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Wende in den ersten Jahren auch Bonner Wende genannt 1 war ein Begriff fur den Regierungswechsel in der Bundesrepublik Deutschland im Herbst des Jahres 1982 Der Begriff wurde bereits im August 1981 vom damaligen Vizekanzler und Aussenminister Hans Dietrich Genscher erwahnt als er in einem internen FDP Papier das Land am Scheideweg sah und die Notwendigkeit einer Wende betonte 2 Bundeskanzler Helmut Schmidt machte ihm diese Worte in seiner letzten Regierungserklarung am 17 September 1982 zum Vorwurf und gab ihm die Hauptschuld am Koalitionsbruch an diesem Tag waren die vier Minister der FDP zuruckgetreten Bereits eine Woche zuvor sorgte das sogenannte Scheide Papier des Wirtschaftsministers der sozialliberalen Koalition Otto Graf Lambsdorff fur die endgultige Aufkundigung einer gemeinsamen Wirtschafts und Sozialpolitik Der am 1 Oktober neu gewahlte Bundeskanzler Helmut Kohl benutzte dann den Begriff der geistig moralischen Wende die mit dem Regierungswechsel einhergehen sollte Bereits 1976 veroffentlichte der SPD Politiker Erhard Eppler ein Werk mit dem Titel Ende oder Wende in dem er kritisch uber die westliche und deutsche Industriegesellschaft reflektiert und zu drastischen Veranderungen aufruft Somit existierte der Begriff bereits vor der Verwendung durch Genscher und Kohl als Synonym fur radikale politische Kurswechsel Inhaltsverzeichnis 1 Chronologie 2 Ursachen der Wende 3 Abgeleitete Begriffe 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Tontrager 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseChronologie BearbeitenAm 9 September 1982 stellte Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff FDP in einem Schreiben an Bundeskanzler Helmut Schmidt ein Konzept fur eine Politik zur Uberwindung der Wachstumsschwache und zur Bekampfung der Arbeitslosigkeit 3 auf das mit SPD Positionen unvereinbar war Am 17 September 1982 erklarte Helmut Schmidt in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag dass er das politische Vertrauen in seinen Koalitionspartner FDP verloren habe und forderte die Opposition auf das konstruktive Misstrauensvotum zu stellen Da Schmidt den Koalitionspartner vorab uber den Inhalt seiner Rede informiert hatte hatte ihm Hans Dietrich Genscher mitgeteilt dass er und die anderen drei FDP Minister zurucktreten wurden Am 26 September 1982 fiel die FDP in den Landtagswahlen in Hessen von 6 6 auf 3 1 Prozent ab und scheiterte erstmals seit 1946 in Hessen an der 5 Prozent Hurde Am 1 Oktober 1982 sturzten die FDP und CDU CSU in einem konstruktiven Misstrauensvotum 4 die Regierung von Helmut Schmidt und wahlten Helmut Kohl zum Bundeskanzler Er erhielt 256 von 279 moglichen Stimmen der neuen Koalition und damit sieben Stimmen mehr als fur seine Wahl erforderlich 5 Dieses Datum wurde spater als eigentlicher Tag der Wende betrachtet Am 10 Oktober 1982 musste die FDP auch nach den Landtagswahlen in Bayern zum zweiten Mal seit 1946 den Landtag verlassen Absturz von 6 2 auf 3 5 Prozent in Hamburg ging ihr Stimmenanteil bei den Burgerschaftswahlen am 19 Dezember 1982 von 4 9 auf 2 6 Prozent zuruck Ahnliche Stimmverluste gab es bei den Wahlen in Rheinland Pfalz am 6 Marz 1983 von 6 4 auf 3 5 Prozent und in Schleswig Holstein am 13 Marz 1983 von 5 7 auf 2 2 Prozent Viele ehemalige FDP Wahler empfanden den Koalitionsbruch offensichtlich als Verrat und bestraften die FDP dafur auf Landesebene Am 28 November 1982 grundeten in Bochum aus der FDP ausgetretene Gegner der Wende die Partei Liberale Demokraten LD Kohl wollte den Regierungswechsel moglichst bald vom Wahler bestatigen lassen Um Neuwahlen zu erreichen stellte er am 17 Dezember 1982 im Bundestag die Vertrauensfrage Durch Stimmenthaltung der