www.wikidata.de-de.nina.az
Victor Witter Turner 28 Mai 1920 in Glasgow 18 Dezember 1983 in Charlottesville Virginia war als Ethnologe ein Vertreter der symbolischen Anthropologie Er war schottischer Herkunft Seine ethnologische Tatigkeit ist der Richtung der Manchester School of Anthropology zuzurechnen Seine Hauptforschungsarbeit leistete er im sudlichen Afrika Weiter untersuchte er Pilgerreisen in Mexiko Brasilien und Irland Am bekanntesten ist seine Erforschung der Rituale und Symbolik der Ndembu im heutigen Sambia Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Vertreter der symbolischen Anthropologie 3 Theorien 4 Auszeichnungen 5 Nachwirken 6 Veroffentlichungen Auswahl 7 Sekundarliteratur 8 WeblinksLeben BearbeitenTurners Vater war Elektroingenieur seine Mutter Violet Winter Schauspielerin und Grundungsmitglied des schottischen Nationaltheaters Nach der Trennung seiner Eltern im Alter von elf Jahren wuchs er bei seiner Grossmutter mutterlicherseits in Bournemouth auf Er studierte englische Literatur am University College London bevor er 1941 zur britischen Armee einberufen wurde Da er den Dienst an der Waffe verweigerte wurde er einer Bombensucheinheit zugeteilt 1943 heiratete er Edith Lucy Brocklesby Davis und wurde in den folgenden Jahren Vater von funf gemeinsamen Kindern Nach Kriegsende studierte er Ethnologie am neuen Department of Anthropology des University College London und schloss sein Studium 1949 mit dem B A with honors ab Max Gluckman bewog ihn sein Studium in Manchester am neuen Department fur Ethnologie fortzusetzen Der dort herrschende marxistische Humanismus uberzeugte Turner sodass er der Kommunistischen Partei beitrat 1951 reiste er nach Sambia um in der Position eines research officer des Rhodes Livingstone Institute Feldforschungen durchzufuhren Insgesamt zweieinhalb Jahre verbrachten die Turners bei den Ndembu in der Nordwest Provinz 1955 ein Jahr nach seiner Ruckkehr erwarb Turner mit seiner Schrift Schism and Continuity in an African Society veroffentlicht 1957 den Ph D in Social Anthropology Er hatte sich inzwischen vom Marxismus abgewandt und rekonvertierte 1957 zum Katholizismus Bis 1963 lehrte Turner an der Universitat Manchester und trat 1963 eine Professur an der amerikanischen Cornell University an Hier beschaftigte er sich ausfuhrlich mit den Ritualen und Symbolen der Ndembu wodurch er seinen Ruhm in vergleichender Symboltheorie und prozessualer Ritualanalyse begrundete Zwischen 1968 und 1977 lehrte Turner an der Universitat Chicago Gemeinsam mit seiner Frau bereiste er zwischen 1969 und 1972 Mexiko Irland und Frankreich spater noch Indien Japan und Brasilien um das Wallfahrtswesen zu erforschen 1977 wechselte er an die University of Virginia wo er bis zu seinem Tod durch einen Herzinfarkt als Professor fur Anthropology and Religion lehrte Vertreter der symbolischen Anthropologie BearbeitenTurner reprasentiert den ideelleren Strang innerhalb der britischen Manchester School of Anthropology Wie alle Angehorigen der Manchester School befasste er sich vor allem mit Veranderungsprozessen mit Gegensatzlichkeiten vor Ort unter Einbindung uberregionaler globaler Zusammenhange Typisch fur seine Arbeitsweise war das unbekummerte Uberschreiten von Fachgrenzen Zusammen mit Max Gluckman arbeitete er im sudlichen Afrika wandte sich aber vor allem den symbolischen Bereichen zu Dabei untersuchte er Spannungs und Veranderungsprozesse im religiosen Bereich Das sudliche Afrika der damaligen britischen Kolonialzeit war gepragt von standigen Veranderungsprozessen die sich gerade im Copperbelt drastisch zeigten Er sah wie im Minengebiet zehntausende ehemalige tribale Bauern zu Pendlern und Minenarbeitern wurden Er fragte nach Symbolen und Ritualen die in den Prozessen des Wandels von tribalen Gruppen hin zu Minenarbeitern der Verstadterung der Detribalisierung entstehen Theorien BearbeitenTurner fand heraus dass gerade in unsicheren Zeiten der Veranderung und des Wandels Symbole und Rituale angewendet werden um Sicherheit angesichts der Ungewissheit herzustellen Einige Jahrzehnte nach Arnold van Gennep schliesst Turner an dessen grosse Ritualtheorien an Laut Turner entsteht in einem Ritual unter Teilnehmern die gemeinsam die Liminalitat durchlaufen die Zwischenphase im Passageritus nach van Gennep eine Gemeinschaftlichkeit die mit Hilfe der Symbole und des tanzerischen und musikalischen Ablaufs eine gemeinsame neue Identitat herstellen kann Diese Identitat kann verfestigt und betont werden indem sich das Ritual als Ereignis vom Alltag abhebt und eine Gegenwelt zum Alltag erzeugt Diese besondere Gemeinschaftlichkeit bezeichnet er als Communitas und kennzeichnet insbesondere dass innerhalb einer Communitas keine klaren sozialen Strukturen bestehen sondern wenigstens fur die Dauer des Rituals alle gleich sind Turner zeigt das insbesondere an einem Ritual zur Einsetzung eines Hauptlings in dem die sonst