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Klassifikation nach ICD 10L00 Staphylococcal scalded skin syndrome SSS Syndrom Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain Pemphigus acutus neonatorum Staphylogenes Lyell SyndromICD 10 online WHO Version 2019 Das Staphylococcal scalded skin syndrome Abk SSSS englisch scalded skin skɔːlded skɪn deutsch verbruhte Haut neben vielen anderen Synonymen auch nach den Namen der Erst und Zweitbeschreiber Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain 1878 oder Staphylogenes Lyell Syndrom 1956 genannt ist eine durch hamatogene Streuung von hochst spezifischen Staphylokokkenexotoxinen verursachte Hauttoxikose bei Sauglingen und Kleinkindern die durch grossflachige verbrennungsartige Erytheme mit Blasenbildung und anschliessender Hautablosung charakterisiert ist Das Syndrom wurde fruher als Schalblattern Schalblasen 1 bezeichnet Die potenziell lebensbedrohliche Krankheit tritt heutzutage nur noch selten auf Unbehandelt verlauft die Krankheit auch heute noch haufig todlich unter fruhzeitiger medizinischer Behandlung ist die Prognose jedoch gunstig Inhaltsverzeichnis 1 Epidemiologie 2 Pathogenese 3 Klinischer Verlauf 3 1 Prodromalphase 3 2 Stadium erythematosum 3 3 Stadium exfoliativum 3 4 Stadium desquamativum 4 Differentialdiagnose und Diagnose 5 Komplikationen und Prognose 6 Therapie 7 Geschichte und Synonyme 7 1 Vermeintliche Verbruhungen durch Hebammen und Mutter 7 2 Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain 1878 7 3 Pemphigus neonatorum und Pemphigus acutus neonatorum 7 4 Staphylodermia superficialis diffusa exfoliativa 7 5 Toxische epidermale Nekrolyse Lyell Syndrom 1956 7 6 Staphylococcal scalded skin syndrome 1970 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseEpidemiologie Bearbeiten nbsp Es sind Gerichtsprozesse belegt wo Muttern und Hebammen von an Ritter Dermatitis erkrankten Kindern Verbruhungen durch zu heisses Baden zur Last gelegt wurden Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain kurz Morbus Ritter war vor Einfuhrung der Krankenhaushygiene und bis in die vor antibiotische Zeit eine auf Entbindungsstationen und in Waisenhausern endemisch verbreitete und sehr gefurchtete Infektionskrankheit der Neugeborenen mit einer sehr hohen Sterblichkeitsrate Heute tritt die Krankheit nur noch selten und sporadisch auf und betrifft vor allem Sauglinge in den ersten drei Lebensmonaten 2 sowie altere Kleinkinder mit einem Altersgipfel von bis zu vier Jahren Die Erkrankungshaufigkeit ist bei Jungen grosser als bei Madchen 3 Ursachlich gilt die im Verhaltnis zum Erwachsenen merklich geringere Abbaugeschwindigkeit der Bakterientoxine Exfoliatin A und B als auslosender Mechanismus im fruhkindlichen Organismus 4 Ab dem funften Lebensjahr erkranken Kinder nur noch ausserst selten und in der Regel handelt es sich dabei um Patienten mit Immundefekt oder eingeschrankter Nierenfunktion und die Letalitat ist in diesen Fallen trotz antibiotischer Behandlung nach wie vor sehr hoch Krankheitsfalle beim Erwachsenen sind eine ausserordentliche Raritat weltweit wurden bisher insgesamt nur ungefahr 50 Falle 5 weniger als 40 Falle 6 dokumentiert Die Seltenheit der Erkrankung bei Erwachsenen wird vor allem auf eine erworbene Immunitat gegen die entsprechenden Staphylokokkentoxine zuruckgefuhrt 7 sowie auf die in vollem Umfang leistungsfahige Ausscheidungsfunktion der reifen Nieren des gesunden