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Die Social Construction of Technology kurz SCOT ist eine Spielart des Sozialkonstruktivismus die sich mit Technikgenese also der Entstehung von Techniken befasst SCOT baut auf dem Strong Programme der Wissenschaftssoziologie und geschichte auf das unter anderem von David Bloor und Harry Collins vertreten wurde und von der SCOT auf Technologie ausgeweitet wurde Die Theorie kam in den 1980er Jahren auf und lieferte wichtige Beitrage zur Fortentwicklung der sozialwissenschaftlichen Technikforschung vor allem in Auseinandersetzung mit der zeitgleich aufkommenden Akteur Netzwerk Theorie Bekannte Vertreter sind Trevor Pinch und Wiebe E Bijker Inhaltsverzeichnis 1 Grundannahme 2 Grundbegriffe 3 Ein Anwendungsbeispiel 4 Ein Anwendungsproblem 5 Literatur amp Links 5 1 Siehe auch 5 2 Einfuhrend 5 3 Grundlegender Text 5 4 Fallstudien 5 5 Debatte 5 6 Theoretische Grundlagen 6 EinzelnachweiseGrundannahme BearbeitenJede Technikentwicklung wird als ein sozialer Prozess aufgefasst Das heisst Fur Entwicklung und Erfolg einer Technik sind weniger technische oder ingenieurmassige Prinzipien z B gute Konstruktion oder Haltbarkeit entscheidend sondern eher soziale Prozesse z B Bedeutungszuschreibungen oder Gruppendynamik Grundbegriffe BearbeitenJede Technik so die Kernannahme von SCOT ist sozial konstruiert Konstruiert wird sie in einem kontroversen Zusammenspiel relevanter sozialer Gruppen die die kunftige Technik als Losung eines Problems sehen Sowohl Interessen als auch Probleme sind von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich Dementsprechend haben die verschiedenen Gruppen auch verschiedene Vorstellungen von der entstehenden Technik sie ordnen ihr verschiedene Bedeutungen zu Das ist entscheidend weil es von exakt diesen gruppenspezifischen Bedeutungen abhangt ob und von wem die fertige Technik als funktionierend oder als Fehlschlag gesehen wird Ist es uberhaupt noch sinnvoll von einem Gegenstand zu sprechen wenn dieser in gewunschter Form Funktion und Bedeutung variiert je nachdem wen man fragt Sozialkonstruktivistisch gesehen nicht stattdessen geht man vom Pluralism of Artifacts Vielfalt der Dinge aus Moglich wird solche Vielfalt durch die grundsatzliche Vieldeutigkeit der Dinge die sie nicht nur interpretationsfahig sondern sogar interpretationsbedurftig macht sie sind interpretativ flexibel Diese Flexibilitat der Dinge bildet das Einfallstor fur nichttechnische Einflusse z B Politik Religion Kultur die in SCOT als wider context erweiterter Kontext bezeichnet werden In diesem Zusammenhang erscheint es wieder sinnvoll auch magische Techniken anzunehmen wie es der Anthropologe Arnold Gehlen bereits in den 1940er Jahren getan hat Technikentwicklung erscheint dann als eine strittige Auseinandersetzung vgl auch Figuration in der unterschiedliche Einflusse des wider context miteinander konkurrieren Dabei schwindet die interpretative Flexibilitat allmahlich der Gegenstand gewinnt in einem evolutionsahnlichen Prozess von Variation und Selektion an Eindeutigkeit Am Ende hat sich die anfangliche Vieldeutigkeit und Vielgestaltigkeit des entstehenden auf ein uberlebenden Gegenstand reduziert Die Debatte wird geschlossen vgl dazu die Wissenssoziologie Die Argumente die zur Schliessung fuhren mussen dabei keinesfalls technisch gut oder auch nur richtig sein Auch ob die Technik das Problem tatsachlich lost oder nicht ist keine Frage von so etwas wie technischer Rationalitat sondern Glaubenssache Entscheidend ist nach SCOT einfach ob die Betroffenen glauben dass ihr Problem gelost sei Und wer seinen Glauben als den richtigen durchsetzt ist eine Machtfrage Technik erscheint damit als durch und durch sozial mit einer Formulierung der Techniksoziologie als eine Sozialbeziehung und in der Systemtheorie sogar als kontingent Ein Anwendungsbeispiel