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Ammonit der Gattung Oppelia mit Aptychus der Formgattung Lamellaptychus in der Wohnkammer Solnhofener Plattenkalk Breite des Bildausschnittes ca 10 cmAptychen Sing Aptychus sind bilateralsymmetrische Fossilien die meist isoliert bisweilen aber in sehr engem Zusammenhang mit Resten von modernen Ammoniten Neoammonoidea gefunden werden Daher gelten sie als Korperteile dieser ausgestorbenen Kopffusser Sie tauchen im oberen Unterjura Toarcium relativ kurze Zeit nach den ersten Neoammonoideen im Fossilbericht auf und verschwinden zusammen mit allen Ammoniten an der Kreide Palaogen Grenze Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie und Geschichte 2 Merkmale Nomenklatur und Funktion 3 Anaptychen 4 Systematischer Nutzen 5 Quellen 5 1 Allgemein 5 2 Einzelnachweise 6 WeblinksEtymologie und Geschichte Bearbeiten nbsp nbsp Links Isolierte Klappen von Laevaptychus longus abgebildet als Muschelklappen Tellinoides in Scheuchzers Specimen Litographiae Helveticae Curiosae 1702 Rechts Aptychus laevis latus heute Laevaptychus latus in der Wohnkammer eines undeutlich erhaltenen Ammoniten abgebildet in von Meyers pragender Arbeit aus dem Jahr 1829 Der Name Aptychus wurde 1829 gepragt von dem seinerzeit noch relativ jungen bedeutenden deutschen Palaontologen Hermann von Meyer Er ist ein latinisiertes Kompositum aus Alpha privativum und dem griechischen Wort ptyxos ptychos das soviel wie Falter bedeutet Das Kompositum bedeutet demnach Unfalter Meyer wollte mit diesem Namen die zweiklappige Ausbildung dieser Fossilien zum Ausdruck bringen die zwar an bestimmte wirbellose Tiere insbesondere Muscheln erinnert aber von ihm als andersartig erkannt wurde 1 Bereits deutlich vorher im fruhen 18 Jahrhundert aber auch noch zu Beginn des 19 Jahrhunderts waren Aptychen von verschiedenen Naturforschern tatsachlich als Muscheln unter Namen wie Tellinoides Scheuchzer 2 und Tellinites Schlotheim 3 beschrieben worden Meyer 1829 ordnete seine Aptychen einem eigenstandigen ausgestorbenen Zweig der Mollusken zu raumte aber schon ein dass von ihm gemachte Beobachtungen an Stucken aus dem Solnhofener Plattenkalk den alternativen Schluss zuliessen dass es sich bei den Biscuit formigen Gebilden die er als den Weichkorper des Aptychentieres interpretierte um quer angeschnittene Ammoniten handeln konnte 1 Andere zeitgenossische Autoren deuteten die Aptychen immerhin als Hartteile von Kopffussern wenngleich nicht von Ammoniten Wieder andere hielten sie fur Schadelelemente von Knochenfischen und nannten sie daher Ichthyosiagones von ἰx8ys ichthys Fisch und siagwn siagon Kinnbacken 4 Es war der Franzose Philippe Louis Voltz der 1837 als erster offentlich mit einer gewissen Uberzeugung die Hypothese vertrat dass Aptychen Korperteile von Ammoniten sind und diese untermauerte indem er unter anderem zeigte dass bestimmte Aptychen Arten nur mit bestimmten Ammonitenarten assoziiert sind und dass das Verhaltnis der Grosse eines Aptychus zur Grosse des Ammoniten mit dem er assoziiert ist stets ungefahr gleich ist 5 Wahrend sich in den folgenden Jahrzehnten diese Ansicht sowie auch die Bezeichnung Aptychen allgemein durchsetzte entbrannte eine Kontroverse darum um welche Korperteile der Ammoniten es sich eigentlich handelt und welche Funktion sie erfullten So wurde besonders in den 1880er Jahren die Deutung als Schutzdeckel paarig angelegter Nidamentaldrusen Eischalendrusen in der Mantelhohle in der Fachwelt intensiv diskutiert 6 Heute gelten sie allgemein als modifizierte