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Roca Vecchia auch Roca oder Rocaveccia ist der Name eines archaologischen Fundorts der nur wenige hundert Meter sudlich der modernen Ortschaft und Fraktion Roca Vecchia die zur Gemeinde Melendugno gehort und knapp 8 Kilometer ostlich vom Stadtzentrum Melendugnos in der italienischen Provinz Lecce in Apulien liegt Der Fundort Roca Vecchia umfasst vor allem eine mehrphasige befestigte Siedlung die trotz mehrerer Zerstorungen vom 17 16 Jahrhundert v Chr bis in die fruhe Eisenzeit bis zum fruhen 7 Jahrhundert v Chr kontinuierlich bewohnt war und vom 13 bis zum 11 Jahrhundert wahrscheinlich auch einen mykenisch griechischen Bevolkerungsanteil hatte Einzigartig ist die sehr hohe Anzahl sowohl einheimischer als auch importierter Tongefasse die bei den Ausgrabungen in Roca Vecchia ans Licht kamen Auch die bereits wahrend der mittleren Bronzezeit errichtete sehr massive Wehrmauer sucht in der Region ihres gleichen Im Mittelalter und in der Renaissance wurde das Areal teilweise uberbaut Unweit davon befindet sich eine Hohle die Grotta della Poesia in der sich Spuren vorgeschichtlicher und antiker Kulthandlungen fanden insbesondere tausende von Felsinschriften zeichnungen oder einritzungen aus dem 3 Jahrtausend v Chr bis in die Zeit der romischen Republik darunter hunderte messapische Graffiti In der Umgebung wurden ferner Reste vorgeschichtlicher und antiker Nekropolen entdeckt Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Forschungsgeschichte 3 Mittlere Bronzezeit 4 Spate Bronzezeit 5 Endbronzezeit und fruhe Eisenzeit 6 Grotta della Poesia 7 Literatur 8 Weblinks 9 AnmerkungenLage BearbeitenDie Ausgrabungsstatte liegt wenige hundert Meter sudostlich des modernen Orts auf einer heute annahernd kreisformigen ins Meer ragenden Halbinsel Durch Erosion hat sich die Grosse der Halbinsel seit der Antike verringert Die Siedlung erstreckte sich wahrend der Bronzezeit uber eine Flache von mindestens funf Hektar 1 Westlich davon befand sich sehr wahrscheinlich eine weitlaufige Lagune so dass man sich der Siedlung nur von Sudsudwesten her nahern konnte 2 Der naturlich gut geschutzte Ort wurde zusatzlich stets landeinwarts mit einer imposanten Wehrmauer befestigt Forschungsgeschichte BearbeitenBereits der Humanist Antonio De Ferrariis berichtet in seinem 1510 11 verfassten 3 Werk De situ Japigiae 4 von einer antiken Siedlung unter einer durch Walter VI von Brienne Mitte des 14 Jahrhunderts erbauten und Rocca genannten Festung Die ersten systematischen Ausgrabungen wurden durch Guglielmo Paladini 1928 1932 durchgefuhrt bei denen unter anderem hellenistische Mauern aus dem 4 3 Jahrhundert v Chr untersucht wurden 1945 1950 fanden weitere archaologische Erforschungen des Orts und von Nekropolen in der Umgebung unter der Leitung von Mario Bernardini und Giovanna Delli Ponti statt 1981 wurde Roca Vecchia Bestandteil eines Projekts der Universitat Salento zur Erforschung der Region zwischen Otranto und San Cataldo seit 1987 wird dabei unter der Leitung von Cosimo Pagliara vor allem die Area Castello genannte Halbinsel mit der sich darauf erstreckenden Siedlung systematisch erforscht Mittlere Bronzezeit BearbeitenSchon die erste Siedlung die im 17 16 Jahrhundert v Chr entstand war zum Landesinneren hin durch eine mindestens 200 Meter lange sehr massive