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Die Zwei Faktoren Theorie der Emotion geht auf den US amerikanischen Sozialpsychologen Stanley Schachter 1964 zuruck und besagt dass Gefuhle als eine Funktion von physiologischer Erregung und einer kontextabhangig zu dieser Erregung passenden Kognition verstanden werden konnen Erst bemerken wir korperliche Symptome wie Schwitzen Zittern Pulsbeschleunigung oder Ahnliches dann versuchen wir die Ursache dafur ausfindig zu machen 1 So kann zum Beispiel exakt dieselbe korperliche Aufregung je nach Situation als Verliebtheit oder als Prufungsstress empfunden werden In mehrdeutigen Situationen wenn die situativen Hinweisreize unterschiedlich interpretiert werden konnen besteht demnach eine gewisse Wahlfreiheit der Gefuhle 2 So kann man als Opfer einer Aggression die korperlichen Symptome der Stressreaktion die lediglich besonders viel Kraft bereitstellen mit Fluchtgedanken zur Emotion Furcht verknupfen oder mit Kampfgedanken zur Emotion Wut vgl Fliehen oder Kampfen Ebenso kann es zu falschen Ursachenzuschreibungen kommen zum Beispiel kann Arger uber ein Missgeschick als Wut auf den Partner missverstanden werden 3 Als Verkaufstechnik wurde versucht mit Kontextreizen angenehme Gefuhle zu erzeugen die wenigstens zum Teil auf die Waren ubertragen werden Kunden die mit klassischer Musik berieselt wurden kauften teurere Artikel 4 Schachters Theorie basiert auf mehreren Vorlaufertheorien wie der James Lange Theorie 1884 der 2 Komponenten Theorie der Emotion von Gregorio Maranon 1924 sowie weiteren Theorien von Russel 1927 und Duffy 1941 Die Theorie hatte aufgrund ihres Experimentaldesigns zur Hypothesentestung das u a auch als Beleg fur die Kausalitat herangezogen wird den grossten Einfluss auf die Psychologie und regte immer wieder zu Replikationsversuchen an Inhaltsverzeichnis 1 Experiment von Schachter und Singer 1962 1 1 Kritik und Konsequenzen 2 Experiment von Valins 3 Experiment von Dutton und Aron 1974 4 Literatur 5 EinzelnachweiseExperiment von Schachter und Singer 1962 BearbeitenDie US amerikanischen Sozialpsychologen Stanley Schachter und Jerome E Singer fuhrten 1962 an der Columbia University ein sozialpsychologisches Experiment durch Den Versuchspersonen wurde erklart dass man mit dem Experiment die Auswirkungen einer Vitaminzusammensetzung namens Suproxin auf die Sehfahigkeit testen und ihnen sofern sie dazu einwilligen injizieren wolle was nur eine der 185 Versuchspersonen ablehnte Man injizierte 3 4 von ihnen daraufhin Adrenalin und dem restlichen Viertel eine Kochsalzlosung Kontrollgruppe Zusatzlich wurden die Personen denen Adrenalin verabreicht worden war uber mogliche Nebenwirkungen des Suproxins entweder korrekt was im Falle von Adrenalin Herzrasen Zittern verstarkte Durchblutung etc war oder inkorrekt Nebenwirkungen die nicht von der Verabreichung des Adrenalins hatten entstehen konnen wie z B Juckreiz Kopfschmerzen und Taubheitsgefuhl oder gar nicht aufgeklart Zudem wurden die Versuchspersonen in zwei weitere Gruppen unterteilt in denen sie fur den eigenen Erregungszustand erklarende Kognitionen ableiten konnten eine Euphorie und eine Argerbedingung Die Versuchspersonen wurden in einen separaten Raum gebracht um dort ca 20 Minuten auf die Wirkung des Suproxins und den vermeintlichen Sehtest zu warten In diesem Raum trafen sie auf eine weitere angebliche Versuchsperson die allerdings ein Vertrauter des Versuchsleiters war Das ganze Geschehen konnte durch einen Einwegspiegel vom Versuchsleiter beobachtet werden In der Argerbedingung sollte wahrend der Wartezeit ein Fragebogen ausgefullt werden Einige Fragen des Fragebogens waren geeignet die Versuchsperson gezielt gereizt zu stimmen So wurde z B nach der Anzahl der ausserehelichen Sexualpartner der Mutter gefragt und andere ahnlich unverschamt wirkende Fragen gestellt Der Vertraute verhielt sich absichtlich verargert In der Euphoriebedingung sollten sich die beiden Versuchspersonen