Erwachsenen 8 Bei den erwachsenen SSSS Kranken handelte es sich nahezu ausschliesslich um Patienten mit Immunsuppression durch Tumorerkrankung HIV Organtransplantation oder Alkoholismus sowie um Patienten mit Niereninsuffizienz Pathogenese Bearbeiten nbsp Verschiedene Stamme von Staphylococcus aureus konnen bestimmte Toxine bilden und somit unterschiedliche Krankheitsbilder auslosen So sind Exfoliatine verantwortlich fur das Staphylococcal scalded skin syndrome Die grossflachige Hautrotung mit Blasenbildung erinnert sehr stark an Verbruhungen der Haut Syndrom der verbruhten Haut und wurde fruher auch manchmal diagnostisch mit solchen verwechselt 9 Das Krankheitsbild wird durch toxische hamatogene Fernwirkung verursacht einer in der Regel extrakutanen Infektion mit dem starken Toxinbildner Staphylococcus aureus der Lysophagengruppe II Die erythemato bullose Hauteffloreszenz ist unmittelbare Folge einer massiven Exfoliatin Ausschuttung in die Blutbahn Die Staphylokokkentoxine Exfoliatin A ETA Exfoliatin B ETB und Exfoliatin D ETD 10 11 wirken als Serinproteasen und fuhren aufgrund ihrer ausserordentlich zielgerichteten molekularen Spezifitat zu einer Aufspaltung des Haftproteins Desmoglein 1 innerhalb der Desmosomen Die Zell Zell Kontakte des Stratum granulosum der Epidermis losen sich auf und es kommt zu einer nicht entzundlichen Auflockerung der Zellverbande mit Spaltbildung die eine Ablosung der oberen verhornten Epidermisschichten bewirkt 2 12 Subkorneales Staphylokokken Schalsyndrom und als schlaffe Blasenbildung in Erscheinung tritt Durch diese ausgepragte toxische Spezifitat lasst sich auch erklaren warum die Exfoliatin produzierenden Stamme von Staphylococcus aureus ihre Aktivitat ausschliesslich innerhalb der Oberhaut entfalten obwohl diese Toxine gleichermassen im gesamten Organismus zirkulieren 2 nbsp Zell Zell Kontakte der HautzellenDie Staphylokokken Toxine Exfoliatin A B und D spalten die Verbindungsproteine Kadherine vom Typ Desmoglein 1 und bewirken dadurch eine Auflosung der Zellverbande im Stratum granulosum Zur Zeit der Erstbeschreibung durch den Prager Kinderarzt Gottfried Ritter von Rittershain 1878 waren fur diese Erkrankung ursachlich in erster Linie eitrige Staphylokokkeninfekte des Bauchnabels verantwortlich welche damals in den Entbindungsanstalten seiner Zeit noch seuchenartig verbreitet waren 13 Durch verbesserte hygienische Verhaltnisse konnte die Erkrankungshaufigkeit im letzten Jahrhundert drastisch reduziert werden so dass heute nur noch selten eine Omphalitis als Ausgangsherd dieser Hauttoxikose auszumachen ist sondern vielmehr eitrige Infekte der Konjunktiven und der oberen Atemwege Seltener liegen der Erkrankung direkte Staphylokokkeninfektionen der Haut zu Grunde wie z B eine Impetigo bullosa 14 oder kutane Hautwunden 15 zum Teil handelt es sich aber auch um klinisch unauffallige Staphylokokken Nischen 9 Beim SSS Syndrom handelt es sich um eine systemische Erkrankung und nicht wie fruher vermutet um die Maximalvariante einer Impetigo contagiosa staphylogenes In den generalisierten subkornealen Blasen sind daher in der Regel auch keine Erreger nachweisbar 16 17 Klinischer Verlauf BearbeitenProdromalphase Bearbeiten Der Krankheit konnen eitrige Staphylokokkeninfektionen des Nasen Rachen Raums Rhinitis Tonsillitis der Ohren Otitis media sowie der Augen Konjunktivitis um einige Tage vorausgehen 2 16 Die Symptome im Vorlauferstadium sind oft unspezifisch