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Der zerebrale Blutfluss CBF von englisch Cerebral blood flow ist ein Mass fur die Versorgung des Gehirns mit Blut in einer bestimmten Zeitspanne Obwohl das Gehirn bei einem erwachsenen Menschen nur ca 2 der Korpermasse ausmacht stellt der zerebrale Blutfluss etwa 15 des Herzzeitvolumens dar und betragt ca 750 Milliliter pro Minute Um Grossenunterschieden gerecht zu werden wird der zerebrale Blutfluss meist als Flussvolumen pro 100 g Gehirnmasse und Minute mit der Einheit ml 100 g min angegeben Im Gegensatz zum gesamten zerebralen Blutfluss stellt der regionale zerebrale Blutfluss rCBF ein Mass fur die Durchblutung bestimmter Hirnareale dar Durch die Bestimmung des rCBF kann man mehr oder minderdurchblutete Bereiche des Gehirns identifizieren Auch der rCBF wird in der Einheit ml 100 g min angegeben wobei die gemessenen Werte stark methodenabhangig sind Inhaltsverzeichnis 1 Physiologie und Anatomie 2 Regulationsmechanismen 3 Messung 4 Pathophysiologie und Dysregulation 5 Siehe auch 6 EinzelnachweisePhysiologie und Anatomie BearbeitenDas Kapillarbett des Gehirns besteht aus einem engen Netzwerk von miteinander kommunizierenden Gefassen Die Gesamtlange der Kapillaren im menschlichen Gehirn betragt ca 640 Kilometer 1 Der intravaskulare Druckunterschied zwischen den prakapillaren Arteriolen und den postkapillaren Venolen ist der wichtigste Regulator fur den Blutfluss durch die Kapillaren Er wird vor allem durch die Stellung der als Widerstandsgefasse fungierenden Arteriolen bestimmt deren Erweiterung zu einer Erhohung des mikrovaskularen Kapillarflusses fuhrt Unter physiologischen Bedingungen bestehen Unterschiede zwischen dem zerebralen Blutfluss in der grauen und in der weissen Substanz des Gehirns 2 Die graue Substanz die eine etwa 4 mal hohere Kapillardichte als die weisse Substanz aufweist wird pro Minute mit ca 90 ml 100 g versorgt In der weissen Substanz betragt der Blutfluss dagegen lediglich ca 25 ml pro 100 g Substanz und Minute 3 Daraus resultiert fur das gesamte Gehirn ein Blutfluss von 40 bis 50 ml 100g min 4 Regulationsmechanismen Bearbeiten nbsp Autoregulation des zerebralen BlutflussesUm eine ausreichende und gleichmassige Versorgung des Gehirns mit Blut und damit mit Sauerstoff und Nahrstoffen sicherzustellen wird der zerebrale Blutfluss bei Schwankungen des systemischen Blutdrucks uber einen relativ weiten Blutdruckbereich konstant gehalten Er wird durch den mittleren systemischen arteriellen Druck MAP den intrakraniellen Druck ICP und dem Widerstand der zerebralen Gefasse zerebraler Gefasswiderstand CVR bestimmt und kann nach folgender Formel berechnet werden CBF MAP ICP CVRDie Differenz zwischen dem mittleren arteriellen Blutdruck MAP bzw dem mittleren Aortendruck 5 und dem intrakraniellen Druck ICP bezeichnet man auch als den zerebralen Perfusionsdruck CPP CPP MAP ICPDer wesentliche Parameter bei der Regulation des zerebralen Blutflusses ist der Widerstand der zerebralen Gefasse der entsprechend dem mittleren arteriellen Druck reguliert wird Uber den sogenannten Bayliss Effekt verengen sich die Arteriolen bei einem Anstieg des systemischen Blutdrucks Vasokonstriktion wahrend sie sich bei einem Blutdruckabfall erweitern Vasodilatation 6 Bei einem gesunden Menschen gelingt es dem Korper uber diesen als Autoregulation