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Silbenschriften oder Syllabographie sind phonographische Lautschriften bei denen die Schriftzeichen Grapheme uberwiegend fur grossere Einheiten stehen als es die Buchstaben von Alphabetschriften tun welche mit phonologischen Segmenten d h Konsonanten C und Vokalen V korrelieren Dabei ist die eigentliche Silbenschrift zu unterscheiden von einer Abugida welche aus Zeichen fur Lautsegmente besteht die zu einer Silbendarstellung zusammengruppiert werden Segmentierung der Sprechsilbe s in Reim r fakultatives konsonantisches C Onset w obligatorischen vokalischen V Nukleus n fakultative konsonantische Koda k und ggf tonalen T Ton t Das Inventar einer Silbenschrift heisst Syllabar und umfasst normalerweise einige Dutzend bis wenige hundert Zeichen die Syllabogramme genannt werden Silbenschriften stehen damit in der visuellen Komplexitat zwischen alphabetischen Segmentalschriften und morphographischen Bilderschriften Dargestellt wird je Silbenzeichen hochstens eine ganze Sprechsilbe s haufig aber auch nur Teile davon die miteinander kombiniert werden mussen Am haufigsten sind dies C V Syllabogramme also Kombinationen aus Anlaut und Gipfel wn eher selten umgekehrt V C aus Gipfel und Auslaut nk beides in der Regel kombiniert mit Vokalzeichen V fur den Gipfel n und gelegentlich auch einzelne Konsonantenzeichen C Inhaltsverzeichnis 1 Verbreitung 2 Phonographische Eigenschaften 3 Zeichentypen 4 Grenzfalle 5 Beispiele 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseVerbreitung BearbeitenDie meisten der im Altertum aber auch der bis in die mittlere Neuzeit autonom d h ohne grossen Einfluss bestehender Verschriftungen entwickelten sog autochthonen Schriftsysteme verwenden ausschliesslich oder hauptsachlich Silbenzeichen was darauf schliessen lasst dass es sich hierbei um den intuitivsten Ansatz der Verschriftung handeln mag Entsprechend hoch ist der Variantenreichtum der Silbenschriften Durch die Vorherrschaft der Segmentalschriften in Europa und dem Nahen Osten sowie die von dort ausgehende Kolonisierung und Missionierung weiter Teile der Erde die Schrift auch in bis dahin schriftlose Kulturen brachten und mancherorts bestehende Schrifttraditionen verdrangten ist heute allerdings das lateinische Alphabet vorherrschend Phonographische Eigenschaften Bearbeitendiverse mogliche orthographische Regeln zur Kombination von C V Syllabogrammen Syllabogramme gleich Konsonant gleich Vokal gleich verschiedenC1 V1 C1 V1 C1 V1 C1 V2 C1 V1 C2 V1 C1 V1 C2 V2Konkatenation C 1 V 1 C 1 V 1 C 1 V 1 C 1 V 2 C 1 V 1 C 2 V 1 C 1 V 1 C 2 V 2 Synkope C 1 V 1 V 1 C 1 V 1 C 1 V 1 V 2 Prokope V 1 C 1 V 1 V 1 C 1 V 2 Elision C 1 C 1 V 1 C 1 V 1 C 1 C 2 V 1 Apokope C 1 V 1 C 1 C 1 V 1 C 2 Epenthese C 1 V 2 V 1 C 1 C 2 V 1 C 1 V 2 V 1 C 1 C 2 V 1 Prothese V 2 C 1 V 1 C 2 C 1 V 1 V 2 C 1 V 1 C 2 C 1 V 1 Elimination C 1 V 1 V 1 V 2 V 3 C 1 C 2 C 3 C 1 V 3 C 2 V 1 C 3 V 2 Fusion C 1 V 1 C 1 V 3 C 1 V 3 C 3 V 1 C 3 V 1 C 3 V 3 Rekombination C 1 V 1 C 1 V 1 C 1 V 1 V 1 C 1 V 2 C 1 V 1 C 2 C 1 C 2 V 1 V 2 C 3 V 1 V 2 C 1 C 2 V 3 Welche Art von Teil Silben die Syllabogramme einer Silbenschrift ohne Umwege darstellen konnen hangt uberwiegend von den phonologischen Eigenheiten der Sprache ab fur welche die Schrift ursprunglich geschaffen wurde Manche Lautsprachen haben ein relativ regelmassiges und beschranktes Silbeninventar das bspw fast nur aus offenen p n oder optimalen Silben wn besteht oder fast nur Einzelkonsonanten in den Randern erlaubt C n n C C n C n Da durch diese Beschrankungen der