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Als Vier Lande Turniere wird eine kurzlebige Welle von Turnieren bezeichnet die zwischen 1479 und 1487 in Sudwestdeutschland abgehalten wurden Die Vier Lande bezogen sich auf die Turnierlandschaften Franken Schwaben am Rheinstrom Mittel und Niederrhein und Bayern Es handelte sich um folgende Turniere Wurzburg 10 12 Januar 1479 Mainz August 1480 Heidelberg 26 28 August 1481 Stuttgart ab 7 Januar 1484 Ingolstadt 5 8 September 1484 Ansbach 16 18 Mai 1485 Bamberg 8 10 Januar 1486 Regensburg 4 7 Februar 1487 Worms 26 28 August 1487 Kolbenturnier in Ruxners Turnierbuch von 1530 Diese neun Turniere ragen aus der Vielzahl weiterer regionaler genossenschaftlicher als Gruppenkampf organisierter Turniere oder hofischer Festveranstaltungen 1 oder Einzelstechen Tjoste heraus weil sie ausserordentlich gut dokumentiert sind rein genossenschaftlich organisiert waren und dabei aber uberregional die vier Turnierlandschaften vereinten Weitere Besonderheiten sind dass sie einem sich zunehmend verfeinerndem Reglement unterlagen und dass es weder vor dieser Zeit noch danach noch ausserhalb dieser Region ahnlich gestaltete Turniere gab 2 Als zeitgenossische Berichte liegen die Familienchronik des Michael von Ehenheim 3 Aufzeichnungen von Siegmund von Gebsattel 4 einem damals in Rottingen an der Tauber residierenden Wurzburger Ritter 5 und Ludwig von Eyb dem Jungeren 6 sowie das Familienbuch des Baslers Ludwig von Eptingen 7 vor Inhaltsverzeichnis 1 Die Vier Lande Turniere als Hohepunkt einer einzigartigen Turniertradition 2 Der Ablauf der Turniere 3 Das Ende der Turniere 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDie Vier Lande Turniere als Hohepunkt einer einzigartigen Turniertradition Bearbeiten nbsp Helmschau im Grunenbergschen WappenbuchDie Reglementierungen und besonderen Zulassungsbeschrankungen gingen in eine Vielzahl von Turnier und Wappenbuchern ein So ist der Ingeram Codex 8 um 1459 teilweise nach turnierenden Adelsgesellschaften sortiert ebenso das Wappenbuch des Conrad Grunenberg 1483 Es liegen auch ausfuhrliche Beschreibungen der einzelnen Turniere vor so das Wurzburger Turnierbuch uber das Turnier von 1479 9 und die Turnierchronik des Jorg Rugen von 1494 Dieser wurde zwischenzeitlich mit Georg Ruxner gleichgesetzt Besonders dessen Turnierbuch von 1530 Anfang vrsprung vnd herkomen des Thurniers inn Teutscher nation 10 pragte durch unzahlige Abschriften und Nachdrucke das Bild von diesen Turnieren Ruxner verzeichnete zuletzt 36 offizielle Turniere in der Zeit zwischen 939 und 1487 Erst ab dem 15 Jahrhundert wird diese Auflistung als verlasslich angesehen Gerade dieses letzte Werk macht die Rolle deutlich welches diese Turniere fur das adelige Selbstverstandnis der Zeit spielten Zunachst hob sich der Adelige allein durch die Teilnahme an den Turnieren aus dem Kreis seiner Standesgenossen und hier besonders vor moglichen Emporkommlingen ab Der Teilnahme an jedem einzelnen Turnier ging eine aufwandige Wappenschau voraus in der der Adelige beweisen musste dass auch bereits seine Vorfahren an solchen Turnieren teilgenommen hatten Die Turnierbucher dienten nun der Dokumentation eines solchen Herkommens Mit der Auflistung der Teilnehmer an alteren Turnieren wurde also auch Herkommen konstruiert Das wichtigste Abgrenzungselement dieser Turniere bestand darin dass sie vom zumeist nicht landsassigen 11 niederen Adel selbst organisiert wurden Hier konnte eine hofische Lebensweise ohne direkte Abhangigkeit von den Fursten praktiziert werden und der Adel konnte sich gegen reiche Burger abgrenzen Dies war jedoch nur noch mit gewissen Beschrankungen moglich Aus organisatorischen Grunden konnten diese Veranstaltungen nur noch in den Stadten durchgefuhrt werden und bis auf Regensburg und Worms war auch immer die Genehmigung des Fursten notwendig in dessen Residenzstadt das Turnier stattfand Es gab auch schon vor dieser Serie genossenschaftlich