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Die Sinti Kinder von Mulfingen waren Kinder aus Sinti Familien die bis 1944 im katholischen Kinderheim St Josefspflege in Mulfingen lebten und dann fast alle nach Auschwitz deportiert wurden Gedenktafel unter einem Fenster der Josefspflege Inhaltsverzeichnis 1 Von Mulfingen nach Auschwitz 2 Gedenkstatten und Gedenkkultur 3 Uberlebende 4 Tater 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVon Mulfingen nach Auschwitz BearbeitenSchulpflichtige Sinti Kinder aus Wurttemberg bei denen Heimerziehung angeordnet worden war oder deren Eltern bereits aufgrund des Zigeuner Erlasses in Konzentrationslager deportiert worden waren wurden seit 1938 in der St Josefspflege in Mulfingen erzogen Als Zigeuner oder Zigeunermischlinge dienten sie 1943 Eva Justin als Probanden fur ihre Doktorarbeit uber die Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder und ihrer Nachkommen Dadurch blieben sie bis zum Fruhjahr 1944 vor dem Abtransport in ein Konzentrationslager verschont Eva Justin kam in ihrer Dissertation zu dem Schluss dass eine Unfruchtbarmachung derartiger Kinder angezeigt sei Erziehen wir einen Zigeuner so bleibt er infolge seiner mangelhaften Anpassungsfahigkeit in der Regel doch mehr oder weniger asozial Alle Erziehungsmassnahmen fur Zigeuner und Zigeunermischlinge einschliesslich jeder Form der Fursorgeerziehung sollten daher aufhoren Alle deutscherzogene sic Zigeuner und Zigeunermischlinge 1 Grades sollen daher in der Regel unfruchtbar gemacht werden 1 nbsp Eingangstur der JosefspflegeNachdem Justin ihre Doktorarbeit beendet und eingereicht hatte wurden die Sinti Kinder aus den Kinderheimen in Mulfingen Hurbel und Baindt 2 fur die Aufnahme im Zigeunerlager Auschwitz in Auschwitz Birkenau erfasst Einigen Kindern wurde noch die Notkommunion verabreicht ehe sie abtransportiert wurden Am 9 Mai 1944 wurden die meisten dieser Kinder unter dem Vorwand es gehe auf einen Ausflug in einem Bus zunachst nach Kunzelsau gefahren schon vorher hatte der fur das Heim zustandige Pfarrer Volz beim Caritasverband um rasche Zuweisung neuer Kinder fur seine nach dem Abtransport der Sinti Kinder unterbelegte Institution gebeten 3 Da den alteren Madchen und Jungen durch das Erscheinen der begleitenden Polizisten bereits klar geworden war wohin die Fahrt ging brach schon auf dem Hof der Josefspflege beim Einsteigen in den Bus eine Panik aus woraufhin zur Beruhigung der Kinder die Lehrerin Johanna Nagele und die Schwester Oberin Eytichia auf dem ersten Teil der Strecke mitfuhren Auf dem Bahnhof von Kunzelsau mussten die Kinder zunachst langere Zeit von den Polizisten bewacht auf den Waggon warten in den sie dann verladen wurden Sie erhielten die Anweisung sich an den Bahnhofen von den Fenstern des Wagens fernzuhalten In Crailsheim wurde der Transport von Waffen SS Mannern ubernommen und der Wagen mit den Kindern an einen Zug nach Auschwitz angekuppelt Dort stiess auch Adolf Scheufele der Leiter der Dienststelle fur Zigeunerfragen bei der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart der die Deportation der Kinder unter sich hatte dazu und eine Kriminalassistentin begleitete die Kinder hinfort zusammen mit der Wachmannschaft 2 4 Die Fahrt die ofters von Luftangriffen unterbrochen wurde dauerte drei Tage in Dresden stand