allgemein ublichen hierarchischen Regeln aufgehoben sind Hier haben Akteure die innerhalb der Liminalitat und damit ausserhalb der Gesellschaft stehen die Macht Dinge zu tun oder zu sagen die innerhalb der Gesellschaft nicht erlaubt waren Eine weitere Beobachtung ist dass Menschen die gemeinsam eine Liminalitat durchlaufen haben einander haufig verbunden bleiben Wenn die in der Liminalitat durchlaufene Veranderung besonders tief ist kann diese Verbundenheit durchaus ein Leben lang andauern Turner folgt Arnold van Gennep in dessen Modell der Ubergangsriten Ubergangsriten regeln den Status oder Positionswechsel von Individuen innerhalb von Gesellschaften und sichern so den Fortbestand der Gemeinschaft Diese Riten finden in drei Phasen statt die hier am Beispiel eines Initiationsrituals veranschaulicht werden Trennungsphase Der Initiand verlasst seinen bisherigen Status Schwellenphase bzw Liminalitat Der Initiand besitzt keine gesellschaftlichen Merkmale und wird fur die Pflichten und Aufgaben des kommenden Status vorbereitet Wiedereingliederung Im Zuge eines Rituals gelangt der Initiand in seinen neuen Status Turner pragte den Begriff des Sozialen Dramas Das soziale Drama umfasst vier Stufen Bruch mit der sozialen Norm Krise und Konflikt Versuch der Konfliktlosung durch ein Ritual Wiedereingliederung oder SpaltungAuszeichnungen Bearbeiten1965 erhielt er in Anerkennung fur seine herausragende Feldforschungsleistung die Rivers Memorial Medal des Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland 1973 wurde er zum Mitglied der American Academy of Arts and Sciences gewahlt Nachwirken BearbeitenTurners Werk ist fur die moderne Ethnologie und Religionswissenschaft von erheblichem Einfluss Als Anreger wirkte Turner auch auf die Literaturwissenschaft Linguistik Semiotik Performanz Theatertheorie Theologie Subkulturforschung Migrationsforschung Kultursoziologie und Volkskunde Seine Feldforschung insbesondere deren dialogisches Prinzip gilt als exemplarisch Die Kritik vorgebracht unter anderem von Clifford Geertz und Justin Stagl entzundete sich besonders an seiner weitlaufigen ahistorischen Analogiebildung seinem Hang zur Idealisierung und seinem Bekenntnis zum Katholizismus welches ethnologisch wissenschaftliche Analyse ideologisch verforme Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenTurner veroffentlichte als Autor und Herausgeber zwanzig Bucher und verfasste mehr als siebzig Artikel 1957 Schism and Continuity in an African Society A Study of Ndembu Village Life 1964 Betwixt and Between The Liminal Period in Rites de Passage In Symposium on New Approaches to the Study of Religion hg v Melford E Spiro Seattle American Ethnological Society 1967 The Forest of Symbols Aspects of Ndembu Ritual Cornell University Press Ithaca and London 1968 The Drums of Affliction A study of Religious Processes among the Ndembu 1969 The Ritual Process Structure and Antistructure PAJ Publications New York 1974 Dramas Fields and Metaphors Symbolic Action in Human Society Cornell University Press Ithaca and London 1977 Process System and Symbol A New Anthropological Synthesis In Daedalus 1977 S 61 80 1982 From Ritual to Theatre The Human Seriousness of Play PAJ Publications New York 1986 The Anthropology of Performance PAJ Publications New York deutsch Vom Ritual zum Theater Der Ernst des menschlichen Spiels Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1995 ISBN 3 596 12779 3 Das Ritual Struktur und Anti Struktur Campus Verlag Frankfurt Main 2005 ISBN 3 593 37762 4 Sekundarliteratur BearbeitenHendrik Hillermann Victor Witter Turner Eine Biografie Kohlhammer Stuttgart 2017 ISBN 978 3 17 033353 6 Christian Claucig Liminalitat und Adoleszenz Victor Turner Mukanda und die Psychoanalyse oder The Anthropologist s Fallacy Turia Kant Wien Berlin 2016 ISBN 978 3 85132 785 4 Peter Braunlein Victor Turner In Axel Michaels Hrsg Klassiker der Religionswissenschaft Beck Munchen 1997 ISBN 3 406 42813 4 S 324 341 Peter Braunlein Victor Turner Rituelle Prozesse und kulturelle Transformationen In Stephan Moebius Dirk Quadflieg Hrsg Kultur Theorien der Gegenwart VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2006 ISBN 3 531 14519 3 S 91 100 Kathleen M Ashley Hrsg Victor Turner and the Construction of Cultural Criticism Indiana University Press Bloomington u a 1990 ISBN 0 253 20594 8 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Victor Turner im Katalog der Deutschen NationalbibliothekNormdaten Person GND 119001535 lobid OGND AKS LCCN n50019104 NDL 00459286 VIAF 44326843 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Turner VictorALTERNATIVNAMEN Turner Victor Witter vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG britischer EthnologeGEBURTSDATUM 28 Mai 1920GEBURTSORT GlasgowSTERBEDATUM 18 Dezember 1983STERBEORT Charlottesville Virginia Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Victor Turner amp oldid 239372495