bezeichneten Mechanismus den zerebralen Blutfluss bei einem systemischen Blutdruck im Bereich zwischen 50 und 150 mmHg konstant zu halten 7 Ausserdem reagieren die Arteriolen auch auf die Konzentration der im Blut gelosten Gase 8 So fuhrt ein bei konstantem systemischen Blutdruck erhohter CO2 Partialdruck im arteriellen Blut zu einer Erweiterung der Hirngefasse wodurch eine Steigerung der Gehirndurchblutung erreicht wird Umgekehrt reagieren die Gefasse auf eine Abnahme des CO2 Partialdruckes mit einer Konstriktion was zu einer Zunahme des zerebralen Gefasswiderstandes und damit eine Reduktion des zerebralen Blutflusses fuhrt Der Sauerstoffpartialdruck hat dagegen nur einen untergeordneten Einfluss auf den zerebralen Gefasswiderstand Erst ab einem pO2 Wert von unter 50 mmHg im arteriellen Blut reagieren die zerebralen Gefasse mit einer Erweiterung so dass es zu einer Zunahme der Durchblutung kommt Weiterhin beeinflussen die sympathische und parasympathische Innervation der grosseren Gefasse sowie die Reaktion der Gefassmuskulatur der Arteriolen auf endokrine und chemische Faktoren pH Wert Adenosin Kalium den Gefasswiderstand 8 Messung BearbeitenDer globale zerebrale Blutfluss kann durch Anwendung des Fickschen Prinzips nach einer von dem Neurowissenschaftler Seymour S Kety entwickelten Methode bestimmt werden 9 Dabei inhaliert der Proband Distickstoffmonoxid N2O in niedriger Konzentration dessen Konzentration anschliessend in einer aus der V jugularis interna entnommenen Blutprobe bestimmt wird Durch die Multiplikation des so ermittelten CBF mit der jeweiligen Konzentrationsdifferenz zwischen arteriellem und venosem Blut konnen ausserdem Stoffwechselrate des Gehirns fur bestimmte Metabolite wie zum Beispiel Sauerstoff Kohlendioxid Glucose oder Laktat bestimmt werden Fur die Etablierung der Methode wurde Kety 1988 mit dem NAS Award in the Neurosciences ausgezeichnet 10 Der Blutfluss in bestimmten Hirnarealen der als regionaler zerebraler Blutfluss rCBF bezeichnet wird kann durch verschiedene bildgebende Verfahren am lebenden Organismus gemessen werden um minderdurchblutete Bereiche des Gehirns identifizieren zu konnen Zur Bestimmung des rCBF wird unter anderem die Positronen Emissions Tomographie PET die SPECT die Xenon Computertomographie die transkranielle Dopplersonographie und die Magnetresonanztomographie MRT eingesetzt Auch der rCBF wird in der Einheit ml 100 g min angegeben wobei die gemessenen Werte stark methodenabhangig sind weshalb methodenspezifische Referenzwerte herangezogen werden Pathophysiologie und Dysregulation BearbeitenWenn der systemische Blutdruck unter 50 mmHg oder uber 150 mmHg liegt kann der Autoregulationsmechanismus diesen durch die Anpassung des Gefassdurchmessers nicht mehr kompensieren und der zerebrale Blutfluss folgt druckpassiv linear dem zentralen Perfusionsdruck CPP 11 Ein zu geringer Blutfluss Ischamie fuhrt zu einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Nahrstoffen Eine Verringerung des Blutflusses um die Halfte kann das Gehirn zunachst noch durch eine verbesserte Sauerstoffausschopfung kompensieren Eine kurzfristige Reduktion auf unter 20 ml pro 100g und Minute fuhrt bereits zu reversiblen Veranderungen an den Gehirnzellen Wenn die Durchblutungsrate auf weniger als 15 ml pro 100g und Minute sinkt kommt es innerhalb von einigen