Unterkiefer doch uber ihre genauen Funktionen herrscht nach wie vor keine Einigkeit siehe unten Diese beiden Namen weisen auf eine Deutung der entsprechenden Stucke als Tellmuscheln durch die jeweiligen Autoren hin Details dazu bzw allgemeine Kurzuberblicke uber die diversen Vermutungen zur taxonomischen Affinitat der Aptychen bis mindestens zu den fruhen 1830er Jahren finden sich bei Meyer 1831 7 Bronn 1838 4 und Trauth 1927 6 Merkmale Nomenklatur und Funktion Bearbeiten nbsp Schematische Darstellung einer Aptychenvalve mit Bezeichnung der MorphologieelementeSofern sie nicht durch taphonomische Prozesse voneinander getrennt werden bilden Aptychen ein Paar gewolbter annahernd ungleichschenklig dreieckiger Platten Klappen Valven deren konkave Innenflachen glatt sind und deren konvexe Aussenflachen je nach Abkunft divers skulpturiert sein konnen Da die Valven eine gewisse Dicke haben ergeben sich schmale Randflachen die Facetten genannt werden Im Hinblick auf die drei Seiten eines Valvums wird jene Facette an der die beiden Valven eines Aptychus aneinanderliegen symphysiale oder harmonische Facette genannt Sie ist durch zwei scharfe Knicks die Terminal und die Apikalkante deutlich von den beiden benachbarten Facetten abgegrenzt Die Apikalkante trennt die Symphysialfacette von der Internfacette An letztere schliesst sich nach einer relativ scharfen Biegung der Umbonal oder Umbilikalkante die Lateralfacette an auf die nach einer schwachen Biegung der Marginalkante die Externfacette folgt die von der Symphysialfacette durch die Terminalkante getrennt ist Die Internfacette entspricht somit der kurzesten Lateral und Externfacette die fliessend ineinander ubergehen konnen der langsten Seite des ungleichschenkligen Dreiecks Die Schnittlinien von Facetten und Aussenflachen der Valven heissen Kanten engl margins die der Facetten und Innenflachen werden Rander engl edges genannt Zumindest die Innenflache zeigt in der Regel konzentrische Anwachsstreifen die parallel zu Lateral und Externrand verlaufen Bei relativ deutlich ausgepragter Marginalkante erstreckt sich an der Aussenflache unabhangig von einer Skulpturierung zwischen Apikal und Marginalecke ein Rucken der Kiel genannt wird Die von der Kiellinie zum Symphysialrand geneigte Flache wird Kielhang engl auch adharmonic slope genannt die zum Lateralrand abfallende Flache wird Flankenhang genannt Dabei kann zwischen Kiellinie und Flankenhang noch eine Flankendepression ausgebildet sein Dieses Relief wird als Negativ von der Innenflache nachvollzogen 6 8 9 Insgesamt erinnert ein vollstandig erhaltener Aptychus im Aussehen an eine klaffende Muschel Allerdings fehlen den Aptychen charakteristische Muschelmerkmale wie das Schloss Klappengelenk sowie auf den Innenseiten der Valven die Ansatznarben der Schliessmuskeln und die Mantellinie Im Gegensatz zum aragonitischen Gehause der Ammoniten sind Aptychen calcitisch und daher in der Regel als Originale uberliefert Da die Erhaltung eines Aptychus gemeinsam mit dem Gehause in situ jedoch relativ selten ist war zunachst vor allem die systematische Zuordnung siehe Etymologie und Geschichte und spater die Funktion der Aptychen lange Zeit vollig unklar nbsp Schematische Rekonstruktion des Weichkorpers eines Ammoniten im Langsschnitt mit Darstellung des Aptychus als sowohl funktioneller Unterkiefer als auch als GehausedeckelBei extrem guter Erhaltung sind Aptychen in der Wohnkammer von Ammoniten zusammen mit organischen bisweilen schwach mineralisierten hakenschnabelartigen Strukturen uberliefert die als obere