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Die Villikation oder Hofverband bezeichnet eine Einheit innerhalb einer speziellen Form der Grundherrschaft im Mittelalter die klassische oder zweigeteilte Grundherrschaft genannt wird Der ursprunglich lateinische Wortstamm ist im englischen und franzosischen village erhalten Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau und Charakteristika 2 Entwicklung und Auflosung 3 Einzelbeispiel 4 Siehe auch 5 LiteraturAufbau und Charakteristika BearbeitenZentrum einer Villikation war ein Herrenhof Fronhof oder Salhof lat curtis mit einem selbst bewirtschafteten Landbesitz Salland lat terra salica Um diesen Fronhof gruppierten sich kleinere Bauernstellen Hufen lat mansi die vom Grundherren ausgegeben und von den Bauern selbst bewirtschaftet wurden Von dieser Unterteilung in Fronhof und abhangige Hufen leitet sich die Bezeichnung zweigeteilte Grundherrschaft ab Grossere Grundherrschaften bestanden aus einer Vielzahl solcher Wirtschaftseinheiten Das Salland wurde vom Herrn selbst oder einem Verwalter Meier lat maior oder villicus mithilfe des unfreien Hofgesindes lat mancipia und der Frondienste der horigen Hufenbauern bewirtschaftet Die Villikation beschrankte sich dabei allerdings nicht nur auf agrarische Produktion sondern erzeugte auch gewerbliche Guter fur den Eigenbedarf und zum Verkauf Letzterer erfolgte mitunter durch fronende Horige im Hausierhandel und zum Teil sogar im Fernhandel In grosseren Villikationen konnten auch sehr spezialisierte Handwerker angesiedelt sein Die rechtliche Stellung des horigen Bauern konnte dabei sehr unterschiedlich sein Statusunterschiede lassen sich vor allem von der Menge der zu leistenden Frondienste ableiten Wahrend der Grossteil der abhangigen Bauern drei teilweise sogar funf Tage in der Woche Dienste zu leisten hatte gab es Halbfreie sog Liten deren Frondienste sich auf mehrere Wochen im Jahr beschrankten Haufig hing diese Stufung auch von der Grosse der Vilikation und der Entfernung der einzelnen Bauernstellen vom Fronhof ab Aus praktischen Grunden waren entfernt lebende Bauernhaushalte zu geringeren Arbeitsleistungen oder lediglich zur Lieferung von Naturalabgaben verpflichtet Insbesondere klosterliche Villikationen konnten durch Stiftungen weite raumliche Ausdehnungen erreichen Haufig kam es zur Einrichtung von Nebenhofen mit eigenem Verwalter teilweise auch in mehrfach gestaffelten Strukturen Charakteristisch fur die Villikation im Gegensatz zu anderen Formen der Grundherrschaftsverfassung insbesondere der Rentengrundherrschaft war die grosse Bedeutung des Personenverbandes Nicht das geliehene Gut lag der Abhangigkeit des Bauern von seinem Herrn zugrunde sondern seine personliche Zugehorigkeit zum Herrschaftsverband Der Bauer war also nicht einfach Pachter eines landwirtschaftlichen Gutes gegen Grundzins sondern seinem Herrn horig was zusatzlich bedeutet dass der Herr ihn zu Arbeitsleistungen verpflichten konnte und er der Gerichtshoheit siehe Patrimonialgerichtsbarkeit seines Herren unterstand Diese personliche Bindung zwischen Herrn und Horigem wurzelte in der feudalen Grundstruktur des Mittelalters die von Otto Brunner als Austauschverhaltnis Schutz und Schirm Grundherr gegen Rat und Tat Horiger charakterisiert worden ist Entwicklung und Auflosung BearbeitenDie Villikation entwickelte sich im 7 Jahrhundert und war ursprunglich vor allem in den zentralen Gebieten des Frankischen Reiches zwischen Rhein und Loire verbreitet Die Ausbreitung und Durchsetzung der Grundherrschaft als Hauptform der fruhmittelalterlichen Herrschaftsverfassung