mit Beeintrachtigung des Allgemeinbefinden und Fieber Vor dem eigentlichen Beginn der Erkrankung erscheint manchmal ein kleinfleckiges scharlachahnliches Exanthem welches dann spater in der Akutphase in die SSSS typischen Hautlasionen ubergeht Differenzialdiagnostisch hinweisend ist dabei der periorifizielle 2 Beginn des Exanthems um Augen Nase und Mund Manchmal wird auch der sogenannte Staphylokokkenscharlach als Minimalvariante des SSSS beobachtet 18 19 In diesen Fallen verlauft die Erkrankung milde ohne dass sich das volle Krankheitsbild entwickelt Stadium erythematosum Bearbeiten In der eigentlichen Initialphase entwickeln sich im Gesicht hellrote unscharf begrenzte Erytheme bevorzugt um Mund Nase und Augen die sich dann rasch uber die grossen Beugen Hals Achseln und Leisten uber den ganzen Korper ausbreiten Die Haut ist gegen jegliche Beruhrung ausserst empfindlich und die Kinder sind wegen der brennenden Schmerzen reizbar und weinerlich nbsp Blasenbildung bei der bullosen ImpetigoBei der hier abgebildeten bullosen Impetigo bleiben die Hautlasionen lokal begrenzt Beim Staphylococcal scalded skin syndrome hingegen kommt es zu einer systemischen Toxikose der gesamten Haut Es entstehen grossflachige Ablosungen der obersten Hautschichten Stadium exfoliativum Bearbeiten Nach wenigen Stunden bis Tagen wird die Haut dann faltig und es bilden sich grossflachige schlaffe Blasen die aufgrund ihrer geringen Dicke es handelt sich ja nur um die obersten Hautschichten der Epidermis sehr leicht aufreissen und dann wie angeklatscht auf der hellroten erodierten Epidermis liegen 2 Dieses Ablosen kann bereits durch vorsichtiges Bestreichen der erythematosen Haut ausgelost werden indirektes Nikolski Zeichen weshalb am Anfang vor allem Aufliege und Reibestellen davon betroffen sind Aber auch auf der scheinbar gesunden Haut ist das Nikolski Zeichen positiv Durch festes Uberstreifen mit dem Finger lasst sich die oberste Schicht der Haut wie bei einem reifen Pfirsich tangential abschieben 16 Im Gegensatz zur Toxischen epidermalen Nekrolyse sind die Schleimhaute von Mund Augen und Genitale typischerweise nicht 14 oder nur selten 2 und geringfugig 16 befallen was dadurch zu erklaren ist dass die oberste verhornte Hautschicht das Stratum corneum bei Schleimhauten physiologisch nicht vorhanden ist Unter den Ablosungen ist die Haut hellrot und glanzend teils nassend aber nicht eitrig da die Ablosung nicht unmittelbar durch die Staphylokokken selbst ausgelost wird sondern durch die Fernwirkung ihrer Toxine Die Ablosung kann sowohl in kleinen als auch in grossen Schritten erfolgen und es entstehen ausgedehnte Erosionen vor allem an Korperteilen mechanischer Beanspruchung Die hellrot erodierten Hautareale sind von einem weissen Randsaum umgeben der aus zusammengezogenen Hautfetzen besteht In dieser Phase konnen erhebliche Verluste von Flussigkeit und Blutsalzen auftreten ahnlich wie bei einer Hautverbrennung zweiten Grades und es kann durch hypovolamischen Schock oder Sepsis schnell zu lebensbedrohlichen Zustanden kommen wenn nicht rechtzeitig therapeutisch eingegriffen wird Stadium desquamativum Bearbeiten Durch korrekte medizinische Behandlung wird die Krankheitsdynamik innerhalb weniger Stunden zum Stillstand gebracht und die Haut beginnt sich wieder zu erneuern Die Reepithelisierung der Erosionen dauert ungefahr 10 bis 14 Tage und wird von einer grossflachigen feinlamelligen Abschuppung gefolgt