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Adolf Lothar Jost 22 August 1874 in Graz 20 Oktober 1908 in Sorau war ein osterreichischer Psychologe Auf ihn gehen die sogenannten Jostschen Satze zum Lernen und Behalten im Gedachtnis zuruck Ausserdem veroffentlichte er 1895 die Streitschrift Das Recht auf den Tod die fur den deutschen Sprachraum als Ausgangspunkt einer breiten Diskussion uber Sterbehilfe Euthanasie gilt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Die Jost schen Satze 3 Das Recht auf den Tod 4 Veroffentlichungen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAdolf Jost wurde als unehelicher Sohn der Beamtentochter Leopoldine Pischl geboren 1884 wurde er von Dr Ignaz Lothar Jost adoptiert der vermutlich auch sein Vater war Er besuchte bis 1892 das Gymnasium in Graz und studierte anschliessend Philosophie Mathematik und Physik in Graz und Gottingen Vermutlich horte Jost in Graz bei Alexius Meinong der dort 1894 das erste Experimentalpsychologische Institut eroffnen sollte In Gottingen arbeitete Jost bei Hermann Ebbinghaus und Georg Elias Muller zur Psychologie des Gedachtnisses Nach seiner Promotion 1897 kehrte Jost 1900 wieder nach Graz zuruck Zwischenzeitlich hielt er sich auch in Grenoble auf 1905 verliess er Graz mit unbekanntem Ziel Als Beruf gab er zu diesem Zeitpunkt Schriftsteller an Ein Zeitungsartikel des Hannoverschen Courier vom 15 Februar 1908 mit dem Titel Ein erschutterndes Schicksal berichtet Jost sei in Berlin unheilbar geisteskrank geworden Demnach habe er nach dem Tod seines Vaters sein erhebliches Erbe in Wien durchgebracht und sei mit seinem letzten Geld nach Berlin gereist um als Journalist zu arbeiten Mit Anzeichen einer Paranoia begab sich Jost offenbar zunachst in eine private Nervenheilanstalt Von da heisst es sollte er als unheilbar Kranker zunachst an eine staatliche Irrenanstalt und anschliessend in seine Heimat uberstellt werden 1 Der Gottinger Mathematiker Wilhelm Lorey berichtete 1908 er habe Jost im August 1907 in Wien getroffen Jost habe in einem kleinen Ort des Wienerwaldes gewohnt und vom Vermogen seines verstorbenen Vaters gelebt Ein dreiviertel Jahr spater habe er einen Brief von Jost aus der Landesirrenanstalt Sorau Niederlausitz erhalten Jost sei in Berlin wohin er gereist sei um Arbeit bei der Presseagentur Reuters zu suchen vollig mittellos in einem Dammerungszustand aufgefunden worden In Sorau habe sich Jost einigermassen erholt bis er am 29 September mehrere epileptiale Krampfanfalle bekommen habe Nach Angaben Loreys blieb Jost bis zu seinem Tod am 20 Oktober 1908 in einem Zustand starker Benommenheit Die Sektion habe als unmittelbare Todesursache eine Hirnhautentzundung ergeben Jost sei am 23 Oktober auf dem Anstaltsfriedhof begraben worden 2 Die Jost schen Satze BearbeitenHermann Ebbinghaus hatte in Gottingen zur Erforschung der Psychologie des Gedachtnisses Experimente zur Erinnerung sinnlos konstruierter Silben unternommen um Einflusse wie Assoziationen ausschliessen zu konnen Jost griff diese Methode auf als er sich in diesem Zusammenhang mit der Verteilung der Wiederholungen beschaftigte So lernte er zum Beispiel Reihen von zwolf Silben auswendig die in allen Fallen an anderen Tagen vierundzwanzig mal aber in verschiedenen Verteilungen wiederholt wurden Dabei konnte sich Jost am zweiten Tag besser erinnern als am ersten und am dritten wiederum besser als am zweiten auch wenn die Versuche in anderes Lernen eingeschaltet wurden Er formulierte daraufhin zwei Schlussfolgerungen I Sind zwei Assoziationen von gleicher Starke aber verschiedenem Alter so hat fur die altere eine Neuwiederholung grosseren Wert II Sind zwei Assoziationen von gleicher Starke aber verschiedenem Alter so fallt die altere in der Zeit weniger ab Adolf Jost Die Assoziationsfestigkeit in ihrer Abhangigkeit von der Verteilung der Wiederholungen 1897 S 472 Josts Satze stellen bis heute anerkannte Grundlagen der Lernpsychologie dar Das Recht auf den Tod BearbeitenBereits 1895 veroffentlichte Jost in Gottingen die 53 Seiten starke Broschure Das Recht auf den Tod Angeblich regte ihn dazu sein Vater an Dieser habe sich in hohem Alter das Leben genommen und in seinem Abschiedsbrief den Sohn zur Selbsttotung aufgefordert wenn ihn das Leben nicht mehr freue Jost warf die Frage auf Giebt es ein Recht auf den Tod das heisst gibt es Falle in welchen der Tod eines Individuums sowohl fur dieses selbst als auch fur die menschliche Gesellschaft uberhaupt wunschenswerth ist Das Recht auf den