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Angst und Vorurteil AIDS Angste als Gegenstand der Vorurteilsforschung ist ein 1989 veroffentlichtes Buch der deutschen Soziologin und Ethnologin Gisela Bleibtreu Ehrenberg Der Titel des Buches ist angelehnt an Stolz und Vorurteil einen Roman von Jane Austen Pride and Prejudice 1813 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungshintergrund 2 Inhalt 2 1 Leibfeindlichkeit Seuchen und Naturkatastrophen 2 2 Irrige ethnozentrische Reduzierung von Sexualitat 2 3 Leibfeindlichkeit Xenophobie und Rassismus 2 4 Leibfeindlichkeit und Rauschmittel 2 5 Tabuisierung und kulturelles Chiffre 2 6 Moderne Auswirkungen von Aids 2 7 Vorurteilsforschung 3 Siehe auch 4 LiteraturEntstehungshintergrund Bearbeiten1988 wurde Bleibtreu Ehrenberg aufgrund ihrer bisherigen Arbeiten vom Deutschen Bundestag zum Vorstand der Enquete Kommission Gefahren von AIDS und wirksame Wege zu ihrer Eindammung zur Erforschung der gesellschaftlichen juristischen und gesundheitspolitischen Auswirkungen und Herausforderungen der Krankheit ernannt Ihr Buch Angst und Vorurteil beruht auf der Arbeit dieser Kommission sowie ihres eigenen Abschlussberichts an die Regierung Kohl Inhalt BearbeitenLeibfeindlichkeit Seuchen und Naturkatastrophen Bearbeiten In Angst und Vorurteil erganzt Bleibtreu Ehrenberg grundsatzlich ihre in Tabu Homosexualitat dargelegte Forschung wie ansatzweise schon in Der padophile Impuls zur abendlandischen Leibfeindlichkeit durch die numinose religiose und spater ideologisch pseudowissenschaftliche Verknupfung von Leibfeindlichkeit und damit einhergehendem Konformitatsdruck auf die gesamte Personlichkeit siehe den von Bleibtreu Ehrenberg wiederholt angewandten Begriff der autoritaren Personlichkeit im Sinne der Kritischen Theorie sowie dessen Weiterentwicklung Right Wing Authoritarianism mit ursprunglich von Gottheiten als Strafe gesandten Seuchen und Naturkatastrophen Hier ziehe sich eine gerade Linie vom Aussatz als Strafe fur sundhaftes und lasterhaftes Leben im Allgemeinen im Besonderen aber Lusternheit und Unzucht im Alten Testament zunachst bis zur Pest im Mittelalter Als sich die Wissenschaft anzuschicken begann sich langsam von der Religion zu losen kam aus der Neuen Welt die Syphilis um die uberkommenen numinosen die Sexualitat an sich ubersteigenden Vorurteile durch Verknupfung mit der unser westlichen indogermanischen Kultur zentralen Leibfeindlichkeit zu bestatigen und nur wenige Jahrzehnte nach der Einfuhrung des Penicillins kam Aids auf Irrige ethnozentrische Reduzierung von Sexualitat Bearbeiten Die laut Bleibtreu Ehrenberg irrige ursprunglich zentral auf Homophobie beruhende Reduzierung von Sexualitat ausschliesslich auf die heterosexuelle Fortpflanzung mittels Genitalverkehrs unter Erwachsenen habe dabei stets das Vorurteil unterstutzt dass jegliche Unzucht auch die allein begangene Onanie mit Krankheit und physischer wie psychischer Degeneration verbunden sei Vor der Syphilis war die strafgebietende religios moralische Schuld fur jegliche andere Sexualhandlung noch grosser gewesen als fur die einzig ansatzweise anerkannte ab Auftreten der Syphilis wirkte dagegen die ubliche Reduzierung von Sexualitat auf krankheitsubertragende Handlungen vorurteilsbestarkend Siehe fur die Irrigkeit dieser Reduktion auch den Frotteurismus s den Artikel Frotteur unter Homosexuellen der von Bleibtreu Ehrenberg schon 1978 in Tabu Homosexualitat wenn auch nicht unter diesem Namen erwahnt wurde Das Buch steht auch aufgrund dieser irrig konstruierten gesellschaftlichen Reduktion auf Penetration als vorgeschriebener Normsexualitat die gerade zur Verbreitung sexuell ubertragbarer Krankheiten beitragt unter dem vorangestellten Motto Minderheitenschutz ist Mehrheitenschutz Leibfeindlichkeit Xenophobie und Rassismus Bearbeiten Zusatzlich spricht Bleibtreu Ehrenberg auch wie bereits in ihrer Vorarbeit Mannbarkeitsriten 1980 und teilweise in Tabu Homosexualitat die traditionelle Verknupfung von Leibfeindlichkeit