Differentialdiagnose und Diagnose BearbeitenDie Hautlasionen sind dem klinischen Bild einer Verbruhung sehr ahnlich und konnen mit solchen leicht verwechselt werden Das Nikolski Zeichen ist positiv und der Erreger Staphylococcus aureus lasst sich oft im Rachenabstrich nachweisen je nach Infektionsherd auch aus Auge und Ohr In der Prodromalphase erscheint manchmal ein kleinfleckiges dem Scharlach ahnelndes Exanthem differenzialdiagnostisch hinweisend ist hierbei der Beginn im Gesicht um Mund Nase und Augen 2 Es fehlen hierbei auch die fur Scharlach typischen Zeichen Angina tonsillaris und Himbeerzunge 19 Manchmal zeigen sich auch Blasenbildungen die an die grossblasige Impetigo contagiosa erinnern Beim SSS Syndrom sind diese aber weder eitrig noch lassen sich daraus im Allgemeinen Erreger nachweisen 5 16 Das Staphylococcal scalded skin syndrome kann in bestimmten Fallen auch ausserordentliche Ahnlichkeiten zu Brandverletzungen im Rahmen einer Kindesmisshandlung aufweisen und muss dementsprechend diagnostisch abgeklart werden 20 Von grosster differenzialdiagnostischer Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen Staphylococcal scalded skin syndrome staphylogenes Lyell Syndrom und der Toxischen epidermalen Nekrolyse medikamentos induziertes Lyell Syndrom zwei Krankheiten die fruher nicht eindeutig unterschieden 21 22 oder sogar gleichgesetzt wurden 23 Das Alter des Patienten die Medikamentenanamnese sowie der Tzanck Test geben erste Hinweise 15 Diagnostische Sicherheit ergibt aber erst eine Blasendeckelhistologie Die histologische Untersuchung zeigt beim SSSS eine akantholytische Spaltbildung im Bereich des Stratum granulosum und die Bildung von subkornealen Blasen Bei der TEN sind hingegen spezifische Epidermisnekrosen in allen Schichten der Epidermis anzutreffen Typisch fur die Toxische epidermale Nekrolyse ist ausserdem der bevorzugte Befall der Schleimhaute der beim Staphylococcal scalded skin syndrome nicht oder nur sehr diskret in Erscheinung tritt Abzugrenzen ist ferner das DRESS Syndrom Beweisend fur SSSS sind neben der Spaltbildung im Stratum granulosum der Nachweis der Exfoliatine im Blut anhand Enzyme linked Immunosorbent Assay ELISA Western Blot oder Polymerasekettenreaktion Eine bakterielle Untersuchung sollte veranlasst werden um Infektionsquellen aufzudecken 15 Komplikationen und Prognose BearbeitenEs handelt sich um eine potenziell schwerwiegende Erkrankung die in unbehandelten Fallen haufig zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie hypovolamischer Schock Pneumonie und Sepsis fuhren kann Bei fruhzeitiger und korrekter Behandlung sind schwere Krankheitsverlaufe bei Kleinkindern jedoch die Ausnahme 13 und die Prognose fur Kinder bis zum funften Lebensjahr ist gunstig 3 Fur altere Patienten hingegen verlauft das SSS Syndrom wegen der zugrunde liegenden Grunderkrankungen auch bei intensivmedizinischer Behandlung sehr haufig 40 6 todlich Therapie BearbeitenDie initiale Behandlung umfasst hochdosierte Gaben von penicillinasefesten Penicillinen beispielsweise Flucloxacillin 15 Oxacillin oder Methicillin und anderer gegen Staphylococcus aureus wirksamer Antibiotika beispielsweise Cefalosporine 15 Erythromycin oder Minocyclin 2 Bei den Staphylokokken vom Phagentyp II handelt es sich nur selten um multiresistente Stamme 2 Bei ausgedehnten Hautlasionen muss gegebenenfalls der Verlust von Flussigkeit und Blutsalzen per Infusion ausgeglichen sowie