meisten Abgeordneten der Regierungskoalition wurde ein negatives Ergebnis erzielt Noch am selben Tag schlug Kohl dem Bundesprasidenten Karl Carstens vor den Deutschen Bundestag aufzulosen Dieser loste am 7 Januar 1983 den Bundestag auf und legte als Termin fur Neuwahlen den 6 Marz fest 6 Die Klage einiger Bundestagsabgeordneter wegen Missbrauchs der Vertrauensfrage wurde vom Bundesverfassungsgericht am 16 Februar 1983 abgewiesen 7 Die Bundestagswahl am 6 Marz 1983 brachte der Union 48 8 und der FDP 7 0 Prozent so dass eine CDU CSU FDP Koalition uber eine deutliche Mehrheit im Bundestag verfugte Ursachen der Wende BearbeitenObwohl die Union bei der Bundestagswahl 1976 mit 48 6 Prozent der Stimmen ein hervorragendes Ergebnis erzielte 8 reichte dies nicht fur einen Kanzlerwechsel aus da die FDP auf die Union wie SPD mangels absoluter Mehrheiten als Koalitionspartner angewiesen waren vor der Wahl eine Koalitionsaussage zugunsten der SPD getroffen hatte SPD Bundeskanzler Helmut Schmidt erreichte durch sein Krisenmanagement der RAF Terroranschlage hohe Sympathiewerte Dies war einer der Grunde dafur dass die SPD ihr gutes Wahlergebnis von 42 6 Prozent 1976 im Jahr 1980 nochmals leicht auf 42 9 Prozent steigern konnte Bis heute ist es das zweitbeste SPD Ergebnis bei einer Bundestagswahl 9 Gleichzeitig wurde jedoch die innerparteiliche Kritik an Schmidt immer lauter Grund dafur war vor allem sein Ziel den umstrittenen NATO Doppelbeschluss umzusetzen was eine weitere Stationierung von Atomwaffen in Deutschland bedeutete Dies brachte ihm besonders im linken Flugel der SPD erhebliche Kritik ein Schmidt verlor durch sein Festhalten daran nach und nach an Ruckhalt innerhalb der eigenen Partei So lehnte unter anderem der damalige SPD Parteivorsitzende Willy Brandt die Politik ab die zum NATO Doppelbeschluss fuhrte Wortfuhrer dieser innerparteilichen Opposition waren Erhard Eppler und Oskar Lafontaine 10 Nachdem sich der SPD Parteitag im Fruhjahr 1982 fur Steuererhohungen ausgesprochen hatte die jedoch von der FDP abgelehnt wurden verscharften sich im Bereich der Wirtschaftspolitik die Differenzen zwischen den Koalitionspartnern 11 Auf der anderen Seite hatte in der Union Helmut Kohl seine innerparteiliche Position gestarkt als er einer Kandidatur von Franz Josef Strauss bei der Bundestagswahl 1980 zustimmte Mit dem Kandidaten Strauss verlor die Union im Vergleich zur Vorwahl rund vier Prozent und erzielte mit 44 5 Prozent ein deutlich schlechteres Ergebnis als Kohl vier Jahre zuvor Damit waren die Machtanspruche von Strauss gebrochen der sich danach wieder auf die bayerische Landespolitik konzentrierte In dieser Konstellation fanden nach Angaben des damaligen CDU Generalsekretars Heiner Geissler in den Jahren 1981 und 1982 Gesprache zwischen CDU und FDP statt um die FDP zu einem Koalitionswechsel zu bewegen 12 Als Helmut Schmidt im Sommer 1982 erkannte dass die Koalition nicht mehr zu retten war beauftragte er seinen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff FDP ein Konzept fur eine Politik zur Uberwindung der Wachstumsschwache und zur Bekampfung der Arbeitslosigkeit auszuarbeiten Dieses Konzept enthielt eine Reihe von Elementen die fur die SPD unannehmbar waren Dieses Papier wurde spater als Scheidepapier bekannt Abgeleitete Begriffe BearbeitenAls Wendebrief ging ein Rundschreiben an die FDP Mitglieder vom 20 August 1981 in die Geschichte ein Darin verlangte der FDP Bundesvorsitzende Hans Dietrich Genscher in einem Brief an die FDP Mitglieder eine Wende Indirekt wurde damit die SPD angesprochen Der Text wurde als Aufforderung zum Koalitionsbruch verstanden 13 Wendepapier wurde spater das Schreiben von Otto Graf Lambsdorff vom 9 September genannt Als Wendekanzler wurde Helmut