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Die Entwicklung der Stearinkerze begann als Nebenergebnis bei der Forschung zur Verbesserung von Seife Der Pariser Chemiker Eugene Chevreul entdeckte ab 1816 im gebrauchlichen Kerzenrohstoff Talg drei Fettsauren mit unterschiedlichem Schmelzpunkt trennte diese voneinander und erhielt so einen festeren Grundstoff die Stearinsaure Das gemeinsam mit Joseph Louis Gay Lussac 1825 erlangte Patent markiert die Erfindung der Stearinkerze Jan Toorop Kerzengiessen in der Stearine Kaarsenfabriek Gouda 1905 Ab der 1831 in Paris angelaufenen industriellen Produktion entwickelte sich die neuartige Kerzenherstellung schnell zu einem neuen Wirtschaftszweig Die Fabrikanten uberboten sich gegenseitig mit Verbesserungen und Patenten Trotz zeitgleicher Verfugbarkeit hell brennender Ollampen revolutionierte die Stearinkerze weltweit den Leuchtmittel Markt Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Erfindung 3 Industrielle Produktion 4 Alternative Fette 5 Literatur 6 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenDie Geschichte der Kerzenfabrikation reicht weit zuruck Schon gegen Ende des 2 Jahrhunderts wurde zwischen Wachskerzen und Fett bzw Talgkerzen unterschieden Das sehr begrenzt vorhandene Bienenwachs war ein kostspieliger Kerzenrohstoff echte Wachskerzen daher den Kirchen und Adelshofen vorbehalten Um die begehrten weissen Kerzen zu erhalten wurde das Wachs in einer Wachsbleiche entfarbt oder das aus der Melone des Pottwals gewonnene Walrat verwendet 1 Bei der Kerzenherstellung aus Bienenwachs hat sich das Verfahren bis heute nur unwesentlich verandert Die Kerze des einfachen Volks war das Talglicht Talg auch Unschlitt und Inselt fiel beim Schlachten von Rindern und Schafen in grossen Mengen an und hatte einen entsprechend niedrigen Preis Nachteilig war aber nicht nur der unangenehme Geruch Talglichter russten stark und brannten aufgrund des niedrigen Schmelzpunktes maximal 45 C sehr schnell ab 2 Als Ende des 18 Jahrhunderts die Argand Lampe auf den Markt kam nahmen die Beschwerden uber die Fettkerze zu Trotz einiger Erfolge bei der Verbesserung der Qualitat wie durch neue Fettmischungen mit Bienenwachsanteil und neue Dochte blieb das Ergebnis ein Quell der Unzufriedenheit Die Stearinkerze loste das Problem Dabei hatten weder Kerzenmacher noch Chemiker danach gesucht 3 Erfindung BearbeitenDer Pariser Chemiker Eugene Chevreul erforschte seit 1810 die Verseifung tierischer Fette Ab 1816 kam er zu dem Schluss dass diese aus einer Kombination von Glycerin und drei Fettsauren bestehen der Olsaure der Margarinsaure und der Stearinsaure von griech stear Talg Der Unterschied lag im Schmelzpunkt lt 10 C ca 60 C und ca 70 C Chevreul schied neben dem Glyzerin das unbrauchbare Olein zunachst mit Hilfe von Alkohol ab Dann erwies sich die Verwendung geeigneter Pressen jedoch als praktischer Inspiriert hatte ihn vermutlich der Botaniker Henri Braconnot der bereits 1815 oder 1816 eine Trennung von Stearin und Olein durch das Pressen von Schafsfett zwischen porosem Papier vorgenommen hatte Aufgrund unzureichender Einblicke in die chemischen Prozesse bei der Verseifung konnte Braconnot das Tropfen seiner Kerzen aber nicht ganzlich verhindern 4 1825 erhielten Chevreul und sein Kollege Joseph Louis Gay Lussac ein franzosisches und ein englisches Patent fur die Herstellung von Stearinsaurekerzen Sie hatten die feste Stearinsaure durch die