Wehrmauer geschutzt Mit einem Haupttor dessen Dicke bis zu 23 Metern betragt sowie mindestens funf Poternen Ausfalltore oder Nebentoren ist sie fur die italische mittlere Bronzezeit einzigartig findet in ihrer Monumentalitat nur Parallelen im ostlichen Mittelmeerraum und setzt ein hohes Mass sozialer und okonomischer Organisation voraus ohne die solche Bauten nicht hatten verwirklicht werden konnen Die Mauer wurde mehrfach restauriert und in der zweiten Siedlungsphase wurde zusatzlich ein in den Fels gehauener Graben geschaffen der 2 5 Meter breit und tief war und uber den eine Brucke aus Stein fuhrte Innerhalb des Haupttors und der Poternen befanden sich Gange und Innenraume deren Dach zuweilen sogar ein zweites Stockwerk durch machtige Holzbalken gestutzt wurden Die Raume konnten als Zufluchtsorte fur die Bevolkerung bei Belagerungen gedient haben worauf auch die Anordnung von verschiedenen Gefasstypen sowie Stein und Knochenwerkzeuge hinweisen die in einigen dieser Raume nachgewiesen werden konnte 5 In der dritten und letzten Phase wurde die mittelbronzezeitliche Siedlung durch einen Grossbrand vermutlich infolge einer Belagerung zerstort Die Dramatik dieses Ereignisses das in der zweiten Halfte des 15 oder zu Beginn des 14 Jahrhunderts stattfand zeigen sieben Skelette die in der Poterne C zusammen mit zahlreichen Gefassen entdeckt wurden die sieben Menschen ein Mann eine Frau zwei Jugendliche und drei Kinder starben an Rauchvergiftungen wahrend der Belagerung bei der ein Feuer ausbrach Erst nach ihrem Tod sturzte der Raum ein und begrub die Leichen Ein weiteres Opfer dieses Ereignisses durfte ein 18 20 jahriger Mann gewesen sein der in der Nahe des Haupttors starb sehr wahrscheinlich infolge von Stichverletzungen im Lendenbereich und spater beim Zusammenbruch unter Teilen des Tores begraben wurde In der Nahe der Uberreste dieses Mannes wurden ein Dolch agaischer Herkunft und ein Elfenbeinkopfchen das wahrscheinlich von einer orientalischen Pyxis stammt gefunden Ob der Dolch einem Angreifer oder Verteidiger gehorte und wie dieser an ein solch exklusives Stuck kam ist ungeklart 6 Bemerkenswert fur diese Periode ist ferner dass Roca Vecchia zu den wenigen Fundorten Apuliens zahlt fur die schon vor ca 1400 v Chr Kontakte mit Griechenland nachgewiesen werden konnten vor allem durch mykenische Gefassfragmente aus dem Spathelladikum II A und B 15 Jahrhundert nach traditioneller Chronologie die in den mittelbronzezeitlichen Schichten entdeckt wurden Spate Bronzezeit BearbeitenNach der Zerstorung der letzten mittelbronzezeitlichen Siedlung wurde diese schnell wieder aufgebaut und die Mauern nochmals verstarkt Dabei wurde ein neues Tor geschaffen Auffallend ist dass beim Errichten der Gebaude nun kaum noch Holz verwendet wurde dafur umso mehr Kalksteinblocke Ein weiterer Unterschied zur mittelbronzezeitlichen Siedlung ist der Verzicht auf kleinere Poternen in der Wehrmauer Die Siedlung weist Spuren von mehreren Brandkatastrophen auf Ferner ergaben die archaologischen Untersuchungen dass Roca Vecchia in jener Zeit gut strukturiert war mit Hauptstrassen sowie Vierteln fur Kulthandlungen und Vierteln fur spezialisierte Produktionsstatten Bei den Ausgrabungen wurden grosse Mengen lokaler Impastokeramik aber auch ein hoher Anteil mykenischer Keramik zu Tage gefordert Letztere datiert