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Die Arioi waren eine ordensahnlich strukturierte Geheimgesellschaft der Gesellschaftsinseln insbesondere der Insel Tahiti mit hierarchischer Gliederung esoterischer Heilslehre und kultischen und kulturellen Funktionen Ihr gehorten sowohl Manner als auch Frauen aller gesellschaftlichen Schichten an wenn auch die Zahl der Manner uberwog Die besondere Verehrung der Arioi galt dem Kriegsgott Oro den sie als Begrunder ihres Ordens ansahen Tahiti Kultplattform marae im Arahurahu TalIdol To o des Gottes Oro Inhaltsverzeichnis 1 Gesellschaft Polynesiens 2 Struktur 3 Initiation 4 Status 5 Funktionen des Ordens 6 Das Bild der Europaer 7 Nachfolgeorganisation 8 Geheimgesellschaften auf anderen Inseln 9 Literatur 10 EinzelnachweiseGesellschaft Polynesiens BearbeitenZum Verstandnis der Arioi und vergleichbarer Geheimgesellschaften auf anderen Inseln der Sudsee ist das Verstandnis der polynesischen Gesellschaftsordnung und Religion in klassischer Zeit d h vor der europaischen Entdeckung notwendig Im grossten Teil Polynesiens war die Gesellschaft streng hierarchisch gegliedert und in mehrere soziale Ebenen geschichtet Diese Abstufung war nicht uberall gleich ausgepragt man findet sie aber sowohl auf Tahiti als auch auf Samoa auf Hawaii den Marquesas den Austral Inseln den Cookinseln bis hin zur Osterinsel im entferntesten Zipfel des Polynesischen Dreiecks Im Wesentlichen gab es auf den Gesellschaftsinseln drei Kasten der Adel polynesisch ari i oder ariki an der Spitze der Gesellschaft Sie stellten die grossen Landbesitzer Ganz oben standen die ariki rahi dt die grossen Ariki die Souverane die sich aus den alten Adelsfamilien rekrutierten Auf Tahiti gab es deren acht die jeweils einem Stamm vorstanden Fur die Vererbung des Titels war weniger das Geschlecht sondern eher das Erstgeburtsrecht ausschlaggebend die Freien polynesisch raatira das waren im Wesentlichen die Kleingrundbesitzer Handwerker Bootsbauer Tatowierer und Kunstler Im Kriege waren sie die engsten Gefolgsleute der Ariki Die Grenzen zwischen den Raatira und den untersten Stufen des Kleinadels waren fliessend die Horigen polynesisch manahune die die Felder in Abhangigkeit von den Grundherren bestellten Die Produkte mussten sie grosstenteils abfuhren Das Herrschaftssystem der Gesellschaftsinseln zeigt sowohl Merkmale der mittelalterlich europaischen Feudalgesellschaft als auch der Kastengesellschaft hinduistischer Pragung Struktur BearbeitenDie Struktur des Ordens der Arioi war ein Spiegelbild der hierarchischen Gesellschaft Tahitis Es gab mehrere Grade Moerenhout spricht von acht Graden 1 in die man durch Initiation aufsteigen konnte Gestaltete sich die Aufnahme in den Orden zunachst relativ einfach so war der Aufstieg mit wachsenden Anforderungen verbunden Theoretisch standen alle Stufen allen sozialen Gruppen offen in der Praxis aber waren die hochsten Range der Arioi den hochsten Adelsrangen vorbehalten Die oberen Range waren von Priestern besetzt meist nachgeborene Sohne und Tochter der hoherrangigen Adelsfamilien die Garantie dafur dass die Arioi die besondere Stutze der absolutistisch regierenden Herrscherhauser bildeten Jede der Gesellschaftsinseln hatte ihre eigene Arioi Gruppe die jeweils mit einer besonderen Kultstatte Marae verbunden war und eigene Ordensobere Das allerhochste Oberhaupt war der Ordensobere von Raiatea da sich dort der Marae Taputapuatea die heiligste aller Kultplattformen Polynesiens befand Auf den Gesellschaftsinseln gab es besondere Hauser in denen die Arioi lebten in denen sie sich trafen und die bei Besuchen von Arioi anderer Inseln als Gastehauser dienten Fur Tahiti wurden 27 Arioi Hauser verzeichnet 2 Initiation BearbeitenIn den Bund konnten Angehorige aller Gesellschaftsschichten aufgenommen werden Wer Mitglied werden wollte musste von Oro besessen sein Das zeigte sich daran dass er im Trancezustand in eine Versammlung der Arioi hereindrangte Betrachteten die Arioi den Kandidaten als passend war er aufgenommen Ausschlaggebend waren dabei vor allem korperliche Schonheit Kenntnis religioser Texte und Geschicklichkeit in der Rezitation im Tanz und der Pantomime Mit der Initiation erwarb das Neumitglied