mit antiker indogermanischer Xenophobie an welche letztere sich mit steigendem Einfluss der Wissenschaften seit der Aufklarung zum ideologisch pseudowissenschaftlichen Rassismus wandelte Als Beispiele seien hier etwa genannt der mittelalterliche Mythos der Komplizenschaft von Juden und Arabern bei der angeblich die grassierenden Pestepidemien hervorrufenden Brunnenvergiftung mittels durch orgiastische wie morderische Ausschweifungen auf Hexensabbaten man beachte die numinos xenophobe Zusammensetzung des Kompositums aus der Schadenzauberin einerseits und dem fremden Kultfest andererseits gewonnenen Giften der Topos des naturvolkischen vor allem dunkelhautigen ungezugelten Lustlings und Vergewaltigers der bei der Entwicklung der rassistischen Minderwertigkeitsideologie eine nicht zu unterschatzende Rolle spielte sowie die Vorstellung vom Juden als angeblichem Rasseschander Der Konflikt der bereits die traditionelle leibfeindliche Fremdenfeindlichkeit eingeleitet hatte die namlich zu Anfang der Eisenzeit aufgrund des ethnischen Konflikts der einfallenden indogermanischen Stamme mit Uberbleibseln travestitischen Schamanentums bei der europaischen Vorbevolkerung entstanden war wiederholte sich mit der um 1500 n Chr einsetzenden Kolonisation des Erdballs durch indogermanisch westliche Kulturen als Eroberer und Volkerkundler wiederum auf schamanistische teilweise auf Sexualmagie beruhende Lokalreligionen stiessen man beachte auch das gleichzeitige Auftreten der Syphilis Dadurch wurde die alte Fremdenfeindlichkeit die wie die ihr zugrundeliegende Leibfeindlichkeit selbst seit Ende der Antike ein Jahrtausend lang durch religiose Argumentationen aufrechterhalten worden war aufgrund der scheinbar erneuerten Bestatigung schliesslich in Form von pseudowissenschaftlichem Rassismus perpetuiert wurde worin sich die fremdenfeindliche Komponente des aus der indogermanischen Antike tradierten leibfeindlichen Feindbildes vom lusternen und nichtmenschlichen Unhold und Schadenzauberer namens Neiding ausdruckte Leibfeindlichkeit und Rauschmittel Bearbeiten Eine zusatzliche Komponente abendlandischer Leibfeindlichkeit hatte sich auch uber schamanistische Substanzmagie der Steinzeit Zaubertranke und Giftmischerei der eisenzeitlich antiken und mittelalterlichen Schadenzauberei und schliesslich Rauschmittel Drogen als Ausdruck wie Ausloser moralischer Entartung Masslosigkeit und Zugellosigkeit entwickelt vgl unter anderem auch in diesem Zusammenhang die magische Verwandlung des antiken Neidings in reissende und oder als unrein angesehene Tiere siehe auch Judensau Tabuisierung und kulturelles Chiffre Bearbeiten Gleichzeitig war seit alters her eine Tabuisierung des gesamten Themenkomplexes sprich die numinose Furcht des Beschworens das heisst Hervorrufens durch direktes Aussprechen gegeben woraus sich unter anderem auch die mittelalterliche Praxis entwickelte jeden der durch Nennung des Tabuisierten auffiel teilweise unter der rationalisierenden Rechtfertigung angeblicher die Kenntnis von Ausdrucken und vermeintlichen Sachverhalten hervorbringenden Mittaterschaft mit Unholden und Schadenzauberern sofort der Inquisition zu ubergeben woraus sich die verhullende Bezeichnung die stumme Sund fur Lusternheit Unzucht in damaliger Terminologie Sodomie Schadenzauberei Hexerei zum Teil auch damit als teilw identisch angesehene einfache Glaubensabweichungen durch Aberglauben Haresie und Ketzerei und Giftmischerei ergab da niemand das Aussprechen des Tabuisierten wagte Diese Tabuisierung der direkten Nennung nahm erst langsam mit der Aufklarung ab obwohl die entsprechenden soziokulturellen Konnotationen und Derivationen aufgrund oben genannter Faktoren nicht abgebaut wurden Numinose Konnotationen und Derivationen der abendlandischen Leibfeindlichkeit wie Schadenzauberei Giftmischerei seelische wie kulturelle und oder ethnische Fremdartigkeit korperliche wie seelische und Geisteskrankheiten in der Neuzeit besonders der ideologisch pseudowissenschaftliche im Zusammenhang