eine adaquate Lokalbehandlung der betroffenen Areale durchgefuhrt werden Dabei ist besonders auf Infektionsschutz zu achten 15 Eine uber diese medizinische Massnahmen hinausgehende intensivmedizinische Versorgung und Therapie wie bei Brandverletzungen ist uberflussig 13 Corticosteroide sind kontraindiziert 14 15 weil sie wegen ihrer immunsupprimierenden Wirkung das Infektionsrisiko erhohen Geschichte und Synonyme BearbeitenVermeintliche Verbruhungen durch Hebammen und Mutter Bearbeiten Aufgrund des klinischen Bildes das auch heute noch kaum ohne Labordiagnostik sicher von einer Verbrennung zweiten Grades zu unterscheiden ist wurden diese Hautablosungen fruher bei Neugeborenen haufig fur unbeabsichtigte und bewusst verschwiegene Verbruhungen gehalten Es sind Prozesse belegt bei denen Mutter oder auch Hebammen 24 gerichtlich angeklagt wurden weil sie ihre an SSSS erkrankten Sauglinge zu heiss gebadet und dadurch verbruht haben sollen 14 nbsp Journal Review zu Ritter von Rittershains Erstbeschreibung der Dermatitis erysipelatosa aus der Wiener Medizinischen Wochenzeitschrift vom 16 April 1870Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain 1878 Bearbeiten Der Kinderarzt und Direktor der Prager Findelanstalt Gottfried Ritter von Rittershain untersuchte als erster diese endemisch auftretende Sauglingskrankheit In einem genau definierten Zeitrahmen fuhrte er systematische Beobachtungen uber Symptomatik Krankheitsverlauf und Sterblichkeit durch Wahrend seiner zehnjahrigen Fallstudien die er vom 1 Juli 1868 bis zum 30 Juni 1878 schriftlich aufzeichnete registrierte er insgesamt 297 Krankheitsfalle von denen 145 starben 3 Die zarten hellroten Erytheme beschreibend mit der die Krankheit zu Beginn in Erscheinung tritt wurde sie von ihm 1870 zunachst als Dermatitis erysipelatosa bezeichnet 25 Spater pragte er dann den Terminus Dermatitis exfoliativa neonatorum was die charakteristischen Hautablosungen treffender beschrieb und nun als Krankheitsname in die damalige Fachliteratur Eingang fand 26 und auch heute noch als Krankheitsbezeichnung fur SSSS bei Neugeborenen gebrauchlich ist Pemphigus neonatorum und Pemphigus acutus neonatorum Bearbeiten Danach wurde die Krankheit nach seinem vermeintlichen Erstbeschreiber vielfach einfach nur noch Morbus Ritter genannt im englischen Sprachraum Ritter Disease Jungste medizinhistorische Nachforschungen 26 legen nun aber den Schluss nahe dass mit einiger Wahrscheinlichkeit die Krankheit bereits 70 Jahre zuvor von anderen Padiatern in der Fachliteratur als Erisipelas neonatorum 1807 27 und Pemphigus infantilis analogous to Erysipelas of infants 1813 28 beschrieben wurde welche damals beide haufig in den Kinderspitalern dieser Zeit beobachtet worden waren Neben der Bezeichnung Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain waren auch die Synonyme Pemphigus neonatorum und Pemphigus acutus neonatorum gebrauchlich Beim Pemphigus neonatorum handelte es sich aber wie damals schon von einigen Autoren 29 30 31 vermutet um eine im Gegensatz zum Morbus Ritter weit milder verlaufende selbst limitierende Hauterkrankung mit nur lokaler Blasenbildung welche als eine spezielle Form der bullosen Impetigo bei Neugeborenen in Erscheinung tritt Staphylodermia superficialis diffusa exfoliativa Bearbeiten Spater nach Entdeckung der kausalen Bedeutung der Staphylokokken 32 und der bald darauf folgenden Unterscheidung zwischen streptogener und staphylogener 