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Dieser Artikel behandelt die abgetrennte Hand eines Verstorbenen Zur phantastischen Erzahlung des franzosischen Schriftstellers Guy de Maupassant siehe Die Totenhand Als Totenhand bezeichnet man die abgetrennte Hand eines Verstorbenen vorwiegend von Hingerichteten die als Mittel in der Volksmedizin Europas und als Talisman verwendet wurde Magische Rituale und Heilmethoden mit einer Totenhand gehoren volkskundlich den Gebrauchen des sogenannten Blutaberglaubens an nach dem Leichenteilen und saften von Menschen und Tieren besondere Krafte zugesprochen wurden Aufgrund geringer Verfugbarkeit von Totenhanden wurden die Praktiken auch mit einzelnen Totenfingern durchgefuhrt Um an Totenhande zu gelangen trennte man diese oft unmittelbar nach den Hinrichtungen ab Da Plunderungen von Richtstatten und das Abtrennen von Korperteilen fur magisch heilende Zwecke nicht selten waren wurden beispielsweise Gehenkte polizeilich bewacht oder staatliche Stellen versuchten durch besondere Erlasse die Entwendung von Leichenteilen zu verhindern Totenhande gelangten trotzdem in grosserem Umfang auch in Apotheken da Scharfrichter mit ihrem Verkauf zusatzliche Einnahmen erzielten Im 19 Jahrhundert deckte der massenhafte Import von agyptischen Mumien die Nachfrage an Totenhanden im Apothekenhandel nicht einzeln verkaufliche Mumienteile wurden als Pulver Mumia vera bis in das 20 Jahrhundert angeboten Mumifizierte oder feuchtkonservierte Totenhande waren haufige Sammlungsobjekte in alchemistischen Sammlungen und Naturalienkabinetten Zerstuckelung von Hingerichteten Inhaltsverzeichnis 1 Totenhand in der Medizin 2 Totenhand als Schutz Talisman 3 Totenhand in der Kunst 4 Totenhande in bestehenden Sammlungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseTotenhand in der Medizin Bearbeiten nbsp Hand auf dem Richtblock Gedenktafel am Schloss von Gaasbeek Lennik Belgien Die Totenhand reprasentierte als pars pro toto den gesamten toten Korper insbesondere die ursprungliche Fahigkeit des handischen Tatigseins sozusagen als Symbol einer noch bestehenden Handlungsfahigkeit Diese vermutete aktive Komponente der Totenhand wurde in der Volksmedizin zur Behandlung ganz verschiedener Erkrankungen angewandt wobei man einen Ubergang der krankmachenden Ursachen vom Patienten auf die Totenhand annahm Die Totenhand diente als letztes Mittel zur Beseitigung von Feuermalen bosartigen Geschwuren Krebsleiden und Flechten nichtinfektiose Hautkrankheiten galten welche man damit bestrich damit sie ebenso dahinschwinden sollen wie nachher in der Erde die Totenhand verwest 1 Aber auch Zahnschmerzen Rheuma und Uberbeine sollten durch das Bestreichen mit einer Totenhand verschwinden 2 Dabei galten Hande von toten Kindern auch ohne abgetrennt zu sein als besonders heilkraftig und wurden bei Halsgeschwuren und dem sogenannten Kropf Struma angewandt Aufgrund eines in den Leichenteilen von Hingerichteten offenbarten heidnischen Opferrituals 3 ging man davon aus dass vorrangig die Leichenteile und das Blut von Hingerichteten Schutz und Heilwirkung besassen Dies war der Grund warum das Publikum bei Hinrichtungen oft tumultartig um das Blut der Opfer stritt Es wurden aber auch im Sinne eines christlichen Opfermythos Handreliquien von Heiligen bei der Bitte um Heilung verehrt Handreliquien sind bekannt von der Seligen Edigna von Puch und dem Heiligen Blasius von Sebaste Totenhand als Schutz Talisman BearbeitenHande und Finger von Hingerichteten haben als heidnisches Symbol einer Theilhabe an diesem Suhnopfer durch Aneignung irgend eines leiblichen Theils 4 auch glucksbringende und schutzende Eigenschaften Totenhande wurden uber die Fahigkeit verfugen verschlossene Turen und Schlosser zu offnen oder als Schutzfetisch Diebe abzuhalten 5 Adolf Wuttke schreibt hierzu Alles was von einem Hingerichteten herruhrt ist glucksbringend ein Fingerglied oder ein anderes Knochelchen eines armen Sunders in dem Geldbeutel aufbewahrt schafft reichlich Geld und lasst den Beutel nie leer werden tragt man es bei sich so schutzt es vor Ungeziefer und schutzt den Dieb dass der Bestohlene nicht aufwacht ein Diebesdaumen neben oder unter