www.wikidata.de-de.nina.az
Die Antigenerbsunde englisch original antigenic sin 1 bezeichnet ein Phanomen der antiviralen Immunantwort Heute wird von vielen die Bezeichnung immunologische Pragung dem religios angehauchten Begriff der Erbsunde vorgezogen 2 Kommen Individuen die zuvor schon einmal mit einer Virusvariante infiziert wurden mit einer zweiten Variante dieses Virus in Kontakt so besteht eine Tendenz des Immunsystems Antikorper nur gegen solche Epitope zu bilden mit der es zuerst in Kontakt gekommen ist 3 Dies kann unabhangig davon passieren wenn die zweite Variante andere hoch immunogene Epitope tragt Generell unterdrucken die Antikorper gegen die ersten Virusvariante die Reaktionen naiver B Zellen die eine Spezifitat fur die neuen Epitope haben 1 Schematische Darstellung der AntigenerbsundeDer Erstkontakt mit einem Virus hat infolgedessen einen pragenden Einfluss auf die Immunantwort gegen spatere Infektionen mit Varianten dieses Virus Dieser ist bei Zweitinfektionen mit Virusvarianten und bei der Impfstoffentwicklung von Bedeutung 4 Die Antigenerbsunde fuhrt zu einer Beschleunigung der Immunantwort auf Kosten der Breite und Anpassungsfahigkeit der Immunantwort Inhaltsverzeichnis 1 Eigenschaften 2 Geschichte 3 Literatur 4 EinzelnachweiseEigenschaften BearbeitenBei einer Erstinfektion mit einem Krankheitserreger werden im Zuge der adaptiven Immunantwort sowohl von B Zellen ausgeschuttete Antikorper als auch zytotoxische T Zellen gebildet die jeweils spezifisch an einen Teil des Erregers Epitop binden Nach der Infektion verbleiben fur beide Teile der adaptiven Immunantwort B und T Zellen Gedachtniszellen Bei Antikorpern sind das B Gedachtniszellen und bei zytotoxischen T Zellen T Gedachtniszellen Bei einer erneuten Infektion mit einer Variante des Erregers werden vor allem Antikorper und zytotoxische T Zellen gebildet die auch an Teile des ursprunglichen Erregers des Erstkontakts kreuzreagieren 5 6 Epitope die bei der neuen Variante neu aufgetreten sind und im ursprunglichen Erreger nicht vorkommen erzeugen dagegen nur wenige T und B Zellen und daher eine schwachere Immunreaktion dagegen 7 Durch zufallige Mutation Antigendrift entstehen standig Varianten des Erregers von denen die funktionierendsten Varianten sich weiter ausbreiten Die besser funktionierenden Varianten umfassen Mutationen die eine Erhohung der Replikationsrate und Infektivitat Mutationen zur Erhohung der Fitness oder solche die zu einer Immunevasion fuhren Fluchtmutationen Wenn die Mutation in einem Epitop auftritt fuhrt sie oftmals zu einer schlechteren Erkennung durch praexistierende Teile des adaptiven Immunsystems weshalb diese Form der Mutation als Fluchtmutation bezeichnet wird Die Affinitat der Antikorper gegen neue Teile der Variante ist vergleichsweise niedriger als gegen dieselben Teile im Erreger der Erstinfektion Bei der Antigenerbsunde werden im Verlauf der erneuten Infektion vor allem solche Antikorper gebildet die auch an die Epitope des ursprunglichen Erregers binden Ebenso tritt dieser Effekt auch bei wiederholten Impfungen mit leicht veranderten Impfstoffen auf wodurch die Impfstoffwirksamkeit gegen neue Varianten schwacher ausfallen kann 8 Dadurch bleibt einerseits die Affinitat der Antikorper gegen diese Epitope erhalten aber durch Fluchtmutationen werden weniger affine Antikorper und weniger neu gereifte Antikorper gegen die veranderten Epitope gebildet Da Gedachtniszellen ein paar Tage schneller reaktiviert werden konnen als naive B Zellen eine adaptive Immunantwort gegen ein neues Epitop durchlaufen und vervielfaltigt werden fuhrt die Antigenerbsunde zu einer Beschleunigung der Immunantwort auf Kosten der Breite und Anpassungsfahigkeit der Immunantwort Daneben wurde auch von einer Erhohung der Aviditat der Antikorper nach Impfung bei Kontakt mit dem Erreger berichtet 5 Wahrend die Antigenerbsunde von verschiedenen Arbeitsgruppen beobachtet und beschrieben wurde 5 gibt es auch widersprechende Berichte hinsichtlich der Breite und Affinitat von Antikorpern bei einer Impfung mit einem auf der Variante basierenden Influenzaimpfstoff 9 Wenn die praexistierenden kreuzreaktiven Antikorper ein Epitop erkennen das mit hohem Impfschutz korreliert ist der Effekt der Antigenerbsunde bei erneutem Kontakt hilfreich aber wenn die kreuzreaktiven Antikorper ein Epitop mit geringer Schutzwirkung erkennen verhindert die Antigenerbsunde eine Ausbildung von Antikorpern gegen neue Epitope mit hoher Schutzwirkung 5 Die Antigenerbsunde wurde unter anderem bei Infektionen und Impfungen mit dem Influenzavirus 1 dem Denguevirus 10 und dem SARS CoV 2 beschrieben 11 12 Geschichte BearbeitenDie Bezeichnung Antigenerbsunde