mit Lusternheit und Unzucht diagnostizierte moralische Wahnsinn Seuchen Naturkatastrophen Verweichlichung und Verweiblichung Schwache und Feigheit etc siehe auch Neiding und Tabu Homosexualitat sind daher grundsatzlich als kulturelles Chiffre fur die allen diesen Vorstellungen zugrunde liegenden numinos gefurchtete Lusternheit und Unzucht anzusehen Gleichzeitig war auch aufgrund der verhullenden Tabuisierung des direkten Aussprechens der Unterschied zwischen allen diesen Dingen und besonders der unzuchtigen Ausschweifungen im Einzelnen nicht bekannt so dass etwa die Eroberer und Ethnologen des neuzeitlichen Kolonialismus deren Sprache und Ansichten infolge der scheinbaren Bestatigung der leibfeindlichen Vorurteile nun in fremden Landern wiederum in die neuzeitliche Wissenschaft Medizin Soziologie Forensik etc zuruckwirkte und dort scheinbar modernistischen Eingang fand aufgrund der soziopsychologisch ethnozentrischen kognitiven Verzerrung alles zusammen oder zumindest einen Grossteil des Themenkomplexes wahrnahmen und dokumentierten sobald sie in fremden Landern auf einzelne Komponenten des Komplexes stiessen Hier findet sich wie uberall im Zusammenhang mit der abendlandischen Leibfeindlichkeit eine reiche Zahl an verhullenden zu Verwechslungen und Missverstandnissen geradezu einladenden Metaphern wie etwa Lustseuche Geschwur oder Pesthauch der Ausschweifungen genauso wie Worte mit sexueller damals aber zumeist noch unbestimmter und vielfacher Bedeutung wie etwa die durchgangige Verwendung von Paderastie oder Sodomie fur Analverkehr genauso wie fur travestitische oder schadenzauberische Rituale oder den gleichgeschlechtlichen Verkehr mangelnde Unterscheidung zwischen den vorgenannten Dingen und auch genauso Vermischung mit Kultprostitution Kastration Travestie und biologischem Hermaphroditismus Tierverkehr Ritualmord Kannibalismus Koprophagie usw die alle in der einen oder anderen Form Bestandteil der indogermanischen Neidingsvorstellung gewesen waren wie diesen abendlandischen Beobachtern auch keine Unterscheidung zwischen sozialen Stammesnormen eigener westlicher Moral und individueller Trieb Eigenschaften einzelner Stammesmitglieder moglich war so dass diese ganzen Abartigkeiten aus ihrer Sicht nur aufgrund von Minderwertigkeit und oder aus Bosartigkeit begangen werden oder stattfinden konnten Moderne Auswirkungen von Aids Bearbeiten Mit dem Auftreten von Aids nahmen wie bereits ansatzweise im Zusammenhang mit der Syphilis offen und unverhullt anstatt als standigem aber tabuisiertem kulturellen Subtext die vermeintlichen und oder tatsachlichen sexuellen Minderheiten die fruhere Rolle des nichtmenschlichen Unholds des Schadenzauberers und der vorgeblich niederen Rassen ein obwohl alle alteren numinosen Bestandteile der Leibfeindlichkeit noch immer weiterwirkten So verlautete etwa aus dem konservativen Umfeld des damaligen US Prasidenten Reagan Aids sei God s gift to homosexuals der inzwischen klassische Ausspruch stammt wahrscheinlich vom einflussreichen republikanischen Fernsehprediger Pat Robertson der auch verkundet Homosexuelle wurden kunftige Naturkatastrophen heraufbeschworen und Robertsons weltliches Pendant Pat Buchanan damals ebenfalls Republikaner sekundierte Aids sei die gerechte Strafe der Natur fur widernaturliche Unzucht wahrend gleichzeitig der CSU Politiker Peter Gauweiler die sofortige Einfuhrung von Gesetzen zur Zwangseinweisung aller Homosexuellen Angehorigen sexueller Minderheiten und promisk lebenden Menschen im Allgemeinen Drogenkonsumenten sowie HIV und Aidserkrankten in Konzentrationslager sic O Ton Gauweiler forderte um die anstandige Mehrheit vor der angeblich von moralisch Minderwertigen verbreiteten Seuche die trotz dementsprechenden Medientenors niemals epidemieartige Ausmasse in westlichen Industrielandern die etwa mit Pest und Syphilis vergleichbar waren annahm zu schutzen Das propagandistische Schlagwort einer sog moralischen Immunschwache als Bezeichnung fur Aids wie fur die angeblichen Ursachen