die Waaren gelegt verschafft dem Kaufmann Gluck 6 Totenhand in der Kunst BearbeitenIn der Literatur erscheint das Motiv der Totenhand vielfaltig sei es als Ausdruck damonischer Macht oder Besitzergreifung oder als Ausdruck des Rachegedankens wenn die Hand eines Ermordeten seinen Morder anklagt Letzteres ist beispielsweise in Richard Wagners Oper Gotterdammerung der Fall als Hagen Konig Gunther erschlagt und sich Siegfrieds abgeschlagene Hand mitsamt dem magischen Ring aneignen will Diese erhebt sich daraufhin drohend um Hagen als Morder Siegfrieds anzuklagen Die Klage mit der toten Hand war nach germanischem Rechtsbrauch eine Moglichkeit um mit abgetrennter Hand oder abgetrenntem Finger des mutmasslich Ermordeten eine Mordanklage vor Gericht zu bringen 7 Korperteile von Opfern mit dieser rechtlichen Stellvertreterfunktion nannte man auch Leibzeichen Als Bestandteil archetypischer Zaubertranke sind Hande oder Finger oft unverzichtbar so auch in William Shakespeares Macbeth wenn die drei Hexen unter vielen weiteren Zutaten auch auf abgetrennte Finger im Kessel nicht verzichten mogen Finger of birth strangl d babe Ditch deliver d by a drab Make the gruel thick and slab William Shakespeare Macbeth 4 Akt 1 Szene In den deutschen Ubersetzungen von Dorothea Tieck oder Christoph Martin Wieland heisst es hier Hand des gleich erwurgten Knaben Den die Metz gebar im Graben beziehungsweise Hand vom Kind erwurgt mit Schnur Dreckgeborn von einer Hur Macht die Bruhe prachtig pur Die bewegliche Totenhand ist ein oft bemuhtes Motiv in Mumien und Horrorfilmen Eine bekannte Thematisierung findet sich in dem expressionistischen Horrorfilm Orlac s Hande von 1924 der auf dem Roman Les Mains d Orlac von Maurice Renard basiert und mehrfach neuverfilmt wurde In ihrer persiflierten Form erscheint die Totenhand als Eiskaltes Handchen im englischen Original Thing T Thing in der Verfilmung The Addams Family nach den Comics von Charles Addams aus den 1930er Jahren Totenhande in bestehenden Sammlungen Bearbeiten nbsp Abgeschlagene Totenhand und Pantoffel im Rathaus von MunsterMumifizierte Totenhande gelangten aus alteren Naturalienkabinetten oder als Zufallsfund bei Abbrucharbeiten in heutige Sammlungen Bekannt ist die mumifizierte Schwarze Hand aus Schloss Hohenlimburg Nach einem Blitzeinschlag 1811 und den nachfolgenden Abbrucharbeiten der ausgebrannten Turmhaube fand man die Totenhand als eingemauertes Relikt Unklar ist ob es sich um einen Schutzzauber oder ein nicht mehr benotigtes Leibzeichen handelt Die sogenannte Goslarer Mumienhand die 1708 auf dem Dachboden des Rathauses von Goslar gefunden wurde ist nach ersten Untersuchungen eher eine Totenhand aus einem Strafprozess 8 Literatur BearbeitenChristiane Wagner Jutta Failing Vielmals auf den Kopf gehacket Galgen und Scharfrichter in Hessen Naumann Nidderau 2008 ISBN 978 3 940168 17 7 S 123ff Adolf Wuttke Detlef Weigt Hrsg Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart Superbia Leipzig 2006 ISBN 3 937554 19 X Erstausgabe 1860 bei Agentur des Rauhen Hauses in Hamburg Karl Eduard Haase Volksmedizin in der Grafschaft Ruppin und Umgebung In Zeitschrift des Vereins fur Volkskunde 7 1897 ISSN 0179 0064 S 70ff Carly Seyfarth Aberglaube und Zauberei in der Volksmedizin Sachsens Ein Beitrag zur Volksmedizin des Konigreiches Sachsen Reprint der Ausgabe Leipzig 1913 Olms Hildesheim 1979 ISBN 3 487 06835 4 Volkskundliche Quellen II Aberglaube 2 Zugleich Dissertation an der Philosophischen Fakultat der Universitat Leipzig 1913 Weblinks BearbeitenTotenhande Leibzeichen in gedrechselter Holzschale aus St Georgen Wismar 360 Grad Ansicht im Virtuellen Landesmuseum MecklenburgEinzelnachweise Bearbeiten Meyers Konversationslexikon Verlag des Bibliographischen Instituts Leipzig und Wien Vierte Auflage 1885 1892 19 Band Blutaberglaube Wuttke 1860 S 101 Wuttke 1860 S 104f Wuttke 1860 S 106 B Stern Geschichte der offentlichen Sittlichkeit in Russland Band 1 Kultur Aberglauben Sitten und Gebrauche Kapitel 15 Diebstahl 1907 Wuttke 1860 S 104 Wagner und Failing 2008 S 124 Bericht von NDR online vom 8 November 2006 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Totenhand amp oldid 233117108