Verseifung mit Kalisalz oder Soda die Neutralisierung mit Schwefelsaure und das Herauspressen der Olsaure gewonnen Damit war im Prinzip der technische Grundstein fur eine Stearinkerzenindustrie gelegt Die festere Fettsaure erforderte jedoch eine Anpassung des Kerzendochts 5 Dies gelang dem Brucken und Strassenbauingenieur Jules Leonard Louis Cambaceres indem er einen sich krummenden und damit aus dem brennenden Gaskegel der Flamme austretenden Baumwolldocht entwickelte Da die neuen Kerzen nicht russten erubrigte sich das lastige Lichtputzen Den nachsten Schritt unternahm der Mediziner Adolphe de Milly Zusammen mit Adolphe Motard kombinierte er das Kerzenmaterial seines Lehrers Chevreul mit dem Docht Cambaceres und grundete 1831 unweit der Place de l Etoile die kleine Kerzenmanufaktur les bougies de l etoile 6 7 Industrielle Produktion Bearbeiten nbsp Moranes Apparatur zum Giessen von Stearinkerzen 1856 nbsp Industrielle Talg Verseifung mit geloschtem Kalk nbsp Herman Misset Koninklijke Fabriek van Waskaarsen 1906 Das neue Material erlaubte ein Giessverfahren das sich viel besser mechanisieren liess als das gangige Ziehverfahren 1834 konstruierte der Zinngiesser Joseph Morgan in Manchester eine Giessmaschine die bis zu 1500 Kerzen pro Stunde ermoglichte Die 1856 auf den Markt gebrachte Apparatur des Pariser Mechanikers Francois Paul Morane schaffte sogar 14 400 Kerzen pro Stunde 7 Eine detaillierte Erlauterung der Giessmaschine von R Wunschmann liefert die Brockhaus Enzyklopadie 8 Zwei weitere Methoden die Herstellungskosten zu senken waren die Verseifung mit geloschtem Kalk sowie eine zusatzliche Heisspressung nach der ublichen Kaltpressung Die Bruchanfalligkeit der harten Kerzen reduzierten die Produzenten durch eine Bienenwachszugabe 9 die schon kurze Zeit darauf durch das billigere Paraffin ersetzt wurde Dass neben der Ol und Tranfunzel immer noch die Kerze als wichtigste Lichtquelle fur die private Behausung diente 6 lasst sich an der grossen Zahl der neu errichteten Fabriken ablesen In Frankreich entstanden innerhalb weniger Jahre beispielsweise die Stearineries de la Villette des Batignolles und de l Ourcq zudem Bougie royale Bougie Celeste etc 10 Auch im Ausland loste die Sternkerze die Talgkerze in ungeheurer Geschwindigkeit ab Einige Beispiele sind Der Bruder des Pariser Pioniers erhielt 1839 die Erlaubnis zur Produktion von Stearinkerzen in Wien Gustave de Millys Milly Kerzen Fabriks Gesellschaft wurde 1858 zwar liquidiert die erst wenige Jahre zuvor erbaute Fabrik im Wiener Bezirk Liesing jedoch von Friedrich Adalbert Sarg aus Nurnberg ersteigert Er behielt die Marke Milly bei 11 A Motard amp Co Berlin war um 1839 das erste Unternehmen in Deutschland das Stearinkerzen auf der Basis des Milly Motard schen Verfahrens herstellte Wegen der Geruchsbelastigung zog die Fabrik spater in ein stillgelegtes Sagewerk nach Sternfeld 1979 erwarb die Deutsche Gelatine Fabriken Stoess amp Co GmbH die Aktienmehrheit stellte die Kerzenproduktion ein 12 Die Koninklijke Fabriek van Waskaarsen in Amsterdam genoss das durch Konig Wilhelm I in den 1830er Jahren erteilte Hoflieferanten Privileg 13 bis zu ihrem Abriss 1906 Die konkurrierende Stearine Kaarsenfabriek in Gouda durfte diesen Titel noch einige weitere Jahrzehnte fuhren Eine Lithoserie von Jan Toorop veranschaulicht den Produktionsprozess Alternative Fette Bearbeiten nbsp Werbung fur Price s Palmitine Candles vor 1870 Waren die