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Wojnski kerlus Kriegslied eigentlich Choral vom Krieg ist ein altsorbisches episches Heldenlied dessen Inhalte bis in das 9 Jahrhundert zuruckreichen und dessen Verbreitung weit uber das sorbische Siedlungsgebiet hinausreicht Bis ins 19 Jahrhundert hinein wurden die Teile des Liedes lediglich mundlich uberliefert Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung 2 Inhalt 3 Deutungen und Erforschung 4 Textprobe sorbisch deutsch 5 Bearbeitungen 6 EinzelnachweiseEntdeckung BearbeitenBerichte uber alte sorbische Lieder und Sagen werden erstmals um 1700 herum aufgezeichnet So zitiert Abraham Frencel 1700 Fragmente eines sorbischen Regenzauberliedes 1783 berichtet der Gorlitzer Historiker und Sprachforscher Karl Gottlob von Anton erstmals von der Existenz alter epischer Lieder Sie wissen zu gut dass sie die Herren des Landes waren das jetzt ihre Feinde die Deutschen besitzen die gegen sie verubten Grausamkeiten schweben ihnen noch im frischen Gedachtnis und sie nahren sich mit der Hoffnung da sie einst wieder ihr Haupt emporheben und ihre Unterdrucker unterjochen werden Noch haben sie mundliche Uberlieferungen von ihren Schicksalen die sie aber vor den Deutschen sehr geheim halten 1 Einen naheren Grund fur die Geheimhaltung gab Anton nicht an doch liegt dieser vermutlich in der Tatsache dass besonders die jungeren Lieder sich haufig mit sozialen Ungerechtigkeiten durch Lausitzer Gutsherren auseinandersetzen Nach einigen ersten Versuchen sorbische Lieder zu sammeln und zu dokumentieren gelang Jan Arnost Smoler und Joachim Leopold Haupt in ihrer Veroffentlichung Volkslieder der Wenden in der Ober und Nieder Lausitz 1841 1843 eine umfassende Darstellung eines Grossteils des sorbischen Liedguts samt Melodien und Anmerkungen die bis heute ein Standardwerk der sorabistischen Forschung sind Neben einigen anderen Liedern die Smoler als sehr alt datiert befinden sich zwei Varianten des als Gliederkette auf Deutsch bezeichneten Liedes 2 Eine Variante stammte dabei aus dem Kindheitsort Smolers aus Lohsa wahrend das andere aus der Naundorf in der Niederlausitz stammte Erst 1893 veroffentlichte Ewald Muller eine weitere sehr umfangreiche Variante des Liedes die ihm der Kantor Riese aus Sielow ubersandt hatte 1 Weitere Varianten zeichnete u a Adolf Cerny auf sodass insgesamt uber 20 verschiedene Varianten des Liedes oder von Teilen davon in uberwiegend niedersorbischer Sprache dokumentiert sind Neuzeitlich durften dabei die deutschen Ubersetzungen und die obersorbische Ubertragungen einiger Teile des Liedes sein Bei der ebenso nicht geringen Anzahl an Varianten der Melodie lassen sich zwei Kernmelodien erkennen wobei die eine die wohl jungeren Datums ist der Melodie des deutschen Volksliedes O wie wohl ist mir am Abend ahnelt wahrend die andere in ein archaisches Tonempfinden Einblick gewahrt und wohl die historische Melodie des Liedes ist 1 Da die Varianten des Liedes teilweise unterschiedliche Begebenheiten um den Helden des Liedes behandeln ist davon auszugehen dass einige Teile ursprunglich eine zusammenhangende Geschichte erzahlten wobei das Lied einen fragmentaren Charakter beibehalt Inhalt BearbeitenWojnski Kerlus berichtet von einem Helden dem Pan der von seinen Schlachten die er siegreich schlug von seinem Volk begrusst wird Pan ist dabei eine im modernen Sorbisch nicht mehr gebrauchliche Bezeichnung fur einen adligen Herrn Innerhalb der Varianten des Liedes lassen sich vier Abschnitte einer Geschichte feststellen Die Varianten des Liedes beginnen ungefahr stets mit den Worten Unsere Jungen kommen aus dem Kriege geritten und fuhren unseres Herren Pferd Nach dieser Einleitung folgt ein kurzer Bericht bei dem sich bei den Varianten des Liedes vier verschiedene Themen abzeichnen Im mutmasslich ersten Teil des Liedes wird die Ankunft des Pan mit fremden Reitern beschrieben die im Text als Huntse als Hunnen oder auch Ungarn beschrieben werden Im zweiten Teil des Liedes wird die Ankunft des Pan selbst geschildert der mit sich eine Frau fuhrt als