesem Abkommen wurden der Abzug der Separatisten und der Ubergang der Verwaltung auf die bayerische Kreisregierung geregelt Literatur BearbeitenGerhard Graber Matthias Spindler Die Pfalzbefreier Volkes Zorn und Staatsgewalt im bewaffneten Kampf gegen den pfalzischen Separatismus 1923 24 Pro Message Ludwigshafen Rhein 2005 ISBN 3 934845 24 X u a uber die Ermordung von Franz Joseph Heinz und den Sturm auf das Pirmasenser Bezirksamt 1924 Wilhelm Kreutz Karl Scherer Hrsg Die Pfalz unter franzosischer Besetzung 1918 19 1930 Institut fur pfalzische Geschichte und Volkskunde Kaiserslautern 1999 ISBN 3 927754 24 2 Ferdinand Schlickel Schauplatz pfalzischer Geschichte Der Wittelsbacher Hof Vor 50 Jahren Schusse im Speisesaal In Die Rheinpfalz Speyerer Rundschau funfteilige Serie beginnend am 8 Januar 1994 Gerhard Graber Matthias Spindler Revolverrepublik am Rhein Die Pfalz und ihre Separatisten Band 1 November 1918 November 1923 Pfalzische Verlags Anstalt Landau Pfalz 1992 ISBN 3 87629 164 X Dokumente aus dem Befreiungskampf der Pfalz Verlag Pfalzische Rundschau Ludwigshafen 1930 Aus der Besatzungszeit in Speyer 1918 1930 Stadtarchiv Speyer Speyer 1940 Bayerischer Staatskommissar fur die Pfalz Hrsg Die Pfalz unter franzosischer Besatzung von 1918 bis 1930 kalendarische Darstellung der Ereignisse vom Einmarsch im November 1918 bis zur Raumung am 1 Juli 1930 Suddeutsche Monatshefte Munchen 1930 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Autonome Pfalz Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Helmut Gembries Autonome Pfalz 1923 24 In Historisches Lexikon Bayerns Gerhard Graber Pfalzischer Separatismus In Historisches Lexikon Bayerns Kampf um die Republik 1919 1923 Separatismus Separatistenzeit in Altrip Celia Applegate A Nation of Provincials The German Idea of Heimat Berkeley University of California Press englisch Nationalsozialismus Rheinlandbesetzung und rheinischer SeparatismusEinzelnachweise Bearbeiten Lebenslauf von Lorenz Wappes a b Gerhard Graber Matthias Spindler 100 Tage Autonome Pfalz 1923 1924 In Die Pfalz unter franzosischer Besetzung 1918 19 1930 Wilhelm Kreutz Karl Scherer Hrsg Beitrage zur pfalzischen Geschichte Band 15 Institut fur Pfalzische Geschichte und Volkskunde Kaiserslautern 1999 ISBN 3 927754 24 2 S 187 199 Holger Gembries Historisches Lexikon Bayerns Pfalzischer Corps Wilhelm Kreutz Karl Scherer Die Pfalz unter franzosischer Besatzung S 191 ff Website des Historischen Vereins Speyer 25 Januar 2014 Denkmal erinnert an Attentat Steinerne Erinnerung an Ermordung des Separatistenfuhrers am 9 Januar 1924 Tanja Breitenbach Mainpost 18 Januar 2006 Rechtsradikaler Attentater oder Freiheitskampfer Memento vom 23 Februar 2020 im Internet Archive Alte Stadtansichten Album 19 Altes Bezirksamt Archiviert vom Original am 29 Dezember 2016 abgerufen am 28 Dezember 2018 Foto mit der damaligen Ferdinand Wiesmann Strasse vorher und spater wieder die Schwanenstrasse Zu Karl Heinrich Fleischmann siehe Friedhelm Hans FLEISCHMANN Karl Heinrich In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 31 Bautz Nordhausen 2010 ISBN 978 3 88309 544 8 Sp 454 456 Artikel Artikelanfang im Internet Archive am 2010 08 13 Friedhelm Hans Karl Heinrich Fleischmann 1867 1954 Konsistorialdirektor und pfalzischer Kirchenprasident In Blatter fur pfalzische Kirchengeschichte und religiose Volkskunde Band 70 2003 S 123 169 Robert Henry Clive auf thepeerage com abgerufen am 19 August 2015 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Autonome Pfalz amp oldid 238484804