ursprunglichen Stearinkerzen noch ausschliesslich aus Talg gefertigt erkannte man schnell den grossen Vorteil auch Hautfett Fischol Restaurant und Industriefette verwerten zu konnen Ab den 1840er Jahren analysierten Botaniker und Chemiker zudem tropische Fruchte und Samen auf ihr industrielles Potenzial Zu den wirtschaftlich interessantesten pflanzlichen Fetten zahlten das Kokosol und das Palmol Ein Zeichen der Rentabilitat des Olsaaten Handels sind die ausnehmend grossen Kerzenfabriken in den Hafenstadten der Kolonialmachte 14 Die 1830 auf der Wirral Halbinsel bei Liverpool errichtete Price s Patent Candle Company galt Ende des 19 Jahrhunderts als grosste Kerzenfabrik der Welt Seit 1850 mit der Auszeichnung Royal warrant of appointment des britischen Konigshauses ausgestattet fertigt das Haus heute neben hochwertigen Kerzen auch Aromatherapie Produkte 15 Der Stearinkerzenboom wahrte kaum uber die Jahrhundertwende hinaus Paraffinkerzen waren billiger elektrisches Licht bedeutend heller Heute erfullen Kerzen jeglichen Materials einen rein dekorativen Zweck Ausser dass die Produktionstechniken noch weiter optimiert wurden hat sich die Kerzenherstellung nur unwesentlich verandert In jungster Zeit lasst sich wieder eine leichte Abkehr vom Kerzenrohstoff Paraffin zugunsten von Stearin beobachten Literatur BearbeitenE A M Berkers E Homburg Stearinekaarsen Deel IV In Geschiedenis van de techniek in Nederland Walburg Pers Zutphen 1993 S 240 257 niederlandisch Brockhaus Konversations Lexikon 16 Bande 14 vollstandig neubearbeitete Auflage F A Brockhaus Leipzig Berlin Wien 1894 1896 Jean Baptiste Fressoz Une histoire materielle de la lumiere In Francois Jarrige Alexis Vrignon et al Hrsg Face a la puissance Une histoire des energies alternatives a l age industriel La Decouverte Paris 2020 ISBN 978 2 348 05752 6 S 84 99 franzosisch Einzelnachweise Bearbeiten Kerze In Brockhaus Konversations Lexikon 14 Auflage Band 10 1894 S 308 f hier S 309 Talg In Brockhaus Konversations Lexikon 14 Auflage Band 15 1896 S 594 Berkers Homburg Stearinekaarsen In Geschiedenis van de techniek in Nederland IV 1993 S 242 f Berkers Homburg Stearinekaarsen In Geschiedenis van de techniek in Nederland IV 1993 S 243 f Berkers Homburg Stearinekaarsen In Geschiedenis van de techniek in Nederland IV 1993 S 244 f a b Claudia Gottmann Das Portrait Michel Eugene Chevreul 1786 1889 In Chemie in unserer Zeit Nr 6 Verlag Chemie Weinheim 1979 S 176 183 hier S 178 a b Jean Baptiste Fressoz Une histoire materielle de la lumiere In Face a la puissance 2020 S 88 Kerze In Brockhaus Konversations Lexikon 14 Auflage Band 10 1894 S 308 f Berkers Homburg Stearinekaarsen In Geschiedenis van de techniek in Nederland IV 1993 S 245 Jean Baptiste Fressoz Une histoire materielle de la lumiere In Face a la puissance 2020 S 87 Geschichte und Entwickelung der k k landesprivilegirten Milly Kerzen Seifen und Glycerin Fabrik von F A Sarg s Sohn amp Co Verlag der Fabrik F A Sarg s Sohn amp Co Liesing 1898 S 2 Die Siemensstadt Adolphe und Charles Eugene Motard 19 Juli 2008 abgerufen am 29 Februar 2024 Berkers Homburg Stearinekaarsen In Geschiedenis van de techniek in Nederland IV 1993 S 247 Jean Baptiste Fressoz Une histoire materielle de la lumiere In Face a la puissance 2020 S 89 Website der Price s Patent Candle Company Abgerufen am 29 Februar 2024 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Entwicklung der Stearinkerze amp oldid 245493618