lautlichen Vielfalt die notige Zahl an Syllabogrammen gering gehalten werden kann bieten sich diese Sprachen anders als etwa das Deutsche mit seinen Konsonantenclustern wie in Strumpf besonders fur Silbenschriften an Um auch irregulare Silben schreiben zu konnen oder die Schrift auf eine andere Sprache anzuwenden entwickeln sich orthographische Regeln die der Kombination von zwei Silbenzeichen eine neue Lautung zuweisen Diese Regeln konnen einfach bis komplex sein Haufig besagen sie lediglich welcher Vokal oder Konsonant nicht gesprochen wird wenn zwei Silbenzeichen hintereinander stehen sodass eine einzige Silbe auszusprechen ist So kann eine einfache bedeckte Silbe wie mi vom Typ C 1 V 1 oft mit einem Zeichen C1 V1 geschrieben werden aber soll sie wie mit auch geschlossen sein C 1 V 1 C 2 kann dies je nach Schriftsystem oder Wort mit impliziter Koda C1 V1 einem speziellen End Konsonantenzeichen C1 V1 C2 mit stummem Vokal C1 V1 C2 V2 verschwindenden Echovokal C1 V1 C2 V1 mit einem verschmelzenden Koppelvokal C1 V1 V1 C2 oder mit einem eigenen Syllabogramm C1 V1 C2 realisiert werden In einer literalisierten Gesellschaft hat das verwendete Schriftsystem immer auch Einfluss auf die phonologische Wahrnehmung So gibt es bspw in den japanischen Silbenschriften nur ein einziges explizites Kodazeichen das fur einen nasalen Abschluss n m ŋ u a steht und meist als n transliteriert wird Dadurch glauben viele Japaner auch dann ein u oder i zu horen und zu sprechen wenn ein Wort mit einem entsprechenden Syllabogramm endet obwohl diese Vokale stumm sind C V C 1 was auch in der Transkription anderer Sprachen genutzt wird Zeichentypen Bearbeiten nbsp Das Inuktitut Syllabar hat neben C V auch V Syllabogramme die sehr regelmassig aufgebaut sind darum ist es synthetisch und systematisch Da die Zeichen auf a hochgestellt auch als Auslautkonsonanten verwendet werden mussen ist es aber unecht Die Zeichen in synthetischen Silbenschriften sind teilweise motiviert indem sich bestimmte Charakteristika innerhalb einer Zeile oder Spalte wiederholen wenn man sie tabellarisch nach vokalischen Kern und Anfangs oder Endrand sortiert Die Silbenschrift ist daruber hinaus systematisch wenn alle lautlichen Segmente mit graphischen Eigenschaften korrespondieren Beides kommt vor allem in gezielt entwickelten modernen Silbenschriften vor So konnten sich bspw einerseits die Silbenzeichen fur ka und ku in derselben Weise ahneln wie die fur ta und tu und andererseits konnten diejenigen fur ka und ta sowie die fur ku und tu eine graphische Gemeinsamkeit aufweisen oder beides Diese systematischen Veranderungen konnen durch das Hinzufugen von Teilglyphen z B Geʿez oder durch geometrische Translationen wie Drehen und Spiegeln z B Cree erzeugt werden Andere Silbenschriften nutzen arbitrare Syllabogrammen ohne erkennbare Ahnlichkeiten zueinander und heissen analytisch z B Kana Diese Zeichen sind haufig im Laufe der Zeit aus logographischen Vorlaufern entstanden indem Wortzeichen nur noch wegen ihrer Aussprache und nicht mehr fur ihre Bedeutung verwendet und moglicherweise graphisch vereinfacht wurden In einer echten Silbenschrift steht jedes Zeichen fur eine Silbe der entsprechenden Sprache z B Cherokee d h ein echtes Syllabogramm deckt alle Teile einer Silbe ab also nach westlicher Phonologie Anlaut Gipfel und Auslaut Da sowohl Anfangs als auch Endrand also die gesamte Silbenschale zumindest in manchen Sprachen optional ist gibt es Start wn b Kern n End nk r und Vollsyllabogramme wnk s wobei in den meisten Silbenschriften nur einfache Start C V und