Herrin fur sein Volk und vermutlich Gattin fur sich selbst Im dritten Teil des Liedes wird die Ruckkehr des Pan und seiner Mannen geschildert samt einem kriegsgefangenen deutschen Krieger Dieser Teil des Liedes geht auf die Mitteilung des Sielower Kantors zuruck und ist inhaltlich die umfangreichste Version In diesem Liedteil welcher zweifellos den Hohepunkt des ganzen Liedes bildet wird der deutsche Konig aufgefordert dem Pan zu huldigen und der Herrin wird angeboten dass sie den Kriegsverlauf sich berichten lassen soll Wegen dieser Liedstelle sowie geschuldet der Tatsache dass Berichte von Schlachten oder der Auszug des Panes und seiner Leute vollig fehlen nahm bereits Kantor Riese an dass hier ganze Liedteile verloren gegangen seien 1 Im wahrscheinlich letzten Teil des Liedes kehren die Reiter nur mit dem Pferd des Pan zuruck jedoch ohne denselben Dieser so berichten mindestens zwei Versionen u a auch jene bei Smoler aufgezeichnete wurde der alte und starke Herr auf dem Grunde eines Flusses bei der Donau vier Meilen hinter der Morava im heutigen Serbien liegen Der Grund weshalb der Pan verstorben war wird indes verschwiegen Der zweite und letzte Liedteil sind zudem durch weitere Elemente erganzt von denen nicht klar ist in welcher Beziehung sie zum ursprunglichen Lied stehen Nach der erwahnten Erzahlung um den Pan schliesst sich eine bilderreiche und symbolhafte Beschreibung seines Ringes an und das was man im Auge des Ringes sehen kann An diese schwer zu deutenden Passagen schliesst sich nahtlos jeweils ein kurzes Tanzlied an Lediglich in einer Version wird ein Name des Pan genannt So liest man Pisic Panjo konja wjezo also Herr Pis sein Pferd fuhrt Ausserdem taucht in allen Versionen zwischen den Versen der Ruf Huj auf welcher mitgesungen wird Deutungen und Erforschung BearbeitenWirkliche Zweifel an der Echtheit des Liedes kamen schon wegen der grossen Verbreitung des Liedes selbst uber Sprachgrenzen hinweg kaum auf Besonders der inhaltlich unklare Liedteil um den Ring des Herrn ist mit grossen Ubereinstimmungen so noch in Polen Mahren Tschechien und der Ukraine uberliefert wie Smoler dokumentiert Fur Galizien erwahnt er einen Kinderreim der in einem Spiel mit dem Titel Die Konigin gesprochen oder gesungen wurde Der sorbische Musikwissenschaftler Jan Rawp der sich besonders um die Erforschung des Liedes verdient gemacht hatte sah besonders in der weiten Verbreitung des Liedes eine echte alte Volksliedtradition und fuhrt fur das Lied dessen althergebrachtes Wortgut und die Form seiner Melodien fur dessen hohes Alter an Mundliche Uberlieferungen fur epische Lieder vom 12 Jahrhundert an sind so auch u a in Serbien oder in Polen belegt deren Lieder in Form und Erzahlweise dem Wojnski Kerlus ahneln Zugleich datiert er die Inhalte des Liedes in das 10 Jahrhundert und wies auf historische Begebenheiten dieser Zeit hin die auffallend mit den Erzahlungen in den Strophen ubereinstimmen 1 Hauptquelle fur das Lied ist demnach Widukind von Corvey mit seiner Sachsengeschichte Dieser berichtet von den Kampfen zwischen Konig Heinrich dem Vogler und den Slawen in Daleminzien Das oben genannte Heer der Ungarn von den Slawen herbeigerufen richtete in Sachsen grossen Schaden an und machte unendliche Beute bei der Ruckkehr nach Dalminzien trafen sie ein anderes ungarisches Heer das ihre Freunde zu bekriegen drohte da diese ihre Hilfe verschmaht wahrend sie das erste Heer zu grosser Beute gefuhrt hatten Und so geschah es dass Sachsen ein zweites Mal von Ungarn verwustet wurde wahrend das erste Heer das zweite in Dalminzien erwartete wurde dieses Land auch in eine derart grosse Not gebracht dass sie in diesem Jahr den eigenen Grundbesitz verliessen und anderen Volkern fur ihren Lebensunterhalt dienten 3 Demnach wurde das Lied die Begebenheiten um das Jahr 924 herum schildern als die Bewohner des sorbischen Gaues Daleminzien welches das Umland der Lommatzscher Pflege bis nach Dresden hin umfasste die Ungarn zu Hilfe gegen die Krieger der deutschen Konige riefen die seit 904 immer wieder das Land verwusteten Von