organisierte Turniere aber das Turnier von 1479 verstand sich als eine Wiederaufnahme nach langerer Pause Ehenheim berichtet von einer dreissigjahrigen Pause 4 Anderseits konnte Philipp von Kronberg zwischen 1410 und 1413 an insgesamt 13 Turnieren an Mittel und Niederrhein in Schwaben und in Franken teilnehmen Diese wie auch gut dokumentierte Turniere zur Zeit des Konzils von Basel in Schaffhausen waren aber nur regional organisiert und kamen nicht an die Teilnehmerzahlen der Vier Lande Turniere heran In dieser internationalen Rezeption die besonders dadurch unterstrichen wurde dass Rene d Anjou in seinem Turnierbuch diese Art der Turniere als vorbildlich hervorhob sieht Werner Paravicini die Einzigartigkeit der genossenschaftlichen Turniere auch auf europaischer Ebene gegeben 12 Der Ablauf der Turniere BearbeitenDie Turniere waren Grossveranstaltungen die den Furstenhochzeiten in nichts nachstanden Am ersten Turnier in Wurzburg nahmen etwa 780 Turnierer und weit uber 1500 aktive Teilnehmer mit einem Tross von 4073 Pferden teil 13 In Heidelberg waren es laut Ludwig von Eptingen 441 Helme 90 Helme wurden abgelehnt Es mussten zwei Turnierdurchgange durchgefuhrt werden In Stuttgart zahlte Eptingen 320 Helme in Ansbach 305 Die Teilnehmerzahl nahm mit der Zeit immer mehr ab In Regensburg fehlten die Rheinlander In Worms waren es noch 223 Helme 14 Der Ablauf der Turniere erfolgte immer nach demselben Schema Am ersten Tag erfolgte eine Helmschau wobei durch die auserwahlten Damen mit Unterstutzung der Turnierrichter auch die Zugangsberechtigungen gepruft wurden Am folgenden Tag erfolgte die Aufteilung der Teilnehmer in zwei Parteien welche anschliessend das Kolbenturnier ausfochten Dabei fochten alle 200 300 Teilnehmer wie in einer Schlacht zwischen den Schranken auf dem Marktplatz der Stadt Es konnte eine zweite Phase mit stumpfen Schwertern folgen oder auch Einzelstechen mit der Lanze Da das Kolbenturnier als die ranghohere standesgemasse Veranstaltung angesehen wurde bildete sich in der Heraldik die Differenzierung zwischen adeligem Spangenhelm und burgerlichem Stechhelm heraus Am Abend wurde der Turnierdank der Siegerpreis fur jedes der Vier Lande uberreicht Ein Festessen und ein Tanz schlossen sich an In den Statuten der Adelsgesellschaften waren oft die Verpflichtung zum Mitbringen mindestens einer weiblichen Standesperson enthalten Wer dem nicht nachkam war zu Strafzahlungen verpflichtet nbsp Auf die Schranke SetzenDie Beratungen auf den Vier Lande Turnieren mundeten letztendlich in der Heilbronner Turnierordnung von 1485 Diese stellte eine regelrechte Standesordnung dar Neben den Geldbussen fur Verstosse gegen die Kleiderordnung oder aufgrund der bereits erwahnten fehlenden Turnierdame wurden auch korperliche Zuchtigungen fur unehrenhaftes Verhalten festgelegt so zum Beispiel das Auf die Stange Setzen In den bereits erwahnten Turnierbeschreibungen wurde diese Bestrafung auf mehreren Turnieren erwahnt Auch die Zugangsbeschrankungen zu den Turnieren wurde detailliert festgelegt Sigmund Gebsattel war zunachst abgelehnt worden Er besorgte sich elf Kundschaftsbriefe die ihm seine Turnierfahigkeit durch das Vorhandensein von vier turnierende Ahnen die in den letzten 50 Jahren an Turnieren teilgenommen hatten bescheinigten Er verfasste seine Turnierbeschreibungen und notierte seine funf Turnierteilnahmen auch um seinen Nachkommen diese Schmach zu ersparen Das Ende der Turniere BearbeitenDie genossenschaftlichen Turniere scheiterten letztendlich an ihrem eigenen Erfolg Der notwendige Aufwand hatte immer weiter zugenommen und auch die Aufnahmevoraussetzungen wurden zunachst immer strenger Auch war die Unabhangigkeit des turnierenden Adels immer weniger gegeben In Bayern setzte sich der Furst selbst an die Spitze des Turnieradels Auf ihrer Turnierfahne fuhrte der bayerische Adel bald die wittelsbacher Rauten Eine wirklich freie Ritterschaft konnte sich nur in Schwaben und Franken halten