das Recht Tapa Rindenbaststoffe in bestimmten Farben und Tatowierungen zu tragen beginnend mit einem ringformigen kleinen Muster um den Fussknochel Mit dem Aufstieg in hohere Range wurden die Tatowierungen immer kunstvoller und umfangreicher Regierende Hauptlinge gehorten den Arioi ohne weiteres an und mussten sich der Initiation und dem muhsamen Aufstieg nicht unterziehen Status BearbeitenDie Arioi lebten solange sie nicht verheiratet waren in geschlechtlicher Ungebundenheit ein Verhalten das den pruden Missionaren des 19 Jahrhunderts besonders anruchig erscheinen musste Nach Begrundung einer ehelichen Gemeinschaft endete allerdings die Promiskuitat Die Verbindungen der Arioi mussten kinderlos bleiben in einer Gesellschaft deren Religion wesentlich von Fruchtbarkeitskulten gepragt war eher ein Widerspruch Wurde ein Kind erwartet wurde es abgetrieben oder sofort nach der Geburt getotet Der hauptsachliche Grund fur Kindstotungen war das Bestreben Nachkommen von hohergestellten Personen mit solchen niedrigeren Standes zu verhindern um die Herrscherlinien rein zu erhalten Ein weiterer Grund durfte in der Eigentumlichkeit zu suchen sein dass in der polynesischen Gesellschaft der erstgeborene Sohn automatisch einen Teil des Ansehens des Vaters erbt und der Vater somit durch dessen Geburt an Ansehen verliert Im allgemeinen bleiben sie in der Gesellschaft bis zum Alter von 30 bis 35 Jahren tatig Dann lassen sie eines ihrer Kinder leben und schliessen sich dadurch von allen Vorrechten eines Arioi aus William Ellis Zuverlassige Nachrichten von der dritten und letzten Reise der Capitains Cook und Clerke in den koniglichen Schiffen Resolution und Discovery in den Jahren 1776 1780 Aus dem Englischen ubersetzt Frankfurt 1783Funktionen des Ordens BearbeitenDie Funktionen des Ordens innerhalb der polynesischen Gesellschaft waren sowohl von religioser als auch von machtpolitischer Bedeutung letzteres durch Reprasentation und Prachtentfaltung zum Ruhm der Herrscherhauser Da die Berichte europaischer Entdecker und Missionare sich naturgemass auf die offentlich wahrnehmbaren Handlungen beschranken mussten und Aussenstehende von den Riten an den Marae durch Tabuisierung ausgeschlossen waren ist nicht bekannt welche Rolle dabei die Arioi spielten Fest steht jedoch dass sie in bedeutendem Umfang in alle religiosen Handlungen eingebunden waren Offentlich wahrnehmbar war die Einbindung der Arioi in die grossen oft mehrere Tage dauernden Feste Die Reputation der Ariki hing wesentlich von der grosszugigen Distribution von Gaben an das Volk ab Die von den Horigen abgelieferten Produkte wurden meist unter Prachtentfaltung im Rahmen aufwendig gestalteter Feste auch wieder verteilt Dies diente der Selbstdarstellung und Reprasentation je grosszugiger sich ein Hauptling dabei verhielt desto hoher war sein Prestige Die Gestaltung solcher Feste mit Tanzdarbietungen Schauspielen und Gesang war wesentlich die Aufgabe der Arioi Sie profitierten andererseits auch von den dabei verteilten Gaben und wurden ausserdem mit Tapa Rindenbaststoff belohnt Die aufwendigsten Feste waren die Besuche der Arioi auf anderen Inseln James Cook war 1774 Zeuge eines solchen Ereignisses Eine grosse Flotte von prachtig geschmuckten Booten in jedem etwa 50 Arioi war von der Insel Huahine nach Raiatea gekommen Am Mittag des 24 Mai ankerten wir im Hafen der Insel Ulietea Raiatea Auf dem Strande lagen eine Menge von Kanus und jede Hutte beherbergte soviel Menschen als sie fassen konnte Es waren Erroys Arioi Mitglieder jener Gesellschaft die eng zusammenhalt und die hier eine ihrer Zusammenkunfte veranstaltete Sie ziehen zuweilen von einer Insel zur anderen schmausen zechen und geben sich Ausschweifungen hin Es waren lauter Leute von Stande Hauptlinge wie es schien Sie waren in siebzig Kanus von Huahine gekommen und hatten sich Massen von Lebensmitteln und Pfefferwurzeln fur die Kava Zubereitung mitgebracht James Cook Cooks Fahrten um die Welt Bericht nach seinen Tagebuchern Leipzig 1966 S 232 233 Vor allem aber waren die Arioi Huter und Weitertrager der Tradition In einer Gesellschaft die keine Schrift kannte war es wichtig die religiosen Texte durch standige Rezitation offentlich zu