der Wagen wahrend eines Bombenangriffs ungeschutzt auf einem Abstellgleis Am 12 Mai 1944 zur Zeit des bereits in Auflosung stehenden Zigeuner Familienlagers Auschwitz kam der Transport an Dieses lag im Lagerabschnitt B II e Dort trafen die Kinder weitere Sinti Kinder wieder die ebenfalls in Mulfingen gelebt hatten aber schon fruher deportiert worden waren Die Kinder kamen zunachst in den Block 16 blieben dort nur ungefahr 14 Tage zusammen danach kamen die unter Vierzehnjahrigen in den Kinderblock bzw Waisenblock 2 Bei einer Selektion in Auschwitz wurden nur vier altere Kinder als Arbeitskrafte aussortiert drei Madchen und ein Junge Amalie Schaich geb Reinhardt Luise Wurges geb Mai Rosa Georges und Andreas Reinhardt Sie kamen in die Konzentrationslager Buchenwald und Ravensbruck Die ubrigen Mulfinger Sinti Kinder wurden zum Teil noch von Josef Mengele fur medizinische Experimente missbraucht 5 und dann in der Nacht zum 3 August 1944 vergast Gedenkstatten und Gedenkkultur Bearbeiten nbsp Die Gedenktafel in MulfingenAn der St Josefspflege in Mulfingen befindet sich seit 1984 eine Gedenktafel die an die Sinti Kinder aus dem Heim erinnert Sie tragt den Text nbsp Erinnerung an Anton Kohler im Rahmen des Denk Orts in NurtingenAus der Gemeinschaft dieses Heimes wurden am 9 Mai 1944 die hier lebenden 39 Sinti Kinder herausgerissen und in das KZ Auschwitz deportiert nur vier Kinder uberlebten Zur Erinnerung an die Opfer Rudi Delis Maria Delis Rudolf Eckstein Fritz Eckstein Martin Markus Eckstein Amandus Eckstein Patrizka Georges Wilhelm Georges Sofie Georges Ferdinand Georges Johanna Kohler Franz Kohler Anton Kohler Olga Kohler Anton Kohler Elise Kohler Johann Kohler Josef Kohler Sonja Kurz Otto Kurz Thomas Kurz Martha Mai Sofie Mai Karl Mai Elisabeth Mai Johanna Reinhard Klara Reinhard Scholastika Reinhard Adolf Reinhard Siegfried Schneck Luana Schneck Karl Weiss Maria Winter Rosina Winter Josef Winter 6 Ein Denkmal fur die Mulfinger Kinder schuf Wolfram Isele es befindet sich seit 2000 im Foyer des Jugendamts 7 in der Wilhelmstrasse 3 in Stuttgart Das Denkmal zeigt 39 Aktenordner die die Schicksale der 39 deportierten Kinder symbolisieren sollen 8 Fur die Geschwister Kurz aus Bad Cannstatt wurden Stolpersteine vor deren ehemaliger Wohnstatt in der Badergasse verlegt 9 nbsp Anton Kohler Sinto geboren 1932 in Nurtingen ermordet 1944 in Auschwitz Birkenau Bildhauer Robert Koenig Projekt OdysseyIn Nurtingen wurde am 26 Juli 2015 eine Holzskulptur zur Erinnerung an den in Nurtingen geborenen Anton Kohler feierlich enthullt Daruber hinaus steht die Holzfigur als Wachter der Erinnerung stellvertretend fur die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nurtingen Die uberlebensgrosse Holzskulptur des britischen Bildhauers Robert Koenig die im Rahmen des Projektes Odyssey entstand zeigt Anton Kohler im fiktiven Alter von 21 Jahren Anton Kohler selber wurde im Alter von 12 Jahren in Auschwitz Birkenau ermordet 10 11 12 Auch im Nurtinger Denk Ort wird abwechselnd mit Kurzbiografien anderer Opfern und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nurtingen und Umgebung das Schicksal Anton Kohlers prasentiert Verweise leiten dort auf breitere Darstellungen auf der Webseite der Nurtinger Gedenkinitiative 13 14 15 16 Robert Reinhardt textete zum Schicksal von Anton