dorsale Kieferelemente gedeutet werden wobei sich zwischen beiden Reste der Radula finden konnen Dies gilt als relativ zweifelsfreier Beleg dafur dass es sich bei Aptychen anatomisch um die unteren ventralen Elemente des Kieferapparates von Ammoniten handelt Zudem gilt wegen der Ubereinstimmung von Grosse und Form von Aptychen mit denen der Gehausemundungen der Ammoniten mit denen sie jeweils zusammen gefunden wurden eine sekundare Funktion als Operculum Gehausedeckel als wahrscheinlich Des Weiteren diskutiert wurde und wird eine sekundare Funktion als Ballast um die Mundung nach unten auszurichten oder um den Korperschwerpunkt des Tieres moglichst weit nach unten ventrad zu verlagern und so seine Stabilitat in der Wassersaule zu erhohen 10 als hydrodynamisches Organ fur die Dampfung der Rotationsbewegungen des Gehauses als unerwunschter Nebeneffekt des Ruckstossantriebs oder fur die Erzeugung einer turbulenten Stromung mittels derer die Sedimentoberflache aufgewirbelt wurde um darauf befindliche Tiere zwecks Erbeutung in die Wassersaule zu befordern englisch flushing sowie eine Kombination aus primarer und oder mehreren sekundaren Funktionen 11 12 Eine bei einigen Arten festgestellte Reduktion der Oberkiefer legt nahe dass zumindest bei diesen die Funktion des Aptychus als Unterkiefer weitgehend verloren gegangen sein durfte und er nur noch sekundare Funktionen insbesondere die als Gehausedeckel erfullte 13 Von Symphyse als Bezeichnung fur eine relativ mobile gemeinsame Nahtstelle paariger Skelettelemente vgl Symphyse in der Wirbeltierantomie Anaptychen BearbeitenNeben den fossil gut erhaltungsfahigen calicitschen Platten besteht ein Aptychus ursprunglich auch aus einer chitinosen Struktur auf der die beiden Platten auflagen Diese Struktur ist manchmal als schwarzlicher Uberzug auf der unskulpturierten Innenflache der kalkigen Aptychen erhalten Sie ist homolog den unmineralisierten grossen Unterkiefern die von mehreren oft pra jurassischen Ammonoideen bekannt sind und als Anaptychen bezeichnet werden Hierbei sind Anaptychen mit ausgepragtem Rostrum das heisst mit einer hakenformigen Spitze von solchen mit stark reduziertem Rostrum zu unterscheiden wobei letztgenannte ausschliesslich post triassisch bekannt sind 14 Im engeren Sinn werden nur die unmineralisierten Unterkiefer mit stark reduziertem Rostrum als Anaptychen Anaptychus type morphotype bezeichnet wahrend solche mit ausgepragtem Rostrum normale Unterkiefer normal type morphotype genannt werden 14 Da Aptychen sich durch die Reduktion des Rostrums auszeichnen durften sie sich von ebensolchen Anaptychen ableiten Auch diese fungierten wahrscheinlich sekundar schon als Gehausedeckel Calcitische Aptychen und organische Anaptychen werden auch als Aptychen sensu lato zusammengefasst wobei fur die calcitischen Aptychen sensu stricto die Bezeichnung Diaptychen vorgeschlagen wurde 15 Systematischer Nutzen BearbeitenEinschluss von Merkmalen der Aptychen in kladistische Verwandtschaftsanalysen der Neoammonoideen erbrachten dass alle aptychentragenden Formen eine monophyletische Gruppe bilden die Aptychophora genannt wurde Zudem fuhrte die Inklusion der Aptychenmerkmale zu einer besseren Auflosung der Verwandtschaftsverhaltnisse innerhalb bestimmter Untergruppen der Neoammonoideen 16 Quellen BearbeitenAllgemein Bearbeiten Ulrich Lehmann Gero Hillmer Wirbellose Tiere der Vorzeit 4 neubearbeitete und erweiterte Auflage Enke Stuttgart 1997 ISBN 3 8274 1258 7 S 144 f Aptychen im Spektrum Online Lexikon der GeowissenschaftenEinzelnachweise