Kernsyllabogramme V verwendet werden In den unechten Silbenschriften mussen die Syllabogramme zum Teil kombiniert werden um eine Sprechsilbe zu bilden z B im japanischen Schriftsystem C V ん n C V n oder Ci jV C jV Insbesondere Kana ist daher eher als Morenschrift zu bezeichnen denn ihre Silbenzeichen konnen ohne Kombination weder einen Langvokal oder Diphthong noch eine nasale Koda und auch kein Cluster aus Konsonant und Halbvokal im Onset enthalten Dies entspricht den Regeln fur Moren und Silben im gesprochenen Japanisch Ein Syllabar ist vollstandig wenn es alle moglichen Silben einer korrespondierenden Lautsprache abdeckt ohne dass im Schriftsystem auf weitere graphematische Regeln zuruckgegriffen werden muss In der Praxis wird dieses Ziel welches den flachen alphabetischen Orthographien ahnelt nie ganz erreicht Grenzfalle BearbeitenEinigen wenigen Schriften z B dem koreanischen Hangeul liegen zwar segmentale Alphabete zugrunde aber die Segmentzeichen werden silben oder morphemweise in Frames gruppiert sodass die Leseeinheit syllabisch oder morphemisch ist Sie werden zu den Silbenschriften gezahlt wenn dem Begriff eine funktionale und nicht eine operative Sicht zugrunde gelegt wird d h wenn die praktische Anwendung im Lesen und Schreiben statt der theoretischen Analysegrundlage betrachtet wird Bei vielen indischen Schriften Abugida gibt es zwar oft diakritische Vokalzeichen aber der haufigste Vokal meist a wird nicht mit einem eigenen Zeichen geschrieben sondern es gibt im Gegenteil oft ein spezielles Zeichen bspw Virama mit dem dieser inharente Vokal unterdruckt werden kann Diese Schriften konnen entweder subtraktiv als Silbenschrift oder additiv als Segmentalschrift klassifiziert werden Interpretation von Abugidas Syllabisch Phoneme Segmental C1a C2a C 1 C 2 a C1 C2 Ca V C V C V Ca X C C X Ca C a C Silbenschrift Im Silbenzeichen Ca entfallt der inharente Vokal wenn es mit anderen Syllabogrammen oder einem Vokaldiakritikum kombiniert wird Segmentalschrift Das Konsonantenzeichen C erhalt einen impliziten Vokal wenn es nicht mit anderen Konsonanten oder einem Vokaldiakritikum kombiniert wird Viele Schriftsysteme mit Buchstabenschriften haben ebenfalls einen kleinen syllabischen Anteil indem bei der Worttrennung mit dem nur dann am Zeilenende sichtbaren Strich eine Trennung nur nach vollstandigen Silben oder Morphemen erfolgen kann Silbentrennung Beispiele BearbeitenFolgende Schriften sind Silbenschriften Vai Schrift Kypro Minoische Schrift Kyprische Schrift Kpelle Schrift Linear A Linear BSiehe auch Devanagari fur eine Abgrenzung zur Silbenschrift Siehe auch BearbeitenSchriftlinguistikLiteratur BearbeitenChrista Durscheid Einfuhrung in die Schriftlinguistik 3 uberarbeitete und erganzte Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2006 ISBN 3 525 26516 6 Dieses Lehrbuch geht auch auf mehrere Silbenschriften ein Harald Haarmann Universalgeschichte der Schrift Campus Frankfurt am Main New York 1990 ISBN 3 593 34346 0 Dieses Handbuch geht auch auf mehrere Silbenschriften ein Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Silbenschrift Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Viktoria Eschbach Szabo Speech perception across languages and writing systems Lessons for Japanese as Foreign Language from a commercial research project In Patrick Heinrich Yuko Sugita Hrsg Japanese as Foreign Language in the Age of Globalization Iudicum Munchen 2008 ISBN 978 3 89129 854 1 S 87 94 Normdaten Sachbegriff GND 4138731 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Silbenschrift amp oldid 235426339