Kohler und den anderen Sintikindern und Romakindern die in Auschwitz Birkenau ermordet wurden das Lied Miro Si rowela auf Sinti Romanes und Deutsch und sang es ein Dieses Lied wurde anlasslich einer Ehrung im Nurtinger Rathaus erstmals der Offentlichkeit prasentiert 17 18 19 Uberlebende BearbeitenAusser den vier Kindern die in Auschwitz zum Arbeitseinsatz aussortiert wurden uberlebten noch einige altere Geschwister der Mulfinger Heimkinder den Porajmos so etwa Waltraud Kohler eine altere Schwester des oben erwahnten Anton Kohler Alois Winter Emil Reinhardt und Wilhelm Eckstein 20 Nach der Schulentlassung pflegten sich die Landwirte der Umgebung unter den Heimkindern der Josefspflege ihre kunftigen Magde und Knechte auszuwahlen Ehemalige Pfleglinge des Kinderheims entkamen so dem Schicksal der Deportation weil sie nicht mehr auf den Listen der Josefspflege gefuhrt wurden Emil Reinhardt etwa arbeitete bereits als Knecht Als er seinen jungeren Geschwistern in der Josefspflege Lebensmittel bringen wollte wurde er von der Polizei abgefangen und so brutal geohrfeigt dass er dadurch sein Gehor verlor Emil Reinhardt versteckte sich bis zum Ende des Dritten Reichs und konnte so uberleben 21 Einen Sonderfall stellte ein 1934 geborenes Madchen namens Angela dar das in den Listen des Heims unter dem Namen seiner leiblichen Mutter Schwarz gefuhrt wurde bei den Behorden aber unter dem Namen seines Vaters Reinhardt Dadurch erschien es nicht auf der Liste der Kinder die im Mai 1944 abtransportiert werden sollten Die Zehnjahrige wurde wohl auch durch die Ohrfeige einer Ordensschwester der St Josefspflege gerettet die sie nach oben schickte und so verhinderte dass das Madchen mit in den Bus einstieg und den Ausflug mitmachte Angela Reinhardt wurde spater zur Hauptperson der dokumentarischen Erzahlung Auf Wiedersehen im Himmel von Michail Krausnick Unter dem gleichen Titel wurde auch ein Film uber die Mulfinger Sinti Kinder produziert in dem Eva Justins Originalaufnahmen aus Mulfingen sowie Interviews mit Uberlebenden zu sehen sind Tater BearbeitenEva Justin Dr Rolf Ritter und der Kriminalbeamte Adolf Scheufele setzen ihre Karrieren nach der NS Zeit fort teils waren sie wieder fur so genannte Zigeunerfragen zustandig Adolf Scheufele sogar wieder bei der Kripo Stuttgart 2 In dem auf Romanes gesungenen Lied Miro Si rowela prangert Robert Reinhardt in einem Sprechtext auf Deutsch namentlich Schuldige an diesem Massenmord an und beklagt dass sie nie zur Rechenschaft gezogen wurden Literatur BearbeitenMichail Krausnick Auf Wiedersehen im Himmel Die Geschichte der Angela Reinhardt 2 Auflage Arena Verlag Wurzburg 2009 ISBN 978 3 401 02721 0 Johannes Meister Die Zigeunerkinder von der St Josefspflege in Mulfingen In 1999 Zeitschrift fur Sozialgeschichte des 20 und 21 Jahrhunderts Nr 2 1987 S 14 51 Digitalisat Memento vom 21 Februar 2014 im Internet Archive Manuel Werner Wer hat schon um diese Kinder geweint In Nurtinger Zeitung 15 Juni 2013 Reportage Weblinks BearbeitenFilmaufnahmen der Kinder von Eva Justin Manuel Werner In Nurtingen geboren in Auschwitz ermordet Anton Kohler Die Deportation von Sinti und Roma Kindern aus Heimen In sintiundroma org Dokumentations und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma abgerufen am 8 Marz 2021 Die Kinder bei einem Ausflug Memento vom 