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Bei selbstwechselwirkender Dunkler Materie englisch self interacting dark matter abgekurzt SIDM handelt es sich um eine Alternative zu dem Standardmodell der kalten Dunklen Materie CDM Fur SIDM wird angenommen dass die Dunkle Materie DM aus Elementarteilchen besteht die miteinander nicht nur gravitativ sondern noch durch eine weitere Kraft wechselwirken Unerheblich ist ob es eine Wechselwirkung mit baryonischer Materie bzw Teilchen des Standardmodells gibt Entsprechend handelt es sich bei SIDM um einen Sammelbegriff fur verschiedene Teilchenphysikmodelle fur Dunkle Materie SIDM ist aus astrophysikalischer Perspektive interessant da sie Probleme des LCDM Modells auf kosmologisch kleinen Skalen losen oder zumindest abmildern kann und damit Beobachtungen potentiell besser erklaren kann als CDM 1 Dunkle Materie mit Selbstwechselwirkung wurde von David N Spergel und Paul J Steinhardt vorgeschlagen um das Core Cusp Problem und das Missing Satellites Problem zu losen 2 Nach dem heutigen Stand der Forschung ist es aber zweifelhaft ob es uberhaupt ein Missing Satellites Problem gibt also ob es wirklich weniger Satellitengalaxien gibt als von CDM vorhersagt Im Gegenteil konnte es sogar sein dass mehr Satelliten existieren 3 Es gibt noch weitere Probleme auf kosmologisch kleinen Skalen die SIDM interessant erscheinen lassen dazu gehort das Diversity Problem 4 das die Verteilung von Rotationskurven von Galaxien betrifft sowie das Too big to fail Problem 5 dass auch zu wenig grosse Satellitengalaxien beobachtet werden deren Fehlen nicht durch andere nicht SDIM Losungen des Missing Satellites Problems erklart werden kann Es existiert eine Reihe von Teilchenmodellen fur SIDM hierzu zahlen Self coupled scalar Modelle Light mediator Modelle Strongly interacting dark matter Dark atoms sowie SIDM Modelle mit einem Anregungszustand In der Forschung wurde bisher vor allem die Phanomenologie von Modellen mit einem isotropen Wechselwirkungsquerschnitt der von der Relativgeschwindigkeit der Streupartner unabhangig ist untersucht Hierbei war haufig das Ziel herauszufinden wie stark die Selbstwechselwirkung sein muss bzw sein darf um astronomische Beobachtungen erklaren zu konnen Um den totalen Wechselwirkungsquerschnitt zu bestimmen bzw den Bereich der aufgrund von Beobachtungen erlaubt ist einzugrenzen werden unter anderem die Dichteprofile oder Rotationskurven von DM Halos verwendet Die Streuung zwischen den DM Teilchen kann zu einer geringeren Dichte im Zentrum eines Halos fuhren Die Selbstwechselwirkung bewirkt einem Warmetransport ins Zentrum des Halos womit dort die Geschwindigkeitsdispersion zunimmt und die Dichte abfallt Dieser Prozess ist auch von Kugelsternhaufen bekannt allerdings in diesem Fall durch die Gravitation bedingt Wie stark dieser Effekt fur SIDM Halos ist hangt davon ab wie stark die Selbstwechselwirkung ist 6 Beobachtungen BearbeitenEs gibt eine Reihe von Beobachtungen die verwendet werden um obere Schranken fur die Starke der Selbstwechselwirkung von DM zu finden Von Interesse sind Beobachtungen die Ruckschlusse auf die Massenverteilung in DM Halos zulassen Eine Selbstwechselwirkung von DM wurde Energie in die Zentren der DM Halos transportieren und dies hatte zur Folge dass sich die Dichte im Zentrum der Halos reduziert Bei Galaxien kann die Dichteverteilung durch das Messen von Rotationskurven ermittelt werden und so wiederum Ruckschlusse auf die Starke einer moglichen Selbstwechselwirkung von DM gezogen werden 7 Bei Galaxienhaufen hingegen werden Beobachtungen mittels des starken Gravitationslinseneffekts verwendet um die Dichte in Nahe des Zentrums zu untersuchen 8 Solche Beobachtungen weisen darauf hin dass die Selbstwechselwirkung in massereichen Systemen wie Galaxienhaufen schwacher sein sollte als in massearmeren Systemen wie Zwerggalaxien Dies konnte mithilfe eines geschwindigkeitsabhangigem Wechselwirkungsquerschnitts erklart werden Auch von Interesse sind Verschmelzungen von Galaxienhaufen wie dem Bullet Cluster 9 Wenn zwei Galaxienhaufen durcheinander hindurchfliegen kann die DM durch die Selbstwechselwirkung abgebremst werden wohingegen die Galaxien davon nicht beeinflusst sind Folglich kann es zu einem Versatz zwischen der DM und den Galaxien kommen etwas was man nicht erwarten wurde wenn DM kollisionsfrei ist Wie gross der Versatz ist hangt stark davon ab wie anisotrop der differentielle Wechselwirkungsquerschnitt ist 10 11 12 13 Modellierung BearbeitenUm den Einfluss auf von SIDM auf astrophysikalische Systeme wie Galaxien und Galaxienhaufen oder auch deren Verschmelzung zu modellieren gibt es verschiedenen Methoden Einige davon beruhen auf vereinfachenden Annahmen sodass sie fur nichtlineare Probleme wie die Verschmelzung von Galaxien oder