ins 13 und ins 12 Jahrhundert v Chr Perioden SH III B und III C und begegnet in einer Fulle unterschiedlicher Gefassformen Zu unterscheiden sind verschiedene offene Formen zum Genuss von Getranken und Speisen sowie geschlossene grosse Gefasse zum Transport oder Lagern von Gutern Bemerkenswert ist dass agaisch anmutende Keramik nun auch lokal produziert wurde neben sogenannter italo mykenischer Keramik auch grau polierte Ware und Gefassformen die bei der Impastokeramik bisher fremd waren Ferner wurden Spuren einer Vielzahl an Pflanzen und Tieren nachgewiesen die nicht nur Aufschlusse uber die Nahrungsgewohnheiten der Bevolkerung geben sondern auch uber die sonstige Nutzung tierischer Materialien die weiterverarbeitet wurden Endbronzezeit und fruhe Eisenzeit BearbeitenDie endbronzezeitlichen Schichten datieren ins 11 bis an den Anfang oder die Mitte des 10 Jahrhunderts v Chr Die Wehrmauer wurde wieder aufgebaut und neue Gebaude in der Siedlung entstanden Auffallend ist dass nun wesentlich mehr Holz verbaut wurde als in der vorangegangenen Periode Die Innenbebauung erfolgte sehr planmassig in rechtwinkligem Schema Jedoch war die Siedlung flachenmassig etwas kleiner Auch in dieser Phase reissen die Kontakte zu Griechenland nicht ab wie importierte Spat und Submykenische Keramik aus dem 11 Jahrhundert v Chr beweisen die zusammen mit einheimischer Impasto Ware und suditalisch protogeometrischer Keramik 7 fruher meist japygisch protogeometrisch genannt zu Tage trat In einem Raum der mit kultischen Handlungen in Zusammenhang gebracht wird sogenannter Huttentempel kamen zwei mutmassliche Horte ans Licht ein Gold und ein Bronzehort Unter den Fundstucken waren auch zwei goldene Sonnenscheiben 8 Auch nach einer Brandzerstorung im 10 Jahrhundert v Chr wurde die Siedlung nicht verlassen sondern rasch wieder aufgebaut Die Wehranlage jedoch wurde nicht mehr restauriert aber auch nicht abgetragen Auch in dieser Periode der fruhen italischen Eisenzeit in der Roca Vecchia vom 10 bis ins 7 Jahrhundert v Chr bewohnt war hatte die Siedlung weiterhin strategisch wichtige Bedeutung Zwar sind fur die fruhen Phasen keine Kontakte mit Griechenland nachweisbar aber im 8 Jahrhundert bluhte der transadriatische Handel wieder auf wie Amphoren und andere hochwertige Gefasse zeigen die in Korinth oder Kerkyra hergestellt wurden Roca Vecchia durfte damals eine wichtige Zwischenstation des vor und fruhkolonialen Handels mit anderen Regionen Italiens und Siziliens gewesen sein Auffallend sind auch starke Anzeichen fur kultische Handlungen und Bestattungs Rituale vor allem in der Nahe der zerfallenden bronzezeitlichen Wehrmauer Die Ausgraber vermuten einen Kult der Ruinen oder der alten Erinnerung Grotta della Poesia Bearbeiten nbsp Grotta della PoesiaUnweit der vorgeschichtlichen Siedlung befindet sich die Grotta della Poesia eine ellipsenformige Hohle fur die ab der Jungsteinzeit menschliche Aktivitaten belegt sind Ihr Name leitet sich vom mittelgriechischen Posis ab das Bezug auf eine fruher hier vorhandene Trinkwasserquelle nimmt Wahrend heute der Zugang und Teile der Hohle unter Wasser stehen waren diese in fruheren Zeiten trocken Auch ist das Dach der Hohle nach der Antike eingesturzt Die Hohle wurde uber einen sehr langen Zeitraum zu kultischen Zwecken genutzt wovon unter anderem zahlreiche Felsmalereien und