Widukind wird die Tatsache verschwiegen dass die Ungarn ihre Einfalle erst einstellten als Konig Heinrich ihnen Tribut zahlen musste was bis zu seinem endgultigen Sieg uber die Ungarn so fortbestand Die Rolle der slawischen Krieger halt Widukung nicht weiter fur erwahnenswert bemerkt jedoch dum illos ad tantam predam duxissent sie zu grosser Beute gefuhrt hatten und halt somit die Fuhrung der Ungarn durch die Slawen trotzdem fest und belegt somit indirekt eine Beteiligung durch slawische Krieger Somit wurden die Textteile dass Ungarn fur und mit Sorben kampften genauso belegt sein wie die Tatsache dass der deutsche Konig zu einer Huldigung namlich Tributzahlungen gezwungen wurde Die Erwahnung dass die Ungarn zwei verschiedene Heere in Daleminzien hatten die unabhangig voneinander agierten und zuletzt dadurch ihre Verbundeten die Daleminzer hohen Aufwand verursachten sodass diese gezwungen waren in fremden Landern ihren Lebensunterhalt zu verdienen passt zusatzlich zu dem Abschluss des Liedes und konnte erklaren weshalb der Held des Liedes in Serbien starb Zudem weist Rawp auf den Ruf im Lied Huj als Kriegsruf hin und belegt dies mit zeitgenossischen Berichten Luitprand Engelinus Ex eorum turpis et diabolica hui hui frequenter auditur als Schlachtruf der Ungarn im Kampfe gegen Konig Heinrich I im Jahre 933 Somit belegt dieser Zwischenruf in besonderer Weise die Authentizitat des Liedes Der Pan dagegen ist historisch nicht belegbar jedoch sind fur einzelne sorbische Stamme immer wieder Herrscher belegt sodass die Existenz an sich nicht ausgeschlossen ist Der Name Pis konnte entweder an den belegbaren Namen Pes als Kurzform Petrus in den christianisierten slawischen Gebieten dieser Zeit ein Anklang sein oder als Form von Pych oder Pychor was so viel wie der Stolze bedeutet Beide Namen lassen sich zumindest fur altslawische Zeit nachweisen und lassen die namentliche Erwahnung eines Namens der in der Neuzeit absolut nicht mehr gebrauchlich war nicht fur ganz frei erfunden erscheinen Jedoch konnte besonders die Form Pychor fur Pis mehr ein ehrender Beiname als tatsachlicher Personenname stehen 4 Laut Rawp ist das Wojnski kerlus inhaltlich das alteste erhaltene epische slawische Lied uberhaupt 1 Textprobe sorbisch deutsch BearbeitenNa tym sedli pani sedzi huj pani sedzi Ma ta pani zloty perscen huj zloty perscen Ma ton perscen modre woko huj modre woko Psez to woko woda bjejzi huj woda bjejzi Na tej wodzi trawa rosce huj trawa rosce Po tej trawi pawy khodza huj pawy khodza Rjana pani pawy pase huj pawy pase Auf dem Sattel sitzt ne Herrin huj sitzt ne Herrin Herrin hat ein goldenes Ringlein huj hat ein goldenes Ringlein Ringlein hat ein blaues Auge huj ein blaues Auge Ubers Auge fliesset Wasser huj fliesset Wasser Auf dem Wasser wachsen Graser huj wachsen Graser Auf den Grasern gehen Pfauen huj gehen Pfauen Schone Herrin Pfauen hutet huj Pfauen hutet Bearbeitungen BearbeitenDas Lied ist auch heute in einzelnen Teilen fester Bestandteil der sorbischen Musikkultur Die Bekanntheit in der Oberlausitz nahm sogar durch den Umstand zu dass der sorbische Komponist Bjarnat Krawc in seinen 33 wendische Volkslieder fur eine Singstimme und Klavier op 52 einen Teil des Wojnski kerlus aufnahm und auch burgerlichen Kreisen zuganglich machte Zudem widmete der Zeichner Mercin Nowak Njechornski ein Werk dem Liede Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f Jan Rawp Nase golcy z wojny jedu In Letopis Reihe C herausgegeben fur das Institut der sorbischen Volksforschung Jahrgang 1954 57 ISSN 0522 5086 Jan Arnost Smoler Leopold Haupt Hrsg Volkslieder der Wenden in der Ober und Niederlausitz Gebhardt Grimma 1841 1843 Teil I Lied LIX S 93 Textarchiv Internet Archive und im Teil II Lied XCI S 81 Textarchiv Internet Archive Res gestae Saxonicae Abschnitt 1 20 des Widukind von Corvey Ernst Eichler Pichor In Ders Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neisse Bd 3 N S Domowina Verlag Bautzen 1993 ISBN 3 7420 0780 7 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wojnski kerlus amp oldid 208109582