Den furstlichen und patrizischen Turnieren gehorte die Zukunft Sie sind insbesondere in Sachsen und Bayern und am Hof Kaiser Maximilians I fur die erste Halfte des 16 Jahrhunderts belegt Trotz veranderter Kriegstechnik behielt das Ritterspiel bis weit ins 17 Jahrhundert in Schweden gar bis ins 18 Jahrhundert seine Rolle bei furstlichen Festen im Zeichen des politischen Historismus des Hauses Krupp sogar noch im Jahr 1912 15 Die heutige Renaissance solcher Ritterturniere zeigt dass die Faszination mit ihnen noch ungebrochen ist Literatur BearbeitenChristian Meyer Die Familienchronik des Ritters Michel von Ehenheim 1137 1500 In Zeitschrift fur deutsche Kulturgeschichte NF 3 Serie Bd 1 1891 ZDB ID 192 2 S 69 96 123 146 Auch Sonderabdruck Stuber Wurzburg 1891 Hans H Poschko Turniere in Mittel und Suddeutschland von 1400 bis 1550 Katalog der Kampfspiele und der Teilnehmer Stuttgart 1987 archive org Stuttgart Univ phil Diss Werner Paravicini Die ritterlich hofische Kultur des Mittelalters Enzyklopadie deutscher Geschichte Band 32 Oldenbourg Verlag Munchen 1994 ISBN 3 486 53691 5 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Weblinks BearbeitenKlaus Graf Zur Quellenkritik der Beschreibungen des Ansbacher Turniers 1485 Veroffentlicht am 21 April 2012 In ArchivaliaEinzelnachweise Bearbeiten Noch heute legendar die Landshuter Hochzeit Werner Paravicini Die ritterlich hofische Kultur des Mittelalters S 94 Christian Meyer Die Familienchronik des Ritters Michel von Ehenheim 1137 1500 Neue Ausgabe Sven Rabeler Das Familienbuch des Ritters Michel von Ehenheim um 1462 63 1518 Kieler Werkstucke E Bd 6 Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 631 56847 7 a b Sigmund von Gebsattel Die Aufzeichnungen des Siegmund von Gebsattel uber die Turniere von 1484 1487 In Anzeiger fur die Kunde der deutschen Vorzeit NF Bd 1 1853 ZDB ID 500020 8 S 67 69 Gundolf Keil Siegmund von Gebsattel genannt Rack In Verfasserlexikon Band VIII Sp 1207 f Ludwig von Eyb d J Die Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart Bd 50 ISSN 0340 7888 Herausgegeben von Adelbert von Keller Litterarischer Verein Stuttgart 1859 Digitalisat Dorothea A Christ Das Familienbuch der Herren von Eptingen Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel Landschaft Bd 41 Verlag des Kantons Basel Landschaft Liesetal 1992 ISBN 3 85673 228 4 Zugleich Basel Univ Diss 1991 Charlotte Becher Ortwin Gamber Hrsg Die Wappenbucher Herzog Albrechts VI von Osterreich Ingeram Codex der ehemaligen Bibliothek Cotta Jahrbuch der Heraldisch Genealogischen Gesellschaft Adler 3 Folge Bd 12 Hermann Bohlaus Nachf Wien u a 1986 ISBN 3 205 05002 9 siehe auch nbsp Commons Ingeram Codex Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Berlin Kupferstichkabinett 77 B 5 Georg Rixner Turnierbuch Turnierbuch 1530 Bibliothek fur Familienforscher 2 Reprint der Prachtausgabe Simmern 1530 eingeleitet von Willi Wagner E amp U Brockhaus Solingen 1997 ISBN 3 930132 08 7 Der bayerische Turnieradel befand sich zu dieser Zeit in einer Situation zwischen Behauptung der Unabhangigkeit und Landsassigkeit Siehe auch Bocklerkrieg und Lowlerbund Vom Turnier in Schaffhausen 1436 existiert ein sehr ausfuhrlicher Bericht der kastilischen Gesandtschaft am Konzil von Basel Die Traite de la forme et devis comme on fait les tournois 1451 1452 des Rene d Anjou enthalt auch die alteste bekannte Darstellung einer Helmschau Werner Paravicini Die ritterlich hofische Kultur des Mittelalters S 100 f Andreas Ranft Adelsgesellschaften Gruppenbildung und Genossenschaft im spatmittelalterlichen Reich Kieler historische Studien Band 38 Thorbecke Sigmaringen 1994 ISBN 3 7995 5938 8 S 146 f Zugleich Kiel Universitat Habilitationsschrift 1994 Werner Paravicini Die ritterlich hofische Kultur des Mittelalters S 98 Werner Paravicini Die ritterlich hofische Kultur des Mittelalters S 101 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vier Lande Turniere amp oldid 238188165