Graffiti zeugen Die altesten allerdings auch am schlechtesten erhaltenen Spuren stammen aus dem Neolithikum und zeigen Hande Fusse menschliche tierische oder auch abstrakte Motive Enge Parallelen dazu finden sich in der etwa 25 km entfernten Grotta dei Cervi bei Porto Badisco Gemeinde Otranto Ferner fanden sich in der Hohle zahlreiche Inschriften und Graffiti aus dem 4 bis spaten 2 Jahrhundert v Chr Sie sind teils in Messapisch teils in Latein geschrieben eine Inschrift ist altgriechisch Diese Votiv Inschriften zeugen von der Verehrung der einheimischen Gottheit Thaotor Andirahas bzw Latein Tutor Andraios und stammen von Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft Literatur BearbeitenRiccardo Guglielmino Roca Vecchia Lecce New Evidence for Aegean Contacts with Apulia During the Late Bronze Age Accordia Research Papers 10 2006 S 87 102 Teodoro Scarano Refuge or dwelling place The MBA fortification wall of Roca Lecce Italy the spatial and functional analysis of postern C Rivista di Scienze Preistoriche 61 2012 S 95 122 Teodoro Scarano Die Belagerung der bronzezeitlichen Befestigung von Roca Vecchia In Harald Meller Michael Schefzik Hrsg Krieg Eine archaologische Spurensuche Begleitband zur Sonderausstellung im vorgeschichtlichen Museum Halle Saale 6 November 2015 bis 22 Mai 2016 Theiss Halle Saale 2015 S 309 311 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Roca Vecchia Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Melendugno Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Berichte uber die Ausgrabungen auf den Seiten der Universitat Salento Informationen zur Fraktion Roca VecchiaAnmerkungen Bearbeiten Teodoro Scarano Refuge or dwelling place The MBA fortification wall of Roca Lecce Italy the spatial and functional analysis of postern C Rivista di Scienze Preistoriche 61 2012 S 95 Reinhard Jung XRONOLOGIA COMPARATA Vergleichende Chronologie von Sudgriechenland und Suditalien von ca 1700 1600 bis 1000 v u Z Wien 2006 S 94 Angelo Romano De Ferrariis Antonio Dizionario Biografico degli Italiani 33 1987 online bei Treccani it Alteste erhaltene Ausgabe gedruckt in Basel 1558 Teodoro Scarano Refuge or dwelling place The MBA fortification wall of Roca Lecce Italy the spatial and functional analysis of postern C Rivista di Scienze Preistoriche 61 2012 S 100ff Teodoro Scarano Giovanna Maggiulli The golden sun discs from Roca Vecchia Lecce Italy archaeological and cultural context in Harald Meller Roberto Risch Ernst Pernicka Hrsg Metalle der Macht Fruhes Gold und Silber Metals of power Early gold and silver Tagungen des Landesmuseums fur Vorgeschichte Halle Band 11 II 2014 S 508 Francesco Iacono The Archaeology of Late Bronze Age Interaction and Mobility at the Gates of Europe People Things and Networks around the Southern Adriatic Sea Bloomsbury Publishing 2018 S 176f Hierzu ausfuhrlich Teodoro Scarano Giovanna Maggiulli The golden sun discs from Roca Vecchia Lecce Italy archaeological and cultural context in Harald Meller Roberto Risch Ernst Pernicka Hrsg 1 Metalle der Macht Fruhes Gold und Silber Metals of power Early gold and silver Tagungen des Landesmuseums fur Vorgeschichte Halle Band 11 II 2014 S 505 526 40 287777777778 18 426666666667 Koordinaten 40 17 16 N 18 25 36 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Roca Vecchia amp oldid 229074800