brachte die Villikation auch in anderen Teilen West und Mitteleuropas im 9 und 10 Jahrhundert zur vollen Entfaltung Anfangs handelte es sich bei dem Fronhof in der Regel um den Sitz des Grundherren selbst spater war dort meist ein Verwalter ansassig Letzteres war die Regel bei Villikationen die in die Hand von Klostern oder Stiften ubergegangen waren Einige Fronhofe entwickelten sich zu Burgen Infolge der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse im Hochmittelalter Landesausbau Bevolkerungswachstum Bedeutungsgewinn der Stadte Ausbreitung der Geldwirtschaft loste sich die Villikationsverfassung allmahlich auf Auch die Grundherren selbst waren immer weniger fahig oder willens die organisatorisch anspruchsvolle Wirtschaftsform der Villikation aufrechtzuerhalten und gingen schrittweise zu rentenbasierten Grundherrschaftssystemen uber Die Eigenwirtschaft wurde weitgehend aufgegeben die Fronhofe aufgelost oder verliehen Die damit zum grossten Teil uberflussigen Frondienste wurden durch Geld oder Naturalrenten ersetzt Dieser Prozess vollzog sich bei betrachtlichen Unterschieden von Region zu Region im 12 und 13 Jahrhundert Uberreste der Villikationsverfassung wie etwa meist auf wenige Tage im Jahr reduzierte Frondienste bestimmte auf personlicher Abhangigkeit beruhende Abgaben z B der Todfall etc bestanden jedoch auch noch im Spatmittelalter und hielten sich mancherorts bis ins 19 Jahrhundert Einzelbeispiel BearbeitenAufbau und Zerfall einer kleineren Villikation im nordwestdeutschen Raum wurde von Jurgen Espenhorst am Beispiel des Ortes Gehrde untersucht Ausgangspunkt ist eine Urkunde aus der Zeit 1037 52 in der der Haupthof in loco riesfordi nominato in dem Ort namens Rusfort beschrieben wird Osnabrucker Urkundenbuch I Nr 138 Es konnte gezeigt werden dass zu diesem Haupthof einige Siedlungen auf dem ostlichen Haseufer gehorten die bereits 977 genannt wurden Osnabrucker Urkundenbuch I Nr 111 Der Haupthof Hriasforda wurde bereits um 880 im Werdener Urbar erwahnt Flurnamen und Bodenfunde deuten darauf hin dass zum Haupthof eine Siedlung von Horigen und das Salland aber auch eine Eigen Kirche auf der Kerklage gehorte Grosse Teile davon waren umwallt Um 1150 kam es dann zur Auflosung der Villikation und einer Art Bauernbefreiung durch die ein selbstandigeres Wirtschaften und die Herausbildung eines Bauernstandes moglich wurde Dies beflugelte die innere Kolonisation Der Grundherr war damit nicht mehr unmittelbar fur Schutz und Schirm verantwortlich und die Fronleistungen wurden durch jahrliche Pachtabgaben Abgaben bei Tod Sterbfall und Hochzeit Auffahrt abgelost Der Grundherr zog in eine neue Burg vermutlich eine Motte und grundete im ersten Viertel des 13 Jahrhunderts schliesslich eine Gemeindekirche aus der sich dann das heutige Kirchengebaude von Gehrde entwickelte Das Gelande des Haupthofes risforda liegt etwa da wo sich heute das Kriegerdenkmal des Dorfes befindet Siehe auch BearbeitenLehnswesenLiteratur BearbeitenJurgen Espenhorst Zuruck in vergangene Zeiten Neue Aspekte zur Entstehung landlicher Siedlungen Rusfort im Artland 880 1990 Gehrde 1990 insb S 245 288 Friedrich Wilhelm Henning Handbuch der Wirtschafts und Sozialgeschichte Deutschlands Schoningh 2003 S 63 88 Jurgen Kuczynski Allgemeine Wirtschaftsgeschichte 8 Vorlesung Die Wirtschaft des Feudalismus und das Land Dietz Verlag Berlin 1949 Werner Rosener Artikel Villikation in Lexikon des Mittelalters 10 Bde Stuttgart 1977 1999 Bd 8 Sp 1694 f Normdaten Sachbegriff GND 7743174 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Villikation amp oldid 228128097