Kohl bezeichnet vorwiegend ironisch von seinen politischen Gegnern als die versprochene geistig moralische Wende ausblieb Wegen seiner Rolle als Zunglein an der Waage sowie gleichzeitig in Anspielung an seine grossen Ohren die an die Zeichentrickfigur Wendelin erinnern bekam Hans Dietrich Genscher den Spitznamen Wendelin 14 Siehe auch BearbeitenGeschichte der Bundesrepublik Deutschland Wende und friedliche Revolution in der DDRLiteratur BearbeitenKlaus Bohnsack Die Koalitionskrise 1981 82 und der Regierungswechsel 1982 In Zeitschrift fur Parlamentsfragen Band 14 Heft 1 1983 ISSN 0340 1758 S 5 32 Gerard Bokenkamp Wechsel statt Wende Der Koalitionswechsel der FDP von 1982 aus dem Blickwinkel der realpolitischen Zwange In Jahrbuch zur Liberalismus Forschung Band 28 2016 ISSN 0937 3624 S 161 182 Joseph Bucker Helmut Schlimbach Die Wende in Bonn Deutsche Politik auf dem Prufstand 1983 ISBN 3 8114 5383 1 Gerhard Hertel Der Weg zur Wende Die Bundesrepublik Deutschland in der Ara Schmidt 1974 1982 1988 ISBN 3 89073 316 6 Helmut Kohl Der Weg zur Wende Von der Wohlfahrtsgesellschaft zur Leistungsgemeinschaft Hrsg von Dietrich Heissler 1983 ISBN 3 88042 190 0 Klaus Farin Die Wende Jugend 1984 ISBN 3 499 15527 3 Johannes Merck Klar zur Wende Die FDP vor dem Koalitionswechsel in Bonn 1980 1982 In Politische Vierteljahresschrift Band 28 Heft 4 1987 ISSN 0032 3470 S 384 402 Herbert Mies Wende nach rechts Ruckblick und Ausblick nach 13 Jahren SPD Regierung 1983 ISBN 3 88012 683 6 Andreas Rodder Die Bundesrepublik Deutschland 1969 1990 2004 ISBN 3 486 56697 0 Gunter Rohrmoser Das Debakel Wo bleibt die Wende Fragen an die CDU 1985 ISBN 3 88289 211 0 Hans Joachim Schabedoth Bittsteller oder Gegenmacht Perspektiven gewerkschaftlicher Politik nach der Wende 1985 ISBN 3 924800 32 4 Joachim Scholtyseck Die FDP in der Wende In Historisch Politische Mitteilungen Band 19 Heft 1 2013 ISSN 0943 691X S 197 220 PDF Hans Uske Die Sprache der Wende 1986 ISBN 3 8012 3017 1 Gunter Verheugen Halbzeit in Bonn Die Bundesrepublik zwei Jahre nach der Wende Hrsg von Karsten Schroder 1985 ISBN 3 462 01694 6 Tontrager BearbeitenIch bin Kohl mein Herz ist rein Die Platte zur Wende mit Elke Heidenreich Thomas Freitag Stephan Wald u a 1984 Produktion Gunter Walter Regie Volker KuhnWeblinks BearbeitenTilman Michael Dralle Der Nato Doppelbeschluss Neue geschichtswissenschaftliche sowie rechtliche Perspektiven auf eine umstrittene bundnispolitische Entscheidung 2010 Einzelnachweise Bearbeiten Nachfolgerin fur Apel Der Spiegel Nr 37 vom 12 September 1988 Gode Japs Trennung nach 13 gemeinsamen Jahren Deutschlandradio 7 September 2007 Otto Graf Lambsdorff Konzept fur eine Politik zur Uberwindung der Wachstumsschwache und zur Bekampfung der Arbeitslosigkeit In 1000dokumente de 9 September 1982 Antrag der Fraktionen CDU CSU und FDP nach Grundgesetzartikel 67 vom 28 September 1982 PDF 13KB Plenarprotokoll der 118 Sitzung der 9 Wahlperiode vom 1 Oktober 1982 PDF 2 9MB Helmut Kohls Vertrauensfrage Memento vom 11 November 2012 im Internet Archive www bundestag de abgerufen am 1 Oktober 2012 BVerfGE 62 1 bundeswahlleiter de Memento vom 12 Januar 2011 im Internet Archive bundeswahlleiter de Memento vom 21 Dezember 2013 im Internet Archive Philipp Gassert andere Hrsg Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung Munchen 2011 S 211 welt de welt de Jurgen Dittberner Die FDP Geschichte Personen Organisation Perspektiven 2 uberarbeitete und aktualisierte Auflage VS Verlag fur Sozialwissenschaften 2010 ISBN 978 3 531 14050 6 S 50 51 Werner Kany Inoffizielle Personennamen Bildung Bedeutung und Funktion de Gruyter 1992 S 273 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wende Bundesrepublik Deutschland amp oldid 227755716