die kosmologische Strukturentstehung nicht anwendbar sind Fur solche Probleme kann man auf N Korper Simulationen zuruckgreifen Die heute eingesetzten Verfahren um SIDM innerhalb einer N Korper Simulation zu beschreiben gehen fast alle auf ein numerisches Schema das von Andreas Burkert entwickelt wurde zuruck 14 Um die Streuung der DM Teilchen zu simulieren interagieren die numerischen Auflosungselemente miteinander analog zu der Streuung von den physikalischen Teilchen Dieses Verfahren ist allerdings kaum noch anwendbar wenn der Wechselwirkungsquerschnitt sehr anisotrop ist insbesondere wenn der totale Wechselwirkungsquerschnitt divergiert da dann sehr viele Interaktionen simuliert werden mussten Fur solche DM Modelle die auch als haufig selbstwechselwirkende Dunkle Materie bezeichnet werden wurde ein eigenes Verfahren entwickelt 12 Einzelnachweise Bearbeiten Sean Tulin Hai Bo Yu Dark matter self interactions and small scale structure In Physics Reports Band 730 5 Februar 2018 ISSN 0370 1573 S 1 57 doi 10 1016 j physrep 2017 11 004 David N Spergel Paul J Steinhardt Observational Evidence for Self Interacting Cold Dark Matter In Physical Review Letters Band 84 Nr 17 24 April 2000 ISSN 0031 9007 S 3760 3763 doi 10 1103 PhysRevLett 84 3760 aps org abgerufen am 10 Mai 2022 Stacy Y Kim Annika H G Peter Jonathan R Hargis Missing Satellites Problem Completeness Corrections to the Number of Satellite Galaxies in the Milky Way are Consistent with Cold Dark Matter Predictions In Physical Review Letters Band 121 Nr 21 21 November 2018 ISSN 0031 9007 S 211302 doi 10 1103 PhysRevLett 121 211302 aps org abgerufen am 10 Mai 2022 Ayuki Kamada Manoj Kaplinghat Andrew B Pace Hai Bo Yu Self Interacting Dark Matter Can Explain Diverse Galactic Rotation Curves In Phys Rev Lett Band 119 2017 S 111102 doi 10 1103 PhysRevLett 119 111102 englisch Mauro Valli Hai Bo Yu Dark matter self interactions from the internal dynamics of dwarf spheroidals In Nature Astronomy Band 2 2018 S 907 912 doi 10 1038 s41550 018 0560 7 englisch Romeel Dave David N Spergel Paul J Steinhardt Benjamin D Wandelt Halo Properties in Cosmological Simulations of Self interacting Cold Dark Matter In The Astrophysical Journal Band 547 Nr 2 Februar 2001 ISSN 0004 637X S 574 589 doi 10 1086 318417 iop org abgerufen am 19 Mai 2022 Manoj Kaplinghat Sean Tulin Hai Bo Yu Dark Matter Halos as Particle Colliders Unified Solution to Small Scale Structure Puzzles from Dwarfs to Clusters In Physical Review Letters Band 116 Nr 4 28 Januar 2016 ISSN 0031 9007 S 041302 doi 10 1103 PhysRevLett 116 041302 aps org abgerufen am 16 Mai 2022 Laura Sagunski Sophia Gad Nasr Brian Colquhoun Andrew Robertson Sean Tulin Velocity dependent self interacting dark matter from groups and clusters of galaxies In Journal of Cosmology and Astroparticle Physics Band 2021 Nr 01 14 Januar 2021 ISSN 1475 7516 S 024 024 doi 10 1088 1475 7516 2021 01 024 iop org abgerufen am 16 Mai 2022 Andrew Robertson Richard Massey Vincent Eke What does the Bullet Cluster tell us about self interacting dark matter In Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Band 465 Nr 1 11 Februar 2017 ISSN 0035 8711 S 569 587 doi 10 1093 mnras stw2670 oup com abgerufen am 16 Mai 2022 Felix Kahlhoefer Kai Schmidt Hoberg Mads T Frandsen Subir Sarkar Colliding clusters and dark matter self interactions In Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Band 437 Nr 3 21 Januar 2014 ISSN 0035 8711 S 2865 2881 doi 10 1093 mnras stt2097 oup com abgerufen am 16 Mai 2022 Andrew Robertson Richard Massey Vincent Eke Cosmic particle colliders simulations of self interacting dark matter with anisotropic scattering In Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Band 467 Nr 4 1 Juni 2017 ISSN 0035 8711 S 4719 4730 doi 10 1093 mnras stx463 oup com abgerufen am 16 Mai 2022 a b Moritz S Fischer Marcus Bruggen Kai Schmidt Hoberg Klaus Dolag Felix Kahlhoefer N body simulations of dark matter with frequent self interactions In Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Band 505 Nr 1 29 Mai 2021 ISSN 0035 8711 S 851 868 doi 10 1093 mnras stab1198 oup com abgerufen am 16 Mai 2022 Moritz S Fischer Marcus Bruggen Kai Schmidt Hoberg Klaus Dolag Antonio Ragagnin Unequal mass mergers of dark matter haloes with rare and frequent self interactions In Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Band 510 Nr 3 14 Januar 2022 ISSN 0035 8711 S 4080 4099 doi 10 1093 mnras stab3544 oup com abgerufen am 16 Mai 2022 Andreas Burkert The Structure and Evolution of Weakly Self interacting Cold Dark Matter Halos In The Astrophysical Journal Band 534 Nr 2 10 Mai 2000 S L143 L146 doi 10 1086 312674 iop org abgerufen am 19 Mai 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Selbstwechselwirkende Dunkle Materie amp oldid 231338619