10 Januar 2016 im Internet Archive Foto ca 1941 Lesung von Katrin Seybold Karl Mailander Fursorgebeamter Schreibtischtater und Bundesverdienstkreuztrager siehe auch Karl MailanderEinzelnachweise Bearbeiten Ausstellung Plakat Frankfurt Auschwitz Abgerufen am 30 Marz 2016 a b c d Manuel Werner In Nurtingen geboren in Auschwitz ermordet Anton Kohler in Nurtinger Opfer nationalsozialistischer Verfolgung Website der Gedenkinitiative fur die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nurtingen abgerufen am 6 Oktober 2013 Die katholischen Bischofe und die Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz Birkenau Abgerufen am 30 Marz 2016 Uwe Renz Der schwarzeste Tag Historiker Janker klart Deportation von Sinti Kindern aus Mulfingen auf drs de abgerufen am 10 April 2013 Sendungsinhalt Auf Wiedersehen im Himmel Die Sinti Kinder von der St Josefspflege Abgerufen am 30 Marz 2016 Laut einem Dokument der Kriminalpolizeistelle Stuttgart vom 14 Juni 1944 waren die Geschwister Delis und Schneck nicht am 9 Mai 1944 mit den anderen Mulfinger Sinti Kindern abtransportiert worden sondern schon am 21 April 1944 in das Zigeunerlager Auschwitz Birkenau eingeliefert worden Die Schreibung des Namens Reinhard t entspricht den Listen des Heims informationen Nr 55 Juni 2002 Archiviert vom Original am 5 Oktober 2007 abgerufen am 30 Marz 2016 Wolfram Isele Denkmal fur die Mulfinger Kinder Abgerufen am 30 Marz 2016 Vier Cannstatter Sinti Kinder Abgerufen am 30 Marz 2016 Wachter der Erinnerung Memento vom 3 Februar 2016 im Internet Archive in Nurtinger Opfer nationalsozialistischer Verfolgung Website der Gedenkinitiative fur die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nurtingen abgerufen am 30 Juli 2015 Odyssey Memento vom 29 Mai 2016 im Internet Archive in Nurtinger Opfer nationalsozialistischer Verfolgung Website der Gedenkinitiative fur die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nurtingen abgerufen am 30 Juli 2015 Enthullung der Nurtinger Odyssey Figur in Nurtinger Zeitung vom 30 Juli 2015 Unser Denk Ort Nurtinger Opfer nationalsozialistischer Verfolgung Website der Gedenkinitiative fur die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nurtingen abgerufen am 30 Juli 2015 Manuel Werner In Nurtingen geboren in Auschwitz ermordet Anton Kohler Nurtinger Opfer nationalsozialistischer Verfolgung Website der Gedenkinitiative fur die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nurtingen abgerufen am 26 Februar 2016 Manuel Werner Das Geschrei verhallt in der Nacht In Nurtinger Zeitung 9 Februar 2016 Thomas Schorradt Das zweite Leben des Anton Kohler In Stuttgarter Zeitung 13 Dezember 2016 Philipp Braitinger Er gibt Menschen ihre Wurde zuruck In Stuttgarter Zeitung 12 Februar 2016 Thomas Schorradt Das zweite Leben des Anton Kohler In Stuttgarter Zeitung 13 Dezember 2016 Manuel Werner Die Erinnerung braucht uns und die Zukunft auch PDF In Nurtinger STATTzeitung Rede bei der Ubergabe des Eis der Heckschnarre Michail Krausnick Auf Wiedersehen im Himmel Die Geschichte der Angela Reinhardt 2 Auflage Wurzburg 2009 ISBN 978 3 401 02721 0 S 139 Biografien zur Sendung Auf Wiedersehen im Himmel Die Sinti Kinder von der St Josefspflege Abgerufen am 30 Marz 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sinti Kinder von Mulfingen amp oldid 224211558