Bearbeiten ist die Geschichte des luftgefullten Fahrradreifens wie von Bijker 1995 geschildert Der Erfinder John Boyd Dunlop habe ihn ursprunglich als antivibration device Federung zur Komfortsteigerung konzipiert Als solcher habe er zwar technisch nicht aber sozial funktioniert weil Radfahren von der damals dominanten Gruppe der young men of means and nerve risikofreudige junge Manner als Risikosportart verstanden wurde wider context Kultur Komfortablere also leichter zu handhabende Sportgerate seien prestigemindernd gewesen Erst als Fahrer mit Luftreifen ihren Konkurrenten der harten Schule bei Rennen davonfuhren habe sich das geandert weil der Komfortreifen jetzt zur highspeed device Hochgeschwindigkeitsmittel umgedeutet worden sei die interpretative flexibility Historiker die sich mit der Geschichte des Fahrrads auseinandergesetzt haben widersprechen dieser Darstellung Bijkers allerdings in entscheidenden Punkten So habe etwa Dunlop den Luftreifen von Anfang an auch als Beschleunigungsmittel konzipiert und dies auch so in seinem Patent vermerkt 1 Ein Anwendungsproblem Bearbeiten ist die Identifizierung relevanter sozialer Gruppen Relevant sollte idealerweise im Sinne von beteiligt oder sogar betroffen begriffen werden Tatsachlich ist es aber unausweichlich dass selbst aus dem beteiligt bei der empirischen Arbeit unversehens eine einflussreiche oder einflussarme Macht wird Dann entsteht das notorische SCOT Problem der fehlenden Gruppen vgl die Kritik von Winner 1993 Das sind Gruppen die zwar ihre Stimme erhoben hatten aber mangels merklicher Macht kein Gehor fanden und dementsprechend empirisch ausgesprochen schwer aufzuspuren sind Hoffnung fur die Zukunft macht da allenfalls das Internet mit seiner fast schon anarchisch niedrigen Zugangsschwelle Literatur amp Links BearbeitenSiehe auch Bearbeiten Innovation TechnikfolgenabschatzungEinfuhrend Bearbeiten Nina Degele Einfuhrung in die Techniksoziologie Fink Munchen 2002 ISBN 3 7705 3448 4 UTB fur Wissenschaft Soziologie 2288 Grundlegender Text Bearbeiten Wiebe E Bijker Trevor J Pinch The Social Construction of Facts and Artifacts Or How the Sociology of Science and the Sociology of Technology Might Benefit of Each Other In Wiebe E Bijker Thomas P Hughes Trevor J Pinch Hrsg The Social Construction of Technological Systems New Directions in the Sociology and History of Technology MIT Press Cambridge MA u a 1987 ISBN 0 262 02262 1 S 17 50 Fallstudien Bearbeiten Wiebe E Bijker Of Bicycles Bakelites and Bulbs MIT Press Cambridge MA u a 1995 ISBN 0 262 02376 8 Debatte Bearbeiten Langdon Winner 1993 Upon Opening the Black Box and Finding It Empty Social Constructivism and the Philosophy of Technology In Science Technology amp Human Values 18 3 1993 ISSN 0162 2439 S 362 378 Nick Clayton SCOT Does It Answer In Technology and Culture Band 43 2 2002 S 351 360 doi 10 1353 tech 2002 0054 Wiebe E Bijker Trevor J Pinch SCOT Answers Other Questions A Reply to Nick Clayton In Technology and Culture 43 2002 ISSN 0040 165X S 361 368 online PDF 541 kB Theoretische Grundlagen Bearbeiten Robert K Merton Social Theory and Social Structure Toward the codification of theory and research Free Press Glencoe IL 1949 Revised and enlarged edition ebenda 1959 David Bloor 1976 Knowledge and Social Imagery Routledge amp Kegan Paul London u a 1976 ISBN 0 7100 8377 7 Routledge Direct Editions Bloors strong programme Harry Collins Stages in the Empirical Programme of Relativism In Social Studies of Science 11 1 Special Issue Knowledge and Controversy Studies of Modern Natural Science 1981 ISSN 0306 3127 S 3 10 Uber EPOR Einzelnachweise Bearbeiten Nick Clayton SCOT Does It Answer In Technology and Culture Band 43 Nr 2 2002 S 351 360 doi 10 1353 tech 2002 0054 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Social Construction of Technology amp oldid 230436202