Tod S 1 Damit ging es ihm nicht mehr nur darum die Selbsttotung zu legitimieren sondern er sprach auch das Problem der unheilbar geistig oder korperlich Kranken an Beeinflusst durch Friedrich Nietzsche und den osterreichischen Schriftsteller Lazar Baron von Hellenbach aber vor allem im Rekurs auf den Utilitarismus etwa eines David Hume definierte Jost den Wert eines Gegenstandes durch seine Beziehung zur Freude oder zum Leid Der Werth eines Menschenlebens kann einer rein naturlichen Betrachtungsweise nach sich nur aus zwei Factoren zusammensetzen Der erste Factor ist der Werth des Lebens fur den betreffenden Menschen selbst also die Summe von Freud und Schmerz die er zu erleben hat Der zweite Factor ist die Summe von Nutzen und Schaden die das Individuum fur seine Mitmenschen darstellt Der Werth des menschlichen Lebens kann eben nicht blos Null sondern auch negativ werden wenn die Schmerzen so gross sind wie es in der Todeskrankheit der Fall zu sein pflegt Der Tod selbst stellt gewissermassen den Nullwert dar ist daher gegenuber einem negativen Lebenswerth noch immer das Bessere Das Recht auf den Tod S 13 u 26 Jost forderte damit einerseits ein Recht auf den Tod bei unheilbarer Krankheit ein Andererseits wandte er diesen Grundsatz auch auf unheilbare Geisteskranke an die seines Erachtens ein nicht nur nutzloses sondern auch hochst qualvolles Leben fuhrten und daruber hinaus eine betrachtliche Menge materieller Werthe Das Recht auf den Tod S 17 konsumierten Damit sprach Jost bis heute aktuelle Probleme der Diskussion uber Sterbehilfe an Er entwickelte aber auch Argumentationslinien die zur Legitimation der Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus verwendet wurden Josts Buch blieb weitgehend unbekannt wenngleich nicht unbeachtet Ahnliche Ideen wurden im Umfeld des Deutschen Monistenbundes Ernst Haeckels diskutiert obwohl Haeckel Josts Schrift wahrscheinlich nicht kannte Der lungenkranke Roland Gerkan Mitglied des Monistenbundes stellte in einem auch in der Zeitschrift des Monistenbundes veroffentlicht Brief an Wilhelm Ostwald einen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe zur Diskussion der zum Ausgangspunkt der monistischen Euthanasie Debatte wurde 3 Karl Binding und Alfred Hoche hingegen die mit ihrer Broschure Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens 1920 wohl am folgenreichsten zur Weiterentwicklung der deutschen Euthanasiedebatte beitrugen bezogen sich auf Jost 4 In historischen Darstellungen wird der Beginn einer breiten deutschsprachigen Diskussion uber Sterbehilfe und auch uber aktive Euthanasie lebensunwerten Lebens auf das Erscheinen von Josts Pamphlet datiert Veroffentlichungen BearbeitenDas Recht auf den Tod Gottingen Dietrich 1895 diese Ausgabe online auf archive org Die Assoziationsfestigkeit in ihrer Abhangigkeit von der Verteilung der Wiederholungen In Zeitschrift fur Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 14 1897 S 436 472 auch als Separatum Leipzig Johann Ambrosius Barth 1897 Literatur BearbeitenUdo Benzenhofer Das Recht auf den Tod Bemerkungen zu einer Schrift von Adolf Jost aus dem Jahre 1895 In Recht amp Psychiatrie 16 1998 S 198 201 Udo Benzenhofer Der gute Tod Geschichte der Euthanasie und Sterbehilfe 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2009 ISBN 978 3 525 30162 3 Horst Gundlach Adolf Lothar Jost geb Pischl In Geschichte der Psychologie Nachrichtenblatt der Fachgruppe Geschichte der Psychologie 14 H 2 1997 S 15 f PDF Datei 0 17 MB Hans Walter Schmuhl Rassenhygiene Nationalsozialismus Euthanasie Von der Verhutung zur Vernichtung lebensunwerten Lebens 1890 1945 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1992 ISBN 3 525 35737 0 Markus Zimmermann Acklin Euthanasie Eine theologisch ethische Untersuchung 2 Auflage Universitats Verlag Freiburg Schweiz 2002 ISBN 3 7278 1148 X Herder Freiburg Breisgau und Wien 2002 ISBN 3 451 26554 0 Einzelnachweise Bearbeiten Benzenhofer Der gute Tod S 82 W Lorey D Adolf Jost In Mathematisch Naturwissenschaftliche Blatter 5 1908 S 183f Benzenhofer Der gute Tod S 85f Benzenhofer Der gute Tod S 90 Normdaten Person GND 1114851590 lobid OGND AKS VIAF 316389286 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Jost AdolfALTERNATIVNAMEN Jost Adolf Lothar vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG osterreichischer PsychologeGEBURTSDATUM 22 August 1874GEBURTSORT GrazSTERBEDATUM 20 Oktober 1908STERBEORT Sorau Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Adolf Jost amp oldid 215225783