wurde 1960 von Thomas Francis junior in Anlehnung an die Erbsunde gepragt 13 14 basierend auf Beobachtungen von Infektionen mit dem Influenzavirus die er und Kollegen seit 1947 veroffentlicht hatten 15 16 Seit der Veroffentlichung wird das Phanomen kontrovers diskutiert 16 Da bei spateren Infektionen mit Virusvarianten negative und positive Effekte auftreten wurden die alternativen Bezeichnungen Antigen Seniority Antigen Senioritat und Antigen Imprinting Antigen Pragung als praziser vorgeschlagen 17 Bereits in Francis Studie von 1947 wurden in der Summe gemischte Effekte der bevorzugten Bildung von Antikorpern gegen die erste Virusvariante bei der Immunitat gegen Infektionen mit einer weiteren Variante festgestellt 15 17 Literatur BearbeitenCharles A Janeway Jr et al Immunobiology the immune system in health and disease Garland Publishing 5 Auflage New York 2001 ISBN 0 8153 3642 X und daraus die Abschnitte 10 25 In immune individuals secondary and subsequent responses are mediated solely by memory lymphocytes and not by naive lymphocytes 14 22 Attenuated microorganisms can serve as vectors for vaccination against many pathogensEinzelnachweise Bearbeiten a b c Kenneth Murphy Casey Weaver Hrsg Janeway Immunologie 9 Auflage Springer ISBN 978 3 662 56003 7 S 627 doi 10 1007 978 3 662 56004 4 11 Theo Dingermann Welcher Impfstoff Rund um die Auffrischimpfung ist noch vieles ungewiss In Pharmazeutische Zeitung PZ 26 August 2022 abgerufen am 1 September 2022 Antigenerbsunde In Lexikon der Biologie spektrum de abgerufen am 15 April 2021 A Vatti D M Monsalve Y Pacheco C Chang J M Anaya M E Gershwin Original antigenic sin A comprehensive review In Journal of autoimmunity Band 83 September 2017 S 12 21 doi 10 1016 j jaut 2017 04 008 PMID 28479213 a b c d A Zhang H D Stacey C E Mullarkey M S Miller Original Antigenic Sin How First Exposure Shapes Lifelong Anti Influenza Virus Immune Responses In Journal of immunology Band 202 Nummer 2 01 2019 S 335 340 doi 10 4049 jimmunol 1801149 PMID 30617114 A J McMichael The original sin of killer T cells In Nature Band 394 Nummer 6692 Juli 1998 S 421 422 doi 10 1038 28738 PMID 9697760 Charles A Janeway Jr et al Immunological memory A S Monto R E Malosh J G Petrie E T Martin The Doctrine of Original Antigenic Sin Separating Good From Evil In The Journal of Infectious Diseases Band 215 Nummer 12 06 2017 S 1782 1788 doi 10 1093 infdis jix173 PMID 28398521 PMC 5853211 freier Volltext J Wrammert K Smith J Miller W A Langley K Kokko C Larsen N Y Zheng I Mays L Garman C Helms J James G M Air J D Capra R Ahmed P C Wilson Rapid cloning of high affinity human monoclonal antibodies against influenza virus In Nature Band 453 Nummer 7195 Mai 2008 S 667 671 doi 10 1038 nature06890 PMID 18449194 PMC 2515609 freier Volltext A L Rothman Immunity to dengue virus a tale of original antigenic sin and tropical cytokine storms In Nature Reviews Immunology Band 11 Nummer 8 Juli 2011 S 532 543 doi 10 1038 nri3014 PMID 21760609 Catherine J Reynolds et al Immune boosting by B 1 1 529 Omicron depends on previous SARS CoV 2 exposure In Science New York N Y Band 377 Nr 6603 15 Juli 2022 S eabq1841 doi 10 1126 science abq1841 PMID 35699621 PMC 9210451 freier Volltext englisch Yunlong Cao et al BA 2 12 1 BA 4 and BA 5 escape antibodies elicited by Omicron infection In Nature Band 608 Nr 7923 August 2022 S 593 602 doi 10 1038 s41586 022 04980 y PMID 35714668 PMC 9385493 freier Volltext englisch Thomas Francis junior On the Doctrine of Original Antigenic Sin In Proceedings of the American Philosophical Society Band 104 Nr 6 1960 S 572 578 JSTOR 985534 englisch J W Yewdell J J Santos Original Antigenic Sin How Original How Sinful In Cold Spring Harbor perspectives in medicine Band 11 Nummer 5 05 2021 S a038786 doi 10 1101 cshperspect a038786 PMID 31964645 PMC 8091961 freier Volltext a b T Francis J E Salk J J Quilligan Experience with Vaccination Against Influenza in the Spring of 1947 A Preliminary Report In American journal of public health and the nation s health Band 37 Nummer 8 August 1947 S 1013 1016 doi 10 2105 ajph 37 8 1013 PMID 18016577 PMC 1623895 freier Volltext a b S Cobey S E Hensley Immune history and influenza virus susceptibility In Current opinion in virology Band 22 02 2017 S 105 111 doi 10 1016 j coviro 2016 12 004 PMID 28088686 PMC 5467731 freier Volltext a b C Henry A E Palm F Krammer P C Wilson From Original Antigenic Sin to the Universal Influenza Virus Vaccine In Trends in immunology Band 39 Nummer 1 01 2018 S 70 79 doi 10 1016 j it 2017 08 003 PMID 28867526 PMC 5748348 freier Volltext Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Antigenerbsunde amp oldid 237736821