der Krankheit wurde im Dienste der reaktionaren Rolle Ruckwarts in sexualibus popularisiert Einer der einflussreichsten wie augenfalligsten Ausdrucke dieser weiteren Perpetuierung der abendlandischen Leibfeindlichkeit aufgrund von Aids fand sich im Abschlussbericht der vom amerikanischen Prasidenten Reagan bestellten parlamentarischen Meese Commission deren offizielle Aufgabe es war die vermeintlich mannigfaltigen Schadigungen durch Pornographie zu untersuchen der engste Zusammenhange unter anderem zwischen Promiskuitat Konsum wie Herstellung von Pornographie Aggressionspotential Gewaltbereitschaft Hautfarbe Drogenkonsum und Drogenhandel sexuellen Abweichungen Waffenschieberei Prostitution und Menschenhandel usw usf verkundete Auf diese Weise wurden die durch die sog Sexuelle Revolution nach dem Zweiten Weltkrieg allenfalls ansatzweise verschutteten irrationalen Derivationen abendlandischer Leibfeindlichkeit in kurzester Zeit reaktiviert und in eine moderne medizinische psychologische soziologische sozialhygienische und forensische Terminologie uberfuhrt so dass nach der ehemals angestrebten Individualisierung und Demokratisierung in sexualibus mit gesellschaftlichen Debatten unter liberalen Vorzeichen der Fokus der Sexualforschung wie debatten vor allem mittels medial ausgeschlachteter Schauerberichte uber angebliche Ursachen wie Folgen von sexueller Libertinage wieder trotz uber Jahrzehnte hin konstant in den westlichen Industrielandern sinkender Zahlen an tatsachlichen Sittlichkeitsdelikten vgl als neuere Studie fur die alte wie neue Bundesrepublik zum Beispiel ubereinstimmend Weber amp Narr 1997 auf Sexualitat als obskurer und latenter Bedrohung besonders durch verkommene und entartete Individuen sexualisierte Gewalt und Gewalt an sich von Sexualverbrechern in den achtziger Jahren fiel unter anderem das damals besonders weitverbreitete Schlagwort von sog Aidsdesperados auf und anderen Randgruppen wie etwa Auslandern oder Drogenkonsumenten und einem kollektiven Sicherheitsbedurfnis vor apokalyptischen Katastrophen mit Forderungen zur antiindividualistischen Einordnung in leibfeindliche Disziplin verschoben wurde Vorurteilsforschung Bearbeiten Hauptartikel Vorurteilsforschung Daruber hinaus bietet Angst und Vorurteil eine grundliche umfassende Darstellung und Erlauterung soziopsychologischer wie zoologisch anthropologischer siehe Soziobiologie Vorurteilsforschung ihrer Moglichkeiten sowie der historischen Entwicklung des Fachgebietes Hierbei betont Bleibtreu Ehrenberg wie bereits in Tabu Homosexualitat dass die Hauptfunktion von Vorurteilen darin bestunde dem sozialen Gruppenzusammenhalt zu dienen die herrschende in group grenzt sich mittels der eigenen sozialen Deutungshoheit von einer so definierten out group ab wobei die von der in group vorgenommene Abgrenzung auf teils fiktiven teils tatsachlichen stets aber negativ bewerteten Merkmalen der dieserart von aussen definierten out group beruht um erst in dieser Ab und Ausgrenzung und der damit einhergehenden Abwertung von out group Minderheiten im Sinne identitatsstiftender Feindbilder ihre eigene Identitat und einen daraus resultierenden Gruppenzusammenhalt zu finden Da dieser Vorgang aber ebenso die erlernte soziale Identitat s auch Etikettierungsansatz engl labeling approach der von aussen durch die Deutungshoheit der herrschenden in group definierten oftmals stigmatisierend pathologisierten und haufig auch kriminalisierten out group bestimmt findet sich in diesem gesellschaftlichen Sachverhalt der auch im Falle des negativ propagandistischen Zerrbildes von aussen erlernten sozialen Identitat der zweite Grund fur das oben genannte Motto des Buches wonach Minderheitenschutz gleichbedeutend mit Mehrheitenschutz ist Siehe auch BearbeitenNeiding SexualangstLiteratur BearbeitenAngst und Vorurteil AIDS Angste als Gegenstand der Vorurteilsforschung Rowohlt Reinbek bei Hamburg ISBN 3 499 18247 5 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Angst und Vorurteil amp oldid 201054347