wahrend der Wartezeit beliebig selbst beschaftigen Der Vertraute verhielt sich ausserst euphorisch albern z B bastelte er Papierflugzeuge baute Papierturme die er mit Papierkugelchen abwarf usw Insgesamt gab es also folgendes Experimentaldesign 5 Informierte Gruppen Die Versuchspersonen wurden uber die zu erwartenden Nebenwirkungen aufgeklart Gruppe 1 Euphoriebedingung Gruppe 2 Argerbedingung Unaufgeklarte Gruppen Den Versuchspersonen wurde gesagt es gebe keine Nebenwirkungen Gruppe 3 Euphoriebedingung Gruppe 4 Argerbedingung Falsch informierte Gruppe Den Versuchspersonen wurden falsche Nebenwirkungen der Injektion angekundigt Gruppe 5 Euphoriebedingung Kontrollgruppen Die Versuchspersonen erhielten eine Kochsalzlosung die zu keiner veranderten Physiologie fuhren wurde Gruppe 6 Euphoriebedingung Gruppe 7 ArgerbedingungSchachters und Singers Hypothese besagte dass die inkorrekt und die gar nicht informierten Versuchspersonen eine Erklarung fur die aus der Adrenalininjektion resultierende physiologische Erregung suchen wurden die in Abhangigkeit davon ob der Vertraute im Raum verargert oder albern war auch argerlich oder albern ausfallen musste Die korrekt informierten Probanden und die Kontrollgruppe sollten hingegen nur sehr gering anfallig fur die Stimmungsmanipulation des Vertrauten sein da sie ihre physiologische Erregung korrekt attribuieren konnen und auf die Injektion zuruckfuhren Gemessen wurden die Emotionen und die physiologische Erregung indem man die Versuchspersonen wahrend der Wartezeit mit dem Vertrauten des Versuchsleiters unbemerkt beobachtete und ihr Verhalten beurteilte und indem man den Personen nach dem Versuch einen Fragebogen austeilte in welchem sie angeben sollten welche Emotionen sie gefuhlt und ob sie korperliche Symptome wie z B Zittern gespurt hatten indem man den Versuchspersonen kurz vor der Injektion und kurz nach dem Versuch die Pulsfrequenz mass um daruber den physiologischen Erregungsgrad ermitteln zu konnen Bei der Auswertung zeigte sich Folgendes Die Versuchspersonen die Adrenalin aber keine korrekte Voraberklarung fur ihre korperliche Erregung bekommen hatten gaben an wahrend der Wartezeit albern Gruppen 3 und 5 oder verargert Gruppen 4 gewesen zu sein abhangig davon was der Vertraute ihnen vorgespielt hatte Die vorab richtig informierten Probanden Gruppen 1 und 2 liessen sich emotional nicht vom Vertrauten beeinflussen Die Kontrollgruppe Gruppe 6 und 7 allerdings liess sich vom Vertrauten beeinflussen und unterschied sich nicht signifikant von der nicht informierten und falsch informierten Gruppe Die Hypothese konnte also grosstenteils durch die Ergebnisse unterstutzt werden problematisch waren nur die nicht hypothesenkonformen Ergebnisse der Kontrollgruppe Als Grund fur die widerspruchlichen Ergebnisse gaben Schachter und Singer an dass die Kontrollgruppe schon aufgrund der Versuchssituation eine physiologische Erregung verspuren konnte und dass die nicht oder falsch informierte Gruppe trotz fehlender Erklarung ihre korperliche Erregung auf die Injektion zuruckfuhren konnte Durch entsprechende Analysen konnte dies zumindest teilweise bestatigt werden Kritik und Konsequenzen Bearbeiten Im Nachhinein wurde das Schachter und Singer Experiment immer wieder methodisch kritisiert und veranlasste eine Reihe von Folgeexperimenten vorrangig zur Kausalattribution und Replikationsversuchen u a Marshall amp Zimbardo 6 Valins welche aber allesamt nicht die Ergebnisse des Schachter und Singer Experiments reproduzieren konnten ja sogar im Gegenteil durchweg zu negativer Stimmung der Probanden fuhrten unabhangig davon ob der Vertraute nun euphorisch oder argerlich war Man folgerte daraus dass korperliche Erregung nicht beliebig auf eine Emotion attribuiert werden konnen vgl Kritik von Walter Cannon an der James Lange Theorie Cannon Bard Theorie nach Ax Weerts und Roberts treten bei Emotionen von denen man dachte dass sie physiologisch ahnlich waren wie Arger und