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In der medizinischen Statistik und Infektionsepidemiologie gehort die Ermittlung der Impfstoffwirksamkeit IW 1 auch Impfwirksamkeit 2 Schutzwirkung 3 englisch vaccine efficacy oder Impfeffekt 4 genannt neben der Kosten Nutzen Effizienz und der Impfstoffsicherheit zu den wichtigsten Voraussetzungen fur die Empfehlung eines Impfstoffs InfluenzaimpfstoffDie Impfstoffwirksamkeit ist nicht zu verwechseln mit der ublicherweise durch Beobachtungsstudien gemessenen Impfstoffeffektivitat englisch vaccine effectiveness Die Impfstoffwirksamkeit ist die direkte Wirkung des Impfstoffs die fur die Bewertung eines Massnahmenprogramms bei Infektionskrankheiten herangezogen wird sie errechnet sich als relative Reduktion des Risikos unter den Geimpften im Vergleich zu Nichtgeimpften an der Zielkrankheit zu erkranken Es ist damit ein Vergleich des Risikos zwischen Geimpften und Ungeimpften Wenn beispielsweise halb so viele Geimpfte erkranken wie Ungeimpfte errechnet sich die Impfstoffwirksamkeit auf 50 Prozent 5 Die Impfstoffwirksamkeit wird bestenfalls in randomisierten kontrollierten Studien unter optimalen Bedingungen ermittelt Optimale Bedingungen bedeutet hierbei dass bestimmte Kriterien eingehalten werden wie z B eine sachgerechte Auswahl von ublicherweise gesunden Probanden oder die uberprufte und zeitgerechte Verabreichung des Impfstoffs und eine funktionierende Kuhlkette 6 Die Formel fur die Impfstoffwirksamkeit wurde 1915 von den Statistikern Major Greenwood und George Udny Yule in ihrer Arbeit The Statistics of Anti Typhoid and Anti Cholera Inoculations and the Interpretation of Such Statistics in General fur die Abschatzung der Wirksamkeit der Cholera und Typhusimpfstoffe entwickelt 7 Sie liefert eine grobe aber schnelle Abschatzung der Wirksamkeit einer Impfung in der Zielpopulation Die Impfstoffwirksamkeit wird aus dem relativen Risiko einer Ansteckung bei geimpften und ungeimpften Individuen abgeleitet Fur die Berechnung der Impfstoffwirksamkeit ist es ausreichend den Anteil der geimpften Personen an der Zielpopulation und den Anteil der Geimpften unter allen Erkrankten zu bestimmen 8 Inhaltsverzeichnis 1 Formel fur die Impfstoffwirksamkeit 2 Unterschiede zwischen Impfstoffwirksamkeit und Impfstoffeffektivitat 3 Impfstoffwirksamkeit bei einem COVID 19 Impfstoff 4 Literatur 5 EinzelnachweiseFormel fur die Impfstoffwirksamkeit BearbeitenSei vorausgesetzt dass das Infektionsrisiko fur geimpfte und ungeimpfte Individuen gleich ist und dass die Impfungen in der Bevolkerung gemass dem Randomisierungsprinzip Zufallszuteilung erfolgen Die Impfstoffwirksamkeit IW gibt an um wie viel das Risiko zu erkranken unter den Geimpften im Vergleich zu den Ungeimpften reduziert ist Relative Risikoreduktion 9 10 I W R R P Krankheit ungeimpft P Krankheit geimpft P Krankheit ungeimpft displaystyle IW RR frac P text Krankheit ungeimpft P text Krankheit geimpft P text Krankheit ungeimpft nbsp Einen Schatzwert fur die Impfstoffwirksamkeit erhalt man indem man die Inzidenzraten I R u displaystyle IR u nbsp und I R v displaystyle IR v nbsp als Schatzwerte fur die Wahrscheinlichkeiten P Krankheit ungeimpft displaystyle P text Krankheit ungeimpft nbsp und P Krankheit geimpft displaystyle P text Krankheit geimpft nbsp verwendet Der Schatzwert fur die Impfstoffwirksamkeit wird allgemein ausgedruckt als eine proportionale Reduktion der Inzidenzrate IR der Zielerkrankung unter geimpften I R v displaystyle IR v nbsp im Vergleich zu ungeimpften Personen I R u displaystyle IR u nbsp I W R R I R u I R v I R u displaystyle widehat IW RR frac IR u IR v IR u nbsp Die Inzidenzrate gibt das Verhaltnis von neuinfizierten bzw erkrankten Personen bezogen auf die Gesamtzahl an Personen unter Risiko an 11 Sei c u displaystyle c u nbsp die Anzahl der Erkrankten unter n u displaystyle n u nbsp Ungeimpften und c v displaystyle c v nbsp die Anzahl der Erkrankten unter n v displaystyle n v nbsp Geimpften siehe Inzidenz und damit I R u c u n u displaystyle IR u c u n u nbsp Inzidenzrate unter den ungeimpften Personen Erkrankungsquote bei Nichtgeimpften I R v c v n v displaystyle