33 Impetigo wurde die Rittersche Dermatitis zusammen mit anderen staphylogenen Hautinfektionen unter dem Uberbegriff Staphylodermie zusammengefasst Zu dieser Zeit wurde allerdings noch nicht zwischen einer systemischen Haut Toxikose Dermatitis exfoliativa und einer lokalen Staphylokokken Infektion Bullose Impetigo unterschieden weshalb die Rittersche Krankheit nun irrtumlicherweise als Maximalvariante der bullosen Impetigo Impetigo contagiosa staphylogenes bezeichnet wurde 16 In diesem Zusammenhang entstanden dann so barocke Bezeichnungen wie Staphylodermia superficialis bullosa pemphigoides neonatorum et infantum 26 und Staphylodermia superficialis diffusa exfoliativa wovon der Letztere in deutschsprachigen dermatologischen Fachkreisen 34 noch aktuell Verwendung findet Toxische epidermale Nekrolyse Lyell Syndrom 1956 Bearbeiten Mit dem zunehmenden Einsatz synthetischer Arzneimittel wurden bereits Mitte der 1930er Jahre vereinzelt dermatologische Nebenwirkungen beobachtet die weitgehend dem klinischen Bild einer Dermatitis exfoliativa Ritter von Rittershain entsprachen 21 22 Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte nun auch der britische Dermatologe Alan Lyell ahnliche Beobachtungen bei Erwachsenen gemacht und diese mit dem Einzug der Anglismen sic in die kontinentale Terminologie 26 1956 erstmals als Toxic epidermal necrolysis beschrieben 23 Im Verlauf seiner weiteren Untersuchungen musste er im Nachhinein jedoch feststellen dass es sich bei seiner ursprunglichen Beschreibung um die Vermischung zweier verschiedener Krankheitsbilder gehandelt hatte 35 36 37 38 Er unterschied von nun an folgerichtig zwischen einer durch Staphylokokken verursachten Toxischen epidermalen Nekrolyse die ihm ja bereits als Ritter s disease bekannt war und der eigentlichen bis vor kurzem unbekannten und von ihm neu beschriebenen Medikamenten induzierten TEN Diese Differenzierung wurde in der damaligen Fachliteratur dann als staphylogenes Lyell Syndrom STEN und medikamentos induziertes Lyell Syndrom DTEN referiert und diese Begriffe sind teilweise auch heute noch so gebrauchlich Staphylococcal scalded skin syndrome 1970 Bearbeiten Lyell und seine Mitarbeiter hatten zwar schon bald erkannt dass ein bisher unbekanntes Staphylokokken Toxin fur die Staphylokokken induzierte TEN verantwortlich sein musste und konnten dieses Toxin Exfoliatin auch tatsachlich isolieren Der Versuch an Mausen durch Einimpfung dieser Toxine eine Staphylokokken induzierte TEN zu erzeugen schlug jedoch fehl 39 Melish und Glasgow 1970 fuhrten einige Jahre spater einen ahnlichen Versuch an neugeborenen Mausen durch und konnten diesmal tatsachlich eine Staphylokokken induzierte TEN auslosen 18 Literatur BearbeitenPeter Fritsch Dermatologie Venerologie 2 Auflage Springer Berlin Heidelberg New York 2004 ISBN 3 540 00332 0 Otto Braun Falco et al Hrsg Dermatologie und Venerologie 5 Auflage Springer Berlin Heidelberg New York 2005 ISBN 3 540 40525 9 Gernot Rassner Dermatologie Lehrbuch und Atlas 8 Auflage Urban amp Fischer Munchen Jena 2007 ISBN 3 437 42762 8 Ingrid Moll Ernst G Jung Hrsg Dermatologie 6 Auflage Thieme Stuttgart 2005 ISBN 3 13 126686 4 Klaus Betke et al Hrsg Lehrbuch der Kinderheilkunde Keller Wiskott 6 Auflage Thieme Stuttgart 1991 ISBN 3 13 358906 7 Manfred Dietel et al Hrsg Harrisons Innere Medizin 15 Auflage ABW Berlin 2003 ISBN 3 936072 10 8Weblinks Bearbeiten Staphylodermia superficialis diffusa