Furcht unterschiedliche Erregungsmuster auf Dennoch brachte die 2 Faktoren Theorie einen bedeutsamen Beitrag zur Emotionspsychologie indem sie Erklarungsmodelle u a fur Panikanfalle lieferte und Wissenschaftler anregte sich am kognitiv psychologischen Forschungsparadigma zu orientieren auch wenn die These dass physiologische Erregung fur die Entstehung von Emotionen hinreichend ist so nicht mehr aufrechterhalten werden kann Dunn et al konnten in einer Studie eine zentrale Vorhersage der Zwei Faktoren Theorie bestatigen indem sie zeigten welchen Einfluss die Fahigkeit zur Korperwahrnehmung auf die Bewertung emotionaler Bilder hat Personen mit einer guten Korperwahrnehmung konnten ihren Herzschlag besonders genau spuren Beim Betrachten der Bilder veranderte sich der Herzschlag bei allen Personen automatisch Allerdings brachten nur Personen mit einer guten Korperwahrnehmung diese automatische Veranderung mit ihrer subjektiven Erregung in Verbindung 7 Experiment von Valins BearbeitenIm Jahr 1966 modifizierte der Psychologe Stuart Valins die Zwei Faktoren Theorie der Emotion Er fuhrte ein Experiment zur Wahrnehmung des eigenen Aktivierungsgrades bekannt unter Valins Effekt durch Experiment von Dutton und Aron 1974 BearbeitenManner die gerade eine lange schmale schwankende Hangebrucke 8 uberquert hatten wurden von einer attraktiven jungen Frau angesprochen die ihnen ihre Telefonnummer fur Ruckfragen zu einem TAT Test den die Manner bei ihr ausfullten gab An einer anderen zweiten Gruppe Manner wurde dies auf einer sicheren Brucke gemacht Manner der ersten Gruppe riefen die junge attraktive Frau danach signifikant haufiger an und schrieben im TAT Test haufiger uber sexuelle Themen als die zweite Gruppe Mit Mannern anstelle der jungen Frau gab es zwischen den beiden Gruppen keinen signifikanten Unterschied 9 Solche Fehlattributionen des korperlichen Zustandes wurden in zahlreichen Studien repliziert Folglich sei in Orten wie auf einem Rummelplatz oder in einer Discothek Skepsis geboten wenn man jemanden attraktiv findet 10 11 Literatur BearbeitenW U Meyer A Schutzewohl R Reisenzein Einfuhrung in die Emotionspsychologie 2 Auflage Band 1 Hans Huber Verlag Bern 2002 ISBN 3 456 83648 1 Einzelnachweise Bearbeiten S Schachter The interaction of cognitive and physiological determinants of emotional states In L Berkowitz Hrsg Advances in experimental social psychology Academic Press New York 1964 E Aronson T D Wilson R M Akert Sozialpsychologie 6 Auflage Pearson Studium 2008 ISBN 978 3 8273 7359 5 S 147 R C Sinclair u a Construct accessibility and the misattribution of arousal Schachter and Singer revisited In Psychological Science 5 1994 S 15 19 W Schneider A Hennig Zur Kasse Schnappchen Sudwest Verlag 2010 ISBN 978 3 517 08595 1 S Schachter J E Singer Cognitive social and physiological determinants of emotional states In Psychology Review 69 1962 S 379 399 Replik in S Schachter J E Singer Comments on the Maslach and Marshall Zimbardo experiments In Journal of Personality and Social Psychology 37 1979 S 989 995 B D Dunn H C Galton R Morgan D Evans C Oliver M Meyer R Cusack A D Lawrence T Dalgleish Listening to Your Heart How Interoception Shapes Emotion Experience and Intuitive Decision Making In Psychological Science 21 12 2010 S 1835 1844 Capilano Suspension Bridge Capilano Canyon North Vancouver Kanada D G Dutton A P Aron Some evidence for heightened sexual attraction under conditions of high anxiety In Journal of Personality and Social Psychology 30 1974 S 510 517 C M Meston P F Frohlich Love at first fright Partner salience moderates roller coaster induced excitation transfer In Archives of Sexual Behavior 32 6 2003 S 537 544 D Zillmann Attribution and misattribution of excitatory reactions In J H Harvey u a Hrsg New directions in attribution research Vol 2 Erlbaum Hillsdale NJ 1978 S 335 370 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zwei Faktoren Theorie der Emotion amp oldid 239097595