IR v c v n v nbsp Inzidenzrate unter den geimpften Personen Erkrankungsquote bei Geimpften Da die relative Risikoreduktion das Komplement des relativen Risikos RR ist genugt es fur die Ermittlung eines Schatzwertes fur die Impfwirksamkeit einen Schatzwert fur das relative Risiko RR der Geimpften in Bezug auf die Zielerkrankung im Vergleich zu den Ungeimpften R R P Krankheit geimpft P Krankheit ungeimpft displaystyle RR P text Krankheit geimpft P text Krankheit ungeimpft nbsp zu ermitteln Solch ein Schatzwert ist gegeben durch das Verhaltnis der Erkrankungsquote bei Geimpften zu der bei Nichtgeimpften R R c v n v c u n u I R v I R u displaystyle widehat RR frac c v n v c u n u frac IR v IR u nbsp Der Schatzwerts fur die Impfwirksamkeit ist dann dessen Komplement 12 13 I W R R 1 R R 1 c v n v c u n u 1 c v n u c u n v n v n u n v c v c u c v n v n u n v 1 c v c u c v p c p 1 c displaystyle widehat IW RR 1 widehat RR 1 frac c v n v c u n u 1 frac c v n u c u n v frac frac n v n u n v frac c v c u c v frac n v n u n v left 1 frac c v c u c v right frac p c p 1 c nbsp wobei die beiden Anteile p displaystyle p nbsp und c displaystyle c nbsp gegeben sind durch p n v n u n v displaystyle p frac n v n u n v nbsp und c c v c u c v displaystyle c frac c v c u c v nbsp mitp displaystyle p nbsp Anteil der Geimpften an der Teilpopulation die aus den Geimpften und Ungeimpften besteht c displaystyle c nbsp Anteil erkrankten Geimpften an den erkrankten Geimpften und UngeimpftenAlternativ lasst sich der Schatzwert fur die Impfwirksamkeit I W R R displaystyle widehat IW RR nbsp in der Form I W R R 1 c 1 c p 1 p displaystyle widehat IW RR 1 frac c 1 c p 1 p nbsp schreiben und damit als Komplement eines Schatzwertes fur das Chancenverhaltnis darstellen das aus Fall Kontroll Studien gewonnen werden kann Als solches kann die Formel verwendet werden um die Wirksamkeit des Impfstoffs basierend auf dem Inzidenzdichteverhaltnis IDR abzuschatzen Seien a displaystyle a nbsp und b displaystyle b nbsp die Anzahl der ermittelten geimpften und nicht geimpften Falle und d displaystyle d nbsp und f displaystyle f nbsp die Anzahl der geimpften und nicht geimpften Kontrollfalle die aus der Referenzpopulation stammen In diesem Fall lasst sich zeigen dass 14 I W I D R 1 I D R 1 a b d f p c p 1 c displaystyle widehat IW IDR 1 IDR approx 1 frac a b d f frac p c p 1 c nbsp Eine alternative Errechnung ergibt sich aus dem Anteil der Personen in der Placebogruppe einer Impfstoffstudie die nicht krank geworden waren wenn sie den Impfstoff erhalten hatten 15 Unterschiede zwischen Impfstoffwirksamkeit und Impfstoffeffektivitat BearbeitenDer Begriff Impfstoffwirksamkeit Impfeffekt bezieht sich auf den Impfschutz der durch randomisierte kontrollierte Studien unter optimalen Bedingungen ermittelt wird bei denen die Lagerung und Verabreichung des Impfstoffs uberwacht wird und die Teilnehmer fur gewohnlich gesund sind Der Begriff Impfstoffeffektivitat bezieht sich auf den Impfstoffschutz der in Beobachtungsstudien an Personen mit Grunderkrankungen gemessen wurde denen von verschiedenen Gesundheitsdienstleistern unter realen Bedingungen Impfstoffe verabreicht wurden 16 Die Impfstoffwirksamkeit zeigt wie wirksam der Impfstoff unter idealen Umstanden und bei hundertprozentiger Impfstoffaufnahme sein kann Dagegen misst die Impfstoffeffektivitat wie gut ein Impfstoff funktioniert wenn er unter Praxisbedingungen in Arztpraxen Krankenhausern oder wahrend einer Impfkampagne wie z B bei der Verimpfung von COVID 19 Impfstoffen 2020 21 verabreicht wird Wenn die Impfstoff Wirksamkeitsstudie auf einer Population basiert die sich in einer bestimmten kontrollierten Umgebung befindet wird die Impfstoff Wirksamkeitsstudie effektiver Wenn sich die Kriterien andern wurden z B wenn sie auf einer grosseren Population basieren wurden die nicht so eingeschrankt ist und sich in einer naturlicheren Umgebung befindet entsprache dies einer Impfstoff Effektivitatsstudie Was Impfstoff Wirksamkeitsstudien anwendbar macht ist dass sie auch die Befallsrate sowie eine Nachverfolgung des Impfstatus anzeigen Impfstoff Effektivitatsstudien lassen sich