Minuten bis weniger Stunden zum endgultigen Absterben von Nervenzellen 12 Eine zu starke Durchblutung Hyperamie des Gehirns kann zu einem Anstieg des intrakraniellen Druckes fuhren der zu einer Schadigung des empfindlichen Hirngewebes fuhren kann Bei einer massiven akuten Uberschreitung der Regulationsgrenze des systemischen Blutdrucks uber 150 mmHg z B bei einer hypertensiven Krise kommt es zu einer starken Zunahme des zerebralen Blutflusses und des zentralen Perfusionsdruckes CPP mit einer Storung der Blut Hirn Schranke Durch den Austritt von Plasmaproteinen aus den Blutgefassen kann sich ein Hirnodem entwickeln 8 Bei dauerhaftem Bluthochdruck verschieben sich die Grenzen der autoregulatorischen Anpassung nach oben wodurch der Korper versucht sich an die veranderten Parameter anzupassen 13 Auch durch uber einen langeren Zeitraum bestehenden und schlecht eingestellten Diabetes mellitus kann die Autoregulation insgesamt gestort werden Beim reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndrom kommt es zu einer kurzzeitigen segmentalen arteriellen Vasokonstriktion wodurch eine schlagartige Minderdurchblutung der betroffenen Areale ausgelost wird 14 Hauptsymptom ist ein plotzlich einsetzender Vernichtungskopfschmerz der je nach betroffener Hirnregion mit anderen neurologischen Ausfallen einhergehen kann Siehe auch BearbeitenBlutversorgung des GehirnsEinzelnachweise Bearbeiten D J Begley DJ M W Brightman Structural and functional aspects of the blood brain barrier In Prog Drug Res 61 2003 S 39 78 D M Hermann T Steiner H C Diener Vaskulare Neurologie Zerebrale Ischamien Hamorrhagien und vaskulare Demenz Georg Thieme Verlag 2010 S 8 Otto Detlev Creutzfeldt Allgemeine Neurophysiologie der Hirnrinde In Otto Detlev Creutzfeldt Hrsg Cortex cerebri Springer Verlag Berlin 1983 ISBN 3 540 12193 5 H Ito I Kanno H Fukuda Human cerebral circulation positron emission tomography studies In Annals of nuclear medicine Band 19 Nummer 2 April 2005 S 65 74 ISSN 0914 7187 PMID 15909484 Reinhard Larsen Anasthesie und Intensivmedizin in Herz Thorax und Gefasschirurgie 1 Auflage 1986 5 Auflage Springer Berlin Heidelberg New York u a 1999 ISBN 3 540 65024 5 S 445 Kandel E R Schwartz J H Jessell T M 2000 Principles of Neural Science 4th ed McGraw Hill New York p 1305 E Kochs H A Adams C Spies Anasthesiologie Georg Thieme Verlag 2008 S 264 a b c E Kochs H A Adams C Spies Anasthesiologie Georg Thieme Verlag 2008 S 265 S S Kety C F Schmidt The nitrous oxide method for the quantitative determination of cerebral blood flow in man theory procedure and normal values In The Journal of clinical investigation Band 27 Nummer 4 Juli 1948 S 476 483 ISSN 0021 9738 doi 10 1172 JCI101994 PMID 16695568 PMC 439518 freier Volltext NAS Award in the Neurosciences bei der National Academy of Sciences nasonline org abgerufen am 25 Dezember 2014 E Kochs H A Adams C Spies Anasthesiologie Georg Thieme Verlag 2008 S 263 Klaus Poeck Werner Hacke Neurologie 10 vollstandig uberarbeitete Auflage Springer Berlin 1998 ISBN 3 540 63028 7 L Edvinsson E T MacKenzie J McCulloch Cerebral Blood Flow and Metabolism Raven New York 1993 ISBN 0 88167 918 6 Ducros A Reversible cerebral vasoconstriction syndrome In The Lancet Neurology 11 2012 S 906 917 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zerebraler Blutfluss amp oldid 230540686