Bearbeiten a b Herrmann von Meyer Das GenusAptychus Nova Acta Physico Medica Academiae Caesareae Leopoldino Carolinae Naturae Curiosum Bd 15 Teil 2 1829 S 125 170 BHL Johann Jakob Scheuchzer Specimen Litographiae Helveticae Curiosae Buchdruckerei David Gessner Zurich 1702 doi 10 3931 e rara 12116 S 21 Ernst Friedrich von Schlotheim Die Petrefactenkunde auf ihrem jetzigen Standpunkte Becker sche Buchhandlung Gotha 1820 HathiTrust S 182 ff a b Heinrich Georg Bronn Ichthyosiagones S 86 in A G Hoffmann Hrsg Allgemeine Encyclopadie der Wissenschaften und Kunste Section Zwei H N Funfzehnter Theil Ibaba Jesztreb F A Brockhaus Leipzig 1838 GDZ Philippe Louis Voltz Zweiter Vortrag uber das GenusAptychus Jahrbuch fur Mineralogie Geognosie Geologie und Petrefaktenkunde 8 Jhrg 1837 S 432 402 BSB OPACplus a b c Friedrich Trauth Aptychenstudien I Uber die Aptychen im Allgemeinen Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien Bd 41 1927 S 171 259 PDF 9 0 MB Herrmann von Meyer Das GenusAptychus Jahrbuch fur Mineralogie Geognosie Geologie und Petrefaktenkunde 2 Jhrg 1831 S 391 402 BSB OPACplus Lucie Mechova Zdenek Vasicek Vaclav Housa Early Cretaceous ribbed aptychi a proposal for a new systematic classification Bulletin of Geosciences Bd 85 Nr 2 2010 S 219 274 online Abb 2 Patrick Zell Wolfgang Stinnesbeck Seija Beckmann Late Jurassic aptychi from the La Caja Formation of northeastern Mexico Boletin de la Sociedad Geologica Mexicana Bd 68 Nr 3 2016 S 515 536 PDF 8 5 MB Abb 4 letztgenanntes wird zumindest fur Arten mit stark verkalkten Aptychi in den Familien Aspidoceratidae und Oppeliidae unter Ausschluss einer Funktion als Operculum favorisiert von Gunter Schweigert First three dimensionally preserved in situ record of an aptychophoran ammonite jaw apparatus in the Jurassic and discussion of the function of aptychi S 321 330 in Rolf Kohring Frank Riedel Kerstin Zobel Hrsg Zum 60 Geburtstag von Helmut Keupp Berlin 2009 Berliner palaobiologische Abhandlungen Bd 10 Freie Universitat Berlin 2009 PDF 750 kB Horacio Parent Gerd E G Westermann John A Chamberlain Jr Ammonite aptychi Functions and role in propulsion Geobios Bd 47 Nr 1 2 2014 S 101 108 doi 10 1007 s13358 015 0102 1 alternativer Volltextzugriff ResearchGate Horacio Parent Gerd E G Westermann Jurassic ammonite aptychi functions and evolutionary implications Swiss Journal of Palaeontology Bd 135 Nr 1 2016 S 101 108 doi 10 1007 s13358 015 0102 1 Helmut Keupp Complete ammonoid jaw apparatuses from the Solnhofen plattenkalks implications for aptychi function and microphagous feeding of ammonoids Neues Jahrbuch fur Geologie und Palaontologie Abhandlungen Bd 245 Nr 1 2007 S 93 101 doi 10 1127 0077 7749 2007 0245 0093 a b Kazushige Tanabe Isabelle Kruta Neil H Landman Ammonoid Buccal Mass and Jaw Apparatus S 429 484 in Christian Klug Dieter Korn Kenneth De Baets Isabelle Kruta Royal H Mapes Hrsg Ammonoid Paleobiology From Anatomy to Ecology Topics in Geobiology Bd 43 Springer 2015 ISBN 978 94 017 9629 3 doi 10 1007 978 94 017 9630 9 10 Kapitel alternativer Volltextzugriff ResearchGate Fig 10 4 und S 456 ff Calvin J Frye N Rodney M Feldmann North American Late Devonian cephalopod aptychi Kirtlandia Bd 46 1991 S 49 71 BHL S 50 Theo Engeser Helmut Keupp Phylogeny of the aptychi possessing Neoammonoidea Aptychophora nov Cephalopoda Lethaia Bd 35 Nr 1 2002 S 79 96 doi 10 1111 j 1502 3931 2002 tb00070 x Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Aptychi Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aptychus amp oldid 223915619