angesichts des Zulassens von Umgebungsunterschieden viel leichter nachverfolgen als Impfstoff Wirksamkeitsstudien Die Vorteile von Impfstoff Wirksamkeitsstudien ist die mogliche Kontrolle von Storfaktoren mittels Randomisierung Zufallszuteilung sowie eine prospektive aktive Uberwachung der Befallsraten und eine sorgfaltige Nachverfolgung des Impfstatus fur eine Studienpopulation Die Hauptnachteile von Impfstoff Wirksamkeitsstudien sind ihre hohe Komplexitat und die Kosten ihrer Durchfuhrung insbesondere bei relativ seltenen Infektionsergebnissen von Krankheiten bei denen es erforderlich ist den Stichprobenumfang zu erhohen um eine klinisch relevante Trennscharfe zu erzielen Impfstoffwirksamkeit bei einem COVID 19 Impfstoff BearbeitenSiehe auch COVID 19 Impfstoff Immunitatsentwicklung in globaler Hinsicht Hypothetische Szenarien zur Impfstoffwirksamkeit zeigten dass ein Impfstoff mit einer Wirksamkeit von mindestens 70 ausreichend gewesen ware um die Ausbreitung von COVID 19 in Sudafrika einzudammen 17 Laut US Experte Anthony Fauci konnte die Impfstoffwirksamkeit bei einem COVID 19 Impfstoff letztendlich nur 50 60 betragen 18 Literatur Bearbeiten A H In Wilhelm Kirch Hrsg Encyclopedia of Public Health 1 Auflage Band 1 Springer Berlin 2008 ISBN 978 1 4020 5615 4 Effectiveness Effektivitat Efficacy Wirksamkeit Definition S 320 f englisch 1601 S Leseprobe abgerufen am 26 Januar 2022 Einzelnachweise Bearbeiten Wolfgang Kiehl Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie Fachworter Definitionen Interpretationen Hrsg Robert Koch Institut Berlin 2015 ISBN 978 3 89606 258 1 S 64 Stichwort Impfstoffwirksamkeit Matthias Egger Oliver Razum et al Public health kompakt Walter de Gruyter 2017 S 473 John M Last A Dictionary of Epidemiology 4 Auflage 2001 International Epidemiological Association Oxford UP 2001 S 184 Stichwort vaccine efficacy Lothar Sachs Jurgen Hedderich Angewandte Statistik Methodensammlung mit R 16 uberarb und erg Auflage Springer Spektrum Berlin Heidelberg 2018 ISBN 978 3 662 56656 5 Linda Fischer Theresa Palm Florian Schumann Kein Impfstoff zweiter Klasse In Zeit online 16 Februar 2021 abgerufen am 17 Februar 2021 Standige Impfkommission Neuerungen in den aktuellen Empfehlungen der Standigen Impfkommission STIKO am RKI vom August 2013 Hrsg Robert Koch Institut Berlin 2013 S 353 Major Greenwood George Udny Yule The statistics of anti typhoid and anti cholera inoculations and the interpretation of such statistics in general 1915 S 113 194 Lothar Sachs Jurgen Hedderich Angewandte Statistik Methodensammlung mit R 16 uberarb und erg Auflage Springer Spektrum Berlin Heidelberg 2018 ISBN 978 3 662 56656 5 S 198 Matthias Egger Oliver Razum et al Public health kompakt Walter de Gruyter 2017 S 473 Wolfgang Kiehl Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie Fachworter Definitionen Interpretationen Hrsg Robert Koch Institut Berlin 2015 ISBN 978 3 89606 258 1 S 64 Stichwort Impfstoffwirksamkeit Matthias Egger Oliver Razum et al Public health kompakt Walter de Gruyter 2017 S 442 Lothar Sachs Jurgen Hedderich Angewandte Statistik Methodensammlung mit R 16 uberarb und erg Auflage Springer Spektrum Berlin Heidelberg 2018 ISBN 978 3 662 56656 5 S 199 Jurgen Hedderich Lothar Sachs Angewandte Statistik Methodensammlung mit R 17 Auflage Springer Spektrum Berlin 2020 ISBN 978 3 662 62293 3 S 202 Halloran M Elizabeth et al Direct and indirect effects in vaccine efficacy and effectiveness American journal of epidemiology 1991 S 325 John M Last A Dictionary of Epidemiology 4 Auflage 2001 International Epidemiological Association Oxford UP 2001 S 184 Stichwort vaccine efficacy National Center for Immunization and Respiratory Diseases How do vaccine effectiveness studies differ from vaccine efficacy studies 2011 abgerufen am 23 Marz 2020 Zindoga Mukandavire et al Quantifying early COVID 19 outbreak transmission in South Africa and exploring vaccine efficacy scenarios 2011 PLOS ONE 2020 S 5 Fauci COVID 19 vaccine efficacy may be only 50 60 8 August 2020 abgerufen am 12 September 2020 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Impfstoffwirksamkeit amp oldid 223868919