verkunden zu bewahren und zu verbreiten Nicht zu unterschatzen ist deren Ventilfunktion innerhalb des sozialen Gefuges Die absolutistische Herrschaft der Ariki duldete normalerweise keinerlei Einwand Die Arioi genossen jedoch wahrend ihrer Auffuhrungen weitgehend Narrenfreiheit sodass sie auf spielerische und scherzhafte Weise Kritik an den weltlichen und religiosen Oberen uben konnten Das Bild der Europaer BearbeitenIn den Darstellungen der fruhen europaischen Besucher die bis in das 20 Jahrhundert hinein unser Bild der Sudsee Gesellschaften dominierten wurden die erotischen Aspekte der Arioi Kultur betont ja uberbetont Dabei muss man berucksichtigen dass diese Berichte uberwiegend von Missionaren stammten und selbst wissenschaftlich gebildete Reisende wie Forster und Moerenhout fest in der pruden Gesellschaft des spaten 18 und 19 Jahrhunderts verwurzelt waren Als Beispiel dafur mag die folgende Beschreibung der Arioi aus dem Tagebuch James Cooks von seiner ersten Reise 1769 gelten Viele dieser Leute schliessen intime Bindungen und leben jahrelang als Mann und Frau zusammen und die Kinder welche in dieser Zeit geboren werden erleiden den Tod Sie sind soweit davon entfernt dieses Tun zu verbergen dass sie darin eher eine Art von Freiheit erblicken auf welches sie sich etliches zugute halten Sie werden Arreois genannt und halten Treffen ab bei welchen sich die Manner mit Ringkampfen etc amusieren und die Frauen fuhren derweil den genannten unschicklichen Tanz auf in dessen Verlauf sie ihren Begierden freien Lauf lassen doch wie ich glaube den Anschein der Schicklichkeit wahren James Cook Entdeckungsfahrten im Pacific die Logbucher der Reisen 1768 1779 Ubersetzung aus dem Englischen Tubingen Basel 1971 Fruchtbarkeitskulte nahmen eine zentrale Rolle in der polynesischen Religion ein Insoweit waren alle den Europaern freizugig erscheinenden Verhaltensweisen eng mit religiosen Handlungen verknupft Nachfolgeorganisation BearbeitenDie europaische Missionierung der Gesellschaftsinseln in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts bedeutete das Ende der Arioi Sie wurden wegen ihrer Praktiken die entschieden im Gegensatz zur christlichen Lehre standen von den Missionaren erbittert bekampft Das Ende kam aber nicht plotzlich Unter teilweiser Einbeziehung christlichen Gedankengutes ansonsten aber traditionell polynesischer Strukturierung formierte sich als Nachfolger die Gruppe der Mamaia Der Name bedeutet faule Frucht und wurde diskriminierend gebraucht Die Sekte entstand 1826 auf Tahiti Initiatoren waren zwei einheimische Diakone der London Missionary Society namens Teao und Hue Die chiliastische Bewegung brachte visionare Propheten hervor die angeblich Gottes und Marienerscheinungen hatten aber auch behaupteten von Oro und Tane besessen zu sein 3 1831 gelang es den Mamaia die Missionare von der Insel Raiatea vorubergehend zu vertreiben Auch auf Tahiti kam es 1832 zu Aufstanden die jedoch mit Hilfe der Franzosen blutig unterdruckt wurden 1833 wurden die Mamaia von Tahiti verbannt Nach dem Tod von Teao 1842 verlor sich die Bewegung Geheimgesellschaften auf anderen Inseln BearbeitenMit den Arioi teilweise vergleichbare Gesellschaften finden sich auch auf andern Inseln Polynesiens und Melanesiens so zum Beispiel die Kaioi auf den Marquesas die Hula Schulen halau auf Hawaii hinsichtlich der Frauen die aualuma und taupou die Madchengemeinschaften von SamoaLiteratur BearbeitenWilhelm Emil Muhlmann Arioi und Mamaia Eine ethnologische religionssoziologische und historische Studie uber polynesische Kultbunde Franz Steiner Verlag Wiesbaden 1955 Wilhelm Emil Muhlmann Die geheime Gesellschaft der Arioi eine Studie uber polynesische Geheimbunde mit besonderer Berucksichtigung der Siebungs und Auslesevorgange in Alt Tahiti Brill Verlag Leiden 1932 Hans Nevermann Gotter der Sudsee Spemann Verlag Stuttgart 1947Einzelnachweise Bearbeiten J A Moerenhout Voyages aux iles du Grand Ocean Paris 1837 T Henry Ancient Tahiti Berenice P Bishop Museum Bulletin 48 Honolulu 1928 Gerhard Muller Horst Balz Gerhard Krause Hrsg Theologische Realenzyklopadie Band 27 Berlin 1997 S 32 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Arioi amp oldid 236016534