exfoliativa DermIS Eine Kooperation der Universitat Heidelberg und der Universitat Erlangen Nurnberg Staphylokokkeninfektionen der Haut AWMF Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft Staphylogenes Lyell Syndrom siehe Kapitel 2 3 1 Einzelnachweise BearbeitenDie klinischen Beobachtungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse die in diesen Artikel Eingang gefunden haben entstammen vorwiegend dem Standardwerk der Dermatologie Peter Fritsch Dermatologie Venerologie 2 Auflage Springer Berlin Heidelberg New York u a 2004 S 259f ISBN 3 540 00332 0Aus diesem Werk werden nur in strittigen Fragen Einzelbelege erbracht Daruber hinaus werden folgende Quellen zitiert A Muller R W Schlecht Alexander Fruh H Still Der Weg zur Gesundheit Ein getreuer und unentbehrlicher Ratgeber fur Gesunde und Kranke 2 Bande 1901 3 Auflage 1906 9 Auflage 1921 31 bis 44 Auflage C A Weller Berlin 1929 bis 1931 Band 1 1931 S 18 f a b c d e f g h i j Dietrich Abeck Staphylococcal scalded skin syndrome SSSS In Otto Braun Falco Gerd Plewig Helmut H Wolff Walter H C Burgdorf Michael Landthaler Hrsg Dermatologie und Venerologie 5 Auflage Springer Berlin Heidelberg New York u a 2005 S 110 ISBN 3 540 40525 9 a b Gottfried Ritter von Rittershain Dermatitis exfoliativa neonatorum In Zentralzeitung fur Kinderheilkunde 2 1878 S 3 23 S D Resnick P M Elias Staphylococcal scalded skin syndrome In I M Freedberg A Z Eisen K Wolff K F Austen L 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Janos Varga The fate of Staphylococcal exfoliatin in newborn and adult mice In British Journal of Dermatology Vol 95 3 September 1976 S 275 doi 10 1111 j 1365 2133 1976 tb07015 x a b Gernot Rassner Dermatologie Lehrbuch und Atlas 8 Auflage Urban amp Fischer Munchen Jena 2007 ISBN 3 437 42762 8 S 87 Takayuki Yamaguchi et al Identification of the Staphylococcus aureus etd Pathogenicity Island Which Encodes a Novel Exfoliative Toxin ETD and EDIN B In Infection and Immunity Vol 70 No 10 October 2002 S 5835 5845 doi 10 1128 IAI 70 10 5835 5845 2002 Abstract G Prevost P Couppie H Monteil Staphylococcal epidermolysins In Current Opinion in Infectious Diseases 16 2 April 2003 S 71 76 Abstract co infectiousdiseases com abgerufen am 7 September 2007 Helmut Hahn Staphylokokken In Helmut Hahn Dietrich Falke Paul Klein Hrsg Medizinische Mikrobiologie Springer Berlin Heidelberg New York u a 1991 ISBN 3 540 19389 8 S 255 a b c Peter Fritsch Bakterielle Infektionen im Kindesalter In Gerd Plewig Peter 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Dermatologie und Syphilis Band 111 Nr 2 Marz 1912 S 629 647 doi 10 1007 BF01960435 Abstract DermIS Eine Kooperation der Abteilung fur Klinische Sozialmedizin Universitat Heidelberg und der Hautklinik Erlangen Universitat Erlangen Nurnberg Staphylodermia superficialis diffusa exfoliativa dermis multimedica de Memento des Originals vom 27 September 2007 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot dermis multimedica de Abgerufen am 31 August 2007 Alan Lyell Ritter s disease Toxic epidermal necrolysis In The Lancet 2 1962 S 561 Alan Lyell A review of toxic epidermal necrolysis in Britain In British Journal of Dermatology 79 1967 662 671 Alan Lyell Outbreak of toxic epidermal necrolysis associated with staphylococci In Lancet 1 1969 S 787 790 Alan Lyell The staphylococcal scalded skin syndrome in historical perspective 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