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Der Vertrag von Bjorko war ein gegenseitiger Beistandspakt zwischen dem Deutschen Kaiserreich und Russland den Kaiser Wilhelm II und Zar Nikolaus II am 24 Juli 1905 in Bjorko der schwedische Name von Primorsk finnisch Koivisto unterzeichneten Er wurde aufgrund des Widerstands massgeblicher politischer Kreise auf beiden Seiten nie ratifiziert vor allem da er sich gegen bestehende Bundnisverpflichtungen zwischen Russland und Frankreich richtete Der Vertrag sah gegenseitigen Beistand vor falls einer der Partner von einer dritten europaischen Macht angegriffen wurde und sollte nach dem Friedensvertrag von Russland mit Japan in Kraft treten Er sollte zunachst geheim gehalten werden und nur Frankreich nach Inkrafttreten bekanntgemacht werden Wilhelm II links in russischer Uniform und Nikolaus II rechts in preussischer Uniform in Bjorko 1905 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Vertragstext 3 Folgen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenDie Bemuhungen von Wilhelm II standen in Zusammenhang mit der 1904 geschlossenen Entente cordiale zwischen Frankreich und England bei gleichzeitigen Spannungen zwischen England und Russland im Russisch Japanischen Krieg von 1904 05 die die Hoffnung erweckten Russland auf die Seite des Deutschen Reichs zu ziehen Die Niederlage Russlands in der Seeschlacht von Tsushima vom Mai 1905 lag nur einen Monat zuruck und in der ersten Halfte des Jahres 1905 war es in Russland zu Unruhen gekommen Revolution von 1905 Meuterei auf der Potemkin im Juni Der Zar war nicht zuletzt wegen des Doggerbank Zwischenfalls sehr verargert uber England das mit Japan in einem Bundnis 1902 gegen Russland stand um seine Interessen in Asien abzusichern Russland wiederum war seit 1894 in einer Allianz mit Frankreich Franzosisch Russische Allianz die Russen waren aber enttauscht dass Frankreich ihnen im Russisch Japanischen Krieg keine Waffenhilfe geleistet hatte Deutschland hatte dagegen der russischen Flotte durch Kohlelieferungen erst das Auslaufen ermoglicht und damit den Unwillen Englands erregt 1 Zwischen Frankreich und Deutschland war es ausserdem Anfang 1905 zu Spannungen in der Ersten Marokkokrise gekommen verbunden mit einem Besuch des Kaisers auf seiner Yacht in Tanger im Marz 1905 Im Juli 1905 traf der Kaiser mit seiner Yacht Hohenzollern vor Bjorko ein und traf sich mit dem Zaren der auf seiner Yacht Polarstern war auf der der Vertrag schliesslich unterzeichnet werden sollte Der Kaiser hatte sich schon seit langerem um einen Vertrag mit Russland bemuht und dem Zaren am 27 Oktober 1904 einen Vertragsentwurf ubermitteln lassen den er mit Reichskanzler von Bulow ausgearbeitet hatte 2 3 Im Juli 1905 sah der Kaiser aufgrund der politischen Entwicklung in Russland schliesslich eine Chance diesen zu verwirklichen Vertragstext Bearbeiten nbsp Vertrag von BjorkoDer Vertragstext lautete 4 Ihre Kaiserlichen Majestaten der Kaiser von Russland einerseits und der Deutsche Kaiser andererseits vereinbarten um den Frieden in Europa zu sichern folgende Punkte eines Traktats uber ein Schutz und Trutzbundnis Punkt 1 Im Falle eines Angriffes auf eines der beiden Reiche seitens einer europaischen Macht verpflichtet sich jeder Verbundete mit allen seinen Land und Seestreitkraften dem anderen Hilfe zu leisten Punkt 2 Die hohen vertragschliessenden Parteien verpflichten sich keinen Separatfrieden mit einem gemeinsamen Gegner zu schliessen Punkt 3 Der gegenwartige Vertrag erlangt seine Kraft von dem Augenblick an an dem zwischen Russland und Japan ein Frieden vereinbart sein wird und er bleibt in Kraft solange derselbe nicht mit einjahriger Frist gekundigt worden ist Punkt 4 Nachdem dieser Vertrag in Kraft getreten sein wird unternimmt es der Kaiser aller Reussen Frankreich mit seinem Inhalt bekannt zu machen und ihm den Vorschlag zu unterbreiten sich dem Vertrage der Bundesgenossen anzuschliessen Der Vertrag wurde vom Kaiser und Zaren sowie vom russischen Diplomaten Alexander Konstantinowitsch Benckendorff dem deutschen Staatssekretar im Auswartigen Amt Heinrich von Tschirschky und dem russischen Marineminister Alexei Alexejewitsch Biriljow 1844 1915 unterzeichnet Folgen BearbeitenDer Kaiser sah in seinem Erfolg gottliche Fugung walten 5 sein Kanzler Bernhard von Bulow lehnte den Vertrag allerdings nach einigen Tagen Uberlegung ab und drohte mit Rucktritt nachdem zuvor schon der Staatssekretar im Auswartigen Amt Oswald von Richthofen darauf bestand dem Kaiser eine Lehre zu erteilen 6 Insbesondere stiess sich von Bulow daran dass der Vertrag nur auf Europa beschrankt war eine Passage die der Kaiser eigenmachtig eingefugt hatte der sich einen Rohentwurf vorher von Bulow hatte absegnen lassen Der Kaiser war von der Rucktrittsdrohung vollkommen uberrascht er sah einen Beistandspakt in Asien als unnotig an da ein Angriff von Russland auf Indien seiner Meinung nach vollkommen illusorisch war und war tief enttauscht 7 In Russland wiederum gab es seit langerem eine starke pro franzosische Fraktion die den Zaren zwang vom Vertrag zuruckzutreten falls nicht Frankreich diesem beitreten wurde Insbesondere bestanden darauf der einflussreiche Staatsmann Sergei Juljewitsch Witte der um dieselbe Zeit den Vertrag von Portsmouth zur Beendigung des Russisch Japanischen Krieges aushandelte und der Aussenminister Wladimir Nikolajewitsch Graf Lamsdorf die bei der Unterzeichnung nicht zugegen waren und nicht konsultiert worden waren der Zar informierte Lamsdorf erst am 30 August bei einer Audienz und Witte wurde erst bei seiner Ruckreise nach Russland mit Einverstandnis des Zaren von Wilhelm II informiert den er am 27 September in Rominten traf 8 9 Der Zar bestand nun auf einer Zustimmung Frankreichs die allerdings wirklichkeitsfremd war auch wenn der Kaiser daran glaubte 10 Russland selbst war auf franzosisches Entgegenkommen angewiesen da das Land nahe einem Staatsbankrott war und in Verhandlungen uber die Aufnahme einer Anleihe in Hohe von uber 2 Milliarden Franc von Frankreich war Frankreich verlangte dafur Unterstutzung in der Marokkokrise die dann auch durch Russland erfolgte Noch vor Ende des Jahres war der Vertrag von Bjorko damit so gut wie erledigt Der Vertragsentwurf war trotz Geheimhaltungsklausel bald nach seiner Unterzeichnung auch in Paris und London bekannt 11 und fuhrte zu einer weiteren Annaherung beider Lander 1907 kam es statt der vom Kaiser erhofften Annaherung an Russland zum Vorlaufer der Triple Entente zwischen Russland Frankreich und England im Vertrag von Sankt Petersburg wobei es zunachst in erster Linie um die Entscharfung der englisch russischen Konflikte in Zentralasien ging Russland dagegen unterstutzte auf der Algeciras Konferenz 1906 die franzosisch britische Position und trug zur weiteren Isolierung des Deutschen Reichs bei Nach Roderick McLean markiert das gescheiterte Abkommen einen Wendepunkt statt wie vom Kaiser erhofft zu einer deutschen Hegemonialstellung auf dem Kontinent zu fuhren und einem kontinentalen Block gegen England wurde die Grundlage einer zunehmenden Entfremdung zwischen Berlin und Sankt Petersburg gelegt das sich fortsetzte mit der Verweigerung der Zustimmung des Kaisers zur Beteiligung deutscher Banken an einer internationalen Anleihe fur Russland 1906 und sich weiter bis zum Ersten Weltkrieg kontinuierlich verschlechterte 12 Offentlich bekannt wurde der Vertragstext 1917 durch eine Veroffentlichung in der Zeitschrift Iswestija vom 29 Dezember Literatur BearbeitenSidney B Fay The Kaiser s Secret Negotiations with the Tsar 1904 1905 The American Historical Review Band 24 1918 S 48 72 D McDonald United Government Foreign Policy in Russia 1900 1914 Harvard UP 1992 Christopher M Clark Kaiser Wilhelm II London 2000 S 140 142 J C G Rohl Wilhelm II Into the Abyss of War and Exile Cambridge UP 2014 Roderick R McLean Dreams of a German Europe Wilhelm II and the treaty of Bjorko 1905 in Annika Mombauer Wilhelm Deist Hrsg The Kaiser New research on Wilhelm II s role in imperial Germany Cambridge UP 2004 S 119 142Weblinks BearbeitenGeschichte unter vier Augen Der Spiegel 9 September 1959Einzelnachweise Bearbeiten Lujo Brentano Die Urheber des Weltkriegs 1922 S 48 Die Schiffe der Hamburg Amerika Linie die Transportschiffe und Kohle an Russland lieferten durften in einer ersten Reaktion englische Hafen nicht verlassen Lujo Brentano Die Urheber des Weltkrieges 1922 S 47 Rohl Wilhelm II Cambridge UP 2014 S 382 Als der Vertrag 1917 offentlich bekannt wurde versuchte sich Bulow in einem Interview vom Vertrag zu distanzieren und ihn dem Dilettantismus des Kaisers zuzuschreiben Der Entwurf entstand aber im Auswartigen Amt und der den Kaiser begleitende Diplomat Tschirschky war uber ihn im Voraus informiert Lujo Brentano Die Urheber des Weltkriegs Munchen 1922 S 48 Michael Balfour Der Kaiser Wilhelm II und seine Zeit Propylaen 1973 S 275f Er zitiert aus den Erinnerungen des Kaisers So ist der Morgen des 24 Juli 1905 bei Bjorko ein Wendepunkt in der Geschichte Europas geworden und eine grosse Erleichterung der Lage fur mein theures Vaterland das endlich aus der scheusslichen Greifzange Gallien Russland befreit werden wird Wie ist so etwas moglich Die Antwort ist fur mich sehr klar Gott hat es also gefugt und gewollt allem Menschenwitz zum Trotze allem Menschentreiben zum Hohn hat er zusammengefugt was zusammengehorte Balfour Wilhelm II 1973 S 276 Balfour Wilhelm II S 277 zitiert die Reaktion des Kaisers auf von Bulows Rucktrittsdrohung Vom besten intimsten Freund den ich habe so behandelt zu werden ohne Angabe irgend eines stichhaltigen Grundes das hat mir einen solchen furchterlichen Stoss gegeben dass ich vollkommen zusammengebrochen bin und befurchten muss einer schweren Nervenkrankheit anheimzufallen Rohl Wilhelm II Cambridge UP 2014 S 378 Nach McDonald United Government Foreign Policy in Russia 1900 1914 1992 S 80 war Witte nach dem Gesprach mit Wilhelm II durchaus geneigt den Vertrag zu akzeptieren revidierte seine Ansicht aber als er zuruck in Russland den Vertragstext sah und schloss sich der Opposition von Lamsdorf an Lujo Brentano Die Urheber des Weltkrieges S 49 Der Kaiser glaubte sogar daran Japan in eine Allianz mit Russland einbeziehen zu konnen die sich dann vor allem gegen England richten wurde Der englische Konig Edward VII wusste davon schon im September 1905 nachdem der Zar mit nachtraglicher Billigung Deutschlands massgebliche antideutsche Krafte am Hof wie den Grossfursten Nikolai Nikolajewitsch Romanow davon informiert hatte Lujo Brentano Die Urheber des Weltkrieges 1922 S 49 Roderick R McLean Dreams of a German Europe Wilhelm II and the treaty of Bjorko 1905 in Annika Mombauer Wilhelm Deist Hrsg The Kaiser New research on Wilhelm II s role in imperial Germany Cambridge UP 2004 S 119f McLean S 119 The whole history of the Europe